Der Nikolaustag, der am 6. Dezember gefeiert wird, ist eine alte Tradition, die in vielen europäischen Ländern und darüber hinaus mit freudigen Ritualen verbunden ist. Doch wie hat sich das Bild des heiligen Nikolaus in einer Welt verändert, die zunehmend von Technologie geprägt ist? Der Nikolaus, der einst als heilige Figur in einer religiösen und volkstümlichen Feierlichkeit geehrt wurde, hat sich im digitalen Zeitalter angepasst, um mit den modernen Zeiten Schritt zu halten. Dieser Artikel beleuchtet die Veränderungen, die der Nikolaus im digitalen Zeitalter durchgemacht hat, und wie neue Technologien und soziale Medien die Art und Weise beeinflussen, wie der Nikolaustag gefeiert wird.
Der heilige Nikolaus: Ursprung und Tradition
Die Tradition des Nikolaus geht auf den heiligen Nikolaus von Myra zurück, einen Bischofs aus dem 4. Jahrhundert, der für seine Wohltätigkeit und sein Engagement für die Armen bekannt war. Eine genauere Analyse des Bischofs Nikolaus von Myra findet ihr auch hier in einem Artikel unseres letzten Adventskalenders. In vielen Kulturen wurde dieser Tag, der 6. Dezember, zu einem Anlass, bei dem Kinder Geschenke erhielten, die vom „Nikolaus“ oder „Santa Claus“ – wie er in anderen Ländern genannt wird – gebracht wurden. In Deutschland und anderen Teilen Europas ist es Tradition, dass Kinder am Vorabend des Nikolaustages ihre Stiefel oder Schuhe vor die Tür stellen, damit der Nikolaus sie mit Süßigkeiten, Nüssen und kleinen Geschenken füllt. Diese alte Tradition hat sich im Laufe der Jahre bewahrt, doch das digitale Zeitalter hat neue Dimensionen hinzugefügt.
Der Nikolaus im digitalen Wandel
Mit der zunehmenden Verbreitung von Videokonferenzen und Social Media gibt es immer mehr Möglichkeiten, wie der Nikolaus virtuell „zu Besuch kommen“ kann. Auf Plattformen wie Zoom oder Skype bieten immer mehr Unternehmen und sogar Privatpersonen virtuelle Nikolausbesuche an. Diese Besuche beinhalten oft eine Live-Übertragung des Nikolaus, der den Kindern Geschichten erzählt, kleine Überraschungen ankündigt oder den Kindern sogar eine Nachricht überbringt. Für viele Familien, die aufgrund von Entfernungen oder der Pandemie nicht zusammenkommen konnten, sind diese digitalen Besuche eine willkommene Möglichkeit, die Tradition des Nikolaustages zu bewahren.
Ein weiteres Produkt des digitalen Zeitalters sind mobile Apps, die den Nikolaus in einer modernen Form zum Leben erwecken. Diese Apps bieten interaktive Erlebnisse, bei denen Kinder mit einem digitalen Nikolaus kommunizieren können. Sie können ihn per App anrufen, ihm Nachrichten senden oder sehen, wie er den Wunschzettel liest. Einige Apps ermöglichen es sogar, ein personalisiertes Video zu erstellen, in dem der Nikolaus die Namen der Kinder nennt und sie zu ihrem Verhalten ermahnt oder lobt. Diese Art der Interaktion bringt die Tradition auf eine neue, spielerische Ebene, die besonders die technikaffinen jüngeren Generationen anspricht.
In einer Welt, die immer mehr auf soziale Medien angewiesen ist, ist es nicht überraschend, dass auch der Nikolaus eine digitale Präsenz entwickelt hat. Auf Plattformen wie Instagram, Facebook und TikTok gibt es unzählige Accounts, die den Nikolaus in lustigen, modernen oder kreativen Kontexten zeigen. Diese digitale Präsenz ermöglicht es, eine breitere Zielgruppe zu erreichen, von Kindern bis zu Erwachsenen. In manchen Fällen nehmen Influencer den Nikolaus in ihre Weihnachtskampagnen auf, um die Botschaft der Nächstenliebe und der Großzügigkeit zu verbreiten – oft mit einem humorvollen oder trendigen Twist.
Geschenke im Stiefel? Fehlanzeige
Der Einfluss des Internets auf den Nikolaus ist auch im Bereich des Geschenke-Shoppings spürbar. Während früher die Kinder auf die Geschenke des Nikolaus in ihren Stiefeln oder Socken hofften, ist es heute für viele Familien ganz selbstverständlich, Geschenke online zu bestellen und liefern zu lassen. Diese Entwicklung hat auch das Ritual des Nikolaus verändert. Viele Menschen kaufen online kleine Geschenke oder Süßigkeiten, die sie dann als „Nikolausgeschenke“ betrachten. Es gibt mittlerweile sogar spezielle Nikolaus-Pakete, die direkt an den Tag des Heiligen Nikolaus angepasst sind.
Im digitalen Zeitalter finden sich zunehmend digitale Geschenke, die der Nikolaus bringen kann. Statt traditioneller Spielsachen oder Schokolade gibt es immer mehr Geschenkkarten für Online-Dienste wie Spotify, Netflix oder Online-Spiele. Besonders in Zeiten, in denen die physische Welt immer mehr mit der digitalen Welt verschmilzt, gibt es eine steigende Nachfrage nach digitalen Produkten als Geschenke – sei es ein Online-Streaming-Abonnement, eine eBook-Karte oder eine App-Mitgliedschaft. Der Nikolaus hat sich somit auch in seinem „Geschenkekatalog“ angepasst.
Der digitale Nikolaus: Eine neue Dimension der Tradition
Es ist faszinierend, wie der Nikolaus in der digitalen Ära weiterhin seine kulturelle Bedeutung bewahrt und gleichzeitig neue Wege gefunden hat, sich auszudrücken. Die digitale Revolution hat es dem Nikolaus ermöglicht, sich an die sich ständig verändernden sozialen und technologischen Landschaften anzupassen und auf moderne Bedürfnisse zu reagieren. Digitale Plattformen, Apps und soziale Medien bieten neue Möglichkeiten, die Botschaft von Großzügigkeit und Nächstenliebe zu verbreiten und den Nikolaus zu einem wichtigen Teil der digitalen Kultur zu machen. Die Herausforderung bleibt jedoch, dass die wahre Bedeutung des Nikolaustages – das Geben, Teilen und die Förderung von Werten wie Nächstenliebe – nicht verloren geht. Auch in einer digitalen Welt sollte der Nikolaus nicht nur als Lieferant von Geschenken gesehen werden, sondern als eine symbolische Figur, die uns daran erinnert, wie wichtig es ist, in einer zunehmend digitalen und manchmal isolierten Welt miteinander zu teilen.
Der Nikolaus im digitalen Zeitalter ist mehr als nur ein Relikt aus der Vergangenheit; er ist eine Figur, die mit der Zeit geht und sich in neuen Formen und über neue Kanäle ausdrückt. Virtuelle Besuche, digitale Geschenke und soziale Medien haben die Tradition erweitert und modernisiert, ohne jedoch den Kern der Botschaft zu verlieren. Der digitale Nikolaus zeigt uns, wie Tradition und Technologie miteinander verschmelzen können, um eine tiefere Verbindung zwischen Menschen – insbesondere in einer digitalen Welt – zu schaffen.
Viele kennen es: die verzweifelte Suche nach den passenden Geschenken. Was kann ich Oma, Mama, Papa etc. schenken? Eine Frage, die jedes Jahr schwer zu beantworten ist. Und es wird noch schwerer, wenn es auch keine Wünsche gibt. Was aber eigentlich immer gut kommt, ist Selbstgemachtes. Ein paar Ideen für DIY Geschenke inklusive Anleitungen findet ihr in diesem Artikel.
Weihnachtssterne aus Notizzetteln
Mit einer bestimmten Origami-Technik könnt ihr ganz einfach aus quadratischen Notizzetteln einen dreidimensionalen Bascetta-Stern basteln, der sich super als Deko in Regalen macht.
Ihr braucht:
30 Blatt quadratisches Papier
Viel Lust zu Basteln
Wie funktioniert es?
Faltet eines der Blätter in der Mitte.
Dann faltet ihr die obere rechte und die untere linke Ecke in die Mitte. Wendet jetzt euer Projekt.
Beide Seiten wie auf dem Bild in die Mitte falten. Euer Projekt erneut wenden.
Die abstehenden Seitenteile in die Mitte falten und die überstehenden Laschen umknicken, so dass eine Raute entsteht (siehe Schritt 4 und 5 auf dem Bild).
Nun die Raute einmal in der Mitte falten, so dass ein Dreieck entsteht.
30 mal wiederholen.
Jetzt seid ihr bereit zum Zusammensetzen. Je drei Teile ergeben eine Spitze. Beim Zusammensetzen müsst ihr darauf achten, dass sich immer fünf Spitzen berühren.
Schritt 1 bis 3 für den Bascetta-Stern
Schritt 4 und 5 für den Bascetta-Stern
Zusammensetzung des Bascetta-Sterns Tadaaa! So sieht der fertig Stern aus
Weihnachten/Winter im Glas
Mit dieser Bastelmethode könnt ihr ein kleines Winter- bzw. Weihnachtswunderland in einem Vorratsglas erschaffen. Am Ende kommt ein wunderschönes Dekoriere heraus, was ihr wunderbar verschenken oder auch selbst behalten könnt.
Ihr braucht:
Ein leeres, ausgewaschenes Vorratsglas (bspw. ein Marmeladenglas oder ein Gewürzgurkenglas)
Etwas Kunstmoos
Etwas Kunstschnee oder weißen Glitzer
Kleine Figuren (Tannenbaum, Schneemann, Schlitten etc.)
Eine kleine Lichterkette
Alleskleber oder Heißklebepistole
evtl. ein Seil
Wie funktioniert es?
Das ist eigentlich ganz einfach. Als erstes müsst ihr euch überlegen, ob ihr euer Glas waagerecht oder senkrecht haben möchtet. Wenn ihr das Glas waagerecht haben wollt, dann müsst ihr mit dem Kleber ein Stück Seil so an dem Glas befestigen, dass es nicht mehr rollt und einen festen Stand hat.
Danach bedeckt ihr den Boden eures Vorratsglases mit Kleber und drückt das Kunstmoos fest darauf. Danach, am besten wenn der Kleber noch nicht getrocknet ist, verteilt ihr nach Belieben etwas von dem Kunstschnee drauf. Das ist die Basis für unser Winterwunderland. Nun könnt ihr eure Figuren nach Belieben im Glas mit Kleber befestigen (Tipp: Wenn ihr Probleme habt, die Figuren zu platzieren, benutzt eine Zange).
Haben die Figuren ihre Plätze eingenommen, könnt ihr noch eine Lichterkette in das Glas mit hineintun. Dafür macht ihr ein Loch in den Deckel des Glases und fädelt die Lichterkette hindurch, so dass der An/Aus-Schalter draußen bleibt. Zum Schluss verschließt ihr euer Glas und fertig seid ihr.
Weitere kostenlose Bastelanleitungen
Das reicht euch noch nicht? Hier haben wir noch ein paar weitere Anleitungen für euch rausgesucht:
Vanessa (sie/ihr) ist für das Lehramtsstudium 2023 nach Greifswald gekommen und seit dem Studienbeginn bei den moritz.medien. Sie begeistert sich für Bücher und Filme. Ihr Lieblingstier ist der rote Panda.
Weihnachtszeit ist die Zeit der Nächstenliebe, der Besinnlichkeit und der Weihnachtsdekoration. Seien es Nussknacker, Socken, Miniaturtannen, Dekogeschenke oder Lichterketten – all das hat mich zu einer Frage bewogen.
Doch bevor wir uns dieser Frage widmen können, müssen wir eine Sache ergründen. Um zu klären, wie viel Deko zu viel ist, müssen wir uns zuerst mit der Haltung zu Dekoration beschäftigen.
(Weihnachts-) Deko und ich – Eine schwierige Beziehung
Mein Verhältnis zu Deko ist ein schwieriges. In meiner Kindheit war Weihnachtsdeko omnipräsent. Mein Elternhaus strahlte – vor Weihnachtsvorfreude und vor Lichterketten. Es gab alles: Vom Rentierschlitten aus Lichterketten über Weihnachtsbäume mit Dekogeschenken bis hin zu Nussknackern und Dekofiguren. Doch ich sah das alles immer nur als „Schnickschnack“ und „unnötig“ an.
Als ich nach Greifswald zog, hatte ich keinerlei Weihnachtsdeko. Ich kaufte mir auch keine. Ein einziges Weihnachtsdekostück fand seinen Weg in meine Wohnung – ironischerweise ein Geschenk meiner Eltern, die mir damit vermutlich ein wenig Weihnachtsstimmung ins Haus bringen wollten. Das brachte mich dazu, darüber nachzudenken, warum ich eigentlich keine Weihnachtsdeko besaß – oder mir keine zulegen wollte. Die Antworten fand ich schnell:
Das Kaufen und Aussuchen ist eine Last. Noch schlimmer ist nur das Aufbauen oder das Schlendern, um vielleicht Deko zu kaufen. Ich finde Deko eher unnötig und hatte deshalb auch nie den Drang, sie in meiner Wohnung aufzustellen. Also musste ich mich fragen, warum ich Deko eigentlich nicht mag – oder warum ich nie den Drang verspürte, mir Dekoration zuzulegen. Die Frage war einfach, die Antwort nicht. Denn ich musste feststellen, dass mir Deko eigentlich sogar sehr gut gefällt.
Warum wollte ich mir also nie Deko zulegen, wenn sie mir doch zusagt? Offengesagt habe ich keine klare Antwort darauf. Vielleicht war ich vom Angebot überfordert – warum gibt es alles in allen möglichen Farben, Formen und Preisklassen? Vielleicht war ich zu faul, den ganzen Spaß wieder abzubauen und ordentlich wegzuräumen. Vielleicht wollte ich mir auch einfach nicht eingestehen, dass Deko doch etwas für mich sein könnte.
Doch wie es im Leben so läuft, kam alles anders, als ich es erwartet hatte. Meine Freundin liebt Deko. Und so musste ich mir die Frage stellen: Wie viel Deko ist mir zu viel? Ich begann also, meine Beziehung zur Weihnachtsdeko aufzuarbeiten. Andere arbeiten ihre Beziehungen zu Menschen auf, ich zu Weihnachtsdekoration. Naja, so läuft das Leben eben manchmal.
(Weihnachts-) Deko und ich – Wie viel kann ich?
Das also eingestanden, musste der Elefant im Raum angesprochen werden: Wie viel Deko ist für mich zu viel? Diese Weihnachtszeit war ein wenig wie ein Feldversuch. Zunächst habe ich gelernt, wie unfassbar viel Deko es gibt. So unglaublich viel. Ich war regelrecht überfordert – von Weihnachtsdeko. Eine Tatsache, von der ich nie gedacht hätte, dass sie jemals eintreten könnte.
Doch ich habe auch gemerkt, dass ich immer noch einen tiefen Widerwillen empfinde, wenn es ums „Deko-Schlendern“ geht. An das Kaufen konnte ich mich langsam gewöhnen, aber das ziellose Umherlaufen, um eventuell Deko auszusuchen, ist für mich schlicht unerträglich. Beim eigentlichen Aussuchen bin ich mir oft unschlüssig – ich vermute, das hängt stark von meiner Tagesform ab.
Trotz allem musste ich feststellen, dass ich mich für Weihnachtsdeko tatsächlich begeistern konnte. Ich weiß nicht, wie, wann oder warum das passiert ist, aber offenbar bin ich zum Softie geworden. Ich habe erkannt: Solange das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und mir die Deko gefällt, findet sie bei mir immer einen Platz. Sie darf nur nicht so extravagant sein, dass sie die gesamte Straße erleuchtet. Für den amerikanischen Weihnachtsdeko-Stil bin ich noch nicht bereit – und mein Geldbeutel übrigens auch nicht.
Im Grunde hat die Sache doch etwas Gutes: Ich habe einen neuen Zugang zu Weihnachtsdeko gefunden, ohne mich komplett zu verbiegen. Und wer weiß, wie sich das Leben noch entwickelt.
(Weihnachts-) Deko und ich – Eine aufgearbeitete Beziehung
Weihnachtsdeko ist in meinem Haushalt also ein gern gesehener Gast – solange sie im Rahmen bleibt. Ein steiniger Weg hat doch noch sein Ende gefunden, auch wenn ich es mir unnötig schwer gemacht habe.
Nach all dem Trubel der Erstiwoche findet unser medien.café zu einem gemütlichen Ausklingen der Woche statt! Dort könnt ihr von unseren Redaktionen alles rund um die studentischen Medien erfahren, aber natürlich auch eure Fragen stellen und mit uns ins Gespräch kommen.
Diesen Samstag (12.10.24) um 15 Uhr laden wir euch in alter Tradition zum medien.café in unsere Redaktion ein. Ihr habt die Chance uns, die moritz.medien, kennenzulernen! Dabei ist es egal, ob ihr Erstsemester oder schon länger an der Uni Greifswald seid.
Wir starten mit einer kleinen Vorstellung im Hörsaal 4 der Rubenowstraße 1, bei der wir euch unsere verschiedenen Redaktionen sowie unsere Arbeit, ein wenig vorstellen. Danach geht es unters Dach der Rubenowstraße 2b in unsere Redaktion, für Kaffee und Kuchen. Dort habt ihr die Chance die Chefredakteur*innen, die Geschäftsführung und natürlich auch andere Redakteur*innen näher kennenzulernen und all eure Fragen loszuwerden.
Bei uns habt ihr die Chance erste journalistische Erfahrungen zusammeln, dazu müsst ihr keine Vorerfahrungen mitbringen. Wir bringen euch u.a. das Schreiben, Recherchieren, Filmen, Schneiden und Layouten näher und hoffen, das ihr genauso viel Spaß dabei haben werdet wie wir auch.
Wenn ihr es am Samstag nicht schafft, dann freuen wir uns wenn ihr zu einer unserer Redaktionssitzungen vorbei schaut. Falls ihr schon einmal ein paar Eindrücke vorweg haben möchtet, dann schaut euch gerne die neue Ausgabe des moritz.magazins an, schaut bei moritz.tv, dem webmoritz. oder auf Instagram bei moritz.socials vorbei.
Wir freuen uns!
Das Wichtigste auf einen Blick: Was? medien.café der moritz.medien Wann? Samstag, 12. Oktober 2024 um 15 Uhr (s.t.) Wo? Rubenowstraße 1; Hörsaal 4 – später Rubenowstraße 2b; Redaktion unterm Dach
Bauernproteste, Klimakleber, Treppenstürze und Nazi-Lieder – die letzten Wochen haben Mecklenburg-Vorpommern viel abverlangt. Keine Partei stand dabei so im Fokus wie die AfD. Grund genug, das Kommunalwahlprogramm der AfD in Mecklenburg-Vorpommern genauer zu betrachten.
Präambel
Am 9. Juni finden in Greifswald die Kommunal- und Europawahlen statt. Die letzten Wochen der Kommunalpolitik waren geprägt von Treppenstürzen, eskalierenden Bürgerversammlungen und vielen, vielen Demonstrationen . Das Klima ist spürbar aufgeheizt. Im Zuge dieser Ereignisse wurde wohl über keine Partei so viel gesprochen, diskutiert und gestritten wie über die AfD. Das haben wir zum Anlass genommen, uns genauer mit der AfD-MV auseinanderzusetzen und die Ziele der Partei anhand ihres Wahlprogramms für die Kommunalwahl zu durchleuchten.
Es wäre schwierig, Themen wie Pflege, kommunale Finanzen oder Migration zu analysieren, ohne entsprechende Experten zu befragen. Hierzu griffen wir, sofern möglich, auf qualifizierte Wissenschaftler und deren Expertise zurück.
Aber ist es nicht realitätsfern, ein ganzes Wahlprogramm für bare Münze zu nehmen, da Parteien doch immer auf Koalitionen und Kompromisse angewiesen sind? Ja, das wäre es.
Nikolaus Kramer, Fraktionsvorsitzender der AfD-MV im Landtag und Listenplatz 1 für die Kommunalwahl in Greifswald, scheint das jedoch ganz anders zu sehen. In seinem Podcast stellt er seinem Interviewpartner René Springer (AfD, MdB) die Frage, die auch uns umgetrieben hat: „Der politische Gegner wirft uns vor, wir hätten keine Lösungen. Das kannst du alles gar nicht umsetzen, was wir in unserem Parteiprogramm zu stehen haben und unsere Kernforderungen. Bist du der Meinung, wir können unsere Versprechen tatsächlich in die Tat umsetzen […]?“1 Springer antwortet darauf sinngemäß: Ja, sofern die Wähler einem die Macht dazu verleihen. Ziel sei es, die absolute Mehrheit zu erringen. „Ja, richtig!“, bestätigt der Spitzenkandidat.2
Kurz danach führt Nikolaus Kramer weiter aus und stellt klar: „Bei uns, bei der AfD, muss sich gar nichts ändern. Wir lassen uns ja nicht auseinanderdifferenzieren oder springen über irgendwelche Stöckchen. Wenn, dann muss sich etwas bei einem potenziellen Koalitionspartner ändern, damit dieser für uns koalitionsfähig bleibt.“3
Daraus erschließt sich für uns: Die Forderungen und Ziele der AfD bleiben bestehen. Auch Koalitionspartner können keinen Einfluss nehmen. Wir können das Programm also tatsächlich für bare Münze nehmen.
Zustand kommunaler Straßen verbessern / Ausbau von Rad- und Wanderwegnetzen
Stillgelegte Bahnstrecken im ländlichen Raum reaktivieren
Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Bauvorhaben
Flächendeckende Bargeldversorgung
Für Ehrenamt bei der Freiwilligen Feuerwehr
Stärkere finanzielle Unterstützung bei der Beschaffung von Ausrüstung
Genügende Anzahl an Weiterbildungskursen
Sind die Forderungen kommunal umsetzbar?
Nein.
Die meisten der genannten Forderungen sind nicht allein auf kommunaler Ebene umsetzbar. Sie erfordern eine enge Zusammenarbeit und finanzielle Unterstützung von Landes- und Bundesebene, um erfolgreich und nachhaltig realisiert zu werden.
Was lässt sich außerdem sagen?
Zu Infrastruktur:
Für die infrastrukturellen Forderungen sind die finanzielle Unterstützung von Land und Bund ein wesentlicher Faktor, ohne den viele Maßnahmen nur sehr schwer realisierbar sind. Kommunen können aber durch gezielte Planungsmaßnahmen, interkommunale Zusammenarbeit und die Nutzung von Förderprogrammen wichtige Schritte zur Umsetzung dieser Forderungen unternehmen. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, können die Kommunen durch Implementierung des Onlinezugangsgesetzes und die Nutzung moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz auf lokaler Ebene unterstützen, indem sie digitale Plattformen für Genehmigungsverfahren bereitstellen. Jedoch können einige Voraussetzungen wie beispielsweise die rechtlichen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten auf Landes- oder Bundesebene liegen und somit die Möglichkeiten der Kommunen beeinflussen oder bestimmen.
Zur Freiwilligen Feuerwehr:
Dass die Forderungen nach finanzieller Unterstützung und Weiterbildungskursen für die Freiwillige Feuerwehr in erster Linie auf Landesebene umzusetzen sind, wurde bereits ausgeführt. Dennoch war es uns wichtig, die zu befragen, die es betrifft. Für unsere Recherchen baten wir also eine traditionsreiche Freiwillige Feuerwehr um ein Interview. Diese befindet sich etwa 45 Minuten von Greifswald entfernt, ruhig gelegen im ländlichen Raum. Wir hatten die Möglichkeit, direkt mit einem erfahrenen Feuerwehrmann zu sprechen. Dieser wollte nicht namentlich genannt werden, darum nennen wir ihn Marko.
Marko erklärte uns, wie er in den letzten Jahren viel Zeit und Engagement in die Feuerwehr steckte. Feuerwehr funktioniere nur mit Politik, daran habe er immer geglaubt. Deswegen sei ihm auch ein enger Kontakt beispielsweise zum Landesparlament besonders wichtig. Er habe es geschafft, politische Entscheidungen anzustoßen, und ist bis heute vor allem der CDU für deren Einsatz für die Freiwillige Feuerwehr dankbar. Befürchtungen habe er insofern, dass die Investitionen nicht als Kreislauf wahrgenommen würden. Konkrete Vorschläge und ein Grundinteresse an dem nicht ganz unwichtigen Thema Brandschutz seien deshalb erforderlich.
Die AfD-MV fordert, dass genügend Kurse angeboten werden, um die Anforderungen an die Spezialisierung der Feuerwehrkameraden zu erfüllen. „Ein großes Problem ist nicht etwa, dass nicht genug Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden, sondern dass sie nicht zugänglich sind“, sagt uns Marko im Interview. Er schildert uns, dass die Landesfeuerwehrschule in Malchow zu klein sei. Viele Lehrgänge würden schon dezentral angeboten, dennoch seien für manche Lehrgänge Wartezeiten von über vier Jahren normal.
Auch beim Grundinteresse an dem Ehrenamt Freiwillige Feuerwehr habe sich einiges entwickelt. Marko berichtet von Veranstaltungen, zu denen auch politische Vertreter eingeladen wurden. Mittlerweile würden Politiker aber auch eigeninitiativ auf ihn zukommen. „Die SPD hat sich gemeldet – von sich aus – die CDU sowieso. Die haben gesagt: Wir möchten gerne mal vorbeikommen und die Wache angucken. Dann können wir uns unterhalten und ihr sagt, was ihr braucht, wie ihr euch finanziert und wohin die Wege führen sollen. Aber ich habe noch keinen AfD-Politiker gesehen, der in eine Kommune gefahren ist und gefragt hat: Was braucht ihr? Wie können wir helfen? … Ist das nicht traurig?“
Sollte die Sicherheit gefährdet sein, würden die Kommunen sicherlich nicht allein gelassen werden. Maßnahmen zur Wiederherstellung der Sicherheit erfordern eine landes- oder sogar bundespolitische Autorisierung. Die Verstärkung der Ordnungsämter ist größtenteils auf kommunaler Ebene umsetzbar. Konsequentere Abschiebungen hingegen sind hauptsächlich von der Bundesebene abhängig.
Was kann außerdem gesagt werden?
Zur “Wiederherstellung der Ordnung“:
Der Begriff "Wiederherstellung" wird im Programm der AfD-MV bewusst genutzt. Er deutet an, dass nach Ansicht der AfD-MV die Sicherheit in unserem Bundesland bereits verloren gegangen ist. Das sollte alarmierend sein. Aus dem Wahlprogramm ist nicht ersichtlich, worauf die Parteimitglieder ihre Ängste begründen. Wären die Sicherheit und Ordnung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, wirklich gefährdet, so wäre die Präsenz von Polizei und Bundeswehr eine ganz andere. Es bleibt unklar, wie die AfD-MV zu dieser Ansicht gekommen ist. Doch Dramatik überzeugt manchmal mehr als eine Statistik.
Zu erhöhter Polizeipräsenz und Verstärkung der Ordnungsämter:
Sicherheit ist ein vielschichtiges Thema. Während erhöhte Polizeipräsenz kurzfristig zu einem Rückgang der Kriminalität und einem gesteigerten Sicherheitsgefühl beitragen kann, sind die finanziellen Kosten, die potenzielle Verlagerung der Kriminalität und die gesellschaftlichen Auswirkungen wichtige Faktoren, die berücksichtigt werden müssen. Eine nachhaltige Strategie zur Kriminalitätsbekämpfung sollte daher langfristige und präventive Maßnahmen umfassen. Damit sind konkret Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut, sozialer Ungleichheit und anderen strukturellen Ursachen von Kriminalität gemeint.
Gibt es einen “klaren statistischen Zusammenhang zwischen Masseneinwanderung und Gewaltkriminalität“?
Das Wahlprogramm der AfD-MV spricht von einem klaren statistischen Zusammenhang zwischen Masseneinwanderung und dem Anstieg von Gewaltkriminalität. Schauen wir uns das in der Abbildung an: Wir können sehen, wie die Gewaltkriminalität von 2014 bis 2019 jedes Jahr ein wenig ansteigt. Wenn wir der AfD-MV folgen wollen, so würden wir erwarten, dass besonders in den Jahren 2016 und 2017 – zu Zeiten der großen Geflüchtetenwelle – die Kurve stark ausschlagen müsste. Das tut sie aber kaum. Ab 2020 dann ein großer Fall bis auf 2.600 erfasste Fälle, und ab dann wieder aufwärts.Die AfD-MV kennt für diesen Anstieg nur eine Ursache: Masseneinwanderung.
Forschende des Bundeskriminalamtes (BKA) haben drei Hauptfaktoren identifiziert, die zu dieser Entwicklung beigetragen haben: Diese Faktoren zeichnen ein komplexes Bild, in dem soziale Umstände eine zentrale Rolle spielen. Während der Covid-19-Pandemie war die Mobilität stark eingeschränkt, was zu einem Rückgang der Straftaten führte. Mit dem Ende der pandemiebedingten Beschränkungen im Frühjahr 2023 hat sich die Situation jedoch grundlegend verändert. Menschen sind wieder häufiger unterwegs, was automatisch mehr Gelegenheiten für Gewaltdelikte bietet. Öffentliche Räume sind stärker frequentiert und damit anfälliger. Ein weiterer bedeutender Faktor ist die aktuelle wirtschaftliche und soziale Lage. Die Inflation wird von der Bevölkerung als ein ernsthaftes Problem wahrgenommen und steht in direktem Zusammenhang mit der Anzahl der Gewaltdelikte. In wirtschaftlich schwächeren Regionen sind die Kriminalitätsraten besonders hoch. Hinzu kommen die psychischen Belastungen, die vor allem Kinder und Jugendliche infolge der Corona-Maßnahmen zu tragen haben. Diese erhöhten Belastungen können die Anfälligkeit für Straftaten steigern, da Stress und Unsicherheit häufig zu impulsivem Verhalten führen. Auch Migration wird als Faktor genannt. Es ist allerdings nicht die Herkunft der Menschen, sondern ihre oft prekäre Lebenssituation, die hier eine Rolle spielt. Die Lebenssituation in Erstaufnahmeeinrichtungen, wirtschaftliche Unsicherheit und vorherige Gewalterfahrungen sind Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Gewaltkriminalität erhöhen können. Eine bessere Integration und Unterstützung können helfen, diese Risiken zu minimieren.
Wer immer noch behauptet, der Anstieg sei ganz klar auf Masseneinwanderung zurückzuführen, ignoriert die zwei anderen Faktoren also völlig.
Wer sich dafür interessiert, warum die Forderung nach konsequenterem Abschieben eine große Illusion ist, der kann gerne unter dem Punkt „Asyl und Migration“ weiterlesen.
In ihrem Wahlprogramm präsentiert die AfD verschiedene Vorschläge zur Familienpolitik. Wir setzten uns mit Experten auseinander, um die Vorschläge einzuordnen. Das Problem: Die Forderungen als solche sind politisch diskutabel und umsetzbar, die Präsentation wirft aber tiefgreifende Fragen auf.
Das "Baby-Begrüßungsgeld"
So propagiert die AfD-MV ein Baby-Begrüßungsgeld als Teil einer "Kinder-Willkommenskultur". Diese Aufmachung ist problematisch. Der Begriff der "Willkommenskultur" entstand während der Geflüchtetenwelle. Er bezeichnet zum einen die positive Einstellung von Bürgern, Politikern, Unternehmen, Bildungseinrichtungen, Sportvereinen und anderen Institutionen zu Migranten. Zum anderen drückt der Begriff den Wunsch aus, dass Migranten allen Menschen, denen sie begegnen, willkommen sein mögen. Die AfD-MV vertritt eine klare Position gegen Einwanderung (s. Migration und Asyl). Durch das erneute politische Aufladen dieses Begriffs werden neue Spannungen geschaffen. So bleibt es auch beispielsweise unklar, ob Zugewanderte überhaupt Anspruch auf ein Baby-Begrüßungsgeld hätten. Oder mit anderen Worten, welche Familien die AfD-MV damit unterstützen möchte und welche nicht.
Die Familienbeauftragte, auf Kosten der Gleichstellungsbeauftragten:
Die AfD-MV sieht die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in Deutschland als gegeben an und will daher die Gleichstellungsbeauftragten in Familienbeauftragte umwandeln. Erneut, ein politisches Argument mit fadem Beigeschmack. Der Vorschlag einer Familienbeauftragten könnte von mehreren politischen Lagern konstruktiv diskutiert werden. Diese Begründung ignoriert aber tatsächliche Ungleichheit, die noch immer existiert. So erfasste die Hans-Böckler-Stiftung, dass im Jahr 2020 Frauen rund 18 Prozent weniger verdienen würden als Männer. Bis 2023 habe sich dahingehend nichts getan.
Die Angst vor dem "Gender-Mainstreaming"
Sogenanntes "Gender-Mainstreaming" beschreibt die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen die unterschiedlichen Auswirkungen auf Männer und Frauen in den Blick zu nehmen. So definiert es das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die AfD-MV sieht das als Gefahr für die Gesellschaft. Die Partei erklärt: "Die Natur kennt zwei Geschlechter. Die Gender-Ideologie hingegen will die aus der Biologie resultierende Geschlechteridentität zerstören." Und spricht von einer "Indoktrinierung" durch eine "laute Minderheit".
Doch Wissenschaftler wie Dr. Anne Fausto-Sterling und selbst dieWeltgesundheitsorganisation (WHO) betonen, dass Geschlecht sich aus sozialen Konstrukten zusammensetzt und von Gesellschaft zu Gesellschaft variieren kann. Diese Definition betont die soziale Dimension von Geschlecht und unterstreicht, dass es sich nicht nur um eine biologische Dichotomie handelt. Daher ist es wichtig anzuerkennen, dass die Komplexität der Geschlechteridentität nicht auf einfache biologische Identitäten reduziert werden kann.
Der politische Diskurs muss stets auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und respektvollem Dialog basieren. Diese Erkenntnisse zu verleugnen, wäre weder respektvoll noch wissenschaftlich.
Viele Maßnahmen, wie der Erhalt und Ausbau der Schulstruktur sowie die Digitalisierung, erfordern übergeordnete Unterstützung und ausreichende finanzielle Mittel. Die Bekämpfung des Lehrermangels und die Stärkung der Berufsausbildung benötigen eine Koordination mit Landes- und Bundesebenen. Der Erhalt der Förderschulen widerspricht der Inklusionspolitik und benötigt spezialisierte Ressourcen. Die Schülerbeförderung mit Sitzplatzgarantie ist organisatorisch machbar, bedarf jedoch finanzieller Investitionen und Planung.
Was kann außerdem gesagt werden?
Zu Erhalt und Ausbau der Schulstruktur:
Die AfD fordert ein dichtes Netz an allgemein- und berufsbildenden Schulen, unterstützt durch umfangreiche Bau- und Sanierungsmaßnahmen sowie eine moderne technische Ausstattung und Digitalisierung. Die Finanzierung solcher umfangreichen Vorhaben stellt eine große Herausforderung dar, insbesondere für finanzschwache Kommunen. Landes- und Bundeszuschüsse sind also unerlässlich, um diese Maßnahmen zu ermöglichen.
Zu Vermeidung von Unterrichts- und Betreuungsausfall:
Ganztagsschulen mit umfassenden Betreuungsangeboten, einschließlich Hausaufgabenhilfe und Freizeitprogrammen, sollen laut AfD-MV den Unterrichtsausfall minimieren. Zudem soll der Mangel an Lehrpersonal durch Änderungen im Lehramtsstudium und kommunale Anwerbemaßnahmen bekämpft werden. Während Kommunen Ganztagsschulangebote einrichten können, erfordert die Bekämpfung des Lehrermangels Maßnahmen auf Landes- und Bundesebene. Zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen sind nötig, die kurzfristig oft schwer bereitzustellen sind.
Zu Schülerbeförderung mit Sitzplatzgarantie:
Die AfD verlangt eine zuverlässige Schülerbeförderung mit ausreichenden Bussen in enger Taktung und Sitzplatzgarantie für jeden Schüler. Zudem sollen Schüler den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen können, auch wenn sie nicht die örtlich zuständige Schule besuchen. Diese Maßnahmen sind ganz prinzipiell auf kommunaler Ebene umsetzbar, erfordern jedoch erhebliche Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr und eine gute logistische Planung. Die Bereitstellung von Bussen und Fahrern stellt eine zusätzliche Herausforderung dar.
Zu Stärkung der Berufsausbildung:
Zur Förderung der dualen Ausbildung soll die Anzahl der Berufsschulen erhöht werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit mit Landesregierungen und regionalen Bildungsbehörden. Kommunen können unterstützende Initiativen ergreifen, sind jedoch auf übergeordnete Hilfe angewiesen. Ohne eine ausreichende Nachfrage nach Ausbildungsplätzen könnte der Ausbau ineffizient sein.
Zu Erhalt der Förderschulen:
Die AfD spricht sich für den Erhalt der Förderschulen aus, die als Orte echter Inklusion gesehen werden. Ein gegliedertes Schulsystem aus Regional- und Förderschulen sowie Gymnasien wird befürwortet. Diese Forderung steht im starken Widerspruch zur aktuellen Inklusionspolitik, die auf die gemeinsame Beschulung aller Schüler abzielt.
Auch hier könnten wir stumpf Vorschläge und Forderungen der AfD-MV wiedergeben und einordnen. Beispielsweise könnten wir die widersprüchlich gesetzten Prioritäten thematisieren: Normalerweise gilt für die AfD-MV nämlich ein strikter Abbau der Bürokratie und der Wunsch nach einem "schmalen Staat". Was den Denkmalschutz betrifft, fordert die Partei jedoch mehr Personal für die betroffene Behörde. Insgesamt könnten die Forderungen für Heimat einen wirren Eindruck vermitteln: Sie schlagen eine Förderung der niederdeutschen Sprache, den Erhalt "herrschaftlicher Gutshäuser" und Chorarbeit vor. Allesamt Dinge, die harmlos wirken. Die AfD zeigte aber mutmaßlich bei einem Treffen zur sogenannten "Remigration" von Millionen Menschen, wie offen ihr Heimatverständnis ist.
Die Forderungen abseits des Wahlprogramms? Remigration?
Nach Recherchen von CORRECTIV sähe der Remigrationsplan vor, dass alle, die nicht als ausreichend "deutsch" angesehen würden, beispielsweise deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund, abgeschoben oder durch "hohen Anpassungsdruck" zur Auswanderung gebracht werden sollten. In einigen Fällen könnten politische Gegner oder sogar Journalisten ins Visier genommen werden. Abgeschoben werden sollte vorzugsweise nach Afrika, um dort einen "Musterstaat" zu schaffen. Ein Vorhaben, das die Verweisung von Menschen aufgrund ihrer politischen Überzeugungen, Ethnie oder Religion fordert, würde grundlegende Menschenrechte verletzen.
Die Politik, die durch die CORRECTIV-Recherchen aufgezeigt wird, würde versuchen, eine ethnische und politische Homogenität im Land zu erzwingen. Diese Maßnahmen würden Minderheiten unterdrücken und die politische Opposition zum Schweigen bringen."Die AfD versteckt unter dem Mantel der Bürgerlichkeit tiefe braune Abgründe", resümiert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Dirk Wiese, zu den CORRECTIV-Recherchen.
Ausbau von Praxiskliniken für ambulantes Operieren
Arztpraxis auf Rädern
Organisation regionaler Bereitschaftsdienste
Ausbau der Leistungsoptionen im vorärztlichen Betreuungsbereich
Abbau der Hürden bei der Anstellung von ärztlichem Personal
Für den Pflegenotstand:
Mehrgenerationshäuser, um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken
Zurücknahme des Tariftreuegesetzes
Sind die Forderungen kommunal umsetzbar?
Eher nein.
Die Umsetzbarkeit dieser Forderungen hängt stark von der Zusammenarbeit zwischen kommunalen und staatlichen Behörden sowie von den verfügbaren finanziellen Ressourcen und rechtlichen Rahmenbedingungen ab.
Was kann außerdem gesagt werden?
Zu den beispielhaften Forderungen für alle Versorgungsbereiche:
Zu diesen Vorschlägen hatten wir die Möglichkeit, Prof. Dr. Steffen Fleßa zu befragen. Steffen Fleßa ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement an der Universität Greifswald. Zudem publizierte er 2021 die wissenschaftliche Arbeit "Notfallversorgung auf dem Land", in welchem er Lösungen und Ergebnisse in Bezug auf Wirtschaftlichkeit, medizinischen Nutzen und Nachhaltigkeit darstellt.
Steffen Fleßa erklärt, dass die einzelnen Forderungen "sich in ein Gesamtkunstwerk fügen müssen". Damit ist gemeint, dass beinahe jeder einzelne Vorschlag für sich genommen unzureichend wäre, aber in Kombination mit den anderen Vorschlägen umsetzbar. Beispielsweise der Ausbau von Praxiskliniken zum ambulanten Operieren: Wenn ein Rentner eine Blinddarm-OP durchläuft, wäre es grob fahrlässig, ihn zwei Stunden lang mit dem Bus fahren zu lassen und ihn dann der Obhut seiner vermutlich nicht minder alten Frau zu überlassen. Gepaart jedoch mit der Forderung von Fahrdiensten, Telemedizin und erreichbarem ärztlichen Personal wäre dieses Vorhaben umsetzbar, befindet Fleßa.
Zu dem Pflegenotstand und den Mehrgenerationenhäusern:
"Es gibt viele Beispiele, wo das wunderbar funktioniert, und es gibt viele Beispiele, wo das gar nicht funktioniert", schildert uns Steffen Fleßa. Er erklärt, dass solche Konzepte erfahrungsgemäß besonders erfolgversprechend sind, wenn sie frühzeitig zum Einsatz kommen, beispielsweise wenn ältere Menschen noch körperlich fit sind und es lange bleiben. Sobald jedoch Pflegegrad 3 erreicht ist, wären Mehrgenerationenhäuser und Wohngemeinschaften schnell am Ende. Schon für eine Familie kann die häusliche Pflege eines Mitglieds zur zeitlichen Zerreißprobe werden. "Wer jemanden mit einem Pflegegrad 3, 4 oder 5 wirklich pflegt, der ist nach einem halben Jahr in der Regel vollkommen fertig. Es ist ein 365-Tage- und 24-Stunden-Job. Und noch dazu ein schwerer Job." Eine vollständige Lösung des Pflegenotstands durch Mehrgenerationenhäuser oder Wohngemeinschaften ist also eher nicht absehbar.
Zu dem Tariftreuegesetz:
In aller Kürze besagt das Tariftreuegesetz folgendes: Eine staatliche Stelle darf von keinem Unternehmen Dienstleistungen oder Sachgüter annehmen, die selbst wiederum nicht bei ihren eigenen Mitarbeitern Tarifbindung haben.
Den Status Quo veranschaulichen wir in einem Beispiel: Wir beauftragen einen Reinigungsdienst für ein Krankenhaus. Wenn die Summe groß genug ist, müsste diese Stelle europaweit ausgeschrieben werden. Nun könnte sich ein Reinigungsdienst aus beispielsweise Spanien bewerben. Die Leiharbeiter würden dann hochgeschickt, könnten in Zelten übernachten und würden mit einem Stundenlohn von 3,20€ "entlohnt" werden. Theoretisch ist das zurzeit möglich. Das Tariftreuegesetz regelt nun, dass wir bei den Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, sicherstellen müssen, dass diese auch die Tariftreue einhalten. Die spanischen Putzkräfte müssen also die gleiche Tarifbindung haben wie die eigenen Putzkräfte.
Steffen Fleßa sagt dazu folgendes: "Natürlich kann dies für das einzelne Krankenhaus erst einmal Mehrkosten bedeuten. Auf der anderen Seite: Kann es wirklich das Ziel sein, dass ein Krankenhaus an einer Stelle systematisch einspart und dafür an anderer Stelle die Menschen systematisch krank gemacht werden? Sei es durch schlechte Bezahlung oder schlechte Arbeitsbedingungen? Wäre es nicht viel sinnvoller zu sagen: Menschen, die in diesem Krankenhaus arbeiten, werden fair und ordentlich bezahlt. Ich sorge dafür, dass entweder das gesamte Krankenhauswesen ausreichend finanziert ist oder ich von Anfang an sage, welche Leistung ich mir in diesem Bundesland nicht leisten kann, nicht leisten will – oder in ganz Deutschland. De facto ist es aber so, dass wir uns manche Sachen nicht leisten können oder nicht leisten wollen. Wir sollten diese Rationierung aber nicht auf den Rücken der Schwächsten austragen. Es sind in der Regel die niedrigsten Lohngruppen, welche ausländische Tarife oder überhaupt gar keine Tarife haben. Wir würden dann auch noch bewusst mit diesen Menschen zusammenarbeiten, nur weil sie noch mal ein paar Euro billiger sind. Das glaube ich, ist eine grob ungerechte Sache und das tut auch uns als Gesellschaft nicht gut. Ein Krankenhaus ist ein Teil des Gesundheitswesens, das eine soziale Verantwortung für die ganze Gesellschaft hat. Dazu gehört, im Sinne der WHO, dass das Krankenhaus nicht dazu beiträgt, dass der Rest der Gesellschaft, die nicht bis ins Krankenhaus kommen, noch kränker wird als sie vorher waren. Wenn sie solche Nebeltarife haben oder wenn sie überhaupt keinen Tarifvertrag haben oder alle möglichen aus dem Ausland nehmen, die ganz anderen Arbeitsgesetzgebungen unterliegen, dann macht das den Rest der Gesellschaft kranker."
Förderung des Tourismus - aber nicht zulasten der Natur und der "einheimischen Lebenskultur".
Rücknahme des Tariftreuegesetzes.
Sind die Forderungen kommunal umsetzbar?
Ja, tatsächlich könnte die AfD auf kommunaler Ebene ihre Forderungen im Bereich "Wirtschaft und Soziales" umsetzen. Dies liegt auch maßgeblich daran, dass die Ziele recht allgemein gehalten sind.
Was kann außerdem gesagt werden?
Zur Stärkung des Mittelstands durch Bürokratieabbau:
Die Partei könnte tatsächlich auf kommunaler Ebene die Bürokratie abbauen, um den Mittelstand zu unterstützen. Auch eine Absenkung der Gewerbesteuer könnte umgesetzt werden, da sie von den Gemeinden erhoben wird.
Zur Förderung des Tourismus - aber nicht zulasten der Natur und der "einheimischen Lebenskultur":
Die Forderung, den Tourismus zu fördern und dabei gleichzeitig auf den Schutz der Natur zu achten, bleibt abstrakt. Sie wird auch von anderen Parteien, wie den Grünen, gefordert. Das einzige konkrete Detail ist die Ablehnung einer Kurtaxe für Einheimische und der "Bettensteuer". Unter einer Bettensteuer versteht man eine Abgabe, die Touristen bei der Übernachtung in einem Hotel entrichten müssen. Diese Steuer kann - genau wie Kurtaxen - von Kommunen erhoben werden, und die Erlöse würden ihnen gehören. In Mecklenburg-Vorpommern erheben derzeit Schwerin, Wismar, Greifswald und Stralsund eine Bettensteuer. In Schwerin gelten die Einnahmen aus dieser Steuer als essenziell für den Haushalt der Landeshauptstadt.
Zu dem Tariftreuegesetz:
In Deutschland können Tariftreuegesetze auf kommunaler Ebene von den jeweiligen Kommunalparlamenten beschlossen oder geändert werden. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Tariftreuegesetze oft auf Landesebene erlassen werden und die kommunalen Gesetze die Vorgaben des Landesgesetzes nicht unterschreiten dürfen. Wenn euch das Tariftreuegsetz interessiert, dann schlagt gerne unter "Gesundheit und Pflege“ nach. Dort wird erläutert, worum es sich dabei handelt und was das für Auswirkungen haben kann.
Jagdreviere an ortsansässige Jäger vergeben, Bürokratie für Fischer abbauen
Sind die Forderungen kommunal umsetzbar?
Nein.
Die Auflagen für Landwirtschaft und Naturschutz werden auf nationaler oder sogar internationaler Ebene festgelegt, während die Vergabe von Jagdrevieren und die Bürokratie für Fischer auch staatliche oder regionale Zuständigkeiten erfordern.
Was kann außerdem gesagt werden?
Die AfD moniert in ihrem Wahlprogramm die “Zwangsökologisierung”, die die mittelständischen Bauern in MV bedroht. Das Horrorszenario, das sie zeichnen: Die Bauern, die uns mit gesunden, lokal angebauten Nahrungsmitteln versorgen sollen, ertrinken im Meer der Bürokratie der Umweltauflagen. Deswegen will die Partei Bürokratie abbauen und generell für einen “Naturschutz nach Augenmaß” eintreten. Vermutlich bezieht sich die AfD hier auf die Vorgaben der EU, die Höfe erfüllen müssen, um Subventionen zu erhalten, sagt Dr. Stefan Ewert, Leiter des Arbeitsbereichs “Ländliche Nachhaltigkeit” der Politikwissenschaft. Umgekehrt - so Ewert - gibt es einige naturwissenschaftliche und stichhaltige Argumente, die dafür sprechen würden, dass die Auflagen zu schwach sind und weder Biodiversität noch Klima substantiell schützen. “Vielleicht meint das Wahlprogramm aber auch den häufig kritisierten großen bürokratischen Aufwand, der für die Landwirte damit verbunden ist. So oder so: Die kommunale Ebene hat eigentlich keinen Einfluss auf diese Dinge”, sagt Dr. Ewert auf Anfrage.
Auch die Forderungen nach Bürokratieabbau bei der Jagd- und Fischereiwirtschaft sind in einem Kommunalwahlprogramm falsch adressiert. Der Einfluss von Kommunen auf die Agrarpolitik bleibt gering, bei der Fischerei- und Jagdpolitik liegen bei den Kommunen weitestgehend nur verwaltungstechnische Aufgaben, sagt Ewert. Der Politikwissenschaftler weist beim Thema “Ländliche Räume” des AfD-Kommunalwahlprogramms auf generelle Widersprüche hin: Die Verpachtung von Jagdrevieren an ortsansässige Jäger ergibt Sinn. “Dieser Punkt steht aber unter der Überschrift 'Jagd ohne bürokratische Überregulierung'. Bisher gibt es keine bürokratischen Regulatorien dazu, die Erfüllung der einen Forderung kollidiert somit zwangsläufig mit der anderen,” so Ewert. Die Forderungen der AfD in Mecklenburg-Vorpommern zur Agrar-, Jagd- und Fischereipolitik zielen auf die Stärkung der lokalen Wirtschaft und die Reduktion von Bürokratie ab. Allerdings zeigen die Ausführungen von Stefan Ewert, dass viele dieser Forderungen in ihrer Zielsetzung widersprüchlich sind."
Ein Modell einführen, angelehnt an Dänemarks Anti-Ghetto-Politik.
Aufnahmestopp für Kommunen.
Mehr "Rückkehrberatungen"
Sind die Forderungen allein kommunal umsetzbar?
Nein.
Migrationspolitik ist Bundespolitik und hängt außerdem von verschiedenen Faktoren ab, darunter die gesetzlichen Rahmenbedingungen, finanzielle Verhältnisse, internationalen Verpflichtungen und politische Unterstützung.
Was lässt sich außerdem sagen?
Zu Dänemarks Anti-Ghetto-Gesetz:
Im Jahr 2018 wurde der "Ghettoplan“ in Dänemark eingeführt. Ziel dieser Spezialgesetzgebung war es, bestehende "Ghettos" aufzulösen. Es zeugt von wahrer Menschenfeindlichkeit, als offiziellen Titel dieses Gesetzes ausgerechnet den Begriff „Ghetto“ zu wählen. "Ghetto" ist ein von den Nationalsozialisten verwendeter Ausdruck für jüdische Wohngebiete und Sammellager, die als Zwischenstationen vor dem Transport in Vernichtungslager dienten. Die Gesetzgebung sieht vor, dass in Gebieten, in denen der Bevölkerungsanteil über 50 % "nicht-westlicher Einwanderer und ihrer Nachkommen" liegt, zwangsweise die Bevölkerung ausgetauscht wird. Zuziehen dürfen dann ausschließlich dänische oder „westliche“ Menschen. Die noch bestehenden Sozialwohnungen sollen vorzugsweise abgerissen und neu gebaut werden. Die Kommunen können dies auch selbst beschließen. Eine Begründung aus "strategischen Gründen" reicht hierbei aus.
Was Regierungschef Lars Løkke als „eine Hoffnung auf ein Dänemark, in dem wir auf das Gleichgewicht und aufeinander achten“ präsentiert, offenbart sich jedoch zunehmend als sozial- und klimapolitisches Fiasko. Denn: Es wird größtenteils den Wohnungsunternehmen selbst überlassen, wie die Quoten erreicht werden. Diese packen die Gelegenheit beim Schopf und reagieren drastisch. Sie verkaufen, renovieren, reißen ab und bauen neu. Die Unternehmen versuchen, das Möglichste zu tun, um die Ziele zu erreichen und Gewinne maximal auszureizen. Das Abreißen von bezahlbarem Wohnraum und Errichten von Luxuswohnungen wirkt sich auf die Klimastatistik genauso verheerend aus, wie es klingt. Außerdem verlieren dabei nicht nur „nicht-westliche“ Menschen, sondern auch die Dänen selbst. Die dänische Tageszeitung Politiken interviewte den in Pakistan geborenen 55-jährigen Taxifahrer Arif Mohammed. „Ich bin seit 32 Jahren in Dänemark und habe immer gearbeitet. Ich lebe nicht auf Kosten des Staates und habe das nie getan. Darauf bin ich sehr stolz.“ Der Taxifahrer ist also kein Krimineller. Er und seine Frau müssen dennoch ausziehen. Passend stellt er fest: „Ich werde dafür bestraft, dass ich am selben Ort wie die lebe: Eine grenzenlose Ungerechtigkeit.“
Auch die 80-jährige Rentnerin Lisbeth Bjerregaard Saugmann spricht offen über die Ungerechtigkeit. Ihre Wohnung wurde mit einer dreimonatigen Frist wegen Renovierungen gekündigt. Eine Aussicht auf einen neuen Vertrag bekam sie gleich dazu. Die neue Miete für ihre renovierte Wohnung konnte sie sich mit der schmalen Pension vermutlich nicht leisten.
Es stellt sich die Frage, ob die AfD-MV einen ähnlichen Wandel für Greifswald vorsieht und welchen Preis dieser Wandel verlangt.
Zu Migration, Asyl und konsequentem Abschieben:
Wer Obergrenzen fordert, sollte diese auch konkret beziffern können. Davon fehlt in diesem Wahlprogramm jede Spur. Grundsätzlich gelten nach wie vor das Grundrecht auf Asyl und die Genfer Flüchtlingskonventionen. Diese Gesetze berechtigen jeden, der Schutz sucht, ein Asylverfahren zu erhalten. Ein solches Verfahren erforderte im ersten Halbjahr 2022 bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung rund 21,8 Monate. Für den gesamten Verfahrenszeitraum bringt eine Obergrenze den Kommunen überhaupt nichts, da die finale Entscheidung zwischen Abschiebung, Asyl und allem, was dazwischen liegt, aussteht. Das Versprechen eines sofortigen Aufnahmestopps erscheint unter Einhaltung geltenden Rechts also als sehr schwer.
Zu den nackten Zahlen: Laut dem statistischen Bundesamt lebten am 31.12.2023 rund 3,1 Millionen Geflüchtete in Deutschland. Davon sind nur ungefähr 48.700 Menschen „unmittelbar ausreisepflichtig“. Nur diese 48.700 Menschen - oder 1,56% - könnten abgeschoben werden. Die Gründe für diesen Status können vielfältig sein. Entweder weil der Asylantrag nicht bewilligt wurde, weil das Visum abgelaufen ist oder weil keine weitere Duldung ausgesprochen wurde. Die darauf möglichen Abschiebungen sind außerdem oft teuer und umständlich. Warum eine Abschiebung nicht erfolgen kann, hat ebenfalls vielfältige und oft individuelle Gründe. Auch hier sprechen die Zahlen für sich: Rund 24.700 Abschiebungen sind 2023 vor der Übergabe der ausreisepflichtigen Personen an die Bundespolizei gescheitert. Im Regelfall lag die Ursache darin, dass Abschiebeflüge kurzfristig gestrichen wurden. Nur bei genau 248 Abschiebungen wurden diese wegen des Widerstands der Betroffenen abgebrochen. Dies entspricht ziemlich genau einem Prozent der 24.700. In 64 Fällen konnte die Abschiebung wegen medizinischer Gründe nicht erfolgen. In 175 Fällen weigerte sich die Fluggesellschaft oder der Pilot, die Abzuschiebenden zu transportieren. Tatsächlich abgeschoben wurden 16.430 Personen, sowie 5.053 im Rahmen der Dublin-III-Verordnung. Das sind bereits 27% mehr Abschiebungen als im Jahr zuvor. Außerdem wurden 9.544 Anträge zur geförderten Ausreise bewilligt. Es haben also knapp 45% der abgeschobenen Personen 2023, bereits freiwillig das Land verlassen. Daraus lässt sich schließen, dass auch die bisherigen "Rückkehrberatungen" durchaus einen Effekt zeigen.
Nach Betrachtung der Zahlen sollte folgendes deutlich werden: Selbst wenn doppelt und dreifach abgeschoben würde, wäre der Effekt in den Kommunen wahrscheinlich kaum spürbar. Die Forderung nach konsequenter Abschiebung steht außerdem vor rechtlichen, ethischen, praktischen und weiteren Fragen, welche die Kommunen jedoch nicht eigenständig beantworten müssen.
Warum?
Weil Migrationspolitik auf Bundesebene stattfindet. Der Bund verteilt auch nach festen Schlüsseln auf die Kommunen. Sicherlich kann auf kommunaler Ebene über die Art und Weise der Unterbringung diskutiert werden, jedoch ist die Frage nach Abschiebungen eindeutig Bundessache. Warum die AfD-MV dieses Verfahren nicht transparent macht, erschließt sich nicht. Ehrlich gegenüber dem Wähler ist das jedoch nicht. Daraus kann sich die Vermutung ergeben, dass die Partei gezielt versucht sich eine Stimmung zu Nutzen zu machen.
ca. 1.35.000 Hektar Fläche landwirtschaftlich genutzt (in grün und ohne Brille erkennbar). 5.000 Hektar sind die Obergrenze der für den Photovoltaik-Ausbau freizugebenden Ackerfläche (schwarz und mit Brille erkennbar).
Was sind die wichtigsten Forderungen der AfD-MV?
Ein breiter Energiemix aus Kernkraft, Kohle und Gas mit erneuerbaren Energien als sinnvolle Ergänzung.
neue Abstandsregelung für den Ausbau von Windrädern
Photovoltaikanlagen – Solarpanele – sollen nicht auf fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden
Abschaffung des "Klimanotstandes" in einigen Orten MVs.
Sind die Forderungen allein kommunal umsetzbar?
Nein.
Insgesamt ist der Einfluss der Kommunen auf die Forderungen begrenzt. Abstandsregelungen für Windräder werden auf Landes- oder Bundesebene festgelegt,ebenso wie die Förderung oder Beschränkung bestimmter Energiequellen.
Was lässt sich außerdem sagen?
Zu einem breiten Energiemix aus Kernkraft, Kohle und Gas
Ein Energiemix für MV, der auf Kernenergie setzt, ist "aktuell nicht umsetzbar und auch nicht ratsam", heißt es von der Landesenergie- und Klimaschutzagentur MV (LEKA MV) auf Anfrage. Die Agentur wurde vom Land MV eingerichtet und berät seit 2016 Kommunen, Verbraucher und Unternehmen zum Thema erneuerbare Energien. Im April 2023 gingen – wie über Jahre auf Bundesebene vorbereitet – die letzten deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Sollte die Partei mit diesem Abschnitt auf die Zukunftstechnologie Kernfusion anspielen: Auch das ist zurzeit schlicht unmöglich. Forscher schätzen, dass es noch gut 50 Jahre dauern könnte, bis diese neue Energiequelle wirtschaftlich nutzbar wird.
Zu neuen Abstandsregelungen für den Ausbau von Windrädern
Mit ihrer zweiten Forderung will die AfD dem Ausbau der Windenergie in MV den Kampf ansagen. Eine Kernforderung: Die 10-H-Regelung. Sie besagt, dass der Abstand zwischen einem Windrad und der nächsten Wohnbebauung das Zehnfache der Gesamthöhe des Windrads betragen muss. In den nach Vorstellungen der AfD misst der Abstand aber mindestens 2,5 Kilometer. Diese Regel ist bereits aus Bayern bekannt. "Die Erfahrungen aus Bayern zeigen, dass die sogenannte 10-H-Regelung nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt und die Ausbauziele unseres Landes gefährden könnte", erklärt die LEKA MV. Aktuell müssen Windräder in MV einen Abstand von 1000 Metern zum nächsten Wohnhaus haben. Dieser Abstand habe sich als ausreichend erwiesen, meint die Beratungsstelle. Interessen der Anwohner werden geschützt, der Ausbau der Windenergie vorangetrieben. Trotzdem kommt es im Nordosten immer wieder zu Protesten, wenn Bewohnern ein Windrad in die Nachbarschaft gebaut wird.
Zu Photovoltaikanlagen, welche nicht auf fruchtbaren, landwirtschaftlichen Flächen errichtet werden sollen:
Die AfD fordert, dass keine Solaranlagen auf fruchtbarem Ackerland gebaut werden. Aktuell scheint das in MV auch nicht zu passieren. Es ist nicht die Regel, dass fruchtbares Ackerland mit Photovoltaikanlagen bebaut wird und diese dann nicht zur Landwirtschaft zur Verfügung steht.
Im Baugesetzbuch wird ganz klar geregelt, wo und wie Solaranlagen auf Freiflächen verbaut werden können. Tatsächlich zeichnet sich im Moment ein ganz anderer Trend ab: Agri-Photovoltaik, also die Nutzung von Flächen für die Landwirtschaft und gleichzeitig zur Energiegewinnung. Landbesitzer, Landwirte und Projektentwickler melden sich immer häufiger bei der Beratungsstelle. Kein Gesetz zwingt Landwirte zur Solarbebauung ihrer Ackerflächen. Sollten die Landwirte dies tun wollen, können sie gemäß dem Baugesetz handeln.
Zu der Abschaffung des "Klimanotstandes" in einigen Orten MVs.
Die AfD stellt sich in ihrem Kommunalwahlprogramm auch entschieden gegen den "Klimanotstand". Was man sich darunter vorstellt: Lokale Parlamente oder Verwaltungen erklären, dass der Klimawandel und seine Folgen einer umfassenden Krise entsprechen. Daraufhin wollen die ausrufenden Gremien mehr gegen den Klimawandel machen.
In Greifswald wurde der Klimanotstand 2019 ausgerufen. Fünf Jahre später gilt Greifswald als Vorbild. Mittlerweile produzieren die Stadtwerke dort 100 Prozent Ökostrom, die Stadt saniert Gebäude nach nachhaltigeren Standards, der Busfahrplan wurde verbessert. Maßnahmen, die den Alltag vieler Einwohner betreffen. Auch andere Städte MVs haben den Klimanotstand ausgerufen. Darunter sind unter anderem Rostock, Schwerin, Ludwigslust und Parchim. In einigen Gemeinden sei das ein symbolischer Akt geblieben, sagen Aktivisten. In anderen haben sich seitdem Kleinigkeiten bei der Arbeit der Verwaltung verändert. "Ich hatte befürchtet, dass es heiße Luft sein könnte, aber wir sind auf dem richtigen Weg", sagte Jörg König (Grüne), Vorsitzender des Umwelt- und Klimaschutzausschusses, schon 2022 der Schweriner Volkszeitung.
Reform der kommunalen Finanzierung, Finanzierung welche sich an den Einkommenssteuereinnahmen der Kommunen orientiert
Übermäßige kommunale Steuern wie Betten-, Jagd- und Getränkesteuer, sowie Kurtaxe werden abgelehnt
Der Bund soll 100% der direkten, wie indirekten, Migrationskosten tragen
Sind alle Forderungen kommunal umsetzbar?
Nein.
Die Realisierung hängt von politischem Willen, rechtlichen Rahmenbedingungen und finanziellen Möglichkeiten auf Kommunal-, wie Landes- und Bundesebene.
Was kann außerdem gesagt werden?
Zu kommunaler Finanzierung und der Ablehnung kommunaler Steuern:
„Diese Forderungen sind mehr oder weniger politische Gemeinplätze, die häufig und aus ganz unterschiedlichen politischen Richtungen formuliert werden“ sagt Dr. Stefan Ewert von der Universität Greifswald zur Forderung großer finanzieller Spielräume durch Kommunalpolitiker. Auch irritiert es, dass die Betten-, Jagd- und Getränkesteuer, sowie Kurtaxe vehement abgelehnt werden. Die Begründung der AfD-MV lautet, dass „unsere Touristen keine auszupressenden Zitronen sind.“ Damit würden wichtige Einnahmen wegfallen, insbesondere mit Blick auf die freiwilligen Aufgaben der Kommunen. Unter diese freiwilligen Aufgaben fällt beispielsweise die Kulturförderung.
Eine Maßnahme um erneut Geld in die Kassen der Kommunen zu spielen, wäre die formulierte Reform der kommunalen Finanzierung. Anhand der Einkünfte der Einkommenssteuer soll künftig transparenter Geld auf die Kommunen verteilt werden. Eine Gefahr welche mit diesem Modell logischerweise bestehen würde wäre, dass der ländliche Raum vernachlässigt wird. Kommunen mit vielen Menschen, besser bezahlten Jobs und großen Firmen könnten größere Projekte anstoßen und beispielsweise Ballungszentren attraktiver gestalten. Der ländliche Raum wiederum - mit erheblich weniger Menschen, und einem geringeren Durchschnittseinkommen - würde mit dieser Reform auch deutlich weniger Geld erhalten. Mit einer so limitierten Finanzierung wäre es schwierig die Attraktivität durch beispielsweise Infrastruktur zu erhöhen. Die Gefahr bestünde, dass noch mehr Menschen in die Städte ziehen, als sie es schon jetzt tun.
Durch Kurtaxen hätten die Kommunen noch selbst die Mittel aus beispielsweise „einer schönen Landschaft“ Profit zu schlagen. Durch die Vorschläge der AfD wäre die Landschaft jedoch egal, da zählt nur die Lohnsteuerabrechnung.
Zu der Forderung, der Bund solle 100% der Migrationskosten tragen:
Wir befragten Stefan Ewert im Interview, als wie realistisch er diese Forderung bewertet. Ewert nutzt die Metapher eines Jenga-Turms und erklärt, dass "jedes Element mit rationalen Gründen an seinem Platz ist. Einen Stein herauszuziehen kann ungeahnte Konsequenzen haben. Völlig unabhängig vom Politikfeld erklärt sich so die Beharrlichkeit (und Rationalität) der bestehenden Finanzarrangements zwischen den einzelnen politischen Ebenen, weshalb ich die Forderung als eher unrealistisch einschätze.“
Die Umsetzung ist also weiterhin fraglich. Auch die konkrete Höhe, welche der Bund an die Kommunen zahlen soll, sind nicht im Wahlprogramm enthalten. Wir kommen nicht um die Vermutung umhin, dass solche unmöglichen Forderungen aus Kalkül formuliert werden. Das Kalkül könnte sein dadurch Wähler zu werben und an höhere Stimmergebnisse zu gelangen. Der Wähler wird in diesem Moment zwar getäuscht, die Legislatur besteht aber für 5 Jahre.
Eingangs stellten wir fest, dass Nikolaus Kramer, Fraktionsvorsitzender der AfD-MV im Landtag und Listenplatz 1 für die Kommunalwahl in Greifswald, keine Kompromisse eingehen wird.Ein Punkt, der nach Kramer für seine Koalitionsbildung unabdingbar ist.
Gerne hätten wir mit Nikolaus Kramer persönlich gesprochen und ihn beispielsweise befragt, warum ein kommunales Wahlprogramm kaum Forderungen enthält, die kommunal umsetzbar sind. Wir hätten ihn auch gerne zu seinem Standpunkt zur Remigration befragt. Schließlich widmete er dem Thema eine ganze Folge seines Podcasts. Beide Anfragen blieben aber ohne Antwort – weder direkt, noch bürgernah.
Wir stellten fest, dass in diesem Wahlprogramm Scheinzusammenhänge, wie der zwischen Herkunft und Kriminalität, genutzt werden, um gewaltige Forderungen zu stellen. Die Statistiken zeigen klare Relationen, die AfD-MV ignoriert diese und bedient sich vorurteilsbehafteter Narrative. Eine Demokratie kann sich nicht auf populistische Versprechen stützen, die letztendlich den demokratischen Prozess untergraben. Eine Partei, welche Fakten, Grundrechte und letztendlich eine Meinungsvielfalt ablehnt, ist nicht mehr konservativ – diese Partei ist antidemokratisch.
Darum wird es für die Forderungen für die Demokratie der AfD-MV, in dieser Analyse, keinen Platz geben.
Kramers Klare Kante, Folge 06: Vision Remigration; 26:25 min ↩︎
Kramers Klare Kante, Folge 06: Vision Remigration; 26:47 – 30:33 min ↩︎
Kramers Klare Kante, Folge 06: Vision Remigration; 32:41 min ↩︎
Was ist eure Meinung zur Kommunalwahl? Was denkt ihr über die AfD? Lasst es uns gerne in den Kommentaren wissen! Mittwoch bringt moritz.tv noch ein Video zur Kommunalwahl, schaltet gerne ein!
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