von Klara-Marie Zwerschke | 17.04.2024
„Schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkel erhellen“ – so wusste es schon Franz von Assisi. Die einen lieben es, andere können es nicht ausstehen oder tun es nur heimlich: Singen. Aber Singen im Chor? Das kennen viele nur noch aus Schulzeiten, und für die meisten spielt es im Studien- und Arbeitsalltag kaum oder überhaupt keine Rolle mehr. Wie der Eintritt in einen Greifswalder Popchor das Leben unserer Redakteurin verändert hat, zeigt diese kleine Liebeserklärung.
Seit ich denken kann, ist Singen Teil meines Lebens. Es wurde im Kindergarten gesungen, in der Grundschule, sonntags in der Kirche mit meinen Eltern oder auch einfach so zu Hause, wenn man sich danach fühlte. Ich stamme in dritter Generation aus einer Familie von Musiklehrer*innen, Chorleiter*innen, und auch zur Oper habe ich verwandtschaftliche Beziehungen. Ein weiterer Teil meiner Familie besuchte ein Musikinternat in Sachsen-Anhalt. Da ich das nicht tat, wurde es beinahe vorausgesetzt, dass ich, sobald ich das Gymnasium vor Ort besuchen würde, in den Schulchor eintreten würde. Dieser wurde einst von meiner Mutter geleitet, und auch mein Bruder war viele Jahre vor mir Mitglied. Zu dieser Zeit war es für mich fast eine Selbstverständlichkeit, dass der Chor bis zum Abitur Teil meiner wöchentlichen Routine war.
Was für eine Bedeutung der Gesang an sich und auch die Mitgliedschaft in einem Chor für mich einnahmen, wurde mir erst lange danach klar, nachdem beides mit dem Beginn des Studiums aus meinem Leben nach und nach verschwand. Natürlich hätte ich einfach sofort in einen anderen Chor eintreten können. Doch die neue Stadt, meine Kommiliton*innen, gemeinsame Momente mit Freund*innen, Seminare, Klausuren und Hausarbeiten nahmen fünf Jahre lang meine Zeit so sehr in Anspruch, dass es mir gar nicht in den Sinn kam, dass mir irgendetwas fehlen könnte. Da ich in einem Wohnheim mit sehr dünnen Wänden lebte, waren die Hemmungen, als der Wunsch dann doch einmal aufkam, einfach mal drauflos zu singen, schlichtweg zu groß, also blieb ich sprichwörtlich stumm. Mit Corona und dem weiteren Fortlauf des Studiums wuchsen bei mir leider zunehmend Stress und Alltagssorgen. So richtig begeistern konnte irgendwie nichts mehr. Bei dem Vorschlag meiner Mutter „Du musst einfach mal singen!“ konnte ich nur die Augen verdrehen. Wie sollte Gesang irgendetwas an den Problemen vor meiner Nase ändern? Nein, danke, Mama! Also wurde der Ratschlag meinerseits gekonnt ignoriert, und die Zeit verstrich weiter.
Bis zu dem Tag, als mich schließlich doch die Neugier packte und ich anfing, online nach Chören in Greifswald zu recherchieren. Ganz besonders ein Name weckte meine Aufmerksamkeit. Ein Laienchor für Popgesang, die noLimHits, wie das wohl wäre? Die Tatsache, dass jede*r, der*die Freude an der Musik mitbringt, ohne Vorsingen „vorbeischnuppern“ kann, überzeugte mich schließlich, zu einer Probe zu gehen. Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich innerhalb weniger Minuten in Verblüffung darüber, wie viel Freude und Energie die ca. 70 Sänger*innen und insbesondere die Chorleiterin – Dorothea Laack – versprühten. In dieser Form hatte ich eine solche Ausstrahlung erst ein einziges Mal, nämlich in meinem geliebten Schulchor, zuvor erlebt. Trotz der teilweise großen Altersspanne zwischen einigen Sänger*innen herrschte hier ein reger Austausch im Gespräch und eine ausgelassene Stimmung vor und nach den Proben (zu Dorotheas Missvergnügen oft auch zwischendurch). Bereits in dieser ersten Probe wurde ich voll eingespannt und durfte Lieder wie All of Me von John Legend, Run von Leona Lewis oder Thank You for the Music von ABBA (für mich als Fan mein absolutes Highlight) mitsingen. Und was soll ich sagen, ich war begeistert! Also blieb ich und singe nunmehr bereits seit einem Jahr im Sopran der noLimHits.
Der oder die eine fragt sich jetzt bestimmt, was denn so besonders daran sein soll, in einem „Kleinstadt-Chor“ mitzusingen. Zum einen, und das wahrscheinlich größte Argument für mich, ist die Tatsache entscheidend, was die Proben für meine psychische Gesundheit taten und noch immer tun. Singen, das zeigen viele Studien und das weiß ich mittlerweile auch, stärkt das Selbstbewusstsein, macht wach und hebt die Laune. Mit viel Witz und Heiterkeit bringt Dorothea auch den*die größte*n Lai*in dazu, mittels abenteuerlicher Einsingeübungen den Körper und die Stimme zu lockern und mit der Zeit das eigene musikalische Potenzial ganz neu zu entdecken. „Ich bin zu schlecht, um in einem Chor mitzusingen“ – gibt es hier nicht. Findet man sich einmal nicht gleich in den Noten zurecht, gibt es immer jemanden, der schnell weiterhelfen kann. „Ich kann aber gar keine Noten lesen“ – auch das ist kein Problem. Für das Selbstbewusstsein eine absolute Wohltat! Wie oft habe ich bereits von einer Sitznachbarin gehört, dass sie sich vor den Proben durch ihren Berufsalltag müde und schlapp, danach aber beschwingt, fröhlich und energiegeladen fühlt. Ich kann nur bestätigen – es ist absolut wahr!
Zum anderen liebe ich die Tatsache, dass wirklich jede*r mitmachen kann. Der*die einzelne wird mit seinen Fähigkeiten, egal auf welchem Level, in den Chor und die Gemeinschaft aufgenommen und zusätzlich in Einzelstimmgruppen-Proben gefördert. Schließlich geht es hier um die Freude an der Musik. So lernt man immer wieder neue Menschen aus den unterschiedlichsten Altersstufen und Berufsfeldern kennen – Studierende, Ärzt*innen, Erzieher*innen usw. –, die eine gemeinsame Leidenschaft vereint. Oft treffen sich einige Sänger*innen nach den Proben noch zum weiteren Erzählen in einem kleinen Lokal um die Ecke. Wie groß die Verbundenheit unter den Mitgliedern ist, zeigt weiterhin die Bereitschaft, mit Überraschungsauftritten, beispielsweise auf Hochzeiten, andere Sänger*innen zu erfreuen. Zu Geburtstagen singt der gesamte Chor noch vor Beginn der richtigen Probe dem*der zu Feiernden ein Lied seiner*ihrer Wahl aus dem Repertoire. Dass hier auch mal Freudentränen fließen, kann durchaus vorkommen – dabei schließe ich mich selbst nicht aus.
Umso schwerer wird es mir fallen, Greifswald und die noLimHits bald mit dem Ende meines Masterstudiums verlassen zu müssen. Was ich allerdings in diesem Jahr meiner Mitgliedschaft gelernt habe, ist definitiv, wie wichtig mir der Gesang und die Gemeinschaft ist und dass es nicht noch einmal fünf Jahre dauern wird, bevor ich in der neuen Stadt einem anderen Chor beitreten werde. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einfach einmal Danke sagen. Danke an Dorothea, danke an die noLimHits für viele wundervolle Proben und Thank You for the Music. Vergessen werde ich das Singen ganz bestimmt nicht mehr.
Du möchtest mehr über die Greifswalder noLimHits erfahren oder sogar eine erste „Schnupperprobe“ besuchen?
Den Kontakt zu Dorothea kannst Du unter chefin@nolimhits.de herstellen.
Aktuelle Probenzeiten sind immer montags von 19:00 bis 21:00 Uhr im KuBa Greifswald.
Weiterhin sind die noLimHits auf Instagram, Facebook, YouTube und X zu finden.
Beitragsbild: noLimHits
Zur Person der*des Autor*in
Geboren und aufgewachsen im Kreis Ludwigslust-Parchim, ist Klara ihrer Heimat MV treu geblieben und studiert seit 2018 an der Uni Greifswald. Bei webmoritz. ist sie seit Ende 2020 vorrangig als Lektorin tätig. Zurzeit steht sie kurz vor dem Abschluss ihres Masters im Studiengang „Sprache und Kommunikation“.
von Marthe Pelz | 04.11.2023
Die Initiative „Gemeinsam für psychische Gesundheit“ lud am 25.Oktober anlässlich des zweiten Jahrestages ihrer Gründung in die Alte Frauenklinik ein. Dabei gaben Mitarbeitende sowie Ehrenamtliche des GPG Einblicke in ihre Arbeiten. Es wurde über die verschiedensten ins Leben gerufenen Projekte gesprochen, Bilanz gezogen sowie ein Blick in die Zukunft gewagt: Wie wird es mit der GPG weitergehen?
Psychische Gesundheit steht der physischen in nichts nach. Dennoch fehlt es deutschlandweit enorm an Therapieplätzen. Zurzeit warten allein ungefähr 450 Menschen auf einen Platz im Greifswalder Zentrum für Psychologische Psychotherapie (ZPP), mit einer Wartezeit, die durchaus über ein Jahr dauern kann. Dieser Missstand kann zwar nicht von heute auf morgen behoben werden, jedoch liefern Initiativen wie GPG einen wertvollen Beitrag mit ihrer Arbeit um aufzuklären und zu helfen, diesem Misstand entgegenzuwirken.
„1. Informieren, Vorsorgen und Entstigmatisieren, 2. Unterstützen und Begleiten, 3. Verbinden und Netzwerken.“ Das sind die Ziele der GPG, wie Frau Dr. Brakemeier, Lehrstuhlinhaberin für Psychologie und Psychotherapie, bei der Begrüßungsrede erklärte. Sie sprach über die Anfänge der Initiative, die am 11. Oktober 2021 im Rathaus von ihr und ihrem Team gegründet worden ist, und darüber, wieviel seitdem passiert ist. Besonders gedankt wurde an dieser Stelle Frau Rektorin Prof. Dr. Katharina Riedel, Frau Ministerin Bettina Martin, Frau Ministerin Stefanie Drese, sowie dem Herr Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder als die „Schirmherr*innen“ der Initiative, welche immer sehr tatkräftig und herzlich ihre Projekte unterstützen würden.
Die Projekte
Zu den zahlreichen Projekten der GPG zählt vor allem das Forum für psychische Gesundheit, das einmal monatlich hybrid im Hörsaal der Alten Frauenklinik stattfindet, und wo sich über die verschiedensten Themen mit Expert*innen, Betroffenen, Politiker*innen, Interessierten und Wissenschaftler*innen ausgetauscht wird. Diese werden auch über radio98eins aufgenommen und können nachträglich angehört werden.
Es gibt auch einen Podcast namens Menti Salis, der die vielen unterschiedlichen Fachbereiche der Psychologie der Öffentlichkeit näher bringen soll. Auch der Instagram Account wird regelmäßig mit Beiträgen über Aufklärungsarbeit und Diagnoseerklärungen bereichert.
Auch die schwierigen Umstände in der Corona-Zeit wurden aufgegriffen. Psychologische Unterstützung zur Selbsthilfe wurde in dieser Zeit u.a. durch Videoclips und altersspezifische Tipps und Empfehlungen zum Umgang mit depressiven Verstimmungen bereitgestellt. So soll Unterstützung für Menschen geboten werden, die häusliche Isolation, Quarantäne oder Kontaktverbote als große Belastung erleben.
Außerdem wurden viele Beratungsangebote im Krisenkontext ins Leben gerufen. Psychologische Hilfe für Schutzsuchende und Helfende in Vorpommern im Kontext des Ukraine-Kriegs, sowie Beratungsangebote im Kontext der Proteste im Iran bieten Hilfe für alle Betroffenen. In diesem Kontext finden auch Durchführungen von Workshops und Schulungen sowie seit 2022 von mehreren Fokusgruppen statt. Dabei wird u.a. mit Schutzsuchenden und Expert*innen bezüglich Psychotherapie und ukrainischer Kultur gearbeitet.
Beim Thema Krisen bleibt leider natürlich auch die Klimakrise nicht unerwähnt. Es wurde über negative Gefühle im Zusammenhang mit der Klimakrise und Traumafolgestörungen durch Klimakatastrophen gesprochen, sowie über mögliche Interventionen. „Gesundes Klima – gesundes Vorpommern“ lautet hier die Devise und hat zum Ziel, möglichst viele Mitmenschen unmittelbar zum aktiven Klimaschutz zu bewegen. Dieses interdisziplinäre Modellprojekt soll Medizin, Psychologie sowie die Klimaforschung innerhalb der Naturwissenschaften im Sinne von „One Health“, sowie die Rechtswissenschaften mit der Politik und der Öffentlichkeit nachhaltig verbinden. Zu diesem Anlass wurde auch gleich der neueste Antrag vorgestellt, der momentan in Planung ist und sich „EMORE“ (Eat, Move, Recharge for your health and our climate in Pomerania) nennt.
Wie geht es weiter?
Innerhalb von zwei Jahren konnte viel auf die Beine gestellt werden, worauf die Initiative stolz sein kann. Frau Dr. Brakemeier dankte an dieser Stelle noch einmal allen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, ohne die keines der Projekte möglich gemacht worden wäre, und verkündete die große Überraschung des Abends: Die Initiative wird sich zu einem Verein gründen! Der Termin dafür steht auch schon fest: am 06. Dezember 2023 um 16 Uhr im Seminarraum 2 im ZPP. Dort soll dann auch der Vorstand gewählt und über die mögliche Weitergestaltung des Vereins gesprochen werden. Eine Einladung dazu wurde an alle ausgesprochen; man könne einfach hinzugehen oder eine formlose E-Mail schreiben (dann gibt es eine offizielle Einladung 14 Tage vorher).
Doch damit nicht genug: Weiterhin soll zum Januar oder Februar 2024 eine Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychotherapie in der Alten Frauenklinik gegründet werden. Das sind besonders gute Nachrichten, da es in Greifswald momentan nur ganze drei Kassensitze für Kinder unter 18 Jahren gibt – der Bedarf ist also groß. Mit diesen erfreulichen Nachrichten wurde mit einem gemeinsamen Sektanstoß der gesellschaftliche Teil des Abends eröffnet.
Anlaufstellen und Angebote
Ihr findet hier auf der Seite der GPG wichtige Telefonnummern auf einen Blick, sowie lokale und überregionale Angebote für verschiedene Bereiche der psychischen Gesundheit bei Belastung und Leidensdruck. Speziell für Studierende gibt es außerdem:
– Sozialberatung & Psychologische Beratung des Studierendenwerkes: 03834 4619052
– Nightline Greifswald: 03834 863 016
Beitragsbild: Marcelo Leal auf Unsplash
von Thore Fründt | 01.11.2021
Vergangenen Monat gründete sich in Greifswald die Initiative „Gemeinsam für psychische Gesundheit“. Ziel dieses gemeinnützigen Vereins soll es sein, Bürger*innen aus Greifswald und Umgebung und vor allem Betroffene und deren Angehörige mit psychotherapeutischen Institutionen und Wissenschaftler*innen zusammenzuführen, um eine gemeingesellschaftliche Verbesserung der geistigen Gesundheit zu bewirken. Im Zuge der Initiative soll nun eine Forumsreihe starten.
Psychische Gesundheit ist spätestens seit Beginn der Coronakrise ein immer relevanter werdendes Thema der heutigen Gesellschaft. Das Motto „social distancing“ ist aus Pandemieperspektive natürlich absolut richtig und wichtig, aber aus psychologischer Sicht eine Belastungsprobe für die geistige Gesundheit der Bevölkerung. Deswegen soll nun im Zuge der Initiative „Gemeinsam für psychische Gesundheit“ eine Forumsreihe stattfinden.
Die Forumsreihe stellt ein Netzwerktreffen dar, bei dem nicht nur über psychische Gesundheitheit informiert, sondern auch gemeinsam diskutiert werden kann. Zentral sind dabei die Themen Vorsorge, Behandlung, Kooperation und Vernetzung. Mehr zu der Initiative erfahrt ihr demnächst auf dem webmoritz.
Veranstaltungen:
Jeden ersten Mittwoch im Monat ab 18 Uhr wird es in der alten Frauenklinik in Greifswald (Wollweberstraße 1-3) einen neuen wissenschaftlichen Beitrag geben. Sowohl für die Online- wie auch die Präsenzteilnahme kann man sich per Mail unter gemeinsampsychischgesund@uni-greifswald.de anmelden.
- Was? „Effizient, praktikabel und akzeptiert – neue Wege in der Expositionstherapie zur Überwindung von Ängsten“ von Prof. Dr. Alfons Hamm & Dr. Jan Richter
- Wann? 03.11.2021
- Was? „‚Schnupperkurs‘ Psychotherapie: Einzel- und Gruppentherapien live erleben“ von Dr. Eva-Lotta Brakemeier & dem ZPP Team
- Wann? 01.12.2021
- Was? „‚Depri-Buddy‘ Vorstellung einer Online-Website zur Selbsthilfe von psychisch Belasteten“ von Alexander Liedtke
- Wann? 05.01.2022
- Was? „Die Unimedizin stellt sich vor“ von Prof. Dr. Hans J. Grabe und Team
- Wann? 02.02.2022
- Was? „Monitoring und Feedbacksysteme: Was bringen Sie Patient*innen und Praktiker*innen?“ von Dr. Tim Kaiser und M.Sc. Selin Demir
- Wann? 02.03.2022
- Was? „Citizen Science in Greifswald: Wie können sich interessierte Laien bei der Förderung der psychischen Gesundheit einbringen?“ von Prof. Dr. Mazda Adli
- Wann? 04.05.2022
Beitragsbild: Initiative Gemeinsam für psychische Gesundheit