umgekrempelt – Die Fastenzeit vegan

umgekrempelt – Die Fastenzeit vegan

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Hintergrund

Jährlich etwa 40 Tage vor Ostern beginnt am Aschermittwoch die Fastenzeit und endet in der Nacht zum Ostersonntag. Traditionell verzichtet man in der katholischen Kirche in diesem Zeitraum auf den Konsum von Fleisch. Ziel ist es, in dieser Zeit bodenständig zu leben und eine bessere Beziehung zu Gott zu finden, in Vorbereitung auf Ostern, das höchste christliche Fest; die Zahl 40 hat dabei symbolische Bedeutung. Es ist jedoch unter den fastenden Christ*innen durchaus üblich, auf eine andere als die traditonelle Art und Weise zu fasten.

Die Wahrung der Schöpfung ist für mich ein zentrales Anliegen, dass sich auch in den ersten Kapiteln des Alten Testaments der Bibel widerspiegelt. Da der Konsum tierischer Produkte ein Faktor, wenn auch natürlich nicht der einzige, in der Ernährung ist, der eine verstärkte Emission von Treibhausgasen verursacht, erschien mir der traditonelle Fleischverzicht als Fasten sinnvoll. Da ich jedoch onehin eher wenig Fleisch esse und andere tierische Produkte auch ähnlich viele Treibhausgase verursachen, habe ich mich dazu entschieden, das Konzept zu erweitern und die Fastenzeit vegan zu verbringen. Auch die grausamen Haltungsformen moderner Massentierhaltung, die für mich christlich und allgemein ethisch unvertretbar sind, haben mich dazu bewogen, in der Fastenzeit vollständig auf tierische Produkte zu verzichten.

Ablauf

Diese Verzicht gestaltete sich für mich in Bezug auf die verschiedenen üblichen Mahlzeiten deutlich verschieden. Für die warmen Mahlzeiten zu Hause in Greifswald war es keine nennenswerte Umstellung. Ich koche hier onehin nur sehr einfach und vegetarisch und musste eigentlich nur Sahne als Sauce weglassen. Als Alternative habe ich Saucen auf Mehlschwitzen-Basis entdeckt, was mir sogar besser schmeckt als Sahne. Während der Zeit bei meinen Eltern im Laufe der Semesterferien, wo ich stets etwas ausgefallener essen kann, war der Unterschied zwar etwas deutlicher, da es aber auch bei meinen Eltern meistens vegetarisches Essen gibt, war der Verzicht auch hier zwar spürbarer aber immer noch recht gut machbar. Schwierig war es in der Gastronomie zu essen, da es dort häufig extrem wenige oder gar keine vegane Speisen gibt. Bei einem Ballabend eines Vereins, in dem ich Mitglied bin, gab es zum Beipiel nur eine Gemüsebeilage und Kartoffeln als veganes Angebot. In einem Eiscafé, in dem ich mich mit einer Freundin getroffen habe, wurde überhaupt kein veganes Essen angeboten, sodass ich nur einen Tee trinken konnte. Das war natürlich nicht schön. Gerade weil ich wusste, dass ich mich nicht dauerhaft vegan ernähren würde, konnte ich mich aber ganz gut darauf einlassen, in solchen Situationen dann nur ein eingeschränktes Angebot oder gar nichts zu essen. Ich weiß dadurch nun, dass man, wenn man sich vegan ernährt und ein Café besuchen möchte, sich im Voraus darüber informieren sollte, ob es dort ein veganes Essensangebot gibt. Auch Essen bei Freund*innen war oft schwierig, da ich immer Sonderwünsche stellen musste, um dort vegan mitessen zu können. So konnte ich beispielsweise einmal bei Nudeln mit Käsesauce nur die Nudeln essen und konnte dann dazu nur Tomaten, die eigentlich als Salatbeilage gedacht gewesen waren, essen. Das wurde jedoch von Freund*innen nie als störend empfunden. Die größte Einschränkung war für mich, wie ich bereits im Vorfeld erwartet hatte, der Verzicht auf Käse, den ich sehr gerne esse und der eigentlich mein einziger Brotbelag ist. Als Alternative fand ich Hummus, veganes Pesto und Fruchtaufstriche als Brotbelag. Gerade in den letzten ein bis zwei Wochen der Fastenzeit war diese Umstellung jedoch diejenige, die ich mir mit Abstand am deutlichsten wieder weg wünschte, was daran lag, dass ich eben so gerne Käse esse. Normalerweise esse ich nur Brote mit Käse und habe immer mehrere Sorten zu Hause im Kühlschrank. Daher habe ich ihn auch am meisten vermisst.

Fazit

Durch diese Fastenzeit habe ich nun für mich eindeutig bewiesen, dass ich mich theoretisch vegan ernähren könnte, wenn ich bereit dazu wäre. Dazu bin ich allerdings nicht bereit, weil ich einige Lebensmittel, vor allem Käse, doch zu sehr vermisst habe und durchaus den Ansatz habe, dass eine Absolutheit in dieser Hinsicht nicht angemessen ist, man sich aber über den eigenen Konsum und seine Auswirkungen bewusst sein sollte. Ein solches Bewusstsein über die Vorzüge tierischer Produkte aber auch vorhandener Alternativen habe ich nun durch diese Fastenzeit verstärkt entwickelt. Ich möchte außerdem versuchen, im Zuge der Bewahrung der Schöpfung auch über die Fastenzeit hinaus einige Alternativen für tierische Produkte weiterhin zu verwenden. So esse ich weiterhin vegane Mehlschwitzen-Saucen und kann mir vorstellen, einige Wochne nach Ostern auch wieder gelegentlich Hummus auf dem Brot zu essen. Erst einmal esse ich aber wieder recht viel Käse, nachdem ich das rund 40 Tage lang nicht tun konnte.

Beitragsbild: Allan Kant

Umgekrempelt: Meditation gegen Stress

Umgekrempelt: Meditation gegen Stress

Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse von 2021 fühlen sich 64% der Deutschen manchmal gestresst, 26% sogar häufig. Die Krankenkasse gibt an, dass dies eine Zunahme von 30% gegenüber ihrer ersten Studie von 2013 ist. Als Grund für diesen Anstieg wird die Corona-Pandemie genannt.

Bei mir hat der Stress nicht unbedingt etwas mit der Pandemie zu tun, sondern mit Prüfungen. In der Prüfungszeit fühle ich mich fast immer gestresst und kann deshalb teilweise nicht gut schlafen. Als einer der Tipps für Stressreduktion wird immer wieder Meditation angegeben. Da ich das sowieso schon länger mal probieren wollte, dachte ich mir, dass nun der perfekte Zeitpunkt dafür gekommen war.

Was ist Meditation genau? Es ist ein mentales Training, was einem hilft, nicht nur währenddessen, sondern auch in stressigen Situationen gelassener und ruhiger zu sein. Es gibt verschiedene Meditationsmethoden, wobei alle gemeinsam haben, dass man sich auf eine Sache, wie beispielsweise die Atmung, konzentrieren soll.

Ich habe in meinem Experiment eine Woche lang jeden Tag abends vor dem Schlafengehen meditiert, in der Hoffnung, dass ich danach besser schlafen kann. Für das Experiment habe ich größtenteils dieses YouTube-Video, welches mir eine Freundin empfohlen hat, genutzt.

Tag 1 – Donnerstag

Heute habe ich das erste Mal eine geführte Meditation vor dem Zubettgehen probiert. Es hat mir wirklich gut getan, ich habe mich danach viel entspannter gefühlt! Ich bin zwar noch nicht in diesem meditativen Zustand gewesen, aber ich hoffe trotzdem, dass die Meditation positive Auswirkungen auf meinen Schlaf hat.

Tag 2 – Freitag

Als ich heute morgen aufgewacht bin, habe ich mich tatsächlich erholter gefühlt und habe auch etwas länger geschlafen, als die Tage davor. Ob das jetzt wirklich an der Meditation von gestern Abend liegt, ist erst mal schwer einzuschätzen. Vielleicht war ich gestern Abend auch einfach richtig müde, da ich die Tage davor nicht so viel Schlaf abbekommen hatte und deshalb nun besser schlafen konnte. Aber auch so fühle ich mich heute von den Prüfungen nicht so gestresst, wie in den letzten Tagen. Ich hoffe, das hält an! Mal schauen, wie die Meditation an Tag 2 läuft.

Ich habe abends dasselbe Video wie am Tag zuvor angeschaut, bin aber wieder nicht im meditativen Zustand gewesen. Auch wenn ich mich danach entspannter gefühlt habe, habe ich mich noch länger im Bett herumgewälzt, bis ich in den Schlaf gefunden habe.

Tag 3 – Samstag

Heute früh war ich noch müde und habe mich noch nicht so fit gefühlt, als ich um kurz nach 8 Uhr aufgewacht bin. Über den Tag verteilt merkte ich jedoch, dass ich trotzdem gut geschlafen habe und ich irgendwie entspannter mit dem Prüfungsstress umgehen konnte. Auch das Lernen lief soweit so gut, ich konnte mich – anscheinend wegen der erholsamen Nacht – größtenteils gut konzentrieren.

Auch heute habe ich wieder das Video genutzt. Es hat mit der Meditation schon viel besser funktioniert. Ich glaube, ich bin kurz einmal im meditativen Zustand gewesen. Danach bin ich auch schnell eingeschlafen.

Tag 4 – Sonntag

Heute bin ich fitter aufgewacht und habe mich auch über den Tag verteilt gut gefühlt. Es macht sich also gleich bemerkbar, wenn man richtig meditiert! Ich war heute richtig motiviert, energiegeladen und konnte konzentriert arbeiten. Ich hoffe, dass die Meditation heute Abend wieder so gut klappt!

Zu früh gefreut, leider nicht! Die Meditation lief leider nicht so ab, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich konnte mich nicht so wirklich darauf konzentrieren, vielleicht, weil ich tagsüber so viel erledigt habe. Ich konnte danach auch nicht gleich einschlafen.

Tag 5 – Montag

Ich bin sehr früh aufgewacht, habe mich aber noch müde gefühlt und dann mithilfe von Meditationstechniken noch mal in den Schlaf gefunden, das hat gut getan! Als ich später zu einer normalen Uhrzeit aufgewacht bin, habe ich mich relativ erholt gefühlt. Es war gut, dass ich noch mal einschlafen konnte.

Auch über den Tag verteilt habe ich mich relativ fit gefühlt und gemerkt, dass ich mich wirklich nicht mehr so gestresst fühle, seit ich abends versuche, zu meditieren.

Heute Abend konnte ich mich dann aber leider noch schlechter auf die Meditation konzentrieren als gestern. Ich habe es das erste Mal ohne das Video probiert und nur Entspannungsmusik angehört. Ich glaube, ich brauche das ursprüngliche Video doch noch, weil meine Gedanken sonst einfach zu sehr durch meinen Kopf wandern. Dementsprechend habe ich auch wieder etwas länger gebraucht, um einzuschlafen. Ich könnte mir vorstellen, dass das aber auch daherkommt, dass das Wochenende vorbei ist und nun wieder jeden Tag Uni-Veranstaltungen anstehen.

Tag 6 – Dienstag

Ich bin heute zwar schon etwas vor meinem Wecker um kurz vor 8 aufgewacht, habe mich aber den ganzen Tag trotzdem fit gefühlt und weiterhin nicht nervös oder angespannt wegen der anstehenden Prüfungen. Anscheinend bringt es doch etwas, wenigstens zu versuchen, zu meditieren, auch wenn man nicht immer in den meditativen Zustand kommt. Oder es ist ein Placeboeffekt, wer weiß. Mal sehen, wie die Meditation heute Abend läuft.

Zum Meditieren habe ich wieder das Video genutzt und gemerkt, dass ich es noch brauche, um mich besser auf die Meditation einzulassen. Heute hat es bisher am besten geklappt! Ich konnte danach auch sehr schnell in den Schlaf finden.

Tag 7 – Mittwoch

Als der Wecker heute morgen geklingelt hat, bin ich nicht schwer aus dem Bett gekommen. Heute fühle ich mich richtig gut, erholt und ausgeschlafen! Ich war auch den ganzen Tag über produktiv und konzentriert.

Mithilfe des Videos bin ich sehr schnell in den Meditationszustand gekommen. Auch heute konnte ich anschließend schnell einschlafen.

Fazit

Auch wenn es für mich nicht immer ganz einfach war, mich komplett auf die Meditation einzulassen, weil doch zu viele Gedanken in meinem Kopf herumschwirren, hat es mir wirklich gut getan, dass man für ein paar Minuten versucht, nichts zu denken, sondern sich einfach fallen zu lassen, sich auf die Atmung oder die Musik zu konzentrieren. Ich habe auch gemerkt, dass Meditieren wirklich nicht so einfach ist. Man muss es erlernen, fast so wie eine Sportart und dementsprechend ist auch nicht jeder Tag gleich. Mal hat es besser funktioniert, mal schlechter, aber man darf sich davon nicht entmutigen lassen!

Ich werde auf jeden Fall in der Prüfungszeit weiter jeden Tag versuchen, zu meditieren. Ich spüre die Auswirkungen davon ja auch über den Tag verteilt, da ich mich weniger gestresst fühle. Aber auch danach möchte ich es weiterhin in meinen Alltag integrieren. Ich kann Meditation allen empfehlen – zumal dauerhafter Stress Burn-out fördert und das Immunsystem schwächt. Also wagt doch einfach selbst das Experiment und schaut, wie es euch damit geht!

Beitragsbild: Kirstin Seitz

Umgekrempelt: Ein Alltag ohne Multitasking

Umgekrempelt: Ein Alltag ohne Multitasking

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns (meistens) sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Eine Online-Sitzung läuft. Ich müsste eigentlich zuhören, bin aber am Festnetztelefon und sitze gleichzeitig vor Zahlentabellen, die wir besprechen müssen. Ich wechsle kurz die Fenster zu BBB für eine Wortmeldung, in dem Moment klingelt mein Handy, durch die Synchronisation klingelt auch mein Laptop – mein Mikro ist noch an, ich kann die Antwort noch nicht mal verstehen, die Teekanne äußert quietschenden Protest, beim Festnetztelefon geht der Akku leer und piept jetzt ernsthaft auch noch alle paar Sekunden, aufladen geht aber gerade nicht. Mein Laptop ist ebenso überfordert wie ich und fängt an zu rauschen, Nachrichten-Pop-Ups blinken an Laptop und Handy auf – die eine ist wichtig, ich muss schnell einen Teaser lektorieren, die nächste Online-Sitzung schließt sich direkt an, es geht um ein Projekt nach dem Master und ich würde echt gerne zuhören, aber eigentlich muss die Mail mit den Tabellen noch raus, am piependen Telefon bin ich immer noch, mein Kopf ist heiß, ich muss gleichzeitig rechnen und reden und zuhören und denken, alles ist laut, das ist zu viel, viel zu viel.

Tag 1: Freitag

So. Ich beschließe, einen „digital detox“ zu machen und schalte mein Handy um 18 Uhr aus. Ich wollte eigentlich nur ohne Ablenkung nebenbei einen Online-Vortrag hören, aber im Laufe des Abends entsteht der Gedanke zum Selbstexperiment, um für längere Zeit solch überladene Situationen zu vermeiden. Denn kaum laufen die ersten Minuten des Vortrags an, wechsle ich automatisch die Fenster und beginne, meinen Desktop aufzuräumen. „Halt!“, unterbreche ich mich direkt, meine Hand zuckt aber gewohnheitsmäßig noch sieben Mal zum Touchpad, um das Fenster erneut zu wechseln. Einfach nur zuzuhören und nicht ganz kurz nebenbei etwas zu machen, führt dann aber dazu, dass ich vor lauter Erschöpfung während des Vortrags wegdämmere, upsi.

Abends lese ich noch, irgendwann wird mir aber langweilig (spricht entweder nicht unbedingt für das Buch oder für mein sonst gewohntes Reizlevel) und ich sehne mich danach, etwas am Handy zu scrollen. Ich überwinde mein Reizbedürfnis aber eisern und lese doch noch weiter, das hätte ich normalerweise wahrscheinlich nicht gemacht.

Tag 2: Samstag

Ich bin momentan in der Heimat und wir fahren zur Familie. Normalerweise bin ich immer mal zwischendurch am Handy während der Autofahrt, habe es heute allerdings irgendwann aus- und uns einen Podcast angemacht. Trotzdem kann ich kaum zuhören und vermute, dass das an meiner Konzentrationsüberlastung der letzten Zeit liegt. Den ganzen Tag mit der Familie bleibt mein Handy aus, manchmal verspüre ich den Impuls, aber schließlich möchte ich im Moment bleiben.

Die Rückfahrt hat es dann aber in sich: Nach zwei Stunden im Oldieversum aus NDR 90,3 und NDR 1 (Weeelle Nooooord – Konnte das jemand mitsingen?) begebe ich mich doch lieber in die doppelten Reize zurück und setze meine Kopfhörer auf. Wenn das Radio die eine Aufgabe ist, auf die ich mich konzentrieren muss, ja, dann möchte ich nicht mehr. Zugegebenermaßen ist es aber tatsächlich ganz schön anstrengend, „Always on My Mind“ tönen die Oldies, sobald meine Musik mal kurz leiser wird. Daher richte ich meine volle Aufmerksamkeit auf die musikalischen Elemente und den Text meiner Lieder, was ich viel zu selten so bewusst mache und die Musik dadurch viel intensiver aufnehme.

Tag 3: Sonntag

Ich sitze im Zug zurück nach Greifswald und sinniere über meine bisherigen Tage des Selbstexperimentes. Dass ich Multitasking vermeiden möchte, heißt bisher offensichtlich oft nur, nicht am Handy zu sein. Ist ja auch irgendwie logisch, schließlich ist der aufblinkende Bildschirm häufig das, was den Moment gerade unterbricht. Ich fühle mich nach den letzten zwei Tagen insgesamt viel disziplinierter, schaue abends noch einen Film mit meiner Mitbewohnerin und finde es gar nicht mehr so anstrengend, gegen das Bedürfnis anzugehen, gleichzeitig mein Handy sichtbar neben mir haben zu wollen. Da unser WLAN momentan eh kaputt ist (hier finde ich das noch gut), lese ich zum Einschlafen einfach. Ich merke: Mein Kopf kühlt sich immer weiter ab.

Tag 4: Montag

Los geht’s mit der Woche. Für das Selbstexperiment schalte ich morgens meine Mitteilungen am Handy auf nicht mehr vollständig lesbar. Ich schaffe es nicht, sie ganz auszustellen, aber auf diesem Wege sehe ich immerhin nur, dass etwas gekommen ist und bin inhaltlich nicht direkt woanders. Ich muss aber sagen, dass mich das ziemlich stört, ständig muss ich auf die Apps klicken und schauen, ob gerade etwas Wichtiges dabei ist.

Ich bin außerdem so müde, dass ich beim Fertigmachen Musik höre – Ist das jetzt schon Multitasking? Das überfordert mich zwar nicht, aber eigentlich flute ich mich ja wieder mit Reizen. Auch in der Bib mache ich mir gewohnheitsmäßig irgendwann Musik an und beginne, die Literatur durchzugehen, überwinde mich dann aber zur Stille. Ich höre zum Jammen häufig Musik beim Arbeiten und komme gut damit klar, frage mich aber regelmäßig, wie viel Energie es mich unterbewusst eigentlich kostet, nicht zu sehr die Wörter aus dem Lied, sondern die aus dem zu lesenden Text aufzunehmen.

Da unser WLAN immer noch kaputt ist (…), muss ich für meinen Schwedischkurs ins Grüne. Auch wenn ich mein Handy eisern aus hatte, ist das Reizüberflutung pur. Ständig laufen Leute vorbei, zwischendurch rede ich mit einer Freundin. Irgendwann bin ich wahnsinnig müde und würde so gerne am Handy scrollen, um mich etwas wach zu halten, aber ist diese Gewohnheit nicht total doof? Schließlich kommen dann noch mehr Reize, die ich mit der wenigen Energie verarbeiten muss und richtig zuhören kann ich dann erst recht nicht. Gefühlt muss ich aber mehr Energie aufbringen, weiterhin zuzuhören und nicht ans Handy zu gehen; der innere Kampf bleibt also doch noch bestehen.

Tag 5: Dienstag

Meine Mitteilungen stelle ich heute Nachmittag wieder auf lesbar, das ist mir dann doch zu anstrengend. Dafür lege ich mein Handy wieder häufiger komplett zur Seite, trage es auch nicht aus Routine immer mit durch die Wohnung und lasse den Ton auf stumm.

Abends ist StuPa-Sitzung und ich muss zwischendurch kurz mit einer Freundin schreiben, aber auch weiter zuhören. Nach einigen Minuten bin ich schon überanstrengt. Auf dem Rückweg merke ich, dass sich die Umgewöhnung der letzten Tage aber gelohnt hat: Ich schalte mein Handy erst wieder in der Wohnung an, bin mit meiner Mitbewohnerin vorher noch spazieren und habe nicht das Bedürfnis, schon mal kurz nach den Nachrichten der letzten Stunden zu schauen.

Tag 6: Mittwoch

Ich habe ein Präsenzseminar und führe regelrecht einen körperlichen Kampf aus, nicht in das Mailpostfach als Ablenkung zu schauen. Es ist mir ein so schlimmes Bedürfnis, irgendeinen, auch nur irgendeinen Tab an meinem Laptop zu öffnen, dass ich schon bald das Gefühl habe, mich auf meine Hände setzen zu müssen. Multitasking ist verführerisch.

Ich überlege, in was für Situationen ich ein ähnlich starkes Bedürfnis habe. Dazu gehört auf jeden Fall essen (wenn nicht mit der WG oder Freund*innen, habe ich immer mein Handy, Buch oder Netflix dabei), irgendwo hinlaufen (in der Regel mit Musik) oder das einschlafen und aufstehen (leider immer mit Handy). Das ist natürlich nicht immer verwerflich, aber mehr Stille auszuhalten, ist doch eine Überwindung.

Tag 7: Donnerstag

Neben der Tatsache, dass wir wieder WLAN und ich mehr Zugang zu dem verführerischen Scrollen habe, habe ich eine Art Gewohnheit entwickeln können: Ich lebe mehr in Blöcken. Wenn ich nach Hause gehe, dann gehe ich nur und höre nicht nebenbei Sprachnachrichten. Wenn ich am Handy bin, bin ich am Handy und nehme mir die Zeit. Wenn ich auf Essen warte, warte ich einfach usw.

Abends bei der digitalen Redaktionssitzung werde ich dann aber doch nachlässig und schreibe im BBB-Chat nebenbei mit anderen. Das ist eigentlich doof, immer wieder verpasse ich ein paar Sätze, aber manchmal macht Multitasking eben auch Spaß, was sich dann auch wieder auf eine positivere Stimmung für die eigentliche „Task“ auswirkt.

Tag 8: Freitag

Nachts schaue ich mir Konzerte bei YouTube an und bin ergriffen von der Stimmung aus dem Video und den Klängen – *paplimm* und eine Mail kommt als Pop Up mitten in den Moment hinein. Die Entscheidung fällt also doch noch: Die Mitteilungen werden jetzt vollkommen ausgestellt. Ist es nicht immer so, dass Pop Ups uns total aus dem Moment, dem Gedanken oder dem Gefühl rausholen? Ich finde die Vorstellung gerade total anstrengend, vielleicht liegt das aber auch nur an meinem verschärften Blick durch das Selbstexperiment.

Tag 9: Samstag

Und siehe da: Ich komme besser ohne Mitteilungen klar, als ich erwartet hätte. Es ist eh nicht viel, was abgesprochen werden muss und doof wäre zu verpassen, daher schaue ich zwischendurch einfach immer mal wieder Whatsapp, Telegram und Signal durch. Zugegebenermaßen habe ich aber, während ich die web.woche erstelle, nebenbei einen Film laufen. Das ist natürlich nicht der Inbegriff vom Onetasking, muss ich ehrlich zugeben, aber da ich heute so handyfrei lebe, fühle ich mich trotzdem total ruhig.

Tag 10: Sonntag

Ja okay, die Mitteilungen für Signal und Telegram sind doch wieder an, es kommt dann irgendwie doch darauf an, wie sehr man gerade im Chatflow ist oder nicht. Aber all die anderen Apps, die den ganzen Tag aufgeblinkt haben, bleiben weiterhin aus: Mails, Nachrichten, YouTube usw. hatten einen ziemlich großen Anteil bei den Pop Ups über den Tag und ohne sie ist es bereits wesentlich stiller.

Meine Hauptproblematik liegt, denke ich, darin, immer erreichbar sein zu wollen – per Mail und bei allen drei Chatapps führt das zum ständigen Aufblinken oder eben dem Bedürfnis des kurzen Nachschauens. Das wiederum führt dazu, dass nur davon schon viele Gedankenstränge bei irgendwelchen anderen Sachen sind, immer mehr parallel abläuft und mich auf meine eigentliche, große Aufgabe zu konzentrieren durch die ganzen kleinen nebenbei immer schwieriger wird.

Fazit

Multitasking zu vermeiden ist tatsächlich für die Umgewöhnungsphase fast genau so anstrengend, wie es auszuleben (funktionieren tut es ja eben eh nicht). Ich muss sehr selbstkritisch feststellen, dass ich weitaus süchtiger bin, als mir das bisher bewusst war. Dieses Bedürfnis halte ich jetzt aber immer öfter einfach aus und merke, wie es für viele Situationen weniger wird, suche bewusst nach mehr Stille und Ruhe – auch wenn der entstandene Freiraum erstmal dazu verleitet, ihn mit Reizen zu füllen.

In kommunikativer Hinsicht hatte ich keiner Person mitgeteilt, dass ich das Experiment mache und teilweise keine Nachrichten sehen kann, um realitätsnah zu schauen, was für Nachrichten ich nicht mitbekommen habe. Und habe ich etwas verpasst? Ja schon, aber in den meisten Fällen war das eher Situationskomik. Nichts ist wirklich schief gelaufen, aber ich war natürlich auch nicht völlig weg vom Radar – Ich hoffe also, dass sich mein Bedürfnis zur Erreichbarkeit auf so ein Kompromisslevel einpendeln wird.

Inzwischen, zwei Wochen nach dem Experiment, bin ich streckenweise in alte Muster zurückgefallen: Ich habe es manchmal regelrecht genossen, mich jetzt nicht mehr so anstrengen zu müssen, wirklich nur bei der einen Aufgabe zu bleiben. Multitasking muss ja auch nicht immer schlecht sein. Aber immer wieder die Disziplin aufzubringen, mehr im Moment und bei sich zu sein, hat mir persönlich eine spürbare Verbesserung und Erholung gebracht. Meine Mitteilungen sind auch nach wie vor für fast alle Apps ausgeschaltet, lediglich Chats und Nachrichten dringen zu mir durch.

Ein Blick auf die Wissenschaft, den ich im Rahmen des Experimentes für meine eigenen Gedanken und Erfahrungen erstmal bewusst weggelassen hatte, zeigt mir abschließend, wie groß die Problematik hinter Multitasking eigentlich ist. Und dass ich auf lange Sicht meine etablierten Gewohnheiten der letzten drei digitalen Semester definitiv ändern werde.

Beitragsbild: Annica Brommann
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