Das letzte Einhorn führt uns an den Rand der Gesellschaft

Das letzte Einhorn führt uns an den Rand der Gesellschaft

Mickey Mouse, das letzte Einhorn oder Astronaut*innen und dann noch irgendwas mit dem „Rand“. All das spielt im gleichnamigen Theaterstück Rand eine Rolle. Das hört sich alles sehr verwirrend an und irritierte auch uns zuerst. Doch vor lauter Neugierde wollten wir uns das Stück anschauen. Auch wenn wir beide keine gängigen Theaterkritiker*innen sind, konnte uns die Aufführung nicht loslassen. Ob vor Freude oder Enttäuschung, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Ein Beitrag von Maret Becker und Tom Siegfried

Unser persönlicher Prolog

Wir waren doch sehr skeptisch, als wir uns am 18. März auf den Weg zur Stadthalle machten. Im dortigen Rubenowsaal wurde das Stück aufgeführt. Der Raum war ziemlich gemütlich gestaltet, indem die Bühne auf einer Ebene mit dem Bereich für die Zuschauer*innen gelegt wurde, um das Ensemble und das Auditorium zu vereinen. Das klappte auch ganz gut. Wir saßen in der ersten Reihe und Maret wurde dreimal direkt angesprochen. Tom ist sich sicher, er sitzt deswegen bewusst nie wieder dort. #peinlich

Worum geht es überhaupt?

Wo ist die Mitte der Gesellschaft? Wo ihr Rand? Fragen, die sich Wissenschaftler*innen, Astronaut*innen, das letzte Einhorn, Tetrissteine und Mickey Mouse stellen und nachgehen. Absurd-komische Figuren und Gruppen, die verstehen wollen, verzweifeln, sich radikalisieren oder versuchen zu retten, was zu retten ist. Das klingt erstmal alles sehr verwirrend. Auf der Bühne scheint es allerdings Sinn zu ergeben.

Die Figuren

Angefangen hat das Stück mit Tetrissteinen. Ja, die Schauspieler*innen trugen Kostüme in Form von Tetrissteinen. So unterschiedlich sie auch aussehen, gehören sie alle zusammen und wollen immer ein Ganzes ergeben. Die Ränder des Spielfeldes bleiben auch immer die gleichen: Oben der Beginn und unten das Ende. Danach betraten zwei Wissenschaftler*innen und eine Soziologin die Bühne. Sie trugen Perücken, lange Bärte und eine dicke (Schaumstoff-)Nudel im Intimbereich. Nur der Soziologin wurde das verwehrt. Aber warum das alles?

Dann kamen die Astronaut*innen. Die wortwörtlich „höchsten“ Menschen, geografisch betrachtet, haben den Sprung über den Rand der Welt geschafft. Und nun? Was liegt vor ihnen? Das letzte Einhorn sah aus wie eine Dragqueen. Mit Perücke und High Heels wurde es gejagt, als Letztes seiner Art… Um es auszustellen. Einzupferchen. Anzufassen. Zu versklaven. Und letztendlich auch, um es als Delikatesse zu verarbeiten. In dem Moment, als die Analogie auffiel, wurde es auf einmal sehr still im Publikum. Ach ja, dann kam auch noch Mickey Mouse um die Ecke. Klingt verwirrend, passt aber voll!

Die letzte Figur, die dem Publikum vorgestellt wurde, war die Randfigur. Eine sehr allumfassende Figur. Sie kann lachen und weinen, ist zuversichtlich und hoffnungsvoll, aber im selben Moment auch gebrochen und hoffnungslos. „Warum die Mitte den Rand erst nicht betrachten will und nicht einmal hilft, wenn es bereits zu spät ist… ?“, fragt sie sich. Kann man eine Kugel noch aufhalten, wenn sie einmal abgefeuert wurde?

Irgendwann kommt der Rand und die Welt geht zu Ende. Nur weil die Mitte der Gesellschaft es nicht sehen möchte, heißt es nicht, dass es nicht passieren wird. Doch wo endet die Mitte und wo beginnt der Rand? Gibt es denn Grenzen dazwischen? Wo beginnt die Zukunft und was muss man tun, um auf sie gefasst zu sein? Und warum tut man es dann nicht? Diese Fragen verfolgten uns durch das gesamte Stück.

Wie das Leben endete auch das Stück mit dem Tod, dem „großen Gleichmacher“. Am Ende sind eben alle gleich.

Es gibt so viele Ebenen, wie man das Stück interpretieren könnte.

Tom

Kritik und Lob

In einer kleinen Ansprache sagte der Regisseur des Theaterstücks: „Es könnte etwas abstrakt wirken.“ Diese Abstraktion ist zu einem großen Teil gut erkennbar gewesen. Auch die Hoffnung, dass „das Stück etwas zum Nachdenken mit nach Hause gibt“ wurde für uns vollkommen erfüllt. Wir konnten es danach kaum erwarten, uns über das Gesehene auszutauschen. Auch wenn uns die Figuren ab und an etwas verwirrt haben — in der Abstraktion der Charaktere fielen für uns ein paar Motivationen unter den Tisch. Dennoch haben es die Darstellenden wunderbar geschafft, die Figuren zu verkörpern. Dank ihnen wurde es möglich, mit den Rollen mitzufühlen.

Mir kamen so oft die Tränen. Mich berührte vor allem der Appell, dass es meistens um das Gemeinschaftsgefühl gehen soll. Wir wollen nicht zum Rand gehören, weil wir dort ausgeschlossen werden. Wir wollen immer zur Mitte hin. Auch wenn wir das nicht gerne zugeben.

Maret

Für uns steht fest: Das Stück ist echt wunderbar! Angenehm abstrakte Gesellschaftskritik, die nicht so schnell wieder loslässt! Absolut sehenswert!

  • Wo kann ich mir das Stück anschauen?
  • 02.04.2022 / 20:00 Uhr // Stadthalle Greifswald: Rubenowsaal
  • 13.04.2022 / 20:00 Uhr // Theater Stralsund: Gustav-Adolf-Saal
  • 22.04.2022 / 20:00 Uhr // Theater Stralsund: Gustav-Adolf-Saal
  • 29.04.2022 / 20:00 Uhr // Theater Stralsund: Gustav-Adolf-Saal
  • 04.05.2022 // Theater Putbus (auf Rügen)

Beitragsbild: Inês Pimentel auf unsplash

Slapstick, Seuchen und Sopran – Haydns „Apotheker“ im Theater Vorpommern

Slapstick, Seuchen und Sopran – Haydns „Apotheker“ im Theater Vorpommern

Nach Normalität fühlt es sich (noch) nicht wirklich an: Wie eine zusätzliche Karte zeigen die maskierten Menschen am Eingang ihr negatives Testergebnis oder ihre Impfbescheinigung vor. Trotzdem ist es möglich: Gesang in einem geschlossenen Raum. Genauer: Ein Gastspiel in Form einer Oper im Theater Vorpommern zeigt „Der Apotheker“ („lo Speziale“) von Joseph Haydn.

Eine Rezension von Veronika Isolde Wehner und Anne Frieda Müller

In einer kurzen Einführung in die Handlung und Inszenierung des Stücks wird erklärt, dass dieses im 18. Jahrhundert auf Schloss Esterhàzy uraufgeführt wurde. Doch ist es unvollständig überliefert: der dritte Akt musste teilweise von Thomas Leininger rekonstruiert und durch Arien aus Haydns „Il mondo della Luna“ ergänzt werden. Auch durch Hürden wie diese dauerte die Vorbereitung der Inszenierung unter der Regie von Nils Niemann und der musikalischen Leitung von Wolfgang Katschner drei Jahre.

Kostüme und Bühnenbild, die teilweise im Theater Vorpommern entstanden, orientieren sich stark am 18. Jahrhundert, wirken solide, wenn auch ein bisschen experimentierscheu. Die Übersetzung für die italienischen Arien liegt dem Publikum ausgedruckt auf dem Schoß.

Wenn drei sich streiten…

Das wohlhabende Mündel Grilletta ist heiß umschwärmt. Da ist zum einen ihr Vormund, der Apotheker Sempronio, der sich wenig ums Alltagsgeschäft kümmert und sich stattdessen den boulevardesken Zeitungen hingibt, die nicht nur Falschmeldungen, sondern auch rassistische Stereotypen verbreiten, die auch in die Inszenierung ihren Eingang finden. Er, gespielt von Cornelius Uhle mit der eindrucksvollsten Gesangsleistung, erhofft sich eine finanzielle Verbesserung durch eine Ehe mit ihr.

Publikumsliebling Countertenor Georg Bochow lässt den zweiten Heiratsanwärter Volpino mit viel Slapstick und Komik durch das Bühnenbild hopsen. Der kann zwar Grilletta nicht beeindrucken, überlegt sich aber mehrere Betrugsmaschen, die ihm wenigstens die Erlaubnis ihres Vormunds einbringen sollen.

Überhaupt sind die männlichen Figuren eine Studie von toxischer Maskulinität und Narzissmus. Sempronio, der alte weiße Mann, dem es völlig egal ist, was seine Aktionen auslösen, solange es seinen Status nicht erschüttert, konkurriert gegen Volpino, einen trumpesken Narzisten, dem jedes Mittel recht ist, sich Reichtum und Prestige zu erschleichen. Der Dritte in dieser Konstellation ist Mengone, ein Nice Guy, wie er im Buche steht. Gespielt wird er von Christian Pohlers und ist stimmlich wie auch figürlich die schwächste Figur auf der Bühne. Er hat von Pharmazie keine Ahnung, stellt aber die Medikamente für den Apotheker Sempronie zusammen. Auch er schmachtet Grilletta hinterher. Es ist tatsächlich erfrischend, dass man ihn in keinem Moment als Helden der Geschichte wahrnimmt, sondern als passiven Jammerlappen, der ebenso gut in Onlinekommentaren darüber weinen könnte, dass sich Frauen nicht für ihn interessieren.

Grilletta, das Ziel aller Begierde, wurde immerhin mit Agency und Fehlern ausgestattet, die gegen ihre eigenen Interessen Spiele spielt. Alessia Schumacher spielt solide und glaubwürdig, wenn auch ohne die stimmliche Brillanz von Cornelius Uhle. Im Hintergrund der Handlung bahnt sich eine Seuche an, die das Leben in Europa bedroht. Das ergibt sich aus den immer wieder vorgelesenen Falschmeldungen aus den Zeitungen, die der alte Sempronio aktiver verfolgt als das Geschäft seiner Apotheke.

Das Ende des Plots kommt reichlich überraschend und unlogisch daher. Es ist deswegen erstaunlich, dass sich die Darstellung, die eigentlich durchweg kurzweilig ist, beginnt zu ziehen. Auch in einer Komödie, oder im Opernsprech Opera buffa, verdienen es die Figuren, einen Abschluss zu finden, der in sich geschlossen ist.

Sexismus, Rassismus und Fake News

Aus Haydns sexistischer Darstellung kann den Kompanien, die sich an diesem Stück beteiligen, kein Vorwurf gemacht werden. Das Ganze ist eindeutig eine Satire auf patriarchale Strukturen und Genderrollen und wird insgesamt auch so dargestellt. Außerdem besticht die Inszenierung durch die großartige Verhunzung von Boulevard-Schlagzeilen, die klar Falschnachrichten verbreiten – passender denn je. Trotzdem führt vor allem die Darstellung der „Türken“, auch wenn es die Vorurteile der Protagonist*innen gegenüber den osmanischen Gesandten darstellen soll, zu starker Fremdscham – ganz ohne komödiantischen Aspekt. Wer noch nie von Orientalismus gehört hat, bekommt ihn im „Apotheker“ vor Augen geführt. Hier wäre, wenn es schon dieses Stück sein soll, die Wahl, eine klassische Inszenierung zu machen, bedenkenswert gewesen. Bei weniger Vorurteilen, wenn auch überspitzt dargestellt, blieben eher die großartigen Leistungen Uhles und Bochows im Gedächntnis und nicht die riesigen „Türkenschnauzerbärte“.

Das Gastspiel wird noch zwei Mal extra für das 200-jährige Jubiläum des Theater Putbus im Theater Vorpommern auf Rügen aufgeführt: am 09. und 10. Juni. Beide Vorstellungen sind jedoch schon ausverkauft.

Beitragsbild: Maik Schuck

Adventskalender Türchen No. 24: Ente, Wahn, Ich

Adventskalender Türchen No. 24: Ente, Wahn, Ich

Weihnachtszeit ist Vorfreude und Geheimnistuerei, Nächstenliebe und Besinnung. Sie duftet nach heißem Glühwein, frisch gebackenen Keksen und mühsam gepellten Mandarinen. Der Dezember lebt von kleinen Aufmerksamkeiten und Traditionen, wie den Adventssonntagen mit der Familie, dem mit Süßigkeiten gefüllten Schuh am Nikolausmorgen und dem täglichen Öffnen des Adventskalenders. Weißt du noch, wie du jeden Tag vor Weihnachten aufgeregt aufgestanden bist, um vorfreudig zu deinem Schokoadventskalender zu tappen? Die moritz.medien verstecken das Weihnachtsgefühl hinter 24 Fenstern. Im heutigen Fenster: Ente, Wahn, Ich.

Vom Club der Dichter*innen aus den geteilten BBB-Notizen: Annica, Frank, Lilli und Lukas.

Ihr wisst nicht, wie ihr die nächste weihnachtliche Auseinandersetzung überstehen sollt? Dann verschafft euch doch hier ein bisschen rhetorische Inspiration.

Das folgende Schauspiel findet in einem Wohnzimmer irgendwo in Deutschland statt.
In der Ferne hören wir die Glocken klingen, die Bäuche sind voll und die Familienfeier findet ihren feierlichen Höhepunkt in der großen Bescherung. Am Baum versammelt haben sich schon die Zwillinge Tim und Tom, Oma Hannelore legt am Plattenspieler feierlich die klassische Weihnachtsmusik auf, Opa Gustav muss noch den Braten verdauen und liegt schlafend auf der Couch. Onkel Immanuel hat sich während des Essens bereits etwas mit seiner Flamme Michelle entzweit, da sie so lange an ihrem Instagram-Hashtag-Weihnachtsessens-Post saß, dass Oma Hannelore dachte, ihr würde es nicht schmecken. Doch seine Aufforderung, ihren Social-Media-Konsum etwas einzuschränken, war ihr einfach zu kategorisch. Auch bei Vater Maximilian und Jutta, der Mutter, ist die Lage schon etwas angespannt, schließlich wollte Maximilian eigentlich auch alle Nachbarn einladen und ließ sich nur mit großer Mühe davon abbringen.
Ihr wisst selbst nicht mehr so genau, wie ihr eigentlich hier gelandet seid, aber nach diesem verrückten Jahr hinterfragt ihr es auch nicht mehr genauer. Und jetzt, da ihr alle Familienmitglieder kennt, lasst uns den weihnachtlichen Familiengesprächen unter dem Tannenbaum lauschen! Wir präsentieren das nicht zum Nachmachen gedachte Weihnachtsschauspiel:

Ente, Wahn, Ich.


Onkel Immanuel: *sitzt im Sessel und stützt die Arme seitlich in die Hüften, während er fragend in die Runde guckt*
„Wollen wir etwa bis morgen warten, bis wir die Geschenke auspacken?!“

Oma Hannelore: *sitzt ganz manierlich und gerade auf einem Hocker und guckt verwirrt in Immanuels Richtung*
„Was ist morgen?“

Baby: *lacht mit strahlenden Augen*
„Dada!“

Vater Maximilian:
„Tausend Jeschenke, die niemand will… Et is JEDET Jahr dat selbe!“

Jutta, die Mutter: *Steht auf und verkündet feierlich*
„Noch sind wir bei Sinnen,
lasst die Bescherung beginnen!
Doch nicht bevor wir sie hören,
die Gedichte, die uns betören.“

Vater Maximilian: *rollt mit den Augen*
Da musste nur in die Lügenpresse schauen. Da lieste sowat täglich!

Opa Gustav: *schnarchschmatzschmatzschmatzschmatz*

Michelle: *blickt Kaugummi-kauend kurz von ihrem youPhone 25 auf*
„Wow, Hashtag cringe…“

Oma Hannelore: *ängstlich und verwirrt*
„Der Grinch?“

Zwilling Tim: *voll freudiger Erwartung*
„Gustav, gib gute Geschenke.
Geschwister geben gute Gedichte.“

Zwilling Tom: *jetzt schon vollkommen genervt von allem*
„Zickezacke Hühnerkacke.“

Onkel Immanuel:
„Kann ein Gedicht NOCH kürzer sein?“

Zwilling Tom:
„Gustavs große, graue Gänse grasen gern im grünen Gras, grasen gierig gi-ga-gack, grasen den ganzen Garten ab.“

Jutta, die Mutter: *mit vollkommen schriller Singstimme*
„Oh wie schön,
jetzt kann es losgöhn!“

Vater Maximilian:
„Ja, jetzt fangen wa mal mit dem Auspacken an, sonst sitzen wa ja noch morgen hier.“

Oma Hannelore:
„Was willst du besorgen?“

Michelle: *öffnet hektisch die Kamera-App*
„Wait, diesen moment muss ich catchen!“

Baby: *rülpst*

Michelle: *dreht sich angewidert weg*
„Boah, Leute, dieses Baby ist sowas von uninstagramable. Erstmal muten und Filter drüber. Und Hashtag pummelig.“

Jutta, die Mutter: *weist mit großer Geste auf den gewaltigen Stapel an Geschenken unter dem Baum*
„So ihr lieben Kinderlein,
als erstes soll es euer Stapel sein.“

*Die Zwillinge Tim und Tom packen die Geschenke aus.*

Zwilling Tim: *dreht sich begeistert zu den Eltern um*
„Geiler Geschenkestapel, gute Gutscheine! Große Geste! Gönnjamin!!“

Zwilling Tom: *rennt wutentbrannt zu Jutta, seiner Mutter, und fuchtelt vor ihrem Gesicht mit einem Pappkarton herum*
„Ernsthaft? Eine ekelhafte Ex-PS4-Konsole? Eine endgeilomatische Epic-PS5 erwünschte er eurer, ehrenwerte Eltern.“

Onkel Immanuel: *wirft weise vom Sessel aus seinen Kommentar ein*
„Ach so, ja klar, darf es sonst noch was sein?“

Michelle: *durch den sich mutmaßlich anbahnenden Streit amüsiert*
„Savage.“

Zwilling Tom: *geht mürrisch zurück zum Geschenkestapel und murmelt vor sich hin*
„Blöde Bescherung, besser Braten brutzeln.“

Zunächst kehrt wieder Ruhe ein im Wohnzimmer und es passiert nicht viel, während die Kinder weitere Geschenke (Geld, Bücher, noch mehr Geld) auspacken. Immer mal wieder hört man von Opa Gustav: *omnomnom*

Vater Maximilian:
„Dit dauert ja wieder hunnert Jahre, bis alle mit ihren Jeschenken fertig sind.“

Jutta, die Mutter:
„Schatz, nun nimm das Päckchen hin,
ist bestimmt was schönes drin! Etwas Badesalz oder –“

Zwilling Tom: *immer noch sauer wegen des falschen Geschenkes*
„Oder Opas Ohrenschmalz!“

Opa Gustav: *Grunzt*

Jutta, die Mutter:
Tom, mein Junge,
hüte deine Zunge!

Baby:
„Dai!“

Onkel Immanuel: *mit vielsagendem Blick*
„Vielleicht ist es ja auch was Nützliches?“

Vater: *packt aus wie Attila*
„Dit kann doch jetz nich wahr sein, auch noch an Weihnachten dieser Coronaquatsch?!
N’Maulkorb oder wat soll dat?
Als nächstet verfolgt Merkel mich och noch auf’s Klo oder wie?“

Oma Hannelore: *verwundert*
„Maultaschen? Seid ihr nicht satt geworden?“

Opa Gustav: *schmatzt*

Jutta, die Mutter: *mit versöhnlichem, verständnisvollen Tonfall und einem Lächeln*
„Aber Bummi,
das schützt deine Lungi.“

Zwilling Tim: *übergibt selstgemaltes Bild*
„Für frohere Festtagsstimmung fabrizierten Tom und ich für Frau Mama fantastische Formen voll fabelhafter Farben.“

Jutta, die Mutter: *voller Freude*
„Oh schau nur diese bunten Tön‘,
wie schön, danke meine Söhn‘!
Ich danke Euch von Herzen fein,
für dieses schöne Bildelein.“

*blickt sich um zu den Großeltern*
„Für Oma und Opa haben wir
in guter alter deutscher Manier
einen Kasten glühenden Wein,
los doch ihr Lieben, haut rein!“

Oma Hannelore: *erschrocken*
„Schlägerei? Ersatzbein?“

Michelle:
„Ehrenfrau!“

Opa Gustav: *setzt im Traum die Weinflasche an*
„glugggluggglugg“

Michelle: *mit ihrem Handy beschäftigt*
„Sheeesh, lost man!“ 

Onkel Immanuel: *mit sarkastischem Einwurf von der Seite*
„Mensch wie wäre es dann mal wieder mit Socken?“

Jutta, die Mutter: *überreicht Onkel Immanuel sein Geschenk*
„Immanuel, damit du nicht erfrierst,
sondern stets weiter philosophierst.“

Onkel Immanuel: *verärgert*
„Wow, tatsächlich Socken, soll ich mich darüber freuen?“

Jutta, die Mutter: *entrüstet, ob der plötzlichen Beschwerde*
„Jedes Jahr dasselbe Leid,
versuche ich Euch zu machen doch eine Freud.
Es passen die Geschenke nicht,
so hau doch ab, du Wicht!
Die gute Laune zerstörst du mit all deinem Sagen,
ich kann das so langsam nicht mehr ertragen!
Wenn dir nicht passt, was wir dir gaben,
musst du dich nicht länger an unserem Weine laben!“

Michelle: *excited*
„OMG, jetzt gibt’s Hashtag Beef!“
*holt wieder die Smartphone-Kamera raus*
„Jetzt fehlt mir der Anfang, Jutta, kannst du das für meine Story nochmal wiederholen? Geht bestimmt meeega viral!“

Oma Hannelore:
„Brauchst du wat aus’n Regal?“

Onkel Immanuel: *beleidigt*
„Ihr wollt also, dass ich gehe?“
*dreht sich um zu Michelle*
„Schön, dann gehen wir. Tschüss.“

Michelle: *mit vorwurfsvollem Blick*
„Aber Manu, bei den Freaks kann man voll gut Content createn. Ich will doch die 10K!“

Onkel Immanuel:
„Dir ist dein „Fame“ also wichtiger als ich? Schön, dann gehe ich. Tschüss.“

Michelle: *winkt ihm nach, während sie ein Selfie-Video dreht*
„Ok, Boomer. Früher warst du mehr fly.“

*Onkel Immanuel verlässt wütend das Haus*

Opa Gustav: *ist durch den lauten Wortwechsel aufgewacht*
„Hmpf.“

Zwilling Tom: *sadistisch durch den Streit beglückt*
„Toller Tumult. Weiche weg, widerlicher Wüstling!“

Zwilling Tim: *im verzweifelten Versuch, die Stimmung zu beruhigen und das Fest zu retten*
Ping, pang, pong, schwing den Gong!
Ping, pong, pang, nicht zu lang!
Ping, pang, pung, –

Jutta, die Mutter: *mit beginnender Migräne nicht mehr ganz so in Festtagsstimmung wie zuvor*
Jung, nun ist’s genung!

Michelle:
„Hashtag Germanistik“

Zwilling Tim: *traurig, weil das fehlende Lob seiner Mutter, Jutta, seine tiefen Selbstzweifel wieder einmal hervorbringt*
„PS playen! Problem, Papa?“

Zwilling Tom: *streift seine Jacke über und winkt einmal sarkastisch in die Runde*
„Bis bald, Bitches. Bin bei Boris‘ bigger Baronaparty.“

Vater Maximilian: *umarmt Tom mit strahlenden Augen*
„Dit is mien Junge!“

Tim und Tom verlassen das Zimmer und Opa Gustav schläft wieder ein. Auf dem Schlachtfeld der Bescherung stehen die verbliebenen Familienmitglieder und gucken sich etwas ratlos an.

Vater Maximilian: *kratzt sich am Kopf*
„Boah guckt euch mal diese Berge von Jeschenkpapier an. So ’ne Verschwendung Da kannste ja ’nen Forst von pflanzen.“

Baby: *ballt energisch die Faust und ruft voller Überzeugung*
„Hambi bleibt!“

Vater Maximilian: *entsetzt*
„Dit is nich mein Kind! Sieht mir auch gar nicht ähnlich.“

Oma Hannelore:
„Bambi lebt?“

Jutta, die Mutter: *ganz entzückt von ihrem Baby und sehr genervt vom Vater und mit der Gesamtsituation unzufrieden*
„Die ersten Worte gut und fein
vom kleinen, lieben Babylein.
Ganz anders als der Macker,
klingst du, mein süßer Racker!“

Michelle: *verlässt den Raum*
„Leute, bin off. Gehe 20 Uhr live mit der Crowd. Hashtag bye.“

Jutta, die Mutter: *fasst sich ans Herz*
„Das war ja ein tolles Fest,
ich mach‘ jetzt ’nen Corona-Test.“

Gut gemeinter Rat der Redaktion: Please don’t try this at home.

Beitragsbild: Julia Schlichtkrull