Ein Kommentar von Gabriel Kords

Ach, was hatten wir uns alle doch auf die Zeit nach den Wahlen gefreut! Da würden die CDU-Politiker endlich wieder tun und lassen können, was sie wollten, ohne dass es jemand interessiert, könnte die OZ endlich wieder in Ruhe über Großmutters Gemüsebeet berichten, anstatt an investigativem Polit-Journalismus zu scheitern und die Grünen hätten sich in Ruhe dem Natur- und Umweltschutz widmen können, anstatt mit haarsträubender Wahlkampf-Rhetorik ihre  politische Umwelt zu be- und verschmutzen. Auch der webMoritz, hatten wir naiv gehofft, könne sich endlich wieder der Hochschulpolitik zuwenden. O, welch trügerischer Irrtum!

Denn es kam anders: Der Wahlkampf ging zu Wochenbeginn einfach weiter. Da ätzten die Grünen in Person von Michael Steiger Ulrich Rose am Montag in altbekannter Weise über die Ostsee-Zeitung, deren Wahlberichterstattung vom selben Tag in der Tat nicht gerade ein Glanzstück war. Das Lokalblättchen hatte nämlich eine äußerst unpräzise Hochrechnung von 22:17 Uhr unter dem Titel „So hat Greifswald gewählt“ veröffentlicht und überdies eine reichlich unrefklektierte Analyse des CDU-Ergebnisses produziert.

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Redaktionsgebäude der Ostseezeitung in der Joh.-Seb.-Bach-Straße

So weit, so normal. Was aber nicht normal war, war die Reaktion des OZ-Lokalchefs Reinhard Amler, der postwendend am Dienstag in der Kolummne „Guten Tag, liebe Leser!“ zurückschoss. Die Grünen könnten wohl nicht verlieren, spöttelte er, und bezichtigte sie gleich zwei Mal der „Hetze“ gegen CDU und Ostsee-Zeitung. Amlers Kommentar war gleich mehrfach verwerflich – warum, erläutert (wenn auch parteiisch) der Fleischervorstadtblog. Hinzu kommt noch: Der Terminus der „Hetze“ zählt nicht unbedingt zu dem Vokabular, dass man unbedarft verwenden sollte. Für den medieninteressierten Greifswalder dürfte Amlers Reaktion jedenfalls ein Novum gewesen sein, denn bis dato saß die OZ die meisten ihrer redaktionellen und journalistischen Fehler einfach aus, die Korrektur übernehmen schon seit langer Zeit andere für sie. So wurde auch das falsche „Wahlergebnis“ aus der Montags-Ausgabe in den Folgeausgaben nicht adäquat korrigiert. Auch die Grünen waren sichtlich verwundert über Amlers Reaktion und erwiderten sie dann gleich zweimal.

Wiewohl Amlers Antwort also zweifelhaft ist, entspringt sie doch mutmaßlich einem verständlichem Reflex – nämlich Ärger über den Grünen-Blog. Dort war nicht nur in den letzten Monaten regelmäßig gegen CDU und OZ quergeschossen worden (was nicht verwerflich und sogar nachvollziehbar ist), sondern dabei konsequent der falsche Ton gewählt worden (was eben doch verwerflich ist, unabhängig vom verfolgten Ziel). Dass Amler irgendwann der Kragen platze, war also nicht nur verständlich, sondern sogar berechtigt.

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Michael Steiger

Besonders auffällig waren die beinahe täglich erscheinenden Postillen des Michael Steiger, der bereits vor gut zwei Monaten den Grünen-Blog in die Schlagzeilen brachte, als er den Kultursenator Ulf Dembski (SPD) als „von CDU-Milben verseuchten Bettvorleger“ bezeichnete. Dafür musste sich Steiger entschuldigen, was er erst widerwillig und nur mehr oder weniger eindeutig tat.

Er bewies am Dienstag gleich wieder, dass er nicht zwischen sachlichen Vorwürfen und persönlichen Attacken unterscheiden kann, indem er Amler genüsslich an den DDR-Pranger stellte. Der Vorwurf ist berechtigt, die persönlichen Schmähungen sind es nicht.

Steiger, der am Sonntag übrigens nicht in die Bürgerschaft gewählt wurde, vertat sich regelmäßig mit seiner Wortwahl. Als besonders hässlich sind seine Tiraden gegen die CDU-Oberen herauszuheben, die sich von ihm allerhand Schmähungen gefallen lassen mussten, die defintiv nicht mehr ins Maß einer zivilisierten Ausdrucksweise passen. Exemplarisch sei hier auf diesen Artikel verwiesen. Dort wettert Steiger gegen „die schwarzen Demagogen“ und bringt einen Vergleich mit dem ehemaligen Chefpropagandisten des DDR-Fernsehens, Karl-Eduard von Schnitzler, („Sudel-Ede“) an, den er später auch noch einmal aufgriff. Das setzte sich so fort. Die CDU hieß fortwährend „schwarzer Block“ oder einfach nur „die Clique“.

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Der echte Carl-Eduard von Schnitzler ("Sudel-Ede")

Zweifelsfrei brachte Steiger mit seiner unermüdlichen Arbeit den ein oder anderen spannenden Sachverhalt zu Tage, etwa diesen hier (Steigers verbale Ausfälle sind im verlinkten Artikel aber ebenfalls nicht zu überlesen). Gleichzeitig instrumentalisierte er aber auch alles, was sich irgendwie gegen die CDU verwenden ließ. So war etwa sein  Kommentar zu Dr. Steffens (CDU) Interview mit dem webMoritz stark übertrieben, weil Steiger Zitate aus dem Zusammenhang riss oder sie falschen Personen zuordnete. Und daher war es auch unlauter, dass Steiger dem CDU-Spitzenkandidaten „billigsten Wahlkampf“ vorwarf, denn das kann er selbst ganz gut. Den Spitznamen „Sudel-Ede“ müsste er sich also ebenfalls gefallen lassen, besäße jemand die Unverfrorenheit, ihn damit zu belegen.

Inhalte zur eigenen Politik musste man in den letzten Wochen bei den Grünen ohnehin suchen wie die Stecknadel im Heuhaufen. Und wenn es dann doch welche gab, steckte oftmals wenig dahinter, wie der webMoritz eindrucksvoll feststellen musste, als wir um weitere Informationen bezüglich des Vorwurfes baten, der Förster im Uni-Wald schlage zu viel Holz. Was zunächst mit großem Getöse als illegal proklamiert worden war, stellte sich bereits bei einer vorsichtigen Nachfrage als allenfalls ökologisch fragwürdig heraus – und das auch nur gegründet auf eine Einzelmeinung. Nähere Recherchen des webMoritz stehen noch aus.

So bleibt festzuhalten, dass die Buhmänner der letzten Wochen eben nicht nur in Reihen der CDU und der Ostsee-Zeitung zu suchen gewesen sind, sondern durchaus auch bei anderen. Die Grünen hätten sicher gut daran getan, ihre mitunter spannenden Feststellungen in etwas sachlicherer Form zu publizieren und die fortwährenden persönlichen Attacken gegen Liskow, Hochschild, König und Co. zu unterlassen oder zumindest stark zu reduzieren.

Was abschließend relativierend eingeworfen werden muss: In der Bürgerschaft, die sich als Forum für politische Attacken eigentlich anbieten sollte, hatten die Oppositionsparteien in den letzten Jahren einen schweren Stand. Wer auch nur einmal miterlebt hat, wie unter dem nur mit Mühe als „Sitzungsleitung“ zu bezeichnenden Gestammel von Präsident Egbert Liskow Redner der Oppositionsparteien systematisch ignoriert oder zurechtgewiesen werden, während CDU-Mitglieder ihre Bürgerschaftskollegen seelenruhig diffarmieren können (was auch die anderen Präsidiumsmitglieder nicht im geringsten zu stören scheint), dem sträuben sich die Haare. Auch der ein oder andere DDR-Vergleich ist da wirklich nicht gänzlich unangebracht.

Bleibt abzuwarten, wie sich die Verhältnisse in der noch jungen Legislatur weiterentwickeln. Die Grünen wollen ihr Blog jedenfalls fortführen. Bleibt zu hoffen, dass der Ton sachlicher, die Vorwürfe profunder bewiesen und die Zahl der eigenen Inhalte steigen möge – denn dann (und nur dann!) wäre der Blog in der Tat eine dauerhafte Bereicherung für die Kommunalpolitik in dieser Stadt.

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