von Annica Brommann | 07.05.2021
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ihr könnt jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Was bisher geschah…
Die Schildkröte Gerhard, die als Entenfotograf bekannt war, hatte sich in einem Suppenkarton an Board einer von Enten geleiteten Weltraummission geschmuggelt. Auf Flucht vor ihrem alten Planeten, hatten sie Kurs auf den Planeten Meridia genommen. Bevor Gerhard als blinder Passagier auffliegen konnte, stürzte ein Teil der Besatzung mit dem Landungsshuttle ab. So fand sich die Galapagosschildkröte plötzlich auf dem Planeten Meridia wieder (Teil 1 – Der blinde Passagier). Dort machte Gerhard Bekanntschaft mit neuen Wesen, die er aufgrund ihrer auffälligen Gestalt Schnabeltiere taufte. Da die beiden Schnabeltiere, mit denen er zu Beginn Bekanntschaft machte, ihn wie die Enten für einen Eindringling hielten, bestach er sie mit einem Stück edelstem Sauerteig, sodass sie ihn vorerst in Ruhe ließen. Er begann also die Gegend zu erkunden und landete auf einer Kostümparty mit dem Motto „Feiern wie die Erdlinge“, sodass sich die feierwütige Masse fast wie eine Party zuhause anfühlte. Dort legte er ein kleines Nickerchen ein und schreckte auf, als es schon komplett dunkel war. Gerhard hörte aufgeregtes Quaken. „Die Enten kommen“, dachte er, kramte seine Kamera heraus und machte sich bereit, seiner Mission als Entenfotograf nachzugehen (Teil 2 – Feels like home).
Teil 3 – Bis die Enten tanzten
Gerhard sah die 12 Enten und Erpel, die ihn vorhin noch in seinem schwebenden Suppenkarton entdeckt hatten. Er musste also besondere Vorsicht walten lassen, um näher an sie heranzukommen. Aber wozu hat man studiert, Gerhard entwurzelte kurzerhand einen nahegelegenen Busch und schlich sich – na gut, schneller konnte er eh nicht – getarnt als grüner Blätterhaufen Stück für Stück an die Gruppe heran.
Die Enten schienen in einer Art Teambesprechung zu sein. Bevor man das Klicken seiner Kamera zu laut hörte, knippste Gerhard schnell ein paar Bilder dieser letzten Anweisungen und kroch in Hörweite der Enten. „… dran, verhaltet euch so unauffällig wie möglich! Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, dem ersten Blick nach zu urteilen scheint hier gerade ein gewisser Pegel zu herrschen. Verkleidet euch ein wenig und dann sammelt alles an Informationen, was ihr bekommen könnt!“ Das schien die Oberente zu sein, überlegte Gerhard, und versuchte ihr Profil zu erhaschen. Die anderen antworteten mit einem strammen „Quak quak Ma’am!“, und watschelten aus. Gerhard heftete sich im Rahmen seiner Möglichkeiten an zwei Erpel, die glücklicherweise noch ein wenig trödelten. Dem Raunen nach zu urteilen, schienen sie etwas missgestimmt zu sein. „Also ganz ehrlich“, sagte der kleinere der beiden, „wir hocken ZWEI Jahre in diesen elendigen Glaskästen und Garlinda gönnt uns nicht mal eine spaßige Nacht. Sobald wir entdeckt werden, wird es sowieso noch ernst genug, da kann man doch noch wenigstens für ein paar Stunden auf den Putz hauen!“ „Ganz genau!“ erwiderte der zweite, „Immer müssen alle so verklemmt sein. Ich meine, guck dir das hier doch mal an, das müssen wir nutzen.“ Gerhard hörte noch etwas davon, wie sie sich an der Bowle zu schaffen machen wollten, doch dann wurde ihr Vorsprung zu groß.
Als Gerhard bei der Partymeute ankam, sah er, dass nicht nur die beiden Erpel das Ende ihrer Isolation etwas ausgelassener als aufgetragen angehen wollten. Zwei Enten hatten sich in das Beerpong-Team gemischt und sich als Verkleidung die roten Plastikbecher in einer Linie in ihre Federn gesteckt. „Gar nicht mal schlecht, könnte als ein Low-Budget-Dinokostüm durchgehen“, dachte Gerhard und schoss schnell ein paar Bilder, wobei er darauf achtete, dass der fremde Planet im Hintergrund erkennbar war. „Das wäre deutlich leichter, wenn wir hier nicht ausgerechnet auf einer Erdlings-Party gelandet wären“, ärgerte sich Gerhard mit einem missmutigen Blick auf die Pappaufsteller der Kardashians. Einer der Enten schien das Bier schon ein wenig in den Kopf gestiegen zu sein, sie flatterte auf den Tisch und schwang aufgeregte Motivationsreden für ihr Team. „Dass sich keines der Schnabeltiere über das Fliegen wundert, die müssen ja wirklich schon gut einen sitzen haben“, bemerkte Gerhard und dachte an seine eigenen wilden Jahre zurück. Ei, waren das noch Zeiten. Wie er immer mit seiner Clique um die Häuser gezogen war, nichts als Quak im Kopf. Damals hatten sie noch Brausepulver mit Wodka gemischt und sich dann gegenseitig in ihren Panzern auf der Stelle gedreht… man was für verrückte Nächte das waren, einfach galapagotastisch. Inzwischen war Gerhard durch seine Rolle als Investigativ-Journalist ständig auf Reisen, immer an die Fersen der Enten geheftet, wenn sie in ein neues Gebiet ausflatterten. Den Kontakt zu vielen seiner Freund*innen hatte er dadurch bereits verloren, was umso deprimierender war, da er mit seinen 63 ½ Jahren noch ein gutes halbes Schildkrötenleben vor sich, aber viele der Entengenerationen, mit denen er ja seine meiste Zeit verbrachte, bereits überlebt hatte. Gerhard geriet immer weiter ins Grübeln, was zum Teufel machte er hier eigentlich?
Um der Nostalgie zu entfliehen, bewegte er sich weiter in Richtung Bar. Dort war ein Erpel offensichtlich damit beschäftigt, der Barkeeperin den aktuellen Tratsch aus dem Schnabel zu ziehen. „Nicht schlecht“, dachte sich Gerhard, „wahrscheinlich die beste Informationsquelle hier“, und gönnte sich selbst ein an der Seite stehendes Getränk, dessen pinker Aufkleber es als „Elbewasser“ betitelte. „Elbewasser?“ fragte sich Gerhard und schmunzelte, als er nach einer ersten Kostprobe begriff, dass die Schnabeltiere vermutlich das Alsterwasser etwas falsch übermittelt bekommen hatten. Aber woher eigentlich? Schließlich schien auch das Schnabeltier, an welches er seinen kostbaren Klumpen Sauerteig verschenkt hatte, bereits von den Enten gehört zu haben. Doch warum kursierte hier die fälschliche Annahme, dass die Raumstation hier war, um den Planeten einzunehmen?
Anstatt diesen Gedanken weiter zu verfolgen, dachte Gerhard wehmütig an seinen Sauerteig. Hätte sein Schädel nicht so durch den Sturz gehämmert, hätte er seine Brotreserve niemals so voreilig hergegeben. Ob er Justus und seine Mutter nochmal aufsuchen und ihnen gut zureden könne? Man weiß ja schließlich nie, was noch kommt. Gerhard genoss das kalte Prickeln seiner Bierbrause und ließ den Blick wieder über die bunte Menge schweifen. Sein gutes altes Lieblingsgetränk, das Ryckwasser, kam ihm in den Kopf und er bekam schon fast etwas Heimweh, als eine Ente mit gespiegelter Sonnenbrille schließlich seine Aufmerksamkeit auf sich zog. „Den da drüben schnabel ich mir auf!“, raunte sie gerade einem Kollegen zu, der mit seinem Sombréro-Hut und Luftschlangen um den Körper fast gar nicht mehr zu erkennen war. Mit selbstbewussten Tanzschritten arbeitete sie sich zu ihrem auserwählten Schnabeltier vor, doch Gerhard war zu weit weg, um das Geschehen weiter zu verfolgen. Er war schon auf der Suche nach seinem nächsten Beobachtungsplätzchen, als der DJ seine Musik jäh unterbrach.
Ein kreischendes, metallisches Geräusch war zu hören, als ein Schnabeltier auf das DJ-Pult kletterte und eines der Mikrofone anschaltete. „Nicht nur bei uns der typische Stimmungskiller“, amüsierte sich Gerhard über das entnervte Stöhnen der Partygesellschaft. „Naaaa, seid ihr alle gut drauf?“, schmetterte es nun zu Gerhards Missvergnügen aus den Lautsprechern. Was soll man denn auch darauf antworten? Die Partymeute schien damit weniger Probleme zu haben und rief ein schwungvolles „Jaa!“ zurück. „Diese Mottoparty ist bisher eindeutig die gelungenste, ein großes Dankeschön an Brigitte für die unermüdliche Organisation und Recherche der Erdlingsgewohnheiten, was für ein flippiges Volk!“ Jubeln ertönte. „Da sich hier ja einige als Enten verkleidet haben, lasst uns das doch als Anlass nehmen, unsere gefiederten Watschelfreunde mit einem Tanz zu beehren!“ Aus den Boxen erklang ein „Nana nana nanana“ und Gerhard verdrehte seine schrumpeligen Augen. Der Ohrwurm würde ihn bestimmt noch in den nächsten stillen Stunden auf der Raumstation verfolgen. Die Schnabeltiere machten sich daran, ihre Hüften für den Ententanz zu schwingen, doch die „Watschelfreunde“ standen perplex in der Menge herum. Gerhard sah Garlinda wild mit den Flügeln gestikulieren, dass die Enten und Erpel einfach mittanzen sollten, doch diese schienen viel zu überrumpelt zu sein. Auch einige der Schnabeltiere versuchten, ihre starren Partyfreunde mit einem Stupser in die Seite zu ermutigen, wodurch auch langsam wieder Bewegung einkehrte, doch dann hörte Gerhard ein „He, das sind ja gar keine Kostüme!“ aus der Menge rufen. Die Musik wurde schlagartig abgedreht.
Na da überwogen die Auswirkungen sozialer Isolation eindeutig Garlindas strammem Vorbereitungstraining. Aber auch auf Gerhards Seite zeichnen sich erste Sinnkrisen ab – doch die Frage ist erstmal, wie die Enten nun überhaupt den Planeten erforschen können, wo sie doch bereits aufgeflogen sind? Und noch viel wichtiger: Wird Gerhard seinen Klumpen Sauerteig wiederbekommen? Das wissen wir genau so wenig wie ihr und warten daher gespannt auf Fabis Teil 4 der unendlichen Geschichte.
Illustration: Elisa Schwertner
von Lilli Lipka | 30.04.2021
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ihr könnt jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Was bisher geschah …
In Teil 1 fand sich die Schildkröte Gerhard, die als investigativer Entenfotograf bekannt ist, in der Raumstation Kosmische Ente wieder. Zwei Jahre lang waren sie auf Mission in Richtung des Planeten Meridia gewesen und Gerhard hatte es geschafft, all die Zeit unentdeckt zu bleiben. Kurz bevor er als blinder Passagier auffliegen konnte, waren er und ein Teil der aus Enten bestehenden Besatzung in Richtung Meridia abgestürzt. Etwas benommen ist er dort aufgewacht, weil ihm ein seltsames Geschöpf anstupste: Dieses Wesen war unverkennbar ein Tier und es besaß einen Schnabel, so viel war klar. Und so stand für ihn fest, dass er soeben Bekanntschaft mit einem Schnabeltier gemacht haben musste…
Teil 2 – Feels like home
Erfreut über seine Entdeckung dieses einzigartigen Geschöpfes und gespannt auf dessen Habitat, wagte er nun, seinen Kopf weiter aus dem Panzer zu stecken. Nachdem er zwei Jahre lang nur die eintönige Einrichtung des Raumschiffs gesehen und in Dauerschleife Teenage Mutant Ninja Turtles geguckt hatte, traute er seinen kleinen, schrumpeligen Augen kaum. Er befand sich direkt am Meer, umgeben von braunem Sand und grünem Wald. Der Ozean war klar und blau – nicht so wie auf der Erde, wo man kaum noch in Ruhe seine Runden schwimmen konnte, ohne dass ein ekelhafter Strohhalm die Nase verklebte oder Fischernetze sich in den Beinen verhedderten. Die Bäume, die er vom Boden aus nur erahnen konnte, wirkten gigantisch und raschelten wegen des leichten Windes, der durch die Landschaft strich. Überhaupt war die Luft so rein und frisch, wie Gerhard es auf der Erde nur ein einziges Mal bei einer Besteigung des Brocken im Harz erlebt hatte. Kein Smog färbte den Himmel grau, kein Mikroplastik wehte durch die Gegend und keine lästigen Gerüche nach Apfel-Himbeere oder Kaffee-Zitrone aus E-Zigaretten störten ihn. „Das muss das Paradies sein“, sagt Gerhard leise zu sich. Während sein Blick völlig beseelt auf dem Ozean verschwamm, merkte er nicht, dass das von ihm getaufte Schnabeltier, das erst erschrocken zurückgewichen war, wieder näher kam und sich an seinem Panzer zu schaffen machte. Erst, als es übermütig wurde und kraftvoll versuchte, seine kleinen Zähnchen in Gerhards Panzer zu versenken, fuhr Gerhard empört auf: „Was soll das denn? Ist das eure Art, Besucher zu empfangen?“ Das Schnabeltier schaute ihn mit großen Augen an und fing wie aus dem Nichts an zu plärren und zu zetern.
„Justus, was ist denn jetzt schon wieder?“, hörte Gerhard da aus der Ferne rufen. Ein weiteres Schnabeltier näherte sich den beiden. „Ach, entschuldigen Sie bitte die Umstände“, sagte das zweite Schnabeltier, das etwa drei Mal so groß wie der kleine Justus war, zu ihm, „Der kleine Justus hat noch kein Mittagessen gehabt und er hat einfach immerzu Appetit – typisch Wachstumsphase …“ Es musterte die ungewöhnlich aussehende Galapagos-Schildkröte: „Darf ich fragen, sind Sie auch gerade auf dem Weg zu Brigittes Kostümparty? Das ist ja wirklich ein urschräges Outfit!“, fügte es hinzu. Völlig verdattert und leicht empört fand Gerhard seine Sprache wieder: „Wie? Kostüm? Also ich bitte Sie, haben Sie denn alle gar keine Manieren auf diesem Planeten? Ich bin eine Galapagos-Schildkröte, wie es im Buche steht! Mein Name ist Gerhard Schmitt – ja genau, ich bin DER Gerhard Schmitt. Journalist und Entenfotograf.“ Das große Schnabeltier wurde blass – zumindest konnte man es unter seinem dunklen Fell vermuten. „Gehören Sie etwa zu den Außerirdischen, die unseren Planeten einnehmen wollen … dies-dieses Raumschiff Enteprise?“ – „Raumstation Große Ente“, korrigierte Gerhard ungeduldig. Das große Schnabeltier zog den kleinen Justus beschützend hinter seinen Rücken: „Wenn das so ist, dann muss ich unumgänglich das Meritär rufen“, sagte es bestimmt, „Das Raumschiff wird als größte Gefährdung des Planeten in der Geschichte eingestuft und Sie, Sie haben meinen Sohn belästigt!“ Gerhard erschrak und versuchte zu erklären: „Aber nein, haben Sie keine Angst vor mir! Ich bin doch nur ein kleiner Fotograf und ganz zufällig und aus Versehen in diesem Raumschiff gelandet. Ich bin ganz harmlos! Ich bin weltbekannt in der Medienbranche – ich könnte Sie und ihren Planeten übrigens ganz groß rausbringen …“ Das große Schnabeltier erwiderte: „Aber was habe ich davon, wenn ich Sie nicht verrate? Außer einem unbedeutenden Artikel bei Promiflash?“ Gerhard überlegte panisch und kramte in den Tiefen seines Panzers. Er fasste in eine weiche, kühle Masse – der Sauerteig! „Hier“, sagte er und überreichte dem Schnabeltier den Teig, „Dies ist eine Spezialität meines Heimatplaneten. Damit können Sie Brot backen und ihre Familie versorgen! Das tolle an einem Sauerteig ist nämlich, dass man aus ihm immer wieder neue Massen züchten kann.“ Sichtlich beeindruckt von dieser Erfindung eines anderen Planeten begutachtete das Schnabeltier den hellen, weichen Klumpen. „Nun gut, ich will dem eine Chance geben – aber wenn der saure Teig nicht hält, was Sie versprechen, rufe ich Nachbar Jürgen vom Meritär an und Sie sind schneller hinter Gittern, als sie ‚Sauerteig‘ sagen können!“ Das Schnabeltier schnappte Justus und watschelte mit ihm in Richtung Wasser davon.
Erleichtert, dass er seinen ersten Konflikt mit einem Ureinwohner elegant gelöst hatte, begab sich Gerhard auf Erkundungstour: „Hoffentlich gibt es hier noch mehr Wesen wie diese Schnabeltiere.“ Er kroch in die Richtung, wo er die Seen vermutete, die er vom Himmel gesehen hatte, und hoffte auf eine kühle Erfrischung. Er humpelte durch die sandige Landschaft, die mit riesigen Bäumen und bunten, fremden Pflanzen geschmückt war. „Das muss ich später alles für den quarkmoritz. dokumentieren, die freuen sich sicherlich auch, weitere geschnabelte Tiere als nur die Enten zu Gesicht zu bekommen. Ei, was für ein Spaß!“, freute sich Gerhard. Er war eben einfach ein Journalist durch und durch.
Plötzlich stieß ihm ein seltsamer, süßlicher Geruch in die feinen Nasenlöcher. „Nicht, dass die auf diesem Planeten auch schon die E-Zigarette entdeckt haben“, stöhnte er. Schon einige Minuten später erkannte er, woher diese Dämpfe rührten. Gerhard näherte sich einer Lichtung, auf der er buntes Treiben und sonderbare Klänge ausmachen konnte. Langsam kroch er vorwärts und beobachtete die seltsamen Kreaturen, die sich mit komischen Bewegungen über die Wiese bewegten. Ihrer Silhouette nach handelte es sich dabei auch um Schnabeltiere, sie trugen aber Kleidung, die Gerhard an irgendetwas erinnerte. Das eine Tier trug Tennissocken, ein anderes war mit einem Tanktop bekleidet, auf dem „I love beer“ stand, noch eines hatte eine Kopfbedeckung auf, die an einen Cowboyhut erinnerte. Als er näher kam, konnte Gerhard sogar die Musik erkennen, bei der die Menge mitgrölte: „Einen Stern, der deinen Namen trägt …“. Der beißende Geruch, der ihn hierhergelockt hatte, stieg aus seltsamen Gebilden hervor, an denen einige Schnabeltiere mittels Schläuchen zogen und Rauch in Form von Ringen ausstoßen. Da sprang ihm auch schon ein mit Glitzersteinen verziertes Schild ins Auge, das in der Mitte der Wiese prangte: „Brigittes Mottoparty: Feiern wie die Erdlinge“. „Na super …“, dachte Gerhard, „jetzt geht’s hier genau so weiter, wie es vor zwei Jahren aufgehört hat.“
Da es langsam dunkel wurde, suchte er sich am Rande der Wiese ein kleines Plätzchen und zog sich in seinen Panzer zurück. Er öffnete seinen kleinen Guckschlitz aus Panzerglas und schaute dem bunten Treiben zu, bis ihm seine kleinen, schrumpeligen Augen zu fielen. „Irgendwie schön, ein bisschen Heimat in der Fremde“, dachte er, während er zu Helene Fischers Atemlos durch die Nacht langsam einschlief.
Er schreckte auf, als es schon komplett dunkel war. Er hörte aufgeregtes Quaken. „Die Enten kommen“, dachte er, kramte seine Kamera heraus und machte sich bereit, seiner Mission als Entenfotograf nachzugehen.
Na das klingt ja fast so, als wäre Meridia der neue Ballermann! Hättet ihr das von diesem Planeten erwartet? Ob sich Gerhard ins Getümmel schmeißen, eine Runde raven und an der Shisha ziehen oder doch lieber weiter auf Entdeckungstour gehen wird? Wie es weitergeht, erfahrt ihr nächste Woche von Annica im dritten Teil der unendlichen Geschichte.
Illustration: Elisa Schwertner
von Philipp Schweikhard | 23.04.2021
Einfach mal abheben in ein anderes Universum, auch dafür ist der webmoritz. da! Ab sofort könnt ihr jeden Freitag ein anderes Redaktionsmitglied auf einem neuen Teil der intergalaktischen Reise unserer unendlichen Geschichte begleiten. Die Rahmenbedingungen haben wir in einer gemeinsamen Sitzung aus unseren Ideen zufällig ausgewürfelt, danach haben wir die Geschichte jedoch der individuellen Kreativität und Gnade unserer Redakteur*innen überlassen. Wohin die unendliche Geschichte führen wird, ist für uns also auch noch ungewiss, aber wir bieten Corona-Craziness, Ärger und Spaß ohne Ende – garantiert!
Teil 1 – Der blinde Passagier
„Völlig losgelöst, von der Erde!“, grölte die Besatzung durch „das Raumschiff, völlig schwerelos!“ Es war der 11.11.1111 um Punkt 11:11 Uhr MESZ (= Mainzer Europäische Standardzeit) und unter den gefiederten Bewohner*innen der mobilen Raumstation Große Kosmische Ente herrschte ausgelassene Stimmung. Sie schnatterten freudig und lagen einander, vor Glück weinend, in den Flügeln. Kein Wunder, denn heute war die fast zweijährige Isolationszeit zu Ende gegangen, die alle 42 Crewmitglieder nach ihrem Start in Richtung des Planeten Meridia hatten antreten müssen. Zwei lange Jahre in aufgereihten Glaskästen, heruntergekühlt und in einer Art Dornröschenschlaf, um Ressourcen zu sparen für die lange Reise. Viele von ihnen hatten schon nicht mehr daran geglaubt, dass sie den Flug überstehen würden, zu groß war die Einsamkeit gewesen. Doch sie hatten keine Wahl, denn sie waren auf der Flucht. Auf ihrem Heimatplaneten herrschte Chaos, spätestens seit The Donald mit windigen Methoden in das Amt als El PresidEnte gelangt war. Doch nach langer Planung und noch längerer Reise hatten sie es nun tatsächlich geschafft. Sie waren angekommen. Entlich.
Bei einem Blick aus der großen, verglasten Crew-Lounge der Raumstation bot Meridia ein atemberaubendes Panorama. Die von azurblauen Ozeanen umgebenen, rotbraunen Landmassen waren geschmückt mit gewaltigen Urwäldern und kristallklaren Süßwasserseen, die zum Baden einluden. Jetzt gerade war die Atmosphäre des Planeten in das goldene Licht des Sonnenuntergangs gehüllt. Ein scheinbar unberührtes Paradies also, das so wirkte, als würde es nur darauf warten, die Fliehenden in Empfang zu nehmen. Und entsprechend war die gesamte Besatzung bestens gelaunt. Die gesamte Besatzung? Nein.
Gerhard Schmitt kauerte in seinem Panzer und versuchte, sich so still wie möglich zu verhalten. Er hatte sich seit Langem vor diesem Tag gefürchtet, von dem die ganze restliche Crew seit zwei Jahren geträumt hatte. Allerdings war er technisch gesehen auch gar kein wirkliches Mitglied dieser Raummission. Er hatte sich nämlich als blinder Passagier an Bord geschlichen. Aus beruflichen Gründen. Gerhard Schmitt war investigativer Fotojournalist, sein Schwerpunkt waren Aufnahmen von Enten aus Krisengebieten und nun also auch Enten auf der Flucht quer durch das Universum. Mit seinen 63 ½ Jahren war er im besten Alter für eine Galapagos-Schildkröte und hatte sich dank seiner spektakulären Aufnahmen bereits einen hervorragenden Ruf in der intergalaktischen Medienlandschaft erarbeitet. Als die Redaktion des quackmoritz. mit diesem riskanten Anliegen an ihn herangetreten war, hatte er daher keinen Augenblick gezögert. Nein, im Gegenteil, er hatte sich sofort auf den Weg zum Raumschiff begeben (denn Schildkröten sind bekanntermaßen nicht besonders flink zu Fuß). In einem Karton mit der Aufschrift „Schildkrötensuppe – Astro-Zubereitung“ getarnt war er an Bord gelangt und hatte es sich auf der Station gemütlich gemacht. Für die lange Reise war ihm zugutegekommen, dass die restliche Besatzung ihre Selbstisolation angetreten hatte. So war es ein Leichtes gewesen, unentdeckt zu bleiben, aber dennoch alles zu dokumentieren und sich außerdem mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Nach und nach hatte er also die Vorräte der Raumstation immer weiter geplündert, sogar einen kleinen Rest Sauerteig hatte er in seinem Panzer untergebracht, denn man konnte ja nie wissen … Doch das war ein Problem, denn obwohl er mit Bedacht vorgegangen war und sich aus den hintersten Ecken der Lagerräume bedient hatte, wusste er, dass es einzig eine Frage der Zeit sein konnte, bis jemand das Fehlen des Proviants bemerken und man daraufhin anfangen würde, die Station zu durchsuchen. Leider hatte er es nach seinem letzten Versorgungsausflug nicht mehr geschafft, zurück bis in seinen Unterschlupf zu gelangen, denn er war seit einer Schussverletzung sogar für eine Galapagos-Schildkröte nicht mehr besonders gut zu Fuß und auch in der Schwerelosigkeit der Raumstation war es kaum besser. Und so schwebte er nun hier, mitten auf dem Flur vom Aufenthaltsraum zum Landungsshuttle, als Suppenkarton getarnt und sah durch die Gucklöcher in der Kiste unruhig zu, wie immer wieder gut gelaunte Vögel die Lounge betraten und verließen. Erpel und Enten, mal alleine, mal zu zweit, mal in Grüppchen, die Stimmung war ausgelassen und niemand schien sich für die einsame Kiste zu interessieren. Er konnte aktuell nichts weiter tun als zu warten, so riskant das auch sein mochte. Nach Stunden der Anspannung, schlief er schließlich ein.
Als er wieder aufwachte, war es wahnsinnig laut und alles vibrierte. Wo war er bloß? Was war geschehen? Er wagte einen kurzen Blick durch die Gucklöcher. In einem länglichen Raum saßen zwölf Enten und Erpel in Landungsanzügen und starrten fasziniert aus dem Fenster, vor dem Meridia immer größer und größer wurde. „Das Landungsshuttle!“, zuckte es wie ein Blitz durch Gerhards Kopf. „Ich bin im Landungsshuttle! Aber wieso? Was ist passiert?“ Über das Dröhnen der Rakete hinweg konnte er ein paar Gesprächsfetzen aufschnappen:
„Nochmal: Wie kann es bitte sein, dass unsere Vorräte jetzt schon so gut wie leer sind? Diese Versorgungsmission war nicht im Protokoll vorgesehen! Verdammte Buchhaltung mit ihren ewigen Rechenfehlern!“
Eine zweite Stimme antwortete der ersten:
„Ich weiß es doch auch nicht. Aber so ist es jetzt halt. Und wir wollten den Planeten ja sowieso erkunden. Was mich viel mehr aufregt, ist, dass uns die Missionsleitung nur diese Schildkrötensuppe als Proviant mitgegeben hat, bloß weil die eh schon in der Nähe des Shuttles herumgeschwebt hatte. Ich HASSE Schildkrötensuppe!“
„Also ich könnte einen Happen vertragen“, meldete sich eine dritte Stimme zu Wort und schon hörte Gerhard mit Panik, wie sich jemand an seinem Karton zu schaffen machte. Doch es war bereits zu spät, um darauf zu reagieren – er hätte wohl eh nicht viel tun können.
„Riecht schön frisch, mir läuft schon das Wasser im Schnabel zu … – Hey! What the quack ist das denn??“
Der Karton kippte seitlich über und schon flog Gerhard, der sich reflexartig in seinen Panzer zurückgezogen hatte, heraus und schwebte nun in der Mitte des Spaceshuttles. Plötzlich war die komplette Besatzung auf den Beinen und selbst die Pilotin verriss vor Schreck das Steuer, was zur Folge hatte, dass das Schiff für einen kurzen Moment komplett aus der Bahn geriet und alle, zur Begutachtung des blinden Passagiers gerade ungesicherten, Besatzungsmitglieder gegen die Seitenwand des Schiffes geworfen wurden. Federn und wüste Flüche flogen durch den Innenraum des Shuttles. Die Pilotin wollte abrupt abbremsen, um ihrer Besatzung zur Hilfe zu kommen, doch dabei wurde Gerhard durch die Trägheit wie eine Kanonenkugel aus dem Kuddelmuddel der Enten heraus beschleunigt und krachte mit voller Wucht in die Steuereinheit des Landungsshuttles. Dieses wiederum beschleunigte jetzt unkontrolliert, wodurch noch mehr Panik unter den Crewmitgliedern ausbrach, die wild umherschnatterten und schließlich ein Fenster aufbrachen, um darüber nach und nach das nun in Höchstgeschwindigkeit abstürzende Schiff zu verlassen und davonzufliegen, bis nur noch Gerhard an Bord war. „Das war’s für mich …“, dachte er, als er den fremden Planeten auf sich zurasen sah. „Das war’s … hätte ich bloß auf Mama gehört und bei Nintendo angeheuert … ‚Die brauchen immer gute Schildkröten da!‘, hat Mama immer gesagt … Das war’s für mich …“
Das Letzte, was er hörte, bevor er bewusstlos wurde, war ein ohrenbetäubendes Krachen. Danach nur noch Stille. Und Dunkelheit.
„Lass das Schatz … nur noch ein paar Minuten … Bitte …“ Er öffnete träge die Augen, es war viel zu hell um ihn herum, und sein Kopf tat höllisch weh. Also schloss er die Augen wieder. „Lass mich noch ein bisschen schlafen … Bitte …“ Doch was auch immer da gegen seinen Kopf stieß, es wollte einfach nicht damit aufhören. Er öffnete erneut die Augen. Inmitten des Trümmerhaufens liegend sah er, wie sich ein breiter Schnabel auf seinen Kopf zubewegte und an ihm zu knabbern begann. Er fuhr erschrocken auf und obwohl sein Kopf zu explodieren drohte, war seine Erinnerung plötzlich ganz klar.
„Die Enten sind zurückgekommen, um mich zu verhören … oder zu töten?!“
Doch dieses Wesen, das ihn geweckt hatte, besaß zwar unverkennbar einen Schnabel, aber es war keine Ente. So ein Tier hatte er überhaupt noch nie gesehen, obwohl er bereits sehr viel herumgekommen war. Es war das wundervollste Wesen, das er jemals gesehen hatte. Ob es bereits taxonomisch eingeordnet worden war? Falls nicht, war es als sein Entdecker nun an ihm, genau das zu tun. Doch weil er soeben den Absturz eines Spaceshuttles überlebt hatte und entsprechend gerade nicht zu geistigen Höchstleistungen in der Lage war, beließ er die Namensgebung beim Offensichtlichen: Dieses Wesen war unverkennbar ein Tier und es besaß einen Schnabel, so viel war klar. Und so stand für ihn fest, dass er soeben Bekanntschaft mit einem Schnabeltier gemacht haben musste.
Puh, hartes Auftaktprogramm für Gerhard! Trinken eigentlich alle Schnabeltiere aus Schnabeltassen oder nur die Babys und die ganz alten? Diese und weitere Fragen werden nächste Woche vermutlich nicht beantwortet, aber dafür erfahrt ihr von Lilli, wie es Gerhard nach seinem Absturz auf Meridia weiter ergangen ist!
Illustration: Elisa Schwertner