Umgekrempelt: Sieben Tage ohne Social Media

Umgekrempelt: Sieben Tage ohne Social Media

Kennt ihr das, wenn man mal was Neues ausprobieren will, aber am Ende alles beim Alten bleibt? Uns jedenfalls kommt das sehr bekannt vor, deswegen haben wir uns für euch auf einen Selbstoptimierungstrip begeben. In dieser Kolumne stellen wir uns sieben Tage als Testobjekte zur Verfügung. Wir versuchen für euch mit unseren alten Gewohnheiten zu brechen, neue Routinen zu entwickeln und andere Lebensstile auszuprobieren. Ob wir die Challenges meistern oder kläglich scheitern, erfahrt ihr hier.

Weil das Jahr sich dem Ende zuneigt, wage ich es mal, einen Blick auf meine Vorsätze für 2020 zu werfen. Mein Ziel „Nur einmal in den Urlaub fliegen“ (das irgendwie echt ganz schön privilegiert klingt…) habe ich sogar übertroffen. Das war aber auch wirklich eine Herausforderung dieses Jahr. Schlechter lief es dafür mit: „Mehr in Greifswalder Bars gehen“ – naja, nächstes Jahr dann vielleicht. Auch der Vorsatz „Insgesamt drei Wochen ohne Social Media verbringen“, ist in diesem chaotischen Jahr irgendwie auf der Strecke geblieben – ups! Nichts hat mich dieses Jahr so konstant begleitet wie meine Lieblingsapp Instagram mit ihren Insta-Stories von irgendwelchen Influencer*innen und bananenbrotbackenden Blogger*innen. Ich selbst bin gar nicht so aktiv auf Instagram und meine Follower*innen werden eher stetig weniger, als mehr. Doch wir schreiben den 6. Dezember und das Jahr ist noch etwas mehr als drei Wochen lang. Wenigstens eine davon könnte ich doch nutzen, um zumindest ein Drittel dieses unberührten Vorsatzes umzusetzen, oder?

Da ich zumindest für die moritz.medien täglich den Social-Media-Kanal nutzen muss, begrenze ich also mein App-Limit für Facebook (ja, selbst diese Oldschool-App ist manchmal interessanter als eine Vorlesung) und Instagram auf 15 Minuten am Tag. Bevor ich schlafen gehe, lebe ich noch meine Sucht aus, und versinke eine Stunde lang in den Tiefen der Hashtags, Reels und Stories, damit ich meinen eigentlichen, äußerst gesunden, Tagesdurchschnitt von ein bis zwei Stunden bloß erreiche.

Montag

Weil es selbst um 9 Uhr morgens noch nicht wirklich hell ist, kriege ich meine Augen kaum auf. Um wach zu werden greife ich also in alter Manier nach meinem Handy,  um mein Hirn zu aktivieren, indem ich es direkt mit bunten Bilder vollballere. Erst, als ich meinem Freund einen Post zeigen will, fällt mir erschrocken ein, dass die erste Tat dieses Tages direkt ein Verstoß gegen meine Vorsätze war. Na super, aber kann ja nur besser werden.

Den restlichen Tag funktioniert meine Instagram-Abstinenz ganz gut und ich komme durch die Arbeit „nur“ auf 24 Minuten Nutzungszeit. Während kurzer Augenblicke der Langeweile in Online-Veranstaltungen ertappe ich mich allerdings immer wieder dabei, wie ich mein Handy in die Hand nehme und Instagram oder Facebook öffnen und sinnlos herumscrollen will, bis mich mein Smartphone höflich an mein bereits erreichtes Limit erinnert. Daher verbringe ich meine Zeit statt auf Social-Media auf Shoppingapps. Das war irgendwie auch nicht Sinn der Sache…

Der Abend wird dann etwas langweilig: Ich muss mich unterhalten und lese ein bisschen. Wo sind die Clips, auf denen mir wildfremde und doch so nahe Menschen von ihrem Tag erzählen und mir “Gute Nacht” sagen?

Dienstag

Heute läuft es schon viel besser: Ich versuche meine Augen ohne Instagram auf zu bekommen (klappt so mittelgut) und habe den ganzen Vormittag nicht einmal die Versuchung, die verbotenen Apps zu öffnen. Erst in der Mittagspause öffne ich aus Gewohnheit Instagram, schaffe es aber, es nach zwei Sekunden wieder zu schließen – puh, das war knapp.

Neu sind für mich vor allem die „Zwischenzeiten“, die fünf Minuten die man zwischen zwei Veranstaltungen hat, die drei Minuten, die man wartet, bis das Bad frei wird. Kurze Momente, in denen es sich (eigentlich) nicht lohnt, etwas anderes anzufangen. Einerseits praktisch, denn ich bin deswegen auch produktiver, weil ich die Zeit für To-Do’s nutze. Andererseits gönne ich mir dadurch auch weniger Pausen, die vielleicht nötig gewesen wären.

Ich nehme mir vor, morgen zu probieren, die gewonnene Zeit für mich zu nutzen und bewusst zu entspannen oder Musik zu hören.

Mittwoch

Mein Tag ist ziemlich vollgepackt und ich habe gar nicht das Bedürfnis, Instagram zu öffnen. Wenn ich alleine esse, bin ich normalerweise auf Social Media – und so auch nicht mehr allein. Heute mache ich aber Musik an und gucke beim Essen einfach nach draußen. Irgendwie tut es gut, die Gedanken einfach fließen zu lassen.

Dafür habe ich abends so sehr Lust, einfach ab- und ein paar Endorphine freizuschalten und mich ohne viel Anstrengung abzulenken. Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken, heute eine 20-minütige Ausnahme zu machen – ich vermisse die Leichtigkeit auf Instagram gerade irgendwie. Ich kann mich dann aber recht schnell von dieser Überlegung lösen und nutze die Zeit dafür für entspannende Dinge wie Serie gucken oder ein Buch lesen und fordere meine Aufmerksamkeitsspanne ein wenig heraus. Ich merke, wie ich an dem Abend dann keinen weiteren Gedanken mehr an Instagram verschwende.

Ich bilde mir ein, besser zu schlafen, bzw. ruhiger einzuschlafen. Sonst waren vor meinem inneren Auge ganz viele bunte Bilder, Eindrücke und Impulse. Ich bin kaum zur Ruhe gekommen und das hat mich dazu gebracht, wieder das Handy in die Hand zu nehmen – eine Endlosschleife. Jetzt sind meine Gedanken abends etwas klarer und mein Kopf entspannter.

Donnerstag

Da sich die Sperre für Instagram erst nach ein paar Minuten meldet, habe ich heute unbewusst auf meine ungelesenen Nachrichten auf Instagram getippt. Mein Verstoß ist mir schnell bewusst geworden und ich habe die App natürlich unverzüglich geschlossen. Erschreckend, wie der Reiz und die Gewohnheit mich immer wieder überlisten.

In einem Gespräch mit einer Freundin fällt mir außerdem auf, wie selbstverständlich der tägliche Social-Media-Konsum sich auf unsere Gesprächsthemen auswirkt. Sie erzählt einen „Insider-Joke“, den ich einfach nicht verstehe. Dann dämmert mir, dass er wohl aus der Welt der Instagrammer*innen kommen muss und ich leider nicht mitreden kann. Ich überlege: Grenze ich mich ohne soziale Medien aus? Bin ich dann ohne sie tatsächlich weniger sozial? Oder nur weniger sozial integriert?

Freitag

Ich habe immer noch den Impuls, mein Handy in die Hand zu nehmen. Während einer Univeranstaltung. Während ich einen Text lese. Während ich auf etwas warte. Während ich esse. Ich merke aber auch, dass sich kleine neue Routinen bilden und ich mehr Zeit habe.

Nur gerade jetzt, wo das Wochenende ansteht, vermisse ich die Auszeiten und irgendwie auch diesen „Blick nach draußen“ den ich mit meinem Handy haben kann, gerade zu diesen Zeiten, in denen man sowieso nicht so viele Menschen sehen kann.

Um motiviert zu bleiben, schaue ich die Doku „The Social Dilemma“. Zwar sind die aufgeführten Fakten über soziale Netzwerke, die Überwachung, die damit einhergeht, die Folgen für unsere Psyche und der Zusammenhang mit Verschwörungstheorien nichts komplett Neues für mich, aber ich bin trotzdem überrascht bis schockiert, wie diese Plattformen, die es noch gar nicht so lange gibt, unsere komplette Gesellschaft verändern. Und erschreckend ist auch: Wir alle wissen es, aber irgendwie kommen wir da nicht raus.

Samstag

Heute habe ich tagsüber gar keinen Impuls gehabt, die App zu öffnen. Die Zeit ist nicht da, ich bin konzentriert auf die Uni und Instagram hätte keine Priorität. Daran merke ich, dass Instagram oft einfach nur ein Lückenbüßer ist und im Alltag eine Sache, die ich nebenher mache, selten aber bewusst Zeit dafür einteile.

Als ich abends ein cooles Foto mache, überlege ich aber, es in meine Story zu packen. Doch meine „Follower*innen“ müssen auf meine interessanten Geschichten wohl heute verzichten. Aber das merkt wahrscheinlich eh niemand.

Sonntag

Anstatt wie sonst den Morgen im Bett am Handy zu verdümpeln, gehe ich direkt an den Schreibtisch und bin produktiv. Ich stehe also recht früh auf und bin nicht wie sonst sonntags etwas matschig im Kopf, weil ich zu lange im Bett war. Das ist zwar ein sehr angenehmes Gefühl, aber ich finde auch, dass man den Sonntag gerne mal nutzen kann, um entspannter in den Tag zu starten. Ich hätte zwar lesen können, aber die Hürde, mein Buch zu holen und „aktiv“ zu sein ist dann doch höher, als einfach nur das Handy, das eh schon neben meinem Kopfkissen liegt, zu nutzen.

Insgesamt freue ich mich, morgen wieder in das Leben mit sozialen Medien eintauchen zu können, aber ich merke auch, dass ich es gar nicht so sehr vermisst habe, wie erwartet.

Fazit

Ich fand die letzte Woche voller neuer Erkenntnisse sehr bereichernd. Ich konnte mich auf andere Dinge fokussieren und wurde nicht den ganzen Tag mit neuen Eindrücken bombardiert. Auch, wenn ich ab und zu “Downs” hatte und die Insta-Welt vermisst habe, fiel es mir nie schwer, mir eine anderweitige Beschäftigung zu suchen und ich habe, wenn ich den Impuls nach Social Media überwunden hatte, nichts vermisst. Aber wie wird es nächste Woche, wenn ich mir wieder freien Zugriff erlaube?

Bemerkenswert finde ich, wie unbewusst mein Verhalten in dieser Hinsicht ist. Auf Instagram zu gehen ist oft keine Entscheidung mehr, die ich treffe, sondern viel mehr eine Gewohnheit, ein Impuls, an den ich keinen Gedanken verschwende. Mein Handy erzählt mir, dass meine Bildschirmzeit diese Woche um 45 % gesunken ist – schon heftig! Es kommt mir ungesund vor, dass ich so mit meiner Zeit umgehe und nicht mehr bewusst entscheide, was ich tue. Es kommt mir fast gruselig vor und wenn ich meinen Bericht der letzten Woche durchlese, klingt meine Wahrnehmung ein wenig nach einem Science-Fiction-Zombie-Film.

Daher möchte ich mir vornehmen, meine Zeit auf Social Media mehr zu kontrollieren. Ich werde mir Instagram nicht verbieten, da es immer noch eine Plattform für mich ist, die auch viel Gutes tun, informieren, unterhalten und mich in andere Welten entführen kann. Aber ich möchte mir den Impuls abgewöhnen, unbewusst nach meinem Handy zu greifen und die App zu öffnen. Und ich will mir bewusst Grenzen für die Zeit setzen, die ich auf Instagram verbringe, sodass ich mich dort nicht verliere.

Beitragsbilder: Lilli Lipka

Gefällt mir nicht: Duckfaces und Co

Gefällt mir nicht: Duckfaces und Co

Christine Fratzke (22) schreibt gerne und viel - klar, sie studiert ja auch Germanistik. Zum Beispiel: To-do-Listen, Artikel, Postkarten (zuletzt aus Kopenhagen), facebook-Nachrichten und Bachelorarbeit. Seit 2007 ist sie bei den moritz-Medien und gehört mittlerweile zum Inventar.

Neulich auf facebook: Mal wieder ein neues Party-Fotoalbum, in dem mehrere meiner „Freunde“ verlinkt waren. Mehrmals auf meiner Startseite erschienen die Fotos, das Album und die unzähligen „Gefällt mir“. Na gut, bei so einer Penetranz klickte ich drauf. Und sah das Übliche: Lächeln hier, Gepose da. Dann wurde geliked, kommentiert, verlinkt. Für mich wirkte das ein bisschen so, als wolle man mir sagen: „Tja, du hast echt was verpasst. Wir sind supigute Freunde, hatten einen tollen Abend und du warst nicht dabei. Ätsch!“

Dieses Foto-Gepose nervt mich: Nicht nur das Onlinestellen an sich, sondern auch dieses unnatürliche Verhalten vor der Kamera. Auch vor ein paar Tagen bei einer anderen Party war eine Truppe feierwütiger Mädels. Sie tanzten ausgelassen. Die eine kramte in ihrer Tasche, holte eine kleine Digitalkamera heraus und schrie: „Fotooooo!“ Die anderen vier verstanden. Alle drehten ihr Gesicht, setzten so ein Zähnelächeln auf, worum sie manch Zahnpasta-Werbespot beneiden würde oder machten ein Duckface. Vielleicht wollen die zu Germany´s Next Topmodel, dachte ich bei mir. Dann ein heller Blitz im dunklen Raum. Die Fotoaktion störte anscheinend nicht nur mich, nahmen die fünf doch so viel Raum ein, dass andere beim tanzen gestört wurden. Warum werden aber solche Abende mit vielen Leuten geteilt, die man gar nicht oder nur wenig kennt? Das dient doch nur der Selbstprofilierung, um den anderen „da draußen“ zu zeigen: Ich bin cool drauf, mache Party, sehe sexy aus und habe viele Freunde!

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The Social Network – Geschichte eines Erfolgs

Mit einer einzigen Idee, einem Geniestreich, als junger Mensch Milliardär werden: Gibt es überhaupt jemanden, der nicht davon träumt? Die Geschichte von Mark Zuckerberg ist solch eine Erfolgsgeschichte, eine Verkörperung des modernen amerikanischen Traums. David Fincher („Der seltsame Fall des Benjamin Button“) verfilmt auf der Grundlage des Romans „Milliardär per Zufall“ von Ben Mezrich die Entwicklungsgeschichte des weltweit beliebtesten sozialen Netzwerks Facebook.

Mark Zuckerberg, gespielt von Jesse Eisenberg, ist ein junger Informatikstudent an der amerikanischen Elite-Universität Harvard. Sein Hauptinteresse liegt darin, in eine der Studentenverbindungen zu kommen, durch die er sich ein angenehmeres Leben erhofft. Als seine Freundin deshalb mit ihm Schluss macht, will er sich an ihr rächen und programmiert eine Seite, auf der Studenten ihre Kommilitoninnen bewerten können. Sein bester Freund Eduardo Saverin (Andrew Garfield) hilft ihm dabei.

Facebook me!

Mark Zuckerberg wird von Jesse Eisenberg vielseitig gespielt.

Durch diese Seite, die über Nacht das Netzwerk der Uni lahmlegt, werden die Zwillinge Cameron und Tyler Winklevoss auf das junge Genie Mark aufmerksam. Sie bitten ihn, die Seite HarvardConnection zu programmieren. Daraus entwickelt Mark die Idee zu Facebook, welches ein durchschlagender Erfolg an der Elite-Uni wird. Seine Idee ist so einfach wie genial, jeder Student soll alles über seine Kommilitonen in Erfahrung bringen können. „Facebook me“  wird die beliebteste Aufforderung unter den Studenten. Was anfangs nur als kleines Netzwerk für den Campus gedacht war, verbreitet sich schneller als ein Computervirus in allen Computern von Studenten. So wird der Napster-Erfinder Sean Parker (Justin Timberlake) auf Zuckerbergs Projekt aufmerksam und umgarnt das Genie. Zwischen Eduardo und Sean entsteht schnell eine Rivalität, denn beide haben unterschiedliche Geschäftsideen für Facebook. Dabei zieht Eduardo den Kürzeren und verliert am Ende alle Anteile an facebook.com.

Parallel zur Entwicklungsgeschichte von Facebook zeigt der Film die beiden Gerichtsprozesse, mit denen Mark Zuckerberg Jahre nach dem Aufbau der Internetseite konfrontiert wird: Sein ehemals bester Freund verklagt ihn, weil er ausgebootet wird; die Winklevoss-Zwillinge sehen in Facebook Diebstahl geistigen Eigentums. Mit der Überschrift behält der Film also Recht, man kann eben wirklich nicht 500 Millionen Freunde haben ohne ein paar Feinde.

„The Social Network“ läuft seit dem 7. Oktober und steht momentan auf Platz 5 der deutschen Kinocharts, was nicht verwunderlich ist. Primär ist der Film interessant für junge Leute, die Facebook aktiv mehrmals am Tag nutzen. Dabei zeigt der Film auch die typischen Symptome von Berühmtheit. Die Kläger gegen Mark Zuckerberg wollen etwas ab von dem großen Kuchen, von dem vielen Geld.  Jesse Eisenberg stellt den Facebook-Erfinder jedoch am Ende nicht anders dar als am Anfang: Als charakterlich vielschichtigen, teilweise frechen jungen Mann, der weiß, was er geschaffen hat mit dieser Internetseite.

Etwas anderes als Lob kann ich für diesen Film nicht aussprechen. Durch Komplexität wird die Handlung verdichtet und zusammengefasst, was jedoch niemals dazu führt, dass man dem Geschehen nicht mehr folgen kann. Selbst Justin Timberlake, seines Zeichens Sänger und Designer, stellt einen durchaus überzeugenden, merklich geldgierigen Geschäftsmann dar. Spannend ist es natürlich, die Debatte darum, wie viel Fakt und wie viel Fiktion in dem Film vorhanden ist, weiterzuverfolgen.

Bild: Sony Pictures