Das hätte sich Susanne Wiest wohl nicht träumen lassen: Ihre Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen in Deutschland stößt offenbar auf so breites Interesse, dass die Server des Bundestags nachgeben.
Seit 2005 gibt es die Möglichkeit Volksbegehren via Internet zu initiieren und zu unterschreiben. Ob der Bundestag sich damit beschäftigt bleibt ihm zwar oblassen, bei mehr als 50.000 Unterzeichnern aber muss der zuständige Ausschuss den Antragsteller persönlich anhören.
Doch die Durchschlagkraft der Petitionen war bisher eher gering. Sechs Wochen lang kann unterzeichnet werden, mehr als 1000 Stimmen kamen bisher selten zustande. Doch nun ging der Server des Bundestags zeitweise in die Knie: Mehr als 22.000 Mitzeichner und haben sich für den Vorschlag einer Greifswalder Tagesmutter gefunden. In über 4000 Kommentaren wird über die Petition diskutiert. – Damit hatten die Administratoren wohl nicht gerechnet. Ob der technischen Probleme wurde die Unterzeichnungsfrist um eine Woche bis zum 17. Februar verlängert.
„Um nun allen Bürgern ein würdevolles Leben zu gewährleisten, erscheint mir die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens ein guter Lösungsweg.“, schreibt Susanne Wiest und trifft mit dieser Formulierung wohl ins Herz vieler. 1500 Euro soll jeder volljährige Bürger, jedes Kind 1000 Euro erhalten. Bedingungslos ohne teure bürokratische Prozesse. Im Gegenzug werden alle anderen sozialen Transferleistungen gestrichen und eine höhere Konsumsteuer eingeführt die dieses Konzept finanzieren soll. Die BEfürworter hoffen auf finanzielle Sicherheit und dadurch mehr Freiheit für den Einzelnen.
Die Idee ist nicht neu: Das bedingungslose Grundeinkommen, auch Bürgergeld genannt, findet in den letzten Jahren immer mehr Anhänger in der Politik. Der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) macht sich bereits seit einigen Jahren für ein solches Konzept stark, Linkspartei und Grüne sprechen sich mehrheitlich dafür aus.
Fraglich ist derzeit aber noch die Finanzierbarkeit des Bürgergelds. Ethisch heiß diskutiert wird auch die Frage ob die neu gewonnene Freiheit den Bürger in seiner Schaffenskraft beflügelt oder eher ausbremst.
Aller ungeklärten Fragen zum Trotz: Das Konzept Bürgergeld trifft derzeit einen Nerv: Es geht um Gerechtigkeit, um Freiheit und Gleichheit unter den Bürgern und diese drei Attribute scheinen viele in Deutschland derzeit zu vermissen.
Links:
E-Petition von Susanne Wiest (wie im Artikel beschrieben kann es zu technischen Problemen kommen)
Titelfoto Startseite: J.Lawton via flickr
"Damit hatten die Administratoren nicht gerechnet."
<< Den Satz muss man sich eigentlich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die Administratoren haben nicht damit gerechnet, dass jemand auch wirklich die Plattform nutzt?? Na vielen Dank!
Bei meinem Versuch die Seite zu erreichen, bin ich zunächst raufgekommen, konnte dann aber keine stimme abgeben…
dazu muss man sich ( wie fast überall) anmelden 😉
Der Server des Petitionsausschuß ist Schrott und mit Sicherheit so gewollt,damit die 50000 nie erreicht wird.
Ein echtes Armutszeugnis dieser Pseudodemokratie.
Die Berichterstattung in den Staatsmedien zum BGE ist Zensur vom Feinsten.
Die Mitzeichner müssen auf einen neuen Server gespeichert werden, und die Petition neu gestartet werden.
MfG
Den Gedanken hinter der Forderung und die Idee an sich kann ich nachvollziehen.
Ich halte dieses Modell allerdings wegen der Finanzierung für nicht realisierbar.
Schon jetzt sind die Sozialkassen in Schieflage, da immer mehr Unterstützten auf der einen Seite von immer weniger Unterstützenden auf der anderen Seite beigestanden wird.
Wenn am Ende mehr Geld da ist, muss es woanders weniger geworden sein. Es ist je regelrecht erfrischend, das dieses "mehr" durch Abbau der Bürokratie statt bei "denen da oben" beschafft werden soll.
Aber in Ermangelung von harten Zahlen bleibt mir erstmal nur mein Gefühl und das sagt mir, das die Rechnung nicht aufgeht..
Durch hohe Konsumsteuern stellt man die Deutschen im Zentrum schlechter, der Rest wird wie jetzt auch im Ausland tanken, einkaufen etc. wenn es geht. Da man sich durch höchstmöglichste Vermeidung der Konsumsteuer besser stellt, wird es so wieder zu neuen Problemen kommen, zumal wir eine sehr hohe Sparquote haben. Gilt die Steuer dann nur für Deutsche oder wollen wir Touristen, Firmen, Kunden wirklich so belasten?
@ mens sana: Wenn für die Stützung von privaten Großbanken und der Automobilindustrie plötzlich 500 Mrd. EUR zur Verfügung stehen, zieht das (früher schon absurde) Argument der leeren staatlichen Kassen nicht mehr wirklich. Geld ist genug da, die Frage ist nur, ob die bürgerliche Klasse zu ihren Lasten umverteilen will, damit die ArbeiterInnen/ Lohnabhängige 1.500 EUR monatlich als Grundsicherung im Säckel haben?
Das eigentliche Problem sehe ich darin, daß die Finanzierung über Konsumsteuern (sprich: indirekte Steuern) laufen soll und nicht über direkte Steuern. Daß sich Konsumsteuern einzig auf klassische Verbrauchssteuern (z.B auf Alkohol, Tabak, Benzin) beschränken soll, geht nicht ganz klar aus dem Wortlaut der Petition hervor. Es wird also entweder die Besteuerung auf einen breiten Warenteil ausgeweitet oder gleich in Form einer allgemeinen Mehrwertsteuer ("als einzige(!) Steuer eine hohe Konsumsteuer einführen") behandelt. Das Gros der finanziellen Last liegt dann wieder nicht bei den Besserbetuchten, sondern bei der Allgemeinheit, sprich: die Leute zahlen indirekt selbst ihr Grundeinkommen.
Bei einer Einkommenssteuer (mit hohem Spitzensteuersatz, z.B. den früheren 56%) zur Finanzierung läge hingegen die Hauptlast bei den Reichen und Superreichen in der Gesellschaft. Das wäre eine echte Umverteilung zugunsten derjenigen, die heute weniger als 1.500 EUR monatlich zur Verfügung haben.
Zu den potentiellen BezieherInnen des BGE: Laut Petitionstext soll es an alle "Bürger" gehen. Gemeint ist hier wohl Bürger im Sinne von Citoyen, sprich Staatsbürger. Im Kontext des Grundgesetzes also alle mit deutscher Staatsbürgerschaft. Für alle anderen, die dauerhaft in Deutschland leben, müßte also eine andere Regelung gefunden werden, eine Grundversorgung zu sicher – oder halt das BGE auf diese Gruppen erweitert werden (z.B. durch eine territoriale Regelung, z.B. dauerhafter Wohnsitz in der BRD seit 5 Jahren).
es gibt seit jahren immer wieder studien und modelle zum thema und grundtenor ist doch, dass ein grundeinkommen nicht teuer ist als die jetzige verfahrensweise. das problem liegt wohl eher in der erwerbsethik.
es wird doch eher zeit, den begriff arbeit neuzudefinieren und an die heutigen gegebenenheiten anzupassen.
ein bedingungsloses grundeinkommen könnte darüberhinaus enorme gesellschaftliche kräfte freisetzen.
Das find ich gut! Dann kann ich jetzt wohl mit dem studieren aufhören und mich ganz auf Vater Staat verlassen. Dann bekomme ich 1500 €, mein Kind 1000 €, mein zweites Kind 1000 € und meine Frau 1500 €. Das macht im Ergebnis 5000 €! Super…dass muss erstmal ein Arzt, Architekt oder Betriebswirt verdienen und ich bekomme es künftig geschenkt! Das finde ich gut! Dann brauch ich nicht mehr arbeiten gehen, denn mit 5000 € kann ich mit meiner Familie bestens auskommen! Danke!
Kann ein Arzt ohne Patienten sein Einkommen finanzieren..? Oder braucht der Steuerbeamte nicht auch jemanden der seinen Müll abholt, damit er dessen Gehalt besteuern kann…
Ein wirkliches Umdenken in der Gesellschaft bedeutet, dass wir begreifen das wir uns gegenseitig brauchen…
Unsere Grosseltern nicht irgendwo allein "dahinsiechen" und gleichzeitig Millionen Arbeitslose ein Sinnfreies Leben führen…
Ich wünsch mir manchmal die Zeit vor dem Geld…
@ Juhu: Ich will Deine Freude nicht zu sehr abwürgen, aber "geschenkt" ist das ganze nicht. Schließlich sollst Du (entsprechend dieser Petition) die BGE durch indirekte Steuern gegenfinanzieren. Da werden dann von den 1.500 EUR nicht mehr viel übrigbleiben.
Da bleibt dann die Frage nach dem Sinn, wenn am Ende nichts bleibt, was soll dann der ganze Ansatz? Sind die 1500€ nur dafür da, sie direkt wieder als Steuern auszugeben? Macht in meinen Ohren irgendwie nicht viel Sinn…
Oder Juhu hat doch Recht, und wir müssen alle nie wieder Arbeiten :))
Letztlich ist das ganze doch nur unfinanzierbarer utopischer Populismus…
Ich habe im vergangenen Jahr in Leipzig mal einer Podiumsdiskussion zu dem Thema beigewohnt; mit einem leicht anderen Modell mit etwas anderen Zahlen aber im Prinzip derselben Idee. (Die Diskussion war etwas abgedreht, denn als Diskussionsgegner gegen den Grundeinkommensbefürworter war ein Gewerkschaftsfunktionär geladen, und der wurde vom Publikum als fieser Neoliberalist verschrien, aber das sei mal unbeachtet…)
Eine der Quintessenzen war, dass dadurch "Arbeit" umdefiniert würde. Nicht nur Lohnarbeit für irgendwelche Arbeitgeber wäre Arbeit, sondern auch, wenn man durch den Park läuft und sich gegenseitig Gedichte vorliest (und selbst schreibt) oder was auch immer. Wer so arbeiten möchte, kann das dann tun und erhält sein Grundeinkommen. Wer mehr Geld haben möchte, arbeitet weiter auf "klassische" Art und Weise. [wird fortgesetzt, Kommentar war "a little too long"]
Wie 17vier ganz richtig sagt: Es ist eher ein Paradigmenwechsel als eine "finanzielle Hängematte". Und wegen dieses Paradigmenwechsels tun sich viele halt sehr schwer damit. Denn ein solches Grundeinkommen wäre quasi eine unmittelbare Beteiligung der Bevölkerung am gesellschaftlich produzierten Reichtum – und das ist natürlich so ganz und gar nicht kompatibel mit der bestehenden Unternehmerlogik auf BWL-Niveau. – Schließlich könnten die arbeitenden und arbeitslosen Habenichtse dann vielleicht sogar auf die Idee kommen, daß die Produktionsmittel eigentlich auch gesellschaftliches Eigentum sein sollten. 😉
Das erste Problem bei der gesamten BGE-Diskussion ist doch folgendes: Sollte der politische Druck von außen (durch soziale Bewegungen) irgendwann so hoch sein, daß das Parlament am BGE nicht vorbeikommt, dann werden die bürgerlichen Parteien natürlich versuchen, außer dem Namen/Label relativ wenig davon umzusetzen – dann wird das ganz fix zu einem (gar nicht zwangfreien) Bürgergeld a la FDP. Ich sehe derzeit noch keine hinreichend organisierten Strukturen, die gegen ein solches bürgerliches Ummodeln gegenhalten könnten – lose Bewegungen allein können das definitiv nicht. Es müßten also vorab Gewerkschaften, Verbände etc. ins Boot geholt werden.
Das zweite Problem sprach ich schon mal an: Die Finanzierung, so wie sie in der Petition angeführt wird, ist natürlich ein Knieschuß. Wenn das BGE durch indirekte Steuern finanziert werden soll, dann zahlen letztlich diejenigen, denen es zukommen soll, die Zeche weitgehend selbst. Sinnhafter wäre es, das BGE durch direkte Steuern (Unternehmenssteuern, Kapitalertragssteuern, Lohnsteuern mit entsprechendem Spitzensteuersatz um die 60 Prozent etc.) zu finanzieren, weil dann auch wirklich eine finanzielle Umverteilung von oben nach unten stattfindet.
Die Petition will ich aber auch nicht runterreden, denn sie hat es zumindest geschafft, daß sich mind. 50.000 (und noch mehr, die nur drüber gesprochen haben) mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Das ist doch schon mal ein Anfang. Wäre schön, wenn dieses Leuchtfeuer dann nicht gleich wieder verpufft.
Wieviel bleibt mir denn am Ende? Ich hoffe doch noch soviel, dass ich nicht Arbeiten brauch – denn das wäre nun wirklich Zeitverschwendung!
Frage nicht, was der Staat für Dich machen kann, sondern was Du für den Staat.
"E-Petition von Susanne Wiest (wie im Artikel beschrieben kann es zu technischen Problemen kommen)"
"Sie dürfen nicht mehrere Benutzerkonten nacheinander vom selben Computer registrieren. Starten Sie Ihren Browser erneut, um ein weiteres Benutzerkonto zu registerieren."
Der Server hat zwar Probleme, aber glücklicherweise hat von meinem PC sich schon jemand eingeloggt und bei einigen Dingen abgestimmt. Das spart erheblich Zeit.
Ich glaube da steckt Ironie hinter 😉
es sind jetzt sage und schreibe 41098 mitzeichnerinnen. heute kann mensch noch abstimmen!
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?PHPSES…
grundeinkommen bedeutet ja nicht, dass niemand mehr arbeitet!
ärgerlich ist, dass die e-petitionsseiten schon seit 3 stunden nicht erreichbar sind. ein narr, wer böses denkt. das ist demokratie, langwelig wird sie nie!
Das habe ich auch gemerkt, dafür sind aber jetzt die 50.000 geschafft…,-)
Da wäre aber m.E. das Problem, dass die Löhne noch weiter sinken würden – da sagt doch jeder Arbeitgeber "Du hast doch schon deine 1,5k, dann reichen doch 3 EUR die Stunde, liebe Kassiererin". Das Druckmittel der Arbeitnehmer wäre nun, sie müssen nicht jeden Job zu Mistkonditionen annehmen, da sie auch ohne klassische Lohnarbeit ein ausreichendes Einkommen erhalten. (Fragt sich nur, ob mit der hohen Konsumsteuer nicht 1500 EUR vllt nur so viel Wert sind im Warenkorb wie 500 EUR oder so heute…) Aber bevor sie das machen, müssten alle umdenken – und das wird nicht hinhauen, denke ich. Es wird diverse geben, die einfach nichts mit ihrem Tag anzufangen wissen (kein Bock haben auf Gedichte schreiben usw.) und sich sagen, hey, für ein bisschen mehr Kohle geh ich halt arbeiten, auch wenn's nur 3 Euro gibt. Damit ist eigentlich alles zunichte, weil Leute sich immer noch für 'nen lächerlich geringen Lohn ausbeuten lassen.
[wird fortgesetzt, Kommentar war "a little too long"]
Ein anderes Problem wäre vielleicht, dass wenn jeder ohne jegliche Kontrolle die 1500 EUR monatlich bekommt, gilt das auch für den Alkoholiker nebenan – der investiert die dann gänzlich in Schnaps und säuft sich staatlich finanziert tot. Nicht so toll, oder?
Das Prinzip find ich gut, besonders das umdenken, dass nicht nur Lohnarbeit Arbeit ist. Aber unsere jetzige Gesellschaft wird nur Mist auf der Grundlage von einem bedingungslosen Grundeinkommen machen. Man müsste mit sowas vielleicht warten, bis es eine zweite Aufklärung in Europa bzw. für die ganze Menschheit gegeben hat. Und kann man darauf noch hoffen? Ich weiß es nicht…
So, das war's, mein Wort zum Dienstag :p
arbeit wird dadurch umdefiniert, aber dein beispiel finde ich etwas populistisch. neben klassischer erwerbsarbeit würde zum beispiel ehrenamtliche arbeit (von der mehr als genug geleistet wird und ohne die greifswalds kulturszene nicht existent wäre) eine andere anerkennung erfahren.
neubewertung von arbeit bedeutet aber z.b. auch, dass eventuell bestimmte arbeit anders entlohnt werden müsste. das klassische angstargument ist ja immer, dass niemand mehr bereit wäre, z.b. bei der müllentsorgung beschäftigt zu sein.
1500€ sind wie gesagt zuviel und dir mir bekannten modelle gehen von weniger aus. unter strich bedeutete das, dass wir vielleicht 800€ in der tasche hätten. abzüglich krankenversicherung, wohnung und den gestiegenen konsumsteuern bliebe nicht wirklich mehr als mit hartz4, nur eben ohne repression (die greifswalder ARGE ist a inzwischen berühmt).
wer nicht arbeiten will oder lieber schnaps trinkt, der kann das auch jetzt umsetzen.
ein interessantes interview zum thema mit götz werner (gründer der dm-drogeriekette und autor des buches "einkommen für alle") ist heute in der ZEIT erschienen:
http://www.zeit.de/news/artikel/2009/02/18/273259…
wie gesagt, ich denke, die materiell greifbaren veränderngen wären viel kleiner, als der begriff "bedingungsloses Grundeinkommen" vermuten lässt. normativ würde es aber einen paradigmenwechsel, eine kleine revolution bedeuten!
als wort zum mittwoch und mit herzlichen grüssen!