Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie – Eine Bilanz

Ein Beitrag von Christine Fratzke, Luisa Pischtschan und Marietta Beielstein

"Heute sind wir keine Huren. Heute sind wir Prinzessinnen." Die Hauptdarstellerinnen Caye (li.) und Zulema (r., Micaela Nevárez).

Die Antihomophobie- und Antisexismuswoche klang am vergangenen Freitag aus. Diese wurden von den AStA-Referenten für Gleichstellung, Lisa Brokmöller, und politische Bildung, Kilian Dorner, organisiert. Den Auftakt der Aktionstage bildete am Montag, dem 8. Dezember, ein Vortrag von Professor Alexander Wöll über Genderfragen in der tschechischen Literatur. Am Dienstag wurde der spanische Film “Princesas” im Greifswalder Cinestar gezeigt. Die Resonanz der Zuschauer war positiv, der Kinosaal fast komplett ausverkauft. Im Mittelpunkt stehen zwei Prostituierte in Madrid und ihre Arbeit. Darüber hinaus spielten Freundschaft, Beziehungen und Familie eine große Rolle. Mal sentimental, mal lustig, dann wieder verletzlich, tiefgründig und naiv gleichermaßen. So präsentierte sich die Hauptdarstellerin Caye, gespielt von Candela Peña. Denn nicht nur als Prostituierte, sondern als Prinzessinnen wollten die beiden Protagonistinnen wahrgenommen werden. Eine gute Filmauswahl für die Aktionstage also.

Am Mittwoch referierte Peter Madjarov über Homophobie im Reggae. Obwohl er das Thema informativ und umfassend darstellte, saßen etwa nur 20 Interessierte im Hörsaal 3.

Gleichberechtigung in Pornos

Einen Tag später brachte die Lachforscherin Laura Méritt im Internationalen Kultur- und Wohnprojekt (IKuWo) rund 75 Interessierten den sexpositiven Feminismus näher. Neben ihrer Tätigkeit als feministische Linguistin initiierte die 50-Jährige 2009 auch die europaweit erste feministische Pornofilm-Verleihung „PorYes“, mithilfe dessen sie sich für die Gleichstellung aller sexuellen Orientierungen einsetzt. Die Bewegung des sexpositiven Feminismus gibt es bereits seit den 80er-Jahren, wobei sich auch viele verschiedene kleine Bewegungen heraus kristallisiert haben, unter anderem auch die Frauengesundheitsbewegung.

Über sexpositiven Feminismus informierte Laura Méritt.

Um gleich voran den Unterschied zwischen einem „klassischen“ Porno und einem feministischem Porno (genannt auch fair porn) zu verdeutlichen, zeigte sie dem Publikum zwei gleiche Szenen mit gleichen Darstellenden nur mit einer unterschiedlichen Inszenierung der Charaktere. Bei dem typischen Porno wurde deutlich, dass der Fokus permanent auf den Mann gerichtet ist und die Frau als bloßes Objekt dargestellt wird. Bei dem feministischem Porno hingegen stünde die Lust von beiden (oder mehreren) Liebenden im Vordergrund, sodass eine Gleichberechtigung vorherrschend ist. Merkmale aus klassischen Pornos, wie ein ständig erregter Penis oder die permanente Penetration der Frau durch einen Mann, wurden in den von Méritt gezeigten Beispielen vernachlässigt, wodurch das Publikum für das Thema des sexpositiven Feminismus sensibilisiert wurde.

Simpsons statt Diskussion bei Abschlussveranstaltung

Den Abschluss der Woche sollte am Freitag, dem 12. November, eine Podiumsdiskussion mit dem Thema: „Don’t ask, don’t tell – Homosexualität in Beruf und Alltag“ bilden, worin verschiedene Perspektiven und Einstellungen gegenüber der Homosexualität beleuchtet werden sollten.  Jedoch ließ schon die verschlossene Vordertür, sowie ein fehlender Hinweis für einen Nebeneingang, nichts Erfreuliches erhoffen.

Dass der Diskussionsleiter Korbinian Geiger, ehemaliger AStA-Referent für Queer und Gleichstellung, im Endeffekt (dabei ohne Diskutanten) 15 Minuten zu spät kam, verbesserte nicht gerade den Eindruck einer organisatorischen Glanzleistung. Auch die Tatsache, dass mehr Berichterstatter als Besucher vor Ort waren, um sich die „Diskussion“ anzuhören, zeugte nicht von ausreichender Werbung und Interesse für die Homophobie und Antisexismuswoche. Gleichstellungsreferentin Lisa Brokmöller findet die geringe Beteiligung auch schade: “Aber die Diskussion die dort entstanden ist, war sehr interessant.”

Wie Korbinian zugab, sah sein Notplan einen komprimierten Vortrag für fünf bis zehn Leute vor, der aber infolgedessen nur hätte funktionieren können, wenn überhaupt so viele Interessenten gekommen wären. Der eigentliche Vortrag bestand letztendlich nur aus einer 20- minütigen Vorführung einer Simpsons Folge, in der Homosexualität und Homers Abneigung gegenüber dieser, im Mittelpunkt stand. Abends gab es eine Gender Trouble-Party im Kontorkeller, die dann wiederum gut besucht war.

Alles in allem, konnte die Woche einen eher mäßigen Eindruck hinterlassen. Es fielen doch einige organisatorische Probleme auf, wie nicht angekündigte Termin- und Raumänderungen. So musste der Workshop zur Geschlechterverwandlung verschoben werden. Weiterhin gab es einige Schwierigkeiten in den Werbemaßnahmen, was Lisa Brokmöller so erklärt: “Die Plakatvorlage, es handelt sich ja hierbei um eine bundesweite Aktion, kam sehr spät und dann hatten wir Probleme mit dem Zulieferer.” Dennoch ist sie zufrieden mit der Woche. Es sei viel über die Thematik geredet worden und trotz der Schwierigkeiten bei der Werbung “relativ viele Leute gekommen sind”. Über die Gründe, warum dennoch nicht alle Veranstaltungen gut besucht waren, vermutet Lisa: “Ich kann mir gut vorstellen, dass viele Leute denken, dass sie schon vieles wissen und dass sie denken, es sind doch alle gleichgestellt, denn oft fehlt einem die Hintergrundinformation. Was auch sein kann, ist, dass die Menschen einfach keine Lust haben zu diskutieren.”

Fotos: Arne Hoehne Presse (Princesas, keine CC-Lizenz), Luisa Pischtschan (Laura Méritt, Aufmacher), Kilian Dorner (Galerie)

Friedliche Musik mit Makel: Homophobie im Reggae

Sonnenschein, Karibik, chillen, tanzen, vielleicht Liebe und Fröhlichkeit: Das sind mögliche Assoziationen, die einem zum Reggae einfallen können. Homophobie ist vielleicht das letzte, woran man denken würde. Dass dies aber im Reggae durchaus vorkommt, zeigte der Jura-Student Peter Madjarov bei seinem Vortrag am 10. November im Rahmen der Aktionstage gegen Sexismus und Homophobie.

“Genau so wenig, wie man Homophobie im Reggae, der Musik, bei der alles so friedlich ist, vermuten würde, würde man solche Äußerungen an einer Universität vermuten”, leitet Peter ein. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über die Entwicklung dieser Musikrichtung, über die Gesellschaft in Jamaika, dem Geburtsland des Reggaes und wie mit dieser Thematik in Deutschland umgegangen wird.

Nur ein kleiner Teil der Texte homophob

Homophobie im Reggae gibt es, so wurde es aus dem Vortrag deutlich.

Zuerst spielte er einen Song von Bob Marley vor, danach das Lied “Chi Chi Man” von der Dancehallgruppe T.O.K. Mit dem Songtitel werden Homosexuelle bezeichnet, in dem Song werde dazu aufgerufen, sie zu verbrennen. Neben den Liedeinlagen stellte Peter, der Mitglied des Arbeitskreises Kritischer JuristInnen ist, die Hintergründe der Musikrichtung dar. “Jamaika erreichte 1962 die Unabhängigkeit”, referierte er, “Es kam zu einer Vermischung verschiedener Musikstile. Die Themen waren vor allem Spaß und Liebe.” Die fröhlichen Lieder wurden zunehmend politischer, aber Homophobie habe da noch keine Rolle gespielt. Erst zu Beginn der 80er Jahre kam dies auf, in den 90er Jahren sind ganze Lieder als homophob einzuordnen. Den Höhepunkt solcher Äußerungen erreichte die Bewegung 2002. “Aber”, so betonte der Vortragende, “ist gleichwohl nur ein kleiner Teil der Texte homophob.” Eher die Bereiche Liebe, Politik und Drogen werden thematisiert.

Doch woher kam die Wende? Peter Madjarov stellte den etwa 20 Zuhörern die Gesellschaft in Jamaika auszugsweise vor. Es wurde deutlich, dass es ein Land mit hoher Armut, Gewalt und Korruption handelt. “Der Geschlechtsverkehr zwischen Männern war seit der britischen Kolonialzeit strafbar und wurde mit zehn Jahren Haft bestraft”, erläuterte der Referierende. Auch die strenge Bibelauslegung der als eher konservativ einzuschätzenden Jamaikaner, 90 Prozent sind in der evangelischen Kirche, sei ein Grund. Ein weiterer Aspekt sei, wie Peter darstellte, die Sprache. Im Reggae dominiert “Patwa”, das einige Abweichungen zum Standardenglisch aufweise. Das Patwa weise eine starke Metaphorik auf. “Feuer wird beispielsweise genommen, um zu verdeutlichen, dass man gegen etwas ist”, erläuterte Peter. Außerdem sei hier eine Kultur der Übertreibungen und Angeberei festzustellen. Weiterhin stellte er, dass zwischen 1997 und 2004 etwa 30 homophob motivierte Morde auf Jamaika gab.

Als bekanntestes Beispiel führte Peter Madjarov den Reggae-Sänger Sizzla an, der etwa 13 oder 14 homophobe Lieder veröffentlichte, von denen die meisten auf dem Index für jugendgefährdende Medien seien. Besonders sein Lied “Nah Apologize” von 2005 zeigt, dass er sich nicht bei dem “Batty-Boy”, das als Synonym für Homosexuelle hier verwendet wird, entschuldigen wird und dass diese lieber brennen sollen. In Europa, besonders in Deutschland, wurden daraufhin zahlreiche Konzerte von den Veranstaltern abgesagt. Ebenfalls wurde gegen ihn ein Einreiseverbot nach Europa verhangen. Nach fast zwei Stunden beendete Peter Madjarov mit vielen Informationen, Liedbeispielen und Exkursen seinen Vortrag. Die Zuhörer wussten nun, dass man auch mehr mit dem Reggae verbinden kann – aber die Assoziationen mit Sonne und Fröhlichkeit sind nach wie vor naheliegender, zeichnet sich doch eher ein kleinerer Anteil der Texte mit homophoben Inhalten aus.

Foto: Christine Fratzke