Als vor knapp 20 Jahren die Bundeshauptstadt noch im beschaulichen Bonn  lag, spottete das Volk gern über das „Raumschiff Bonn“, das fernab von den Sorgen der Bürger in der Provinz vor sich hinschwebte. Dass sich daran auch nach dem Umzug in die Millionenstadt Berlin nichts geändert hat, demonstriert eindrucksvoll das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktursicherheit (BMU). Dort hat man einen Wettbewerb „Emissionsfreie Mobilität in Kommunen“ ausgeschrieben. Die Ergebnisse verblüffen.

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Wirklich vorbildlich? Lange Wartezeiten an der Europakreuzung.

Aus mehr als 90 Kommunen wurden nun die zwölf Bewerber gekürt, die in die Endausscheidung kommen werden. Und – unglaublich, aber wahr: Greifswald ist unter den Auserwählten! Es steht damit in einer Reihe mit Bamberg, Berlin, Bremen, Coesfeld, Dortmund, Halle, Karlsruhe, Kiel, Koblenz, Ludwigsburg und Nürnberg.

Das unglaublichste: Die Stadt Greifswald setzte sich ausgerechnet mit ihrem „Konzept zum Fuß- und Radverkehr“ durch, heißt es übereinstimmend in der OZ und bei GTV.

Kommentar Gabriel Kords:

Der Autor dieser Zeilen wagt die Frage: Wie kann eine Stadt mit so vielen Radfahrern, aber so erbärmlich schlechten Radwegen allen Ernstes in die engere Wahl für einen Mobilitätspreis geraten? Allen Jury-Mitgliedern sei nachdrücklich eine zweistündige Pendelfahrt bei Nässe zwischen Stadtzentrum und Schönwalde empfohlen, um sich von der unterirdischen Qualität des hiesigen Radwege-Netzes zu überzeugen.

Emissionen hin oder her – aber bei diesen Rahmenbedingungen würde in Greifswald sicher niemand gern aufs Fahrrad umsteigen, wenn es denn Alternativen gäbe: Über den Busverkehr ist bereits ausgiebig geklagt worden und das Autofahren ist in einer Stadt mit so vielen roten Ampeln und so wenig Bahnübergängen auch nicht schön. Dass Greifswald für seine offensichtliche Negativ-Taktik nun auch noch belohnt werden soll, übersteigt das Vorstellungsvermögen des Autors ganz erheblich.

Am 11. März wird sich entschieden, ob Greifswald auch als Gesamtsieger aus dem Wettbewerb hervorgeht. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt zusammen mit Halle/Saale nur als Quoten-Ossi ausgewählt worden ist und auf den ersten Platz keine Chance hat.

Foto: Marco Herzog