von Klara-Marie Zwerschke | 17.04.2024
„Schon ein ganz kleines Lied kann viel Dunkel erhellen“ – so wusste es schon Franz von Assisi. Die einen lieben es, andere können es nicht ausstehen oder tun es nur heimlich: Singen. Aber Singen im Chor? Das kennen viele nur noch aus Schulzeiten, und für die meisten spielt es im Studien- und Arbeitsalltag kaum oder überhaupt keine Rolle mehr. Wie der Eintritt in einen Greifswalder Popchor das Leben unserer Redakteurin verändert hat, zeigt diese kleine Liebeserklärung.
Seit ich denken kann, ist Singen Teil meines Lebens. Es wurde im Kindergarten gesungen, in der Grundschule, sonntags in der Kirche mit meinen Eltern oder auch einfach so zu Hause, wenn man sich danach fühlte. Ich stamme in dritter Generation aus einer Familie von Musiklehrer*innen, Chorleiter*innen, und auch zur Oper habe ich verwandtschaftliche Beziehungen. Ein weiterer Teil meiner Familie besuchte ein Musikinternat in Sachsen-Anhalt. Da ich das nicht tat, wurde es beinahe vorausgesetzt, dass ich, sobald ich das Gymnasium vor Ort besuchen würde, in den Schulchor eintreten würde. Dieser wurde einst von meiner Mutter geleitet, und auch mein Bruder war viele Jahre vor mir Mitglied. Zu dieser Zeit war es für mich fast eine Selbstverständlichkeit, dass der Chor bis zum Abitur Teil meiner wöchentlichen Routine war.
Was für eine Bedeutung der Gesang an sich und auch die Mitgliedschaft in einem Chor für mich einnahmen, wurde mir erst lange danach klar, nachdem beides mit dem Beginn des Studiums aus meinem Leben nach und nach verschwand. Natürlich hätte ich einfach sofort in einen anderen Chor eintreten können. Doch die neue Stadt, meine Kommiliton*innen, gemeinsame Momente mit Freund*innen, Seminare, Klausuren und Hausarbeiten nahmen fünf Jahre lang meine Zeit so sehr in Anspruch, dass es mir gar nicht in den Sinn kam, dass mir irgendetwas fehlen könnte. Da ich in einem Wohnheim mit sehr dünnen Wänden lebte, waren die Hemmungen, als der Wunsch dann doch einmal aufkam, einfach mal drauflos zu singen, schlichtweg zu groß, also blieb ich sprichwörtlich stumm. Mit Corona und dem weiteren Fortlauf des Studiums wuchsen bei mir leider zunehmend Stress und Alltagssorgen. So richtig begeistern konnte irgendwie nichts mehr. Bei dem Vorschlag meiner Mutter „Du musst einfach mal singen!“ konnte ich nur die Augen verdrehen. Wie sollte Gesang irgendetwas an den Problemen vor meiner Nase ändern? Nein, danke, Mama! Also wurde der Ratschlag meinerseits gekonnt ignoriert, und die Zeit verstrich weiter.
Bis zu dem Tag, als mich schließlich doch die Neugier packte und ich anfing, online nach Chören in Greifswald zu recherchieren. Ganz besonders ein Name weckte meine Aufmerksamkeit. Ein Laienchor für Popgesang, die noLimHits, wie das wohl wäre? Die Tatsache, dass jede*r, der*die Freude an der Musik mitbringt, ohne Vorsingen „vorbeischnuppern“ kann, überzeugte mich schließlich, zu einer Probe zu gehen. Meine anfängliche Skepsis verwandelte sich innerhalb weniger Minuten in Verblüffung darüber, wie viel Freude und Energie die ca. 70 Sänger*innen und insbesondere die Chorleiterin – Dorothea Laack – versprühten. In dieser Form hatte ich eine solche Ausstrahlung erst ein einziges Mal, nämlich in meinem geliebten Schulchor, zuvor erlebt. Trotz der teilweise großen Altersspanne zwischen einigen Sänger*innen herrschte hier ein reger Austausch im Gespräch und eine ausgelassene Stimmung vor und nach den Proben (zu Dorotheas Missvergnügen oft auch zwischendurch). Bereits in dieser ersten Probe wurde ich voll eingespannt und durfte Lieder wie All of Me von John Legend, Run von Leona Lewis oder Thank You for the Music von ABBA (für mich als Fan mein absolutes Highlight) mitsingen. Und was soll ich sagen, ich war begeistert! Also blieb ich und singe nunmehr bereits seit einem Jahr im Sopran der noLimHits.
Der oder die eine fragt sich jetzt bestimmt, was denn so besonders daran sein soll, in einem „Kleinstadt-Chor“ mitzusingen. Zum einen, und das wahrscheinlich größte Argument für mich, ist die Tatsache entscheidend, was die Proben für meine psychische Gesundheit taten und noch immer tun. Singen, das zeigen viele Studien und das weiß ich mittlerweile auch, stärkt das Selbstbewusstsein, macht wach und hebt die Laune. Mit viel Witz und Heiterkeit bringt Dorothea auch den*die größte*n Lai*in dazu, mittels abenteuerlicher Einsingeübungen den Körper und die Stimme zu lockern und mit der Zeit das eigene musikalische Potenzial ganz neu zu entdecken. „Ich bin zu schlecht, um in einem Chor mitzusingen“ – gibt es hier nicht. Findet man sich einmal nicht gleich in den Noten zurecht, gibt es immer jemanden, der schnell weiterhelfen kann. „Ich kann aber gar keine Noten lesen“ – auch das ist kein Problem. Für das Selbstbewusstsein eine absolute Wohltat! Wie oft habe ich bereits von einer Sitznachbarin gehört, dass sie sich vor den Proben durch ihren Berufsalltag müde und schlapp, danach aber beschwingt, fröhlich und energiegeladen fühlt. Ich kann nur bestätigen – es ist absolut wahr!
Zum anderen liebe ich die Tatsache, dass wirklich jede*r mitmachen kann. Der*die einzelne wird mit seinen Fähigkeiten, egal auf welchem Level, in den Chor und die Gemeinschaft aufgenommen und zusätzlich in Einzelstimmgruppen-Proben gefördert. Schließlich geht es hier um die Freude an der Musik. So lernt man immer wieder neue Menschen aus den unterschiedlichsten Altersstufen und Berufsfeldern kennen – Studierende, Ärzt*innen, Erzieher*innen usw. –, die eine gemeinsame Leidenschaft vereint. Oft treffen sich einige Sänger*innen nach den Proben noch zum weiteren Erzählen in einem kleinen Lokal um die Ecke. Wie groß die Verbundenheit unter den Mitgliedern ist, zeigt weiterhin die Bereitschaft, mit Überraschungsauftritten, beispielsweise auf Hochzeiten, andere Sänger*innen zu erfreuen. Zu Geburtstagen singt der gesamte Chor noch vor Beginn der richtigen Probe dem*der zu Feiernden ein Lied seiner*ihrer Wahl aus dem Repertoire. Dass hier auch mal Freudentränen fließen, kann durchaus vorkommen – dabei schließe ich mich selbst nicht aus.
Umso schwerer wird es mir fallen, Greifswald und die noLimHits bald mit dem Ende meines Masterstudiums verlassen zu müssen. Was ich allerdings in diesem Jahr meiner Mitgliedschaft gelernt habe, ist definitiv, wie wichtig mir der Gesang und die Gemeinschaft ist und dass es nicht noch einmal fünf Jahre dauern wird, bevor ich in der neuen Stadt einem anderen Chor beitreten werde. Deshalb möchte ich an dieser Stelle einfach einmal Danke sagen. Danke an Dorothea, danke an die noLimHits für viele wundervolle Proben und Thank You for the Music. Vergessen werde ich das Singen ganz bestimmt nicht mehr.
Du möchtest mehr über die Greifswalder noLimHits erfahren oder sogar eine erste „Schnupperprobe“ besuchen?
Den Kontakt zu Dorothea kannst Du unter chefin@nolimhits.de herstellen.
Aktuelle Probenzeiten sind immer montags von 19:00 bis 21:00 Uhr im KuBa Greifswald.
Weiterhin sind die noLimHits auf Instagram, Facebook, YouTube und X zu finden.
Beitragsbild: noLimHits
Zur Person der*des Autor*in
Geboren und aufgewachsen im Kreis Ludwigslust-Parchim, ist Klara ihrer Heimat MV treu geblieben und studiert seit 2018 an der Uni Greifswald. Bei webmoritz. ist sie seit Ende 2020 vorrangig als Lektorin tätig. Zurzeit steht sie kurz vor dem Abschluss ihres Masters im Studiengang „Sprache und Kommunikation“.
von Marthe Pelz | 04.11.2023
Die Initiative „Gemeinsam für psychische Gesundheit“ lud am 25.Oktober anlässlich des zweiten Jahrestages ihrer Gründung in die Alte Frauenklinik ein. Dabei gaben Mitarbeitende sowie Ehrenamtliche des GPG Einblicke in ihre Arbeiten. Es wurde über die verschiedensten ins Leben gerufenen Projekte gesprochen, Bilanz gezogen sowie ein Blick in die Zukunft gewagt: Wie wird es mit der GPG weitergehen?
Psychische Gesundheit steht der physischen in nichts nach. Dennoch fehlt es deutschlandweit enorm an Therapieplätzen. Zurzeit warten allein ungefähr 450 Menschen auf einen Platz im Greifswalder Zentrum für Psychologische Psychotherapie (ZPP), mit einer Wartezeit, die durchaus über ein Jahr dauern kann. Dieser Missstand kann zwar nicht von heute auf morgen behoben werden, jedoch liefern Initiativen wie GPG einen wertvollen Beitrag mit ihrer Arbeit um aufzuklären und zu helfen, diesem Misstand entgegenzuwirken.
„1. Informieren, Vorsorgen und Entstigmatisieren, 2. Unterstützen und Begleiten, 3. Verbinden und Netzwerken.“ Das sind die Ziele der GPG, wie Frau Dr. Brakemeier, Lehrstuhlinhaberin für Psychologie und Psychotherapie, bei der Begrüßungsrede erklärte. Sie sprach über die Anfänge der Initiative, die am 11. Oktober 2021 im Rathaus von ihr und ihrem Team gegründet worden ist, und darüber, wieviel seitdem passiert ist. Besonders gedankt wurde an dieser Stelle Frau Rektorin Prof. Dr. Katharina Riedel, Frau Ministerin Bettina Martin, Frau Ministerin Stefanie Drese, sowie dem Herr Oberbürgermeister Dr. Stefan Fassbinder als die „Schirmherr*innen“ der Initiative, welche immer sehr tatkräftig und herzlich ihre Projekte unterstützen würden.
Die Projekte
Zu den zahlreichen Projekten der GPG zählt vor allem das Forum für psychische Gesundheit, das einmal monatlich hybrid im Hörsaal der Alten Frauenklinik stattfindet, und wo sich über die verschiedensten Themen mit Expert*innen, Betroffenen, Politiker*innen, Interessierten und Wissenschaftler*innen ausgetauscht wird. Diese werden auch über radio98eins aufgenommen und können nachträglich angehört werden.
Es gibt auch einen Podcast namens Menti Salis, der die vielen unterschiedlichen Fachbereiche der Psychologie der Öffentlichkeit näher bringen soll. Auch der Instagram Account wird regelmäßig mit Beiträgen über Aufklärungsarbeit und Diagnoseerklärungen bereichert.
Auch die schwierigen Umstände in der Corona-Zeit wurden aufgegriffen. Psychologische Unterstützung zur Selbsthilfe wurde in dieser Zeit u.a. durch Videoclips und altersspezifische Tipps und Empfehlungen zum Umgang mit depressiven Verstimmungen bereitgestellt. So soll Unterstützung für Menschen geboten werden, die häusliche Isolation, Quarantäne oder Kontaktverbote als große Belastung erleben.
Außerdem wurden viele Beratungsangebote im Krisenkontext ins Leben gerufen. Psychologische Hilfe für Schutzsuchende und Helfende in Vorpommern im Kontext des Ukraine-Kriegs, sowie Beratungsangebote im Kontext der Proteste im Iran bieten Hilfe für alle Betroffenen. In diesem Kontext finden auch Durchführungen von Workshops und Schulungen sowie seit 2022 von mehreren Fokusgruppen statt. Dabei wird u.a. mit Schutzsuchenden und Expert*innen bezüglich Psychotherapie und ukrainischer Kultur gearbeitet.
Beim Thema Krisen bleibt leider natürlich auch die Klimakrise nicht unerwähnt. Es wurde über negative Gefühle im Zusammenhang mit der Klimakrise und Traumafolgestörungen durch Klimakatastrophen gesprochen, sowie über mögliche Interventionen. „Gesundes Klima – gesundes Vorpommern“ lautet hier die Devise und hat zum Ziel, möglichst viele Mitmenschen unmittelbar zum aktiven Klimaschutz zu bewegen. Dieses interdisziplinäre Modellprojekt soll Medizin, Psychologie sowie die Klimaforschung innerhalb der Naturwissenschaften im Sinne von „One Health“, sowie die Rechtswissenschaften mit der Politik und der Öffentlichkeit nachhaltig verbinden. Zu diesem Anlass wurde auch gleich der neueste Antrag vorgestellt, der momentan in Planung ist und sich „EMORE“ (Eat, Move, Recharge for your health and our climate in Pomerania) nennt.
Wie geht es weiter?
Innerhalb von zwei Jahren konnte viel auf die Beine gestellt werden, worauf die Initiative stolz sein kann. Frau Dr. Brakemeier dankte an dieser Stelle noch einmal allen Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen, ohne die keines der Projekte möglich gemacht worden wäre, und verkündete die große Überraschung des Abends: Die Initiative wird sich zu einem Verein gründen! Der Termin dafür steht auch schon fest: am 06. Dezember 2023 um 16 Uhr im Seminarraum 2 im ZPP. Dort soll dann auch der Vorstand gewählt und über die mögliche Weitergestaltung des Vereins gesprochen werden. Eine Einladung dazu wurde an alle ausgesprochen; man könne einfach hinzugehen oder eine formlose E-Mail schreiben (dann gibt es eine offizielle Einladung 14 Tage vorher).
Doch damit nicht genug: Weiterhin soll zum Januar oder Februar 2024 eine Ambulanz für Kinder- und Jugendpsychotherapie in der Alten Frauenklinik gegründet werden. Das sind besonders gute Nachrichten, da es in Greifswald momentan nur ganze drei Kassensitze für Kinder unter 18 Jahren gibt – der Bedarf ist also groß. Mit diesen erfreulichen Nachrichten wurde mit einem gemeinsamen Sektanstoß der gesellschaftliche Teil des Abends eröffnet.
Anlaufstellen und Angebote
Ihr findet hier auf der Seite der GPG wichtige Telefonnummern auf einen Blick, sowie lokale und überregionale Angebote für verschiedene Bereiche der psychischen Gesundheit bei Belastung und Leidensdruck. Speziell für Studierende gibt es außerdem:
– Sozialberatung & Psychologische Beratung des Studierendenwerkes: 03834 4619052
– Nightline Greifswald: 03834 863 016
Beitragsbild: Marcelo Leal auf Unsplash
von Lilly Biedermann | 06.03.2023
Zum großen Hörsaal am Ernst-Lohmeyer-Platz gibt es einen Fahrstuhl. In das Institut für Geographie schafft man es mit Gehbehinderung nicht einmal ins Foyer. Zwar kann man sich für Prüfungen krankschreiben, doch ein zweites Mal für die gleiche Prüfung sollte man das lieber nicht tun. Unsere Uni ist eben nicht überall barrierefrei. Wie fühlt es sich an, mit chronischer Erkrankung hier zu studieren? Wir haben mit einer Betroffenen gesprochen.
Obwohl Sarah* fleißig lernt, wird sie ihr Psychologiestudium nicht in Regelstudienzeit schaffen. Das liegt an ihrer chronischen Erkrankung. Sie hat ADHS und eine Posttraumatische Belastungsstörung. Damit fällt es ihr schwer, sich in Vorlesungen 90 Minuten lang zu konzentrieren. Auch fühlt sie sich oft überreizt, besonders wenn sich um sie herum viele Geräusche überlappen. Doch nicht nur das macht ihr zu schaffen. Auch die Verwaltung der Universität ist nicht barrierefrei.
Doch ganz von vorn. 2019 kommt Sarah nach Greifswald, um hier eine Naturwissenschaft zu studieren. Ob die Universität barrierefrei ist, ist für sie damals nicht entscheidend für die Wahl ihres Studienplatzes. Ihr ist bereits klar, dass ein Studium mit ihrer Krankheit besonders herausfordernd sein wird. Das Ankommen in der neuen Stadt klappt gut. „Ich habe direkt einen befristeten Therapieplatz gefunden. Das hat mir sehr geholfen“, sagt sie heute. Doch der Druck im Studium wird letztlich zu groß.
„Jeden Tag Vorlesungen ohne entsprechende Pausen sind eine zu große Belastung. Die Pausen zwischen den Vorlesungen sind keine Erholung. Ich habe gerade genug Zeit, um zwischen den Gebäuden zu wechseln.“
Sarah
Nach einem Studienabbruch und einem Freiwilligen Sozialen Jahr fängt sie schließlich ihr Psychologiestudium an. Erstmals spricht sie jetzt auch mit ihren Komiliton*innen über die Krankheit. Die Reaktionen sind verständnisvoll und positiv. Gegenüber den Dozierenden möchte sie das Thema trotzdem nicht ansprechen. Einzig ihrer Studienberaterin erzählt Sarah davon: „Wir haben in Bezug auf die Studienverlaufsplanung über die Krankheit geredet. Sie hat verständnisvoll reagiert, aber schon damals wurde klar, dass ich es nicht in Regelstudienzeit schaffen werde.“
Damals wird Sarah auch vorgeschlagen, einen sogenannten Nachteilsausgleich zu beantragen. Ein solcher Ausgleich ermöglicht es Studierenden mit Behinderung oder chronischer Erkrankung zum Beispiel, schriftliche Prüfungen durch gleichwertige Prüfungsleistungen zu ersetzen. Für Sarah ist diese Möglichkeit nicht umsetzbar. Der hohe bürokratische Aufwand würde sie zu viel Energie kosten. Die Beratungsangebote des Studierendenwerks nutzt sie dagegen regelmäßig. Auch mit dem BAföG gebe es keine Probleme, sagt sie: „Mit den Mitarbeitenden lässt sich gut reden und es werden Lösungen gefunden.“
Sarahs größtes Problem ist aktuell die Krankschreibung in der Prüfungszeit. Hat man sich für eine Prüfung krankschreiben lassen und möchte das jetzt auch für die Wiederholungsprüfung tun, muss man zum Amtsarzt. Das kostet jedes Mal 26€. Doch häufiges Fehlen auf Grund von Krankheit ist nun mal typisch für eine chronische Erkrankung. Eine Abmeldung von Prüfungen ohne Angabe von Gründen ist bis zu zehn Tage vorher möglich. Sarah muss also zehn Tage vorher entscheiden, ob sie sich fit genug für eine Prüfung fühlt.
Wenn sie sich doch krankschreiben lässt, entscheidet nicht ihre Ärztin, ob Sarah gesundheitlich in der Lage ist, an der Prüfung teilzunehmen. Auf der Website der Universität Greifswald heißt es dazu: „Die Beantwortung der Rechtsfrage, ob die nachgewiesene gesundheitliche Beeinträchtigung den Abbruch der Prüfung oder den Rücktritt von der Prüfung rechtfertigen kann, ist nicht Aufgabe des Arztes; dies ist vielmehr letztlich und in eigener Verantwortung von der Prüfungsbehörde zu entscheiden.“ Eine Krankschreibung auf Grund von Examensangst oder Prüfungsstress sei außerdem nicht zulässig.
„Meine Ärztin muss darauf achten, bei meinen Symptomen nicht Worte wie „Angst“ oder „Stress“ zu verwenden, da mir das, trotz meiner psychischen Erkrankung, als Prüfungsangst ausgelegt werden könnte.“
Sarah
Für die Zukunft wünscht sich Sarah eine bessere Vernetzung. Sie selbst kenne niemanden anderes mit einer chronischen Erkrankung oder Behinderung. Besonders im ersten Semester hätte es ihr geholfen, sich mit Anderen in derselben Situation auszutauschen. Auch hofft sie darauf, dass Wege gefunden werden, sich mit einer chronischen Erkrankung unkompliziert und kurzfristig von einer Prüfung abzumelden. Als ich sie nach dem Interview frage, was sie heute noch vorhat, gesteht sie mir: „Ich muss mich noch von einer Prüfung abmelden, bald endet die Frist.“
Hast auch Du positive und/oder negative Erfahrungen mit Barrierefreiheit an der Universität Greifswald gemacht und möchtest darüber sprechen? Gern können wir ein (anonymes) Interview führen. Melde Dich bitte per Mail (web@moritz-medien.de) bei uns.
*Name von der Redaktion geändert
Beitragsbild: Lilly Biedermann
von Kirstin Seitz | 10.08.2022
Laut einer Studie der Techniker Krankenkasse von 2021 fühlen sich 64% der Deutschen manchmal gestresst, 26% sogar häufig. Die Krankenkasse gibt an, dass dies eine Zunahme von 30% gegenüber ihrer ersten Studie von 2013 ist. Als Grund für diesen Anstieg wird die Corona-Pandemie genannt.
Bei mir hat der Stress nicht unbedingt etwas mit der Pandemie zu tun, sondern mit Prüfungen. In der Prüfungszeit fühle ich mich fast immer gestresst und kann deshalb teilweise nicht gut schlafen. Als einer der Tipps für Stressreduktion wird immer wieder Meditation angegeben. Da ich das sowieso schon länger mal probieren wollte, dachte ich mir, dass nun der perfekte Zeitpunkt dafür gekommen war.
Was ist Meditation genau? Es ist ein mentales Training, was einem hilft, nicht nur währenddessen, sondern auch in stressigen Situationen gelassener und ruhiger zu sein. Es gibt verschiedene Meditationsmethoden, wobei alle gemeinsam haben, dass man sich auf eine Sache, wie beispielsweise die Atmung, konzentrieren soll.
Ich habe in meinem Experiment eine Woche lang jeden Tag abends vor dem Schlafengehen meditiert, in der Hoffnung, dass ich danach besser schlafen kann. Für das Experiment habe ich größtenteils dieses YouTube-Video, welches mir eine Freundin empfohlen hat, genutzt.
Tag 1 – Donnerstag
Heute habe ich das erste Mal eine geführte Meditation vor dem Zubettgehen probiert. Es hat mir wirklich gut getan, ich habe mich danach viel entspannter gefühlt! Ich bin zwar noch nicht in diesem meditativen Zustand gewesen, aber ich hoffe trotzdem, dass die Meditation positive Auswirkungen auf meinen Schlaf hat.
Tag 2 – Freitag
Als ich heute morgen aufgewacht bin, habe ich mich tatsächlich erholter gefühlt und habe auch etwas länger geschlafen, als die Tage davor. Ob das jetzt wirklich an der Meditation von gestern Abend liegt, ist erst mal schwer einzuschätzen. Vielleicht war ich gestern Abend auch einfach richtig müde, da ich die Tage davor nicht so viel Schlaf abbekommen hatte und deshalb nun besser schlafen konnte. Aber auch so fühle ich mich heute von den Prüfungen nicht so gestresst, wie in den letzten Tagen. Ich hoffe, das hält an! Mal schauen, wie die Meditation an Tag 2 läuft.
Ich habe abends dasselbe Video wie am Tag zuvor angeschaut, bin aber wieder nicht im meditativen Zustand gewesen. Auch wenn ich mich danach entspannter gefühlt habe, habe ich mich noch länger im Bett herumgewälzt, bis ich in den Schlaf gefunden habe.
Tag 3 – Samstag
Heute früh war ich noch müde und habe mich noch nicht so fit gefühlt, als ich um kurz nach 8 Uhr aufgewacht bin. Über den Tag verteilt merkte ich jedoch, dass ich trotzdem gut geschlafen habe und ich irgendwie entspannter mit dem Prüfungsstress umgehen konnte. Auch das Lernen lief soweit so gut, ich konnte mich – anscheinend wegen der erholsamen Nacht – größtenteils gut konzentrieren.
Auch heute habe ich wieder das Video genutzt. Es hat mit der Meditation schon viel besser funktioniert. Ich glaube, ich bin kurz einmal im meditativen Zustand gewesen. Danach bin ich auch schnell eingeschlafen.
Tag 4 – Sonntag
Heute bin ich fitter aufgewacht und habe mich auch über den Tag verteilt gut gefühlt. Es macht sich also gleich bemerkbar, wenn man richtig meditiert! Ich war heute richtig motiviert, energiegeladen und konnte konzentriert arbeiten. Ich hoffe, dass die Meditation heute Abend wieder so gut klappt!
Zu früh gefreut, leider nicht! Die Meditation lief leider nicht so ab, wie ich es mir gewünscht hatte. Ich konnte mich nicht so wirklich darauf konzentrieren, vielleicht, weil ich tagsüber so viel erledigt habe. Ich konnte danach auch nicht gleich einschlafen.
Tag 5 – Montag
Ich bin sehr früh aufgewacht, habe mich aber noch müde gefühlt und dann mithilfe von Meditationstechniken noch mal in den Schlaf gefunden, das hat gut getan! Als ich später zu einer normalen Uhrzeit aufgewacht bin, habe ich mich relativ erholt gefühlt. Es war gut, dass ich noch mal einschlafen konnte.
Auch über den Tag verteilt habe ich mich relativ fit gefühlt und gemerkt, dass ich mich wirklich nicht mehr so gestresst fühle, seit ich abends versuche, zu meditieren.
Heute Abend konnte ich mich dann aber leider noch schlechter auf die Meditation konzentrieren als gestern. Ich habe es das erste Mal ohne das Video probiert und nur Entspannungsmusik angehört. Ich glaube, ich brauche das ursprüngliche Video doch noch, weil meine Gedanken sonst einfach zu sehr durch meinen Kopf wandern. Dementsprechend habe ich auch wieder etwas länger gebraucht, um einzuschlafen. Ich könnte mir vorstellen, dass das aber auch daherkommt, dass das Wochenende vorbei ist und nun wieder jeden Tag Uni-Veranstaltungen anstehen.
Tag 6 – Dienstag
Ich bin heute zwar schon etwas vor meinem Wecker um kurz vor 8 aufgewacht, habe mich aber den ganzen Tag trotzdem fit gefühlt und weiterhin nicht nervös oder angespannt wegen der anstehenden Prüfungen. Anscheinend bringt es doch etwas, wenigstens zu versuchen, zu meditieren, auch wenn man nicht immer in den meditativen Zustand kommt. Oder es ist ein Placeboeffekt, wer weiß. Mal sehen, wie die Meditation heute Abend läuft.
Zum Meditieren habe ich wieder das Video genutzt und gemerkt, dass ich es noch brauche, um mich besser auf die Meditation einzulassen. Heute hat es bisher am besten geklappt! Ich konnte danach auch sehr schnell in den Schlaf finden.
Tag 7 – Mittwoch
Als der Wecker heute morgen geklingelt hat, bin ich nicht schwer aus dem Bett gekommen. Heute fühle ich mich richtig gut, erholt und ausgeschlafen! Ich war auch den ganzen Tag über produktiv und konzentriert.
Mithilfe des Videos bin ich sehr schnell in den Meditationszustand gekommen. Auch heute konnte ich anschließend schnell einschlafen.
Fazit
Auch wenn es für mich nicht immer ganz einfach war, mich komplett auf die Meditation einzulassen, weil doch zu viele Gedanken in meinem Kopf herumschwirren, hat es mir wirklich gut getan, dass man für ein paar Minuten versucht, nichts zu denken, sondern sich einfach fallen zu lassen, sich auf die Atmung oder die Musik zu konzentrieren. Ich habe auch gemerkt, dass Meditieren wirklich nicht so einfach ist. Man muss es erlernen, fast so wie eine Sportart und dementsprechend ist auch nicht jeder Tag gleich. Mal hat es besser funktioniert, mal schlechter, aber man darf sich davon nicht entmutigen lassen!
Ich werde auf jeden Fall in der Prüfungszeit weiter jeden Tag versuchen, zu meditieren. Ich spüre die Auswirkungen davon ja auch über den Tag verteilt, da ich mich weniger gestresst fühle. Aber auch danach möchte ich es weiterhin in meinen Alltag integrieren. Ich kann Meditation allen empfehlen – zumal dauerhafter Stress Burn-out fördert und das Immunsystem schwächt. Also wagt doch einfach selbst das Experiment und schaut, wie es euch damit geht!
Beitragsbild: Kirstin Seitz