Derby in Greifswald!

Profifußball ist in Mecklenburg-Vorpommern rar gesät. Hansa Rostock musste gerade den Gang in die Dritte Liga antreten. Doch im Amateurbereich ist in unserem Bundesland einiges im Aufbau – auch in Greifswald.

Vor gut besuchter Tribüne verteidigen die Pommern ihr Tor vor dem Angriff des Greifswalder SV

Etwa 600 Fußballfreunde haben sich an einem windigen Samstagnachmittag im Volksstadion in Greifswald eingefunden. Das Derby zwischen dem Greifswalder SV und dem FC Pommern Greifswald soll vorerst das letzte Mal stattfinden – dies gilt zumindest für die Verbandsliga. Zwei kleine, verschiedene Welten treffen aufeinander. Solche Spiele haben immer einen individuellen Charakter. Die Vorzeichen könnten zudem nicht unterschiedlicher sein. Der noch junge Verein der Pommern steht als Aufsteiger fest und hat den Platz an der Sonne seit dem elften Spieltag verteidigen können. Die Saison 2011/12 offenbarte sich für die Mannschaft als eine erfolgreiche, nur durch wenige Tiefpunkte geprägte Zeit. FC Pommern-Trainer Eckart Märzke gesteht: „Wir sind im Pokal ausgeschieden. Das war eine traurige Angelegenheit.“

Der GSV hingegen bewegt sich im Niemandsland der Tabelle und hat weder mit den oberen noch unteren Plätzen etwas zu tun. Der frühzeitig gesicherte Klassenerhalt lässt auf eine erfolgreiche Saison schließen. Nico Loose, Mannschaftsleiter der 1. Mannschaft und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit, sagt: „Den angestrebten Klassenerhalt haben wir mit dem Ende der Hinrunde erreicht.“ Die ausbaufähige Rückrunde ließ jedoch nur einen zweistelligen Tabellenplatz zu. Doch der mutmaßliche Unterschied der Vereine, der anhand der Platzierungen vorherrschen müsste, ist nicht zu erkennen. Es entwickelt sich ein sehr ausgeglichenes Spiel. Die Gastgeber des GSV halten sowohl auf dem Spielfeld als auch auf den Rängen mit. Die dort auffindbare rot-schwarze Dominanz ihrer Anhänger prägt die Atmosphäre.

Der im Jahr 2004 gegründete Verein Greifswalder SV 04 e.V. resultiert aus einer Fusion. Die Trümmer des Vorgängervereins Greifswalder SC seien nach seiner Insolvenz vom Eisenbahner Sportverein aufgefangen worden. Um die fußballerischen Kräfte der Hansestadt zu bündeln, schlossen sich der GSC, der ESV, der SSV Grün-Schwarz Greifswald und der Greifswalder SV 98 zusammen. Der heutige GSV war geboren. Andreas Krause, langjähriger Fan und Unterstützer bei der Öffentlichkeitsarbeit, sagt: „Unsere Strukturen reichen somit weit in die Vergangenheit zurück.“

Derbyatmosphäre im Volksstadion

FC Pommern-Trainer Eckart Märzke

Doch diese auf Erfahrungen beruhenden Strukturen lassen die Spieler partiell im Stich und der tabellarische Unterschied wird irgendwann auf dem Platz deutlich – Pommern gelingt die überraschende Führung. In der Folgezeit gestaltet die Mannschaft ihr Spiel druckvoller. Doch die Führung währt nicht allzu lange. Der GSV gleicht aus. Mit einem leistungsgerechten Unentschieden geht es in die Kabinen. Auf den Rängen kehrt Ruhe ein, die nur durch ein paar kleine Leuchteffekte unterbrochen wird und somit Derbyatmosphäre aufkommen lässt. Der FC Pommern formulierte das Ziel, der Hansestadt wieder Oberligafußball zu bieten, bereits bei seiner Gründung vor zwei Jahren. Nun ist dieser Plan aufgegangen. Märzke sagt: „Wir hatten uns damals das Ziel gesetzt, innerhalb der nächsten drei Jahre aufzusteigen. Jetzt haben wir es schon früher geschafft und das ist natürlich super.“ Die auf der Basis von Sponsoren vor zwei Jahren vollzogene Gründung des FC Pommern Greifswald kann nun Resultate aufweisen und das Vorhaben Aufstieg als erfolgreich abhaken.

Die zweite Halbzeit beginnt. Einige anfeuernde Rufe der Unterstützer des GSV, die auf der Gegengerade versuchen, das Team nicht nur durch Bier trinken und Bratwurst essen zu unterstützen, schallen herüber. Es ist deutlich zu spüren, dass es auch für die Fans des fusionierten Vereins um etwas geht – und zwar nicht nur um das Sportliche. Loose bemerkt: „Eigentlich ging es um nichts. Der Greifswalder SV befand sich im Niemandsland und der FC Pommern war bereits aufgestiegen. Bei solchen Derbys geht es allein um das Prestige.“ Für die gegnerische Seite hat das Derby wohl eher den sportlichen Reiz. Eine stabile Fankultur befindet sich scheinbar noch im Aufbau. Mit dem sportlichen Erfolg der Mannschaft einhergehend dürfte aber ebenso mit mehr Zuschauern gerechnet werden. Der FC Pommern konnte die Zuschauerzahl in der Saison kontinuierlich steigern. Kamen am Anfang noch um die 100, so sind es inzwischen bereits um die 200 bis 300 Sympathisanten. Märzke sagt: „Wir müssen uns entwickeln. Wenn wir Leistung bringen, dann kann uns keiner ignorieren und wir werden anerkannt – ob nun geliebt oder gehasst. Für Neid und Hass muss man auch viel arbeiten.“

Stadtverwaltung ist gefordert

Auch für die Stadt wird es nun interessant. Die durchaus problematische Aufteilung der Trainingsplätze verlangt nicht zum ersten Mal eine gerechte Übereinkunft zwischen der Stadt und den hiesigen Fußballvereinen. Zudem bestünden Verträge, die nicht jedem der Betroffenen zusprechen. Trainer Märzke definiert seinen Standpunkt: „Für mich ist von Interesse, dass man als Oberliga-Mannschaft einen eigenen Platz zur Verfügung gestellt bekommt.“ Dabei beruft er sich auf die Trainingsflächengestaltung der Saison vor drei Jahren. Dem damaligen Oberligisten GSV wurde das Recht zuteil, das Stadion und die umliegenden Trainingsplätze uneingeschränkt nutzen zu können. Der FC Pommern strebe nun eine gleichberechtigte Behandlung an und damit einen eigenen Trainingsplatz für die kommende Saison. In den vergangenen zwei Jahren haben sich die beiden Mannschaften einen Trainingsplatz teilen müssen. Die Trainingsflächengestaltung habe die Stadt in der Hand. Märzke ist hinsichtlich der Durchsetzung gewünschter Gegebenheiten optimistisch: „In dieser Beziehung gibt es positive Signale!“

Der sportliche Erfolg soll heute ebenso nicht ausbleiben. Der FC weist deutlich mehr Ballbesitz auf, kommt jedoch kaum zu verwertbaren Chancen. Die Konter des GSV lassen zu wünschen übrig und offenbaren kleine Schwachstellen im Spielaufbau, die sich bald rächen sollten. Es kommt, wie es kommen muss: In der 85. Spielminute zeigt der Tabellenführer seine Klasse und erzielt die Führung. Kurze Zeit später folgt der dritte Treffer, da der Gastgeber nun völlig auf seine Offensive setzt. Die Spieler und Fans vom GSV werden schließlich für ihren Kampfgeist mit einem Anschlusstreffer belohnt. Mit Punkten verlassen jedoch nur die Favoriten den Platz.

Beide Vereine leisten ihren Teil zur Nachwuchsförderung – jeder auf seine Art. Während bei dem jungen FC Pommern noch einiges im Aufbau ist, hat der GSV eine große Jugendabteilung vorzuweisen, die bereits das eine oder andere Talent zum Vorschein brachte. Besonders stolz ist der Verein auf Toni Kroos: „Ein Spieler, der in Schönwalde auf dem Hinterhof gespielt hat. Hier wurde eine Jacke, da eine weitere aufgehängt und dann haben sie gebolzt. Und nun spielt er beim Champions-League-Finale“, berichtet Krause.

Konkurrenzkampf zwischen den Vereinen

Nach dem Abpfiff kommt es zu kleinen Rangeleien zwischen den beiden Fanlagern. Einige Anhänger des GSV rupfen die Fahne des FC Pommern vom Zaun. Die Spieler selbst nehmen sich der Sache an und holen sie zurück. Sowohl der GSV als auch der FC Pommern wollen sich von der in den Medien thematisierten und provozierten Konkurrenz distanzieren.

Nico Loose, Mannschaftsleiter GSV

Ein Derby mit vielen Toren und einer entsprechenden Atmosphäre geht zu Ende. Die beiden Vereine gehen nun wieder getrennte Wege. Der FC Pommern bestreitet diesen als Teil der Oberliga. Dabei soll laut Märzke schöner und erfolgreicher Fußball zur Sicherung der Klasse führen. Begrüßen würde man einen Platz im Mittelfeld der Tabelle. Der Greifswalder SV konzentriert sich weiterhin auf die Verbandsliga. Das Ziel für die kommende Saison könne der Verein noch nicht klar definieren. Die Sommerpause und damit einhergehende mögliche Wechsel einzelner Spieler wirken sich laut Loose auf die künftige Planung der Mannschaft aus. Mitte Juli beginnt die Vorbereitung – dann könne man die Zielsetzung präzise bestimmen. Möglicherweise treffen sich die beiden Greifswalder Klubs im Landespokal wieder. Dann heißt es ein weiteres Mal: Derby in Greifswald!

Eine Reportage von Natascha Gieseler und Johannes Köpcke mit Fotos von Johannes Köpcke

Frauenfußball in Greifswald – Der Zeit voraus

Frauenfußball in Greifswald – Der Zeit voraus

Vor einer Woche ging die Frauenfußball-WM in Deutschland zu Ende und Japan trug den Pokal nach Hause. Zeit für einen Blick jenseits der Weltmeisterschaft: Wie sieht es in Greifswald mit dem Frauenfußball aus? Es ist mit Überraschen festzustellen, dass Greifswald der Zeit scheinbar voraus ist. Immerhin hat eine Stadt mit 55.000 Einwohnern gleich vier Frauenmannschaften. Neben dem Greifswalder SV und dem FC Pommern Greifswald wäre da noch das Damenteam des HFC zu nennen. Auch beim Hochschulsport gibt es die Möglichkeit für Frauen Fußball zu spielen. (mehr …)

GSV 04 verliert gegen FC Sachsen Leipzig 2 zu 4 *update*

GSV im Spiel“Im Hinspiel um den Relegationsplatz für die Regionalliga kassierten die GSV-Spieler vor über 7000 Zuschauern (darunter 5054 zahlende) eine unglückliche, aber möglicherweise vorentscheidende Niederlage”, musste selbst der GSV 04 in seiner Pressemitteilung einräumen.

Sollte die erste Männermannschaft des GSV beim Rückspiel nicht eine unglaubliche Kehrtwende hinlegen, wäre damit der viel diskutierte (vgl hier und hier) Stadionausbau vom Tisch. Denn ohne Aufstieg wird nicht investiert. 20.000 Euro sind jedoch bereits jetzt durch die von der CDU mit aller Macht durchgesetzt Eilentscheidung für Planungen verloren gegangen.

Foto: GSV 04 (mehr …)

Bürgerschafts-Sitzung: “Richtig großes Kino”

Letzte Woche tagte in einer “Dringlichkeits-Sitzung” die Bürgerschaft der Hansestadt Greifswald. Hintergrund war der mögliche Aufstieg der ersten Männermannschaft des Greifswalder Sportvereins GSV 04 in die neu geschaffene Regionalliga. Diese ist mit vielen Auflagen versehen, die einen Ausbau & Umbau notwendig machen sollen.

Die Bürgerschaft musste über eine von der Verwaltung ausgearbeiteten Antrag über den Ausbau des Volksstadions entscheiden. Insgesamt sollen – zunächst – an die 750.000 Euro ins Stadion fließen. 540.000 Euro davon aus Mitteln der Stadt.

Nach über drei Stunden hitziger Debatte stimmte die Bürgerschaft für den Ausbau des Stadions. CDU und FDP stimmten geschlossen für den Ausbau, die Links-Partei & Grüne / OK größtenteils dagegen, die SPD enthielt sich aus Protest über das “Eilverfahren” der Stimme.

Über die anstehende Entscheidung hatten wir bereits vor zwei Wochen berichtet und auch Stellung bezogen. Deshalb wollen wir heute einen (anonymen) Leser zu Wort kommen lassen, der die Sitzung in einem Leserbrief [in unseren Augen!] treffend kommentiert:

“Es war richtig großes Kino, welches die Bürgerschaft am vergangenen Donnerstag da präsentierte. Erstmals betrat der ‘schwarze Block’ die Arena der Kommunalpolitik. Die meist leicht adipösen Herren der CDU-Fraktion betraten fast geschlossen, in meist zu engen schwarzen T-Shirts mit GSV-Logo, den heiligen Saal des demokratischen Meinungsstreits.

GSV 04 Fans unter sich.

(Mitglieder der CDU-Fraktion im Pausengespräch- Foto: Jabbusch)

Auf einer Reihe von Stühlen im Zuschauerbereich lagen schon lange vor Beginn der Sitzung Mappen und Papiere, die diese als besetzt auswiesen. Wie sich später zeigen sollte, reserviert von einigen Damen der Verwaltung für die Herren der Mannschaft des GSV 04. Für kommunalpolitisch interessierte Greifswalder, war kaum Platz. Einmalig, als sich herausstellte, dass die reservierten Stühle nicht ausreichten, wuselten die Damen herum und besorgten neues Gestühl. Bislang galt für kommunalpolitisch Interessierte: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Entweder mussten sie stehen oder, so dies aus alters- und krankheitsgründen nicht möglich war, den Ort der Veranstaltung verlassen.

GSV 04 üben Druck aus

Im Zuschauerbereich also eine Menge GSV 04 und Freunde und Förderer der lokalen Fussballmannschaft. Das ganze erinnerte an die kleine niedliche, vom Geparden gehetzte, Antilope, die schon den Odem des nahenden Todes mit ihren Nüstern aufnimmt und wissend um das baldige Ende ihres irdischen Daseins, einen letzten verzweifelten Haken schlägt. So ähnlich mussten sich die Abgeordneten der „Opposition“ gefühlt haben. Denn genau hinter ihnen, deren Kritik an diesem Verfahren schon im Vorfeld laut geworden war, hatte man die GSV 04er platziert. (mehr …)