Der alte Bürgerschaftspräsident ist auch der neue: Egbert Liskow (CDU) ist gestern in der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft erneut in das Amt der Präsidenten gewählt worden. Er erhielt allerdings nur 22 Stimmen der insgesamt 43 Bürgerschafts-Mitglieder. Da es eigentlich den Konventionen entspricht, dass der von der stärksten Fraktion vorgeschlagene Präsidentschaftskandidat mit den Stimmen aller Fraktionen gewählt wird, kann man die Nein-Stimmen entweder als undemokratisch ansehen oder aber an der Person Liskows zweifeln.
Insbesondere die Grünen hatten die Nominierung Liskows im Vorfeld angegriffen (webMoritz berichtete). Die CDU stellte ihn dennoch auf. Axel Hochschild begründete, Liskow habe seine Sache bisher gut gemacht und sei der richtige Mann für dieses Amt. Liskow sagte nach seiner Wahl, er wolle „der Präsident aller Bürgerschaftsmitglieder“ sein.
Die Wahlergebnisse der beiden Stellvertreter fielen besser aus: Birgit Socher (Linke), bereits seit 20 Jahren Bürgerschaftsmitglied, wurde mit 28 Stimmen gewählt, Bürgerschafts-Neuling Prof. Wolfgang Joecks (SPD) erhielt sogar 30 der 43 Stimmen. Er ist der einzige personelle Wechsel im Präsidium.
Die Sitzung war zuvor von Alterspräsident Klaus Heiden eröffnet worden, der als Kandidat der Freien Wähler ins Stadtparlament gewählt worden war. Heiden, der in den letzten Jahren für Die Linke als sachkundiger Bürger in Ausschüssen tätig war, fiel es unter anderem zu, die Abstimmung zu leiten, in der die Bürgerschaft die Kommunalwahlen für rechtmäßig erklären musste.
Kritik am Stadtwahlleiter
Hierzu hatte sich Oberbürgermeister und Stadtwahlleiter Dr. Arthur König für den Ablauf der Wahlen zu rechtfertigen. In seinem Bericht führte er aus, diese seien soweit korrekt abgelaufen, lediglich in einem Wahlbüro seien anfangs falsche Stimmzettel ausgegeben worden. Dieser Vorfall habe allerdings glimpflich behoben werden können.
Dennoch gab es an Königs Bericht, der anschließend nahezu einstimmig akzeptiert wurde, auch Kritk: Peter Multhauf, das wohl streitbarste Mitgleid der Fraktion der Linken, kritisierte wie auch schon im Vorfeld der Wahlen wortreich, dass König als Stadtwahlleiter eigentlich ein Unding sei, da er Werbung für die CDU gemacht habe, obwohl er das als Stadtwahlleiter nicht dürfe. Außerdem sei ihm kein anderer Fall bekannt, in dem der Stadtwahlleiter gleichzeitig der Oberbürgermeister sei. Auch die Grünen hatten Königs Doppel- oder Dreifach-Funktion kritisiert.
Dem webMoritz gegenüber war aber bisher niemand der Kritiker in der Lage, eine rechtliche Besitmmung vorzulegen, gegen die König verstoßen haben soll. Außerdem bleibt unklar, warum gegen einen angeblich so schwerwiegenden Verstoß nicht juristisch vorgegangen wird.
Klaus Heiden schnitt Multhauf dann auch in überraschend unfreundlicher Art und Weise das Wort ab: Er forderte ihn mehrfach auf, sich mit seinen Ausführungen zu beeilen und wies anschließend die Technik an, ihm das Mikrofon abzustellen. Mutlhauf äußerte sich im Verlauf des Tages noch mehrfach. Bei einer seiner ersten Wortmeldungen war aus den Reihen der CDU-Fraktion ein laut vernehmbares „Geht das schon wieder los?“ zu vernehmen. Als Dr. Thomas Meyer im Namen der Fraktion der Bürgerliste einen Antrag stellte, die Neumitglieder auf Stasi-Mitarbeit überprüfen zu lassen und in diesem Kontext von „60 Jahren totalitären Diktatur in Ostdeutschland“ sprach, rief Mutlhauf: „Pfui!“
Für kurzfristige Schwierigkeiten sorgte ein fehlender Sitz für Klaus Heiden, nachdem Liskow zum Präsidenten gewählt worden war: Heiden setze sich zunächst auf dessen leergewordenen Stuhl inmitten der CDU-Fraktion und zog nach der Wahl Birgit Sochers auf deren Platz zwischen der Linke-Fraktion und der Grünen-Fraktion um. Das habe weniger politische Gründe gehabt als den Gepflogenheiten genügt, sagte Heiden gegenüber dem webMoritz. Er habe einfach nicht mitten in der CDU-Fraktion sitzen wollen.
Auf der konstituierenden Sitzung der Bürgerschaft ging es anschließend vor allem um Formalia. Weitere Informationen zur Sitzung gibt es in der Ostsee-Zeitung sowie auf dem Blog der Grünen (hier und hier).
Ich glaube inzwischen, Ihr baut die falschen Zahlen nur für mich ein. Birgit Socher hat 28 Stimmen erhalten. Der Fehler im gestrigen Beitrag 22 Rechts+22 Links+1 Heiden=43 harrt wohl auch noch der Berichtigung.
Danke für den Hinweis, beide Fehler sind jetzt korrigiert.
22 = CDU + FDP+ BG + FW…
Jetzt kann zwar spekuliert werden, ob dieses Bündnis wirklich stand oder ob Liskow mal wieder Stimmen aus der SPD bekommen hat. Diesem hätte mensch aber aus dem Weg gehen können, wenn es einen Gegenkandidaten zu Liskow gegeben hätte, der auch für Heiden akzeptabel gewesen wäre….
Ich glaube die erste Rechnung ist eine Beleidigung für Klaus Heiden. Oder besser ich lege meinen Hand ins ….
Bitte vor Kommentierung noch mal die gestrige Diskussion durchlesen:
"Kommunalpolitik: Was sich seit der Wahl getan hat".
Oder ob ist richtig, denn der SPD ist erst einmal nicht mehr zu helfen.
Ich glaube die erste Rechnung ist eine Beleidigung für Klaus Heiden. Oder besser ich lege meine Hand ins ….
Bitte vor Kommentierung noch mal die gestrige Diskussion durchlesen:
"Kommunalpolitik: Was sich seit der Wahl getan hat".
Oder ob ist richtig, denn der SPD ist erst einmal nicht mehr zu helfen.
Liskow bekam 22+3 Stimmen eigentlich. 3 Liskow-Stimmen wurden jedoch als ungültig gewertet, da sie statt mit "ja" mit einem hierfür nicht vorgesehenen Kreuz abgegeben wurden. Erst für die nachfolgenden Wahlen wurde auf die korrekte Abstimmweise aufmerksam gemacht.
Jetzt wird es lustig! Wenn die Schwarzen und ihre Sympathisanten nicht einmal ihre eigenen Stimmzettel richtig interpretieren können, sollten sie sich nicht um ein Mandat in der Bürgerschaft bewerben. Also nehmen wir doch besser an, dass es sich um eine bewusste Ablehnung handelte, die auf diese Weise kundgetan wurde.
Übrigens, das Verfahren der Abstimmung ist vor der Wahl eindeutig erläutert worden. Auch ich habe es als Besucher verstanden.
Suche den Verräter:
http://www.spd-greifswald.de/fraktion.html
Also von den Profilbeschreibungen her, tippe ich auf Norbert Braun:
"Ich will unsere Region mit Ruhe und Konsequenz wirtschaftlich voran bringen. Mehr Handeln als Reden, daran kann man mich gerne messen."
Was gibt's zu gewinnen?
Diese Variante klingt wahrscheinlich, in den SPD-Nachrichten findet sich unter "Sozialdemokraten zur Wahl breit aufgestellt" folgende Aussage:
"Im Wahlbereich 2, der die südlichen Vorstädte Greifswalds und den Riems umfasst, wird der Chef der Riemser Arzneimittel AG, Norbert Braun auf Platz 1 der Liste stehen. „Wir freuen uns, dass wir mit Norbert Braun einen anerkannten Greifswalder Unternehmer gewinnen konnten, der unsere Wirtschaftskompetenz weiter stärken wird“, sagte hierzu der SPD-Fraktionsvorsitzende in der Greifswalder Bürgerschaft, Dr. Andreas Kerath."
Anscheinend hat sich die SPD damit selbst ein Kuckucksei ins Nest gelegt.
Nochmal zur Neutralitätspflicht des Wahlleiters: Da hatte ich mich ja schon in der damaligen Debatte geäußert. Du findest da keine Vorschrift, doch die Neutralitätspflicht ist allgemein anerkannt (Möglicherweise wegen des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl, dem Demokratieprinzip…?), zum Beispiel vom Bundesverwaltungsgericht, das eine Landratswahl ungültig erklärt hat, weil Bürgermeister Wahlaufrufe veröffentlicht haben . Es spricht von "die den Gemeinden und ihren Organen obliegende Neutralitätspflicht" (BVerwG, Urteil vom 18.04.1997 – 8 C 5/96 = NVwZ 1997, 1220).
Es ist für viele nicht einfach zu verstehen, dass es nicht für jeden Sachverhalt eine exakte Vorschrift geben muss, aber wir Konteinentaleuropäer haben es da noch wesentlich einfacher als die Bewohner angelsächsischer Länder.
Es ist für mich vor allem nicht einfach zu verstehen, dass ständig alle in dieser Angelegenheit rumstänkern, aber dass keiner Nägel mit Köpfen macht und Einspruch gegen die Wahl einlegt. Das finde ich peinlich.
Naja, dass hatte ich ja damals schon gesagt: Ganz sauber war das nicht von Herrn König, aber für ne Anfechtung reicht das nicht… Ich stimme dir aber zu, dass Multhauf gestern wohl vor allem rumstänkern wollte, um sein Rebellen-Image zu bestätigen.
GG Art. 20
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Irgendwann ist immer das erste mal. Die Frage ist jetzt was unter "besondere Organe" zu verstehen ist, warum sollte denn an König nicht mal ein Example statuiert werden, denn OB sind damit sicher nicht gemeint.
@Peter Madjarov
Verstehe ich nicht. Wenn die Angelegenheit nicht "ganz sauber" war, wird es wohl mindestens reichen, dass König dafür vonseiten der Judikative gerügt wird, auch wenn die Wahl deswegen nicht für ungültig erklärt wird. Insofern bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass gegen die Doppelfunktion – so sie tatsächlich nicht "ganz sauber" war – rechtlich hätte vorgegangen werden müssen, wenn man sie denn kritisieren will…