Am 7. Juni wählt Greifswald eine neue Bürgerschaft. Der webMoritz interviewt Vertreter aller Parteien und Wählergemeinschaften. Heute: Professor Dr. Manfred J. Matschke von der FDP.

webMoritz: Etwa 30% der Greifswalder sind Studenten oder Hochschul-Mitarbeiter. Welche Möglichkeiten, glauben Sie, hat die Bürgerschaft, etwas für diese Gruppe zu tun?

Prof. Manfred Matschke: Die Studenten und Hochschulmitarbeiter sind Teil der Bürger, soweit sie hier ihren Hauptwohnsitz haben, oder der Einwohner dieser Stadt, wenn sie hier mit Zweitwohnsitz oder gar nicht gemeldet, aber wohnhaft sind. Die Bürgerschaft als kommunale Selbstverwaltung berührt deren Interessen unmittelbar, sei es auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, von Sport und Freizeit, von Schule und Kindergärten als Eltern, auf dem Gebiet der kommunalen Gebühren, der Verkehrssituation, des Wohnumfelds, der Arbeits- und Ausbildungschancen und so weiter.

webMoritz: In welchen dieser Bereiche sehen Sie akute Probleme?

kommunalwahl-matschke-300x200-matschkeProf. Manfred Matschke: Ich bin bislang noch nicht so in die Kommunalpolitik involviert, als dass ich mich schon intensiver mit Einzelheiten beschäftigt habe. Das bitte ich zu berücksichtigen. Als Professor bin ich es gewohnt, mich zunächst mit einer Sache zu beschäftigen, mir so eine fundierte Meinung zu bilden und anschließend nach möglichst guten und umsetzbaren Lösungen zu suchen. Dies habe ich so auch bislang bei meinem kommunalpolitischen Engagement in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gemacht. Dies halte ich auch mit Blick auf Greifswald für den richtigen Weg. Auch weiß ich, dass wir hier keine Euros drucken können.

webMoritz: Greifswald hat zu wenig Wohnraum zu studentischen Preisen. Was kann die Stadt tun?

Prof. Manfred Matschke: Ich habe durch permanente Befragungen von Studenten seit 2002  einen sehr genauen Einblick in den Wohnraum für Studenten. 2005 habe ich eine umfangreiche Untersuchung zur Wohnsituation der Studenten beim Studentenwerk sowie bei den beiden großen Wohnungsgesellschaften WGG und WVG gemacht. Momentan läuft eine neue Untersuchung.

Knapp 5 Prozent hatten 2005 bis zu 20 qm Wohnfläche, 85 Prozent zwischen 20 und 50 qm und ca. 10 Prozent über 50 Quadratmeter pro Person zur Verfügung, legt man die Zahlen der großen Wohnungsgesellschaften zugrunde. Rund ein Fünftel aller in Greifswald wohnenden Studenten wohnt nach meinen Berechnungen bei WGG und WVG, zwei Drittel aber bei anderen privaten Wohnungsanbietern, der Rest beim Studentenwerk, knapp 10 Prozent, und sonstigen Studentenheimen oder – ein sehr kleiner Teil – in Verbindungshäusern.

Diese Zahlen belegen, dass die Kommune den Wohnungsmarkt nur sehr indirekt beeinflussen kann, etwa durch Ausweisung von Bebauungsflächen, durch zügige Bearbeitung von Bauanfragen und so weiter. Denn jeder Häuslebauer, der zur Miete wohnte, macht ja Wohnraum frei, der danach von Studenten genutzt werden könnte. Jeder, der ein altes Haus bewohnbar macht, schafft neuen möglichen Wohnraum für Studenten. Sehr begrenzt kann die Stadt über den Aufsichtsrat der WVG Einfluss auf deren Angebotspolitik nehmen. Studentischen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist eine vorrangige Aufgabe des Studentenwerks und damit des Landes. So etwas hat aber eine ellenlange Vorlaufzeit. Wer „bezahlbaren Wohnraum“ haben will, was das auch immer konkret heißen mag, muss für mehr Wohnungsangebote sorgen. Die Mietsituation und die Miethöhe hängen letztlich von Angebot und Nachfrage ab. Alles andere ist Ideologie.

WVG-Verkauf: „Nur Ideologen schließen etwas kategorisch aus.“

webMoritz: Apropos Wohnen: Wie stehen Sie und Ihre Partei zu einer möglichen Neuauflage des WVG-Verkaufs?

Prof. Manfred Matschke: Ich halte dies für ein abgelegtes Thema. Da gibt es einen breiten Konsens bei FDP-Mitgliedern in der Bürgerschaft wie im Kreisvorstand. Ich sehe momentan und in absehbarer Zeit kein wirtschaftliches Umfeld, in dem dies virulent werden könnte. Sich mit Irrealitäten zu befassen, ist nicht meine Art.

webMoritz: Aber kategorisch ausgeschlossen haben Sie einen Verkauf damit nicht.

Prof. Manfred Matschke: Nur Ideologen schließen etwas kategorisch aus. Ich sehe in den nächsten fünf Jahren kein Umfeld, in dem das möglich wäre, wenn nicht noch weitaus länger. In der kommenden Legislatur spielt das jedenfalls keine Rolle.

webMoritz: Thema Kultur und Soziales: Derzeit soll der KuS-Pass reformiert werden. Welche Veränderungen fordern Sie in diesem Bereich und wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

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Prof. Manfred Matschke: Ich verweise da auf die Positionen, die die FDP hinlänglich bekannt gemacht hat und die ich unterstütze. Was den KuS-Pass für Studenten im Hinblick auf den Erstwohnsitz angeht: Ich bin nicht der Meinung, dass dieser Pass motivierend für die Erstwohnsitznahme ist. Motivierend ist nur „BAT“ – Bar auf Tatze.

webMoritz: Die Schwimmbadpreise sind für Studenten unbezahlbar. Wollen Sie das ändern?

Prof. Manfred Matschke: Also zunächst einmal: Unser Schwimmbad ist ausgezeichnet. Ich kenne unterschiedliche Schwimmbäder: Das Greifswalder ist vom Angebot her wirklich sehr, sehr gut. In den USA habe ich für eine Non-Resident-Mitgliedschaft in einem Community Center wegen Nutzung des Schwimmbads über 100 Dollar Mitgliedsbeitrag letztlich für einen Monat gezahlt – kurz darauf war ich dann in Greifswald schwimmen und fand das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr angemessen. Kurz: Ich bin Ökonom und werde mir die Kalkulationen sorgfältig anschauen, um Spielräume für Preissenkungen zu erkennen. Denn öffentliche Dienstleistungen müssen so günstig wie möglich angeboten

werden. Der im Gespräch befindliche KUS-Preis von 5,20 € für Studenten scheint mir aber bereits in die richtige Richtung zu gehen.

Eine generelle Anmerkung in diesem Zusammenhang: Sie werden von mir keine „goldenen Berge“ versprochen bekommen. Das wirtschaftliche Umfeld ist alles andere als rosig – unabhängig von der Wirtschaftskrise. An einem Versprechungswettlauf beteilige ich mich nicht. Denn es ist gegenüber den Bürgern nicht ehrlich und auch nicht seriös, „goldene Berge“ zu versprechen.

„Kein politisches Theater um das Theater.“

webMoritz: Was halten Sie von der Kündigung des Gesellschaftervertrags der Theater Vorpommern GmbH? Wie soll in Zukunft das Theater finanziert werden, wo doch das Land angekündigt hat, die Zuschüsse drastisch zu kürzen?

Prof. Manfred Matschke: Ich will kein politisches Theater um das Theater. Der eingeschlagene Konfrontationskurs der CDU/SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft im Intendantenstreit musste so nicht sein. Greifswald ist das kulturelle Zentrum Vorpommerns. Das Theater Vorpommern ist dabei ein Aktivposten. Die FDP lehnt vor Ort wie landesweit die Vorstellungen der rot-schwarzen Landesregierung zu Zwangsfusionen ab. Der Status des kulturellen Zentrums verlangt nach einem leistungsfähigen Theater. Die Landespolitiker haben stets Geld für das, was sie wollen. Ich denke mit Zorn an den „Goldenen Zaun“ um Heiligendamm, der 12 Millionen gekostet hat, übrigens genau der Kürzungsbetrag, der durch Stellenstreichungen bei den Hochschulen eingesammelt werden soll.

webMoritz: Greifswald ist Deutschlands Fahrradhauptstadt. Das Radwegenetz ist aber seit Jahren ungenügend. Wann wird sich das verbessern?

Prof. Manfred Matschke: Ich nehme an, dass auch andere Städte dieses Prädikat für sich in Anspruch nehmen. Richtig ist jedoch, dass das Fahrrad ein wichtiges Verkehrsmittel in unserer Stadt ist. Ich bin 1994 erstmals in Greifswald gewesen und arbeite seit 1995 hier – und in diesen 15 Jahren hat sich die Stadt in einer Weise gewandelt, wie man sich das damals überhaupt nicht vorstellen konnte. Das gilt auch mit Blick auf die Bürgersteige und Radwege: Es hat sich verdammt viel getan! Aber ohne Zweifel: Das Radwegenetz muß weiter ausgebaut werden. Das ist die FDP-Position.

webMoritz: Aber warum stagniert der Ausbau der Radwege nun seit einigen Jahren?

Prof. Manfred Matschke: Ich weiß nicht, ob Ihre Einschätzung zutrifft. An unmittelbaren Gefahrenpunkten ist die Stadt im Sinne der Verkehrssicherungspflicht verpflichtet, diese zu beheben.  Da gibt es keinen politischen Spielraum. Im übrigen wird es sicher eine mir nicht bekannte Prioritätenliste geben. Freilich, das Geld ist knapp. Angesichts der geographischen Situation wird es in der Bürgerschaft im Übrigen keinen Dissens darüber geben.

ÖPNV: „Semesterticket wäre Zwangsticket“

webMoritz: Können Sie uns erklären, warum in Greifwald niemand das öffentliche Verkehrsnetz benutzt? Warum gibt es etwa keinen Nachtverkehr und kein Semesterticket?

Prof. Manfred Matschke: „Niemand“ ist sicher übertrieben. Mit einer Forderung nach einem Semesterticket sollte man vorsichtig sein, weil die Semestertickets, die ich kenne, Zwangstickets sind. Ob es sinnvoll ist, alle Studenten mit so einem Zwangsticket zu beglücken – auch die, die den ÖPNV nicht benutzen können, weil sie von außen reinkommen? Ich bin solchen Zwangsmaßnahmen gegenüber sehr kritisch. Ein Zwangsticket ist auch eine Studiengebühr!

Ich sehe nicht die Möglichkeit, den ÖPNV so weit auszubauen, dass man weitgehend auf die individuellen Verkehrsmittel verzichten könnte. Das ist sachlich wie finanziell nicht möglich. Konkret im Hinblick auf den Nachtverkehr ist es schwierig, herauszufinden, ob es Zentren gibt, die man im Nachtverkehr anbinden kann – denn eine flächendeckende Versorgung ist nachts nicht leistbar. Wenn man weiß, wie die Verkehre sind, sollte man prüfen, ob die Einführung von Sammeltaxen sinnvoll ist.

webMoritz: Greifswald ist derzeit vor allem Ziel für Tagestouristen – länger bleibt kaum jemand. Wie kann man das Angebot attraktiver gestalten?

Prof. Manfred Matschke: Ich finde das erst mal schon hervorragend, dass Greifswald ein attraktives Ziel für Tagestouristen ist. Mit Blick auf andere Orte, wo man meint, die Touristen seien da länger, wird man bei genauerem Hinsehen feststellen: Die Touristen bleiben auch da nicht viel länger. Die Leute halten sich nicht die ganze Zeit an ihrem Urlaubsort auf, sondern reisen in der Regel von dort aus durch die ganze Region. Von daher finde ich es überhaupt nicht bedrückend, dass Greifswald vorwiegend Tagestouristen hat. Auch die Konferenztouristen sind für Greifswald als Universitätsstadt bedeutsam.

webMoritz: Kurz und bündig: Was halten Sie und ihre Partei vom Kraftwerkneubau in Lubmin?

Prof. Manfred Matschke: Ich muß etwas ausholen. Ich war mehrere Jahre im Clausthaler Umwelttechnik-Institut der TU Clausthal verantwortlich für den Bereich Umweltrecht/Umweltökonomie. Ich habe hier in Greifswald die Pflichtveranstaltung „Betriebliche Umweltökonomie“ im BWL-Studiengang installiert. Ich stehe also dem Umweltschutzgedanken sehr aufgeschlossen gegenüber. In der Vorlesung habe ich den Studenten unter anderem beigebracht, dass das, was jetzt mit Blick auf das Kraftwerk in Lubmin abläuft, ein Genehmigungsverfahren nach Recht und Gesetz und nicht nach politischem Gusto, also keine politische Geschmackssache, ist. Denn ein Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt sind. Daher verwundert es mich schon, wenn insbesondere eine der Regierungsparteien massiven politischen Druck auf das Genehmigungsverfahren auszuüben versucht.

Ich habe die – für mich zu aufgeregte – öffentliche Diskussion bislang eher am Rande verfolgt.

Mein Einschätzung ist: Eine Genehmigung führt weder zum Aus für den Tourismus in der Region noch wird der Energiestandort Lubmin jemals wieder die Bedeutung für Greifswald erlangen, wie dies für das Kernkraftwerk tatsächlich der Fall gewesen ist. Im Übrigen vertraue ich dem rechtsstaatlichen Verfahren und übe mich daher in Gelassenheit.

Die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise ist das größte Umweltschutzprogramm – freilich ein ungeplantes, und alle sind eher unglücklich darüber. Deutschland ist weder im Positiven noch im Negativen der umweltbezogene Nabel der Welt. Dieser grüne Nationalismus ist mir so wie jeder Nationalismus höchst suspekt.

Wahlbeteiligung: „Bevölkerung hat Heilserwartung an Parteien“

webMoritz: Bei den letzten Wahlen gingen gerade mal 38% der Greifswalder an die Urnen. Liegt das an den Kandidaten oder den Parteien?

lebenslauf_prof_matschkeProf. Manfred Matschke: Das liegt weder an den Kandidaten noch an den Parteien – das wäre zu kurz gegriffen. Es liegt an einer gewissen Resignation der Bevölkerung, die meint, man könne nichts erreichen, gleichzeitig aber an Parteien Heilserwartungen gemäß dem Motto hat: „Alles muss von den Parteien für mich geregelt werden.“ Leider ist die Bereitschaft, sich selber einzubringen, sehr, sehr gering. Ich kenne dies bereits aus Westdeutschland. Man motzt eher, als dass man sich engagiert. Dies ist ein gefährlicher Trend, weil er die Demokratie zur leeren Hülle werden lässt.

Von daher glaube ich nicht, dass es an den Kandidaten liegt, schon deshalb nicht, weil die Leute sich meistens ja gar kein Bild von den Kandidaten machen.

Ich habe aber auch keinen Ansatz, wie man dieses Problem wirklich ändern kann, außer dass sich jeder selber einbringt.

webMoritz: Nur 50% der Studenten haben hier ihren Erstwohnsitz. Die Stadt verliert dadurch riesige Summen. Wieso wird nicht energischer für den Erstwohnsitz geworben?

Prof. Manfred Matschke: Ich selbst habe sehr viel dafür geworben, weil ich Fakten geliefert habe. Bereits 2002 und später bin ich mit meinen Ergebnissen beim Oberbürgermeister wie auch bei den Fraktionsvorsitzenden

gewesen, um sie davon zu überzeugen, ökonomische Anreize zur Erstwohnsitznahme zu setzen und die Pläne einer Zweitwohnungssteuer aufzugeben.

Ich habe mich dabei klar gegen die damalige Regelung ausgesprochen, eine Prämie von 150 € erst nachträglich zu geben, wenn ein Student zwei Jahre hier mit Erstwohnsitz gemeldet gewesen ist. Ich habe das auch in dem Sachstandsbericht 2003 geschrieben: „Die Anreizwirkung einer einmaligen und zudem nachträglichen Leistung dürfte sehr gering sein.“ Sie war es in der Tat, praktisch gleich null.

2003 konnte ich aufgrund meiner Studentenbefragungen zeigen, dass nur 28 Prozent der Erst- und Zweitsemester mit Erstwohnsitz gemeldet sind. Meine Befragungen aus dem Februar 2009 belegen, dass nun ca. zwei Drittel der Neuanfänger eines Jahres, also der Erst- und Zweitsemester, sich im letzten Jahr mit Hauptwohnsitz hier angemeldet haben. Aber sie zeigen auch, dass man über solche finanziellen Anreize nicht alle dazu bewegen wird. Man wird an eine Grenze stoßen, sie ist aber meines Erachtens noch nicht erreicht. Kommunalpolitisch ebenso wichtig ist aber, dass der Anteil der Tarnkappen-Studenten, die hier wohnen und nicht gemeldet sind, von einem Drittel auf ein Siebtel bei den Anfängern zurückgegangen ist.

Inzwischen haben sich seit 2005 7.841 Studenten die Umzugshilfe auszahlen lassen. Die Stadt hat also 1.176.150 € dafür ausgegeben. Aber bereits die erste Auszahlung von 354.300 € für 2.362 Empfänger von 150 € im Jahr 2005 führte zwei Jahre später, also im Jahr 2007 zu einem Einnahmenzufluss für die Stadt in Höhe von 1.553.877 €.  Übrigens hat diese kommunale Maßnahme auch segensreiche Wirkungen für das Land. Und interessant ist noch folgende Tatsache: Das Anmeldeverhalten der Studenten aus den alten und den neuen Bundesländern ist weitgehend gleich. Man kann also sagen: Die Studierendenschaft ist gesamtdeutsch.

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webMoritz: Greifswald hat hohe Schulden. Wie soll nun – nachdem der Verkauf der WVG gescheitert ist – das Geld wieder reinkommen und der Haushalt ausgeglichen werden?

Prof. Manfred Matschke: Dafür, dass die Stadt von den Schulden wegkommen muss, wird schon die Kommunalaufsicht sorgen, die macht notfalls Vorgaben. Das ist auch durchaus vernünftig, denn eins ist klar: Mit jeder Verschuldung wächst die Belastung mit Zinsen und  Tilgung. Und diese Zahlungen müssen über den normalen Haushalt erwirtschaftet werden. Anders ausgedrückt: Schulden führen zu Einschränkung der Verfügungsmasse im Verwaltungshaushalt und damit nachfolgend zu unmittelbaren Einschränkung auf Vorhaben im kulturellen Bereich, im sozialen Bereich und so weiter. Ich bin nicht der Meinung, dass es keine Verschuldungsmöglichkeiten für die Kommune geben sollte. Aber man muss die Schulden im Griff haben, um handlungsfähig zu bleiben.

webMoritz: Und was sind nun die Alternativen zum WVG-Verkauf, der ja die Schulden tilgen sollte?

Prof. Manfred Matschke: Ich sehe solche, aber ich halte es nicht für angebracht, jetzt darüber öffentlich zu sprechen, zumal ich auch noch weitere interne Informationen benötige. Schuldentilgung ist auch ohne Anteilsverkauf möglich, wenngleich zeitlich gestreckt.

Ablehnung der Dienstzeit-Verlängerung als „schäbiger Racheakt“?

webMoritz: Hat es Sie mitgenommen, dass Sie im Oktober Ihren Lehrstuhl abgeben mussten?

Prof. Manfred Matschke: Viele haben die Entscheidung als einen schäbigen Racheakt empfunden. Ich habe keine Veranlassung, diesem Eindruck zu widersprechen.

webMoritz: Und tauschen Sie nun den Platz als Senatsvorsitzender gegen ein Bürgerschaftsmandat?

Prof. Manfred Matschke: Nein. Das sind zwei ganz verschiedene Funktionen. Ich wäre auch zur Kommunalwahl angetreten, wenn ich weiterhin Senatsvorsitzender und aktiver Hochschulprofessor geblieben wäre. Ich hatte schon länger vor, bei dieser Kommunalwahl zu kandidieren.

webMoritz: Warum sieht man bisher eigentlich nur Herrn Ratjen auf Plakaten?

Prof. Manfred Matschke: Ich habe kein Problem damit. Er hat das selbst finanziert, und ich wünsche ihm, dass er überall die meisten Stimmen zieht und dass mit seinen Stimmen fünf FDP-Kandidaten in den Rat einziehen. Denn eins ist sicher (schmunzelt): Es wird nur maximal ein Ratjen in der Bürgerschaft sitzen. Im bescheidenen Maße wird auch die FDP noch plakatieren.

webMoritz: Die FDP hatte bei den letzten Wahlen nicht mal Fraktionsstärke. Da gilt es ja, einiges aufzuholen dieses Mal.

Prof. Manfred Matschke: Das stimmt.  Aber unabhängig von den Sitzen in der Bürgerschaft  ist die FDP In Greifswald eigentlich sehr gut aufgestellt, vor allem was die Altersstruktur angeht. Im übrigen: 1986 war ich der einzige FDP-Ratsherr im Oberharz, 1991 hatte die FDP elf Ratsmandate, wovon drei auf mich entfielen: Bergstadt Clausthal-Zellerfeld, Samtgemeinde Oberharz und Landkreis Goslar. Das war praktiziertes Aufholen!

webMoritz: Und was hat die FDP in den letzten Jahren gemacht? Uns ist da in der Redaktion spontan wenig eingefallen…

Prof. Manfred Matschke: (lacht) Dazu schicke ich Ihnen etwas zu.

Der webMoritz bekam dann tatsächlich noch am selben Tag Post von Professor Matschke. Darin werden folgende Leistungen der FDP aus der vergangenen Legislatur aufgelistet:

  • Aufnahme des Seniorenbeirats in die Hauptsatzung, wofür der Seniorenbeirat über 10 Jahre gekämpft habe
  • Arbeit im Bildungsausschuss, unter anderem mit der Festlegung einer Prioritätenliste zur Sanierung der Grundschulen
  • gemeinsam mit den Bündnisgrünen Engagement für ein übergreifendes 10-Punkte-Familienprogramm
  • Unterstützung des Beschlusses über die Einsetzung eines Omudsmanns für ALG II – Empfänger

Fotos: privat