Ein Gastbeitrag von Babette Verclas
„Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ … mit diesen Worten ermunterte der populäre Freikorpsmajor Ferdinand von Schill seine Soldaten im Frühjahr 1809, als er den Volksaufstand gegen Napoleon auslösen und dadurch die französische Herrschaft abschütteln wollte und prägte damit ein bis heute bekanntes Sprichwort.
Genau 200 Jahre sind nun vergangen, seit Ferdinand von Schill das prophezeite Ende mit Schrecken ereilte – am 31. Mai 1809 fiel der Husarenführer im Straßenkampf in Stralsund. Weitere elf seiner Offiziere wurden in Wesel hingerichtet.
Aus diesem Anlass zeigt das Pommersche Landesmuseum Greifswald vom 13. Mai bis zum 09. August 2009 die Ausstellung „Für die Freiheit – gegen Napoleon. Ferdinand von Schill, Preußen und die deutsche Nation“, die gemeinsam mit dem Preußenmuseum Nordrhein-Westfalen und dem Stadtmuseum Wesel entwickelt wurde.
Ferdinand von Schill und seine Freischaren bieten mit ihrer Mischung aus Eigenständigkeit, Unbotmäßigkeit und Patriotismus in ihrem Kampf gegen Napoleon ideale Voraussetzungen, um zu Idolen gerade des liberalen und demokratischen Bürgertums zu werden. Die zentralen Handlungsorte Kolberg, Berlin, Stralsund, Braunschweig und Wesel qualifizieren sie zu gesamtdeutschen „Helden“.
Obgleich Schill keine größeren militärischen Siege errang, wurde er zu einer nationalen Identifikationsfigur. Hierfür scheinen mehrere Gründe maßgeblich gewesen zu sein: Zum einen bedarf jeder nationale Gründungsmythos (erst im Kampf gegen Napoleon entsteht ein politisches deutsches Nationalbewusstsein) seiner Märtyrer. Darüber hinaus entspricht die Figur des gescheiterten, tragischen Helden auch dem romantischen Grundgefühl jener Zeit. Beides zusammen, die Märtyrereigenschaften und der romantische Charakter kennzeichnen auch die Darstellungen zum Tod der elf blutjungen Schillschen Offiziere in Wesel.
Bereits kurz nach Schills Tod setzte seine Verehrung in der Bevölkerung ein. Bedeutende Schriftsteller wie Achim von Arnim und Ernst Moritz Arndt machten ihn zum Gegenstand romantischer Darstellungen. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an seinen Tod in der Fährstraße in Stralsund und zahlreiche Denkmäler unter anderem in Stralsund, Wesel und Braunschweig zeugen von einer regen Erinnerungskultur.
Auch die Sonderausstellung im Pommerschen Landesmuseum beleuchtet Ferdinand von Schill als Person, seine Einbindung in ein Netzwerk der Konspiration sowie seinen Zug 1809 und schließlich den Tod in Stralsund. In weiteren Abschnitten stehen der Mythos Schill und die sich vom 19. Jahrhundert über das Dritte Reich bis zur DDR stark wandelnden Sichtweisen auf Schill und seine Taten im Blickpunkt der Ausstellung. Wertvolle Objekte, so die Weste und Kartusche Schills, sein Säbel aus der Kolberger Zeit und das Gefäß, in dem sein Kopf Napoleons Bruder Jeromé vorgeführt wurde werden ebenso präsentiert wie herausragende Uniformen aus dem Deutschen Historischen Museum in Berlin und weitere Leihgaben aus renommierten Museen und von privaten Sammlern.
Rund um die Ausstellung wird es ein thematisch breit gestreutes Veranstaltungsprogramm geben. Mehrere Vorträge und eine Exkursion führen die interessierten Besucher in das Thema ein, wobei insbesondere die europäische und regionale Geschichte zwischen Kolberg und Stralsund im Fokus steht. Auch die Reihen „Geschichte(n) am Mittag“ und „Kunstpause“ werden sich mit entsprechenden Veranstaltungen eingliedern.
Darüber hinaus wird der einstige NS-Propagandafilm „Kolberg“ des Regisseurs Veit Harlan im Museum gezeigt, der die Belagerung Kolbergs durch napoleonische Truppen und somit auch Schill behandelt. Die Ausstrahlung des Films ist in Deutschland aufgrund seines nationalsozialistischen Hintergrundes nur eingeschränkt erlaubt, doch unter den historischen und ausstellungsbedingten Gesichtspunkten kann „Kolberg“ im Kino des Pommerschen Landesmuseums gezeigt werden.
Apropos Film… Wie eine nächtliche Videoaufzeichnung des Museums vor einigen Monaten dokumentiert hat, sind die Ausstellungsbanner heiß begehrt. Vielleicht lässt es sich im Rahmen dieser Ausstellung einrichten, die Plakate bis zum Ende hängen zu lassen… Vielen Dank!
Bilder:
Pommersches Landesmuseum Greifswald
Was für ein toller Artikel und was für eine tolle Ausstellung. Das so etwas wunderbares noch möglich ist. Also mein Respekt, mein Werben im Freundeskreis und mein persönlicher Besuch ist den Veranstaltern sicher.
who cares?
Schills in Alkohol eingelegter Kopf wurde übrigens 1837 in Braunschweig am dortigen Schill-Denkmal beigesetzt. Das Denkmal befindet sich direkt neben dem KZ-Außenlager Schillstraße (Außenlager des KZ Neuengamme), siehe auch http://www.schillstrasse.de/ (Onlineausstellung zum KZ Schillstraße und zum Schill-Denkmal)
*g*
Und wo ist das Gehirn von Ulrike Meinhof? ;-p
Das ist jetzt arg offtopic und in keinster Weise lustig, trotzdem kurz zwei drei Sätze dazu:
Der Versuch der Pathologisierung linker AktivistInnen ist nicht neu, um so einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit linken Positionen aus dem Wege zu gehen. Die RAF-Gefangene Ulrike Meinhoff wurde in ihrer Zelle nicht nur sensorischer Deprivation ausgesetzt (entwickelt am Hamburger Uni-Klinikum in Eppendorf, heute wissenschaftlich allgemein als "weiße Folter" bekannt, die eben keine sichtbaren Spuren hinterläßt – in Kandahar, Abu Ghraib und Guantánamo wurde die "weiße Folter" als Standardmethode eingesetzt, siehe Arte-Dokumentation "Taxi zur Hölle"). An ihr sollte in Haft auch eine – medizinisch wie rechtlich völlig haltlose – Lobotomie (Aufbohren des Schädels zur Entnahme von Gehirnflüssigkeit und Teilen der Hirnmasse) durchgeführt werden, die erst durch internationalen Protest verhindert werden konnte.
Nach ihrem Tod im Isolationstrakt 1976 wurde ihr Gehirn ohne Wissen der Angehörigen von Hirnforschern der Tübinger Universität entnommen und in universitären Einrichtungen erst in Tübingen, dann in Magdeburg verwahrt. Erst als die Tochter Bettina Röhl dies im Herbst 2002 durch Zufall erfuhr, kam dieser Skandal ans Licht. Im Dezember 2002 wurde Ulrikes Gehirn eingeäschert und in Berlin im engsten Kreise der Familie im Grab von Ulrike Meinhoff beigesetzt.
Okay, ich sehe ein, dass mein zynischer Kommentar etwas pietätlos war und entschuldige mich. Ich wollte auch einfach mal eine Diskussion torpedieren, so wie es eigentlich immer Brauch bei Edmund Stoiber und Co. ist, die mit fehlgeleiteten Kommentaren, Verleumdungen, niveauloser Polemik etc. von den ihnen unbequemen Themen wegzulenken. Und da der Ede ja hier gleich im ersten Post einen honigsüßen Lobgesang angestimmt hat, dachte ich, es wäre die perfekte Gelegenheit, sich auf diese Weise mal zu bedanken.
By the way: danke für die Hintergrundinfos, ret marut! (für mich nix neues, aber sicher für andere interessant! Merci!)
Eine Quellenangabe wäre an dieser Stelle interessant…
Die Nummer mit der Lobotomie fügt sich hier ganz unscheinbar in den belegten Rest…
und das gEHIRNE gern mal entnommen und gelagert werden ist doch auch nichts neues…
"Als Albert Einstein im April 1955 in einem Provinzkrankenhaus in Princeton im US-Bundesstaat New Jersey starb, entnahm der Pathologe Thomas Harvey dem weißen Struwwelkopf bei der Autopsie kurzerhand das Gehirn und legte es in Formalin ein.
Trotz eines öffentlichen Aufschreis angesichts dieser widerrechtlichen Aneignung konnte Harvey das berühmteste Gehirn des 20. Jahrhunderts durch ein Arrangement mit Einsteins Familie behalten, wusste die folgenden vierzig Jahre aber nichts Rechtes damit anzufangen. Der mit seinem Zufallsfund schlicht überforderte Nichtneurologe zerschnitt die Quelle der Relativitätstheorie in knapp 200 würfelförmige Blöcke. Die meisten lagerten auf dem heimischen Regal, manche verschickte Harvey an interessierte Forscher nach Japan, Kalifornien und schließlich auch ins kanadische Hamilton."
Aber vermutlich war Einstein auch linker AktivistInnen 😉 nur deswegen haben SIE sein Hirn entführt! !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Und wie erfährt man durch Zufall vom Hirndiebstahl..? Stand Ulrikes Gehirn auch in Blöcken irgendwo im Regal..?
Zur Info und Ausgewogenheit:
Folgende E-Mail hatten wir schon vorher bekommen, konnten dies aber nicht im Artikel verarbeiten:
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das Buch, das im Verlag Edition Pommern erschienen ist,
"Schills Zug nach Stralsund und sein Ende. Tagebuch eines Vertrauten."
hinweisen. Es gibt die letzten Tage des Major von Schill wieder. Hierbei handelt es sich um eine Neuausgabe des 1831 erschienen Werkes. Mehr Informationen gibt es unter: http://www.edition-pommern.de
Danke für den Literaturhinweis!
Die Ausstellung war übrigens sehr gut. Leider wurde nur am Rande (u.a. auf der Eröffnungsveranstaltung) erwähnt, daß die "Insurrektion" des Schill eigentlich eine klassische Konterguerilla-Aktion des Freiherr vom Stein (also der preußischen Regierung) war, die zu dem Zeitpunkt nicht offen gegen Napoleon kämpfen konnte.
Was auch ein bißchen zu kurz an der Ausstellung kam, war die Kontinuität von Symboliken aufzuzeigen. So trug die "Schwarze Schar" [ http://de.wikipedia.org/wiki/Braunschweig-L%C3%BC… ] des Braunschweiger Herzogs (Motto: "Gefangene werden nicht gemacht!", Schlachtruf: "Sieg oder Tod!"), die u.a. in Portugal und Spanien mit äußerster Brutalität gegen die napoleonische Armee vorging, eine schwarze Uniform und ein Tschako mit einem Totenkopf. Die reaktionären Freikorps, die sich im Dezember 1918 gründeten und die ArbeiterInnenbewegung niederkartätschten und füsilierten, beriefen sich auf diese Truppen der Befreiungskriege und trugen teils auch entsprechende Totenkopfembleme [ z.B. http://www.kriegsreisende.de/relikte/relikt-img/f… ]. Aus den Freikorps formierte sich dann später die Schwarze Reichswehr sowie die SS; letztere übernahm abermals die Farben und die Symbolik der "Schwarzen Schar".
bolschewistischer Schwachsinn
„“Schill war der erste moderne Freiheitskämpfer“, erklärte der
Museumsdirektor Dr. Veit Veltzke. „Es gibt viele Parallelen zwischen ihm
und Che Guevera.““ bei der Ausstellungseröffnung in Wesel.
War Schill ein Freiheitskämpfer?
Er war wie andere – gleichzeitig auch – an an verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt, zum Teil gegen Anweisungen des preußischen Königs:
„Die „Lützower Jäger“ (auch „Schwarze Jäger“) waren daher weder Guerilleros noch Partisanen
oder Irreguläre. Im Freikorps dienten ausschließlich Freiwillige (vor allem Studenten) und
so genannte Selbstversorger. Die Soldaten erhielten keinen Sold, rüsteten sich selbst aus
und kleideten sich selbst ein.
Neben dem Freikorps Lützows war eine Vielzahl ähnlicher Einheiten aktiv, zum Beispiel die
Freischar von Schill, die von Heinrich von Schill kommandiert wurde. Sein Bruder Ferdinand
von Schill begann 1809 einen Aufstand gegen die Franzosen, jedoch wurde er nach wenigen
Wochen von französischen Soldaten im Kampf getötet. Außerdem zu nennen wäre das Hellwigsche
Freikorps, das Ausländer-Bataillon von Reuß oder die Russisch-Deutsche Legion im russischen
Heer, gebildet aus deutschen Gefangenen (später Deutsche Legion).“
„Am 28. April 1809 verließ er mit dem von ihm geführten Husarenregiment unter
einem Vorwand Berlin und gab seine Absicht bekannt. Wenig später schlossen sich
ihm zwar 500 Soldaten der Berliner Garnison unter Offizieren aus Kolberger Tagen
an, jedoch blieb der erwartete Zulauf aus Norddeutschland aus. Das Freikorps
führte am 5. Mai 1809 die Schlacht bei Dodendorf. Später gelang es ihm,
Stralsund zu erobern. Für den preußischen König und die Regierung galt Schill
als ein Deserteur. Er erhielt daher keine Hilfe aus Armee- und Politik. Auch
seine Hoffnung auf einen Aufstand der Bevölkerung und das Eintreffen englischer
Hilfe erfüllte sich nicht. Mit rund 1500 Kämpfern unterlag er dem holländischen
General Gratien und fiel am 31. Mai 1809 im Straßenkampf in Stralsund.“
Freiheit wovon – was hatten die französischen Kriegszüge u.a. für die Bevölkerung gebracht?
„Westphalen war (wie das Großherzogtum Frankfurt oder das Großherzogtum Berg) gedacht als
napoléonischer Musterstaat, der sich durch eine moderne Verwaltung und Justiz auszeichnen
sollte. Tatsächlich wurden die Patrimonialgerichte und die Leibeigenschaft abgeschafft, die
Gewerbefreiheit, die Gewaltenteilung, die Gleichberechtigung der Juden, der Code Civil und
die Führung von Kirchenbuchduplikaten eingeführt. Auch erhielt das Land, erstmals in einem
deutschen Flächenstaat, am 15. November 1807 eine schriftliche Verfassung (die Constitution
des Königreichs Westphalen vom 15. November 1807), die Jérôme einen Tag, nachdem er in
seinem neuen Königreich angekommen war, am 7. Dezember 1807 in Kraft setzte. Dies war die
erste Verfassung eines deutschen Staates, auch das westfälische Parlament (die Reichsstände
des Königreichs Westphalen) war die erste Vertretung dieser Art auf deutschem Boden.
Offiziell gab es im Königreich zwei Amtssprachen, Deutsch und (das unter Adel und
Beamtenschaft schon seit vorrevolutionären Zeiten verbreitete) Französisch. Am 25. Dezember
1809 stiftete Jerome Napoleon (so der offizielle Königsname) in Paris einen „Orden der
Westphälischen Krone“, den die Ausstellung im Landesmuseum Kassel als Vorläufer des
Bundesverdienstkreuzes sieht. Auf Befehl des Königs wurden z.B. auch 30.000 Menschen
geimpft. Durch den Wegfall der alten Zünfte und das Wachstum des königlichen Hofstaates
entwickelten sich Handwerk und Gewerbe zunächst zumindest in der Residenzstadt Kassel.“
Gab, gibt es, wie Dr.Veit Veltzke behauptet „viele Parallelen zwischen ihm
und Che Guevera?“
Er, Che Guevara „glaubte, alles lasse sich mit Willenskraft und Gewalt durchsetzen,
selbst eine Weltrevolution. Parteien fand er überflüssig, die historischen
Umstände waren ihm schnurz. „Man muss nicht warten, bis die
Bedingungen für eine Revolution gegeben sind; der aufständische Fokus
kann sie schaffen“, schrieb er in seinem Buch „Der Guerillakrieg“. Eine
kleine kämpfenden Einheit hier, dann eine da und noch eine dort – so,
glaubte er, könne er der Geschichte eine kommunistische Wende geben.
Er hat sich maßlos überschätzt.“