uni-klinikCui bono? – Wer profitiert davon? Diese Frage wirft der renommierte ehemalige Senatsvorsitzende und emeritierte BWL Professor Dr. Manfred J. Matschke in einem Dossier auf, dass wir hier auf dem webMoritz erstmals der Öffentlichkeit zugänglich machen dürfen.

In dem Dossier beschäftigt er sich mit einer der größten inneruniversitären Umbauvorhaben der jüngeren Geschichte: Die Änderung der Rechtsform und des Status der Universitätsklinik. Das Klinikum ist zurzeit in eine eigene Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) faktisch ausgegliedert. Verbunden mit der Universität ist die Klinik noch über einem Kooperationsvertrag und die Medizinische Fakultät.

Nun möchte das Rektorat diese Ausgliederung – aus Steuergründen – rückgängig machen und die Klinik als „Universitätsmedizin“ wieder in die Universität integrieren. Die Selbstständigkeit des Klinikums soll dabei über eine komplizierte juristische Rechtsform (Körperschaft des öffentlichen Rechts – KdöR) gewährleistet bleiben.

Professor Manfred Jürgen Matschke (C) moritz Magazin

Professor Manfred J.Matschke

Das umfangreiche Reformvorhaben wird bereits seit über einem halben Jahr im Senat der Universität diskutiert. Doch worum es genau geht und welche tiefgreifenden Folgen die konkrete Gestaltung der Integration haben könnte, verbirgt sich noch immer hinter einem dichten Nebel.

Denn das Vorhaben ist sehr komplex. So komplex, dass sogar der Senat dafür erst in seiner letzten Sitzung eine eigene Expertengruppe berufen hat, die die bisherigen Pläne des Rektors und der „Arbeitsgruppe Nordstern“ juristisch bewerten und erklären soll.

Professor Matschke, der sich intensiv mit den bisher veröffentlichten Entwürfen beschäftigt hat, hat nun dem Senat ein alamierendes Dossier vorgelegt. Doch nicht nur der Senat – die gesamte Universität soll sich mit den Entwürfen kritisch auseinandersetzen können. Daher stellte er unseren Lesern eine Kopie zur Verfügung:

>> Das ganze Dossier gibt es hier als PDF < <

Wir empfehlen das Dokument in Gänze zu lesen. Für diejenigen die jedoch keine Zeit haben, haben wir versucht die wichtigsten Kritikpunkte des Papiers herauszufiltern:

  • Die in der Rektoratsvorlage vorgebrachten Gründe für die Änderung der Rechtsform sind eher als vorgeschoben und/oder insgesamt eher als belanglos einzustufen. Die sachliche Notwendigkeit zur Änderung der Rechtsform ist bisher nicht erkennbar.
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  • Die Freiheit von Forschung und Lehre wird nicht besser als bisher gesichert. Die entscheidenden Gremien der neuen Universitätsmedizin werden ausschließlich oder überwiegend von Nicht-Akademikern besetzt. Eine Stärkung der Hochschulautonomie ist dies nicht.
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  • Die geplante, neue Tarifhoheit ist nicht wirklich neu. Doch selbst wenn es sie gäbe, sind die Vorteile nicht gleichmäßig verteilt. Das Tarifgefüge könnte sich ändern, z. B. um bestimmte Personalkategorien des Forschungs- und Lehrbereichs besser zu stellen.
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  • Obwohl die Neuordnung von seiten des Rektorats als Schritt gegen die Privatisierung dargestellt werden, ist diese Aussage nicht belastbar. Matschke sieht in der Rechtsformänderung einen ersten Schritt zu einer möglichen späteren Privatisierung. Einige Indizien findet er bereits in den Entwürfen.

  • Matschke warnt zudem vor einer faktischen Enteignung der Universität, da eine unentgeltliche und lastenfreie Übertragung von „betriebsnotwendigen“ Grundstücken und Immobilien in die neue Universitätsmedizin angedacht ist. Dies sei problematisch, weil die die Universitätsmedizin trotz Inkorporierung in die Universität eine eigenständige Rechtspersönlichkeit bleibt.
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  • Unklar bleibt der neue, geplante „Prorektor Medizin“ und seine Wirkung in einem zukünftigen Rektorat.
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  • Mit der neuen KdöR-Rechtsform sieht Matschke eine Konzernstruktur innerhalb der Universität erwachsen, die die Universität in Zukunft dominieren könnte. Dies bedrohe sowohl die Gleichberechtigung zwischen den Fakultäten und reduziere darüberhinaus die Funktion des Rektors auf „Repräsentanz“ und eine „politische Sprecherrolle“ bei Sektempfängen.
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  • „Rechtlich abenteuerlich“ erscheint Matschke, daß alle „Beschäftigten des Universitätsklinikums Greifswald bereits ab dem 1. Oktober 2009 als Mitglieder der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (gelten)“, obwohl das Klinikum erst ab 2010 die Rechtsform ändern soll.
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  • Da zudem alle Mitglieder der Universität aktives und passives Wahlrecht besitzen sollen, würde das Klinikum mit seinen tausenden Mitarbeitern in Zukunft den Ausgang der Wahlen des Senats intensiv beeinflussen. Damit wäre die Verneinung einer „Sonderstellung gegenüber den übrigen Fakultäten der Universität“ der politischen Lyrik zuzuordnen, da die Medizin dann die Gremien kontrolliert, denen sie sich unterordnen will.
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  • Noch düsterer sieht Matschke die Perspektiven, die sich aus dieser Reform ergeben könnte: Was diese Medizinische Hochschule später noch von der Restuniversität außerhalb der Universitätsmedizin braucht, kann ihr zu gegebener Zeit sicherlich abrundend im Sinne von „optimierenden“ Hilfseinrichtungen einverleibt werden. Für den dann noch verbleibenden Rest der Restuniversität dürfte sich gewiss eine „Landeslösung“ im

    Sinne einer einzigen Landesuniversität mit Sitz in Rostock und Nebenstelle in Greifswald

    finden.
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  • Fazit: Bei dieser Reform geht es um „Einfluß, Macht und Geld“
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Das ganze Dossier

Infokasten Uni-Klinikum:

Das Universitätsklinikum Greifswald umfasst ein weit reichendes Leistungsspektrum, in dem 21 Kliniken/Polikliniken, 19 Institute und weitere zentrale Einrichtungen zusammenarbeiten. Nach Fertigstellung der großen Umbaumaßnahmen wird das Klinikum eines der modernsten Krankenhäuser Deutschlands sein.

Das Uniklinikum Greifswald erzielte im vergangenen Jahr 2008 einen Rekordumsatz in Höhe von 138 Millionen Euro. 3.486 Mitarbeiter sind derzeit im Klinikum beschäftigt – damit gehört es zu den größten Arbeitgebern der Region. In den Jahren 2004 bis 2008 erwirtschaftete das Klinikum jeweils einen Gewinn und gehörte damit zu den profitablen öffentlichen Krankenhäusern in Deutschland. Im Jahr 2008 wurden 121.000 Patienten behandelt und die Bettenkapazität ab Januar 2009 beträgt 850.

Die Debatte um die zukünftige Universitätsmedizin wird den Senat voraussichtlich noch das ganze Jahr 2009 beschäftigen. Der webMoritz wird für Euch am Thema bleiben und über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden halten.

Foto: Klinik: Pressematerial des Uni-Klinikums; Prof. Matschke: Moritz Magazin


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