„Was gibt der deutschen Jugend Kraft? Apfelsaft!“ Sie tragen schwarze Anzüge und am linken Arm eine rote Armbinde mit weißem Kreis, in dem ein schwarzer Apfel prangt.
Die Kostümierung erinnert stark an die Nazi-Zeit und das ist auch so gewollt.
Die „Front Deutscher Äpfel“ versteht sich als Kunstprojekt, welches vor zwei Jahren in Leipzig von Alf Thum, der im eigentlichen Leben Kunst- und Kulturprojekte organisiert, gegründet wurde. Holger Apfel war zu jener Zeit NPD-Spitzenkandidat in Sachsen und befand sich im Wahlkampf. Thum und andere hatten die spontane Idee, gegen die NPD-Aufmärsche eine Aktion durchzuführen. Dies sollte keine der üblichen Gegendemos sein und so schlug die Geburtsstunde der „Apfelfront“.
Die Front Deutscher Äpfel wehrt sich laut Programm „gegen faul herumlungerndes Fallobst“ und überhaupt gegen exotisches Obst. Es wird klar, dass es sich bei der Apfelfront um harte Satire handelt, die nicht immer auf Anhieb zu verstehen ist. Der Verwechslungseffekt wird durch die Verkleidung und die Symbolik regelrecht herausgefordert.
Seit Juli dieses Jahres hat die Apfelbewegung auch Greifswald erreicht. „Ich fand die Idee schon länger gut“, sagt Sebastian Jabbusch, der an der Uni Greifswald Politikwissenschaft studiert. Während des Jugendevents „Prora 06“ auf Rügen traf er Alf Thum und seine Apfelfront und beschloss, in Greifswald auch eine Apfelfront-Zelle zu gründen. Neue Mitglieder schlossen sich dem „Gauleiter“, wie Jabbusch genannt wird, schnell an. „Angefangen habe ich mit ein paar Freunden.“ Mittlerweile zähle die Gruppe in Greifswald rund 20 Mitglieder.
„Gerade im Wahlkampf wollten wir etwas gegen die NPD tun“, erklärt Sebastian Jabbusch seine Motivation, mit der Apfelfront aktiv zu werden. Der Kern ihrer Aktionen ist ein ironisch-satirischer Auftritt. „Wir vertreten eine absonderliche Meinung, die die Menschen veranlassen soll, selbst nachzudenken.“ Die klassische Aufklärungsarbeit erreiche heute nur noch diejenigen, die ohnehin demokratische Parteien wählen, ist der Politikwissenschaftler überzeugt. „So absurd wie unsere Forderungen ist auch die NPD“, sagt er. „Wenn die Menschen unsere Ziele ablehnen, haben wir unser erreicht, was wir uns vorgenommen haben.“
Eine Methode, die bei den Bürgern durchaus auf Verwunderung stößt. Manch einer versteht die Ironie schlichtweg nicht. Fraglich ist, ob gerade der potentielle NPD-Wähler zu dieser Art des Wahlkampfes überhaupt einen Zugang findet. Zur Praktikabilität einer solchen Aktion im Kampf gegen Rechts befragt, wollte sich der Greifswalder Politikwissenschaftler Hubertus Buchstein dem moritz gegenüber nicht äußern.
In jedem Fall war die Resonanz nach der ersten Aktion im Juli, als sieben Apfelfrontler durch die Greifswalder Innenstadt marschierten, groß. Es folgten Aktionen in Anklam, wo die Gruppe um den „Gauleiter“ als Gegenaktion zum Wahlkampfauftakt der NPD tanzte, sowie in Schwerin. Hinterher war selbst auf www.npd-mv.de von der Apfelfront die Rede, deren Mitglieder dort zwar abfällig als „verwirrte Gestalten“ bezeichnet wurden. Jedoch: „die NPD hat uns wahrgenommen“, freut sich Sebastian Jabbusch. Allerdings konnte auch das Engagement der Greifswalder den Einzug der NPD in den Schweriner Landtag nicht verhindern. „Wir hatten es gehofft, doch nicht fest damit gerechnet“, sagt der 23-jährige. Nach der Wahl haben sich die Ziele erweitert. Nun stünden auch rechtsgerichtete Burschenschaften im Fokus des Interesses des Apfeltrupps. So wurde kurz vor Semesterstart eine eigene Burschenschaft mit dem Namen „Malumia Grypsvaldensis“ gegründet.
An die Öffentlichkeit trat diese erstmals während der Erstsemesterwoche auf dem Markt der Möglichkeiten, wo die Mitglieder sich einen Fechtkampf mit Holzschwertern lieferten, was auf offensichtliche Verwirrung und Ablehnungen bei den Erstis stieß. Genau mit dieser Täuschung oder Verwirrung provoziert die Gruppe.
Ein weiteres Mal trat die Malumia zwei Wochen später auf. Im Rahmen des Festaktes zum Universitätsjubiläum war im Hauptgebäude eine Tafel enthüllt worden, auf der Spender genannt sind, die eine besonders große Summe Geldes für die Restauration des Rubenowdenkmals bereitstellten. Unter diesen befand sich auch die Burschenschaft Markomannia. „Die Uni darf kein Geld von Rechtsextremen annehmen“, ist Jabbusch überzeugt und so zogen er und seine Mitstreiter zum Hauptgebäude, im Gepäck einen Scheck über zehntausend Reichsmark sowie eine eigene Ehrentafel. Beides wollten sie Rektor Rainer Westermann übergeben, der sich nach kurzem Zögern auch mit dem „Obstmajor“ Jabbusch traf. „Es ist ein Skandal, dass die Uni nicht überprüft, wer das Geld spendet“, attestierte dieser dem Rektor, der seinerseits einräumte, dass Fehler gemacht worden seien. „Wir werden diesen Vorfall prüfen“, versprach er.
Inzwischen wurde die Spendertafel entfernt. „Wir haben mit der Markomannia gesprochen“, ist von der Fundraiserin der Universität, Sabine Große-Aust, zu erfahren. „Wahrscheinlich wird nun ein Einzelspender auf der Tafel genannt.“ Ein Vorgang, der aus Sicht der Markomannia alles andere als geklärt ist. „Aus unserer Sicht ist das zurzeit in der Schwebe“, sagt Reno Basner, Öffentlichkeitsbeauftragter der Markomannen. Für ihn besteht kein Grund, den Namen der Burschenschaft von der Tafel zu entfernen. „Im Zweifelsfall werden wir das Geld zurückfordern.“ Freude herrscht nur bei der Malumia respektive Apfelfront. „Dass der Name entfernt wurde, ist für uns ein großer Erfolg“, so Sebastian Jabbusch.
Den Burschenschaften kündigt er einen heißen Winter an. „Wir wollen die rechtsextreme Szene aus der Deckung holen.“ Jedoch wolle man nicht losziehen und jeden Tag Stunk machen. Angst vor möglichen Konsequenzen hat er nicht. „Ich gehe inzwischen etwas anders mit meiner Privatsphäre um“, gibt Sebastian zwar zu, doch bedroht worden sei er noch nicht. „Einige von uns sind jedoch ausgestiegen, weil sie im Fernsehen gewesen sind.“
Allgemein wachsen Zustimmung und Mitgliederzahl jedoch stetig. So haben sich auch in Rostock und Schwerin Ableger der Apfelfront gegründet. Die zunächst in Heimarbeit entstandenen Fahnen und Armbinden werden inzwischen zentral in Bayern hergestellt. „Die Sache gewinnt eine gewisse Eigendynamik“, sagt der Student etwas nachdenklich. Einige mahnen bereits vor einem „Welle“-Effekt, benannt nach einem Roman, in dem ein Schulprojekt zur Nazizeit schließlich außer Kontrolle gerät. Diese Gefahr sieht Jabbusch jedoch nicht. Viel größer seien die Möglichkeiten. „Noch können wir uns offen gegen Rechts wenden. Wenn wir nichts tun, geht das in zehn Jahren vielleicht nicht mehr.“
Geschrieben von Maria-Silva Villbrandt, Kai Doering