von moritz.magazin | 17.02.2025
2021 holte die SPD-Kandidatin überraschend das Direktmandat für Greifswald. Bei dieser Wahl wird es schwer, den Erfolg zu wiederholen. Doch für welche Themen setzt sich Kassautzki im Bundestag eigentlich ein?
Von Lara Sitzmann und Meryem Kocabas
Anna Kassautzki wurde 1993 in Heidelberg geboren und wuchs bei Alsfeld im Vogelsbergkreis in Hessen auf. Nach ihrem Abitur in Alsfeld studierte sie Staatswissenschaften in Passau und begann anschließend ein Masterstudium in Greifswald. Bereits mit 13 Jahren war sie in der Antifaschistischen Bildungsinitiative e.V. tätig und mit 20 Jahren trat sie der SPD bei. Vor ihrem Mandat leitete sie den Familienservice der Universität Greifswald.
Bei der Bundestagswahl 2021 gewann sie den Wahlkreis 15 und steht seitdem im Bundestag vor allem für zwei große Themen:
Digitalisierung und Daten
Das klingt zunächst natürlich etwas trocken, doch Kassautzki, die auch als stellvertretende Vorsitzende des Digitalausschusses im Bundestag tätig ist, betont die Relevanz des Themas immer wieder. Laut ihr ist das Internet und seine Infrastruktur nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Deswegen fordert sie konkrete Regeln. Auch eine Sicherung der Chancengleichheit, damit auch alle im digitalen Umschwung mitgenommen werden, soll gesichert sein, denn nur das wäre laut Kassautzki auch demokratisch.
In Reden im Bundestag wird auch der Schutz kritischer digitaler Infrastruktur immer wieder erwähnt, insbesondere Ereignisse der letzten Jahre, wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, resultieren in immer mehr Angriffen auf Daten und Strukturen in Deutschland. Genau das soll unter anderem eine starke Digitalpolitik verhindern.
Doch was fordert die SPD Kandidatin konkret in diesem Themengebiet? Ihre Webseite erklärt ihre Position zu folgenden Themen:
- Daten: Hier soll eine starke Unterscheidung zwischen allgemein nutzbaren und schützenswerten privaten Daten existieren. Im Internet herrscht oftmals keine Transparenz über die gespeicherten Daten und genau deswegen setzt sich Kassautzki für mehr Datenschutz ein.
- Algorithmen: Diese basieren meist auf nicht komplett nachzuverfolgenden Daten und werden in vielen Branchen benutzt, um Entscheidungen zu treffen. Oftmals sind die Programmierungen dieser jedoch sehr intransparent und auf Optimierung ausgerichtet. Anna Kassautzki problematisiert dies in mehreren Aussagen und Reden stark.
- Open Source: Anders als Algorithmen sind die Codes von Open-Source-Software (Bspw. Wikipedia oder Linux) frei und transparent einsehbar. Für die Förderung dieser Software, dieses „Ökosystems“, setzt sich die Kandidatin ein.
- Games (-Förderung) und E-Sport: Als leidenschaftliche “Gamerin” setzt sie sich für die Förderung von Videospielen als Möglichkeit zur Bildung und Sozialisierung ein. Auch will sie das negative Bild, das viele Deutsche von Videospielen haben, verändern. Hierfür saß Anna Kassautzki 2022 zum ersten Mal in der Jury des Deutschen Computerspielpreises!
Landwirtschaft und Ernährung
Neben ihrer Arbeit in der Partei und am Thema Digitalisierung sitzt Anna Kassautzki auch im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft. Sie macht sich vor allem für Moore und die Fischerei in Mecklenburg-Vorpommern stark. Hier also eine kleine Übersicht ihrer Forderungen:
mo(o)re für Moore
Trockengelegte Moore machen in Deutschland einen beachtlichen Teil des jährlichen CO₂ Ausschusses aus und werden auch in der Landwirtschaft in MV viel genutzt. Dieses CO₂ soll aber am liebsten im Boden bleiben und da hilft es, die Böden zu nässen. Um die Landwirtschaft nicht zu überfordern, aber trotzdem etwas für den Klimaschutz zu tun, will Kassautzki eine nachhaltige Bewirtschaftung der Moore. Dabei macht sie klar, dass dies nicht ohne Zusammenarbeit mit den Landwirt*innen funktionieren könne.
Nicht ohne Fischerei!
Der gesamte Fischereisektor, nicht nur in der Ostsee, steht unter Bedrohung aufgrund der Klimakatastrophe und Überfischung. Neben Folgen für die Umwelt und das Ökosystem bringt es auch Probleme für die Fischer*innen von MV. Die Abgeordnete betont die Relevanz der Fischerei für die kulturelle Identität der Küstengebiete und für die Ernährung in Deutschland. Sie will den Fischer*innen neue Perspektiven schaffen und auf EU-Ebene an Lösungen für das Problem arbeiten.
So stellt sich Anna Kassautzki selbst vor:
moritz.medien: Wer bist du?
Anna Kassautzki: Ich bin Anna Kassautzki, seit 2021 direkt gewählte Abgeordnete des Wahlkreis 15 im Deutschen Bundestag für die SPD. Ich habe Staatswissenschaften studiert und vor dem Mandat den Familienservice hier an der Universität Greifswald geleitet. Als Abgeordnete möchte ich weiter unsere Region aktiv mitgestalten und moderne Politikansätze in Berlin vertreten. Ich sehe mich als Brückenbauerin zwischen den Bedürfnissen vor Ort und den Entscheidungsprozessen im Bundestag, um Greifswald nachhaltig voranzubringen.
Was sind deine konkreten Ziele für Greifswald?
Ich setze mich für den Ausbau der Vorpommern-Magistrale ein, um Greifswald besser mit dem Zug anzubinden und die Reisezeiten zu verkürzen. Greifswald soll Vorreiter für Bildung, Forschung und nachhaltige Wirtschaft werden. Dazu gehören bessere Studienbedingungen und digitale Infrastruktur. Mit erneuerbaren Energien haben wir ideale Voraussetzungen für grüne Industrien und die Umwälzung der Netzentgelte haben wir bereits erreicht. Zudem setze ich mich für die Wiedervernässung der Niedermoore rund um Greifswald (und überall anders) ein, um CO₂ nachhaltig zu speichern und die Klimakrise zu bekämpfen.
Warum sollten Greifswalder Studis dich wählen?
Als ehemalige Greifswalder Studentin setze ich mich für bessere Studienbedingungen ein. Bereits erreicht: BAföG-Erhöhungen, 1.000€ Studienstarthilfe für vulnerable Gruppen und erweiterter Wohngeldanspruch. Künftig will ich die Mietpreisbremse entfristen, den Mindestlohn auf 15€ erhöhen und das BAföG reformieren, damit Studierende nicht zum Arbeiten neben dem Vollzeitstudium gezwungen werden. Dafür kämpfe ich für ein elternunabhängiges BAföG als Vollzuschuss. Beim Deutschlandticket befürworte ich eine faire, freiwillige Lösung, um bundesweite Mobilität zu ermöglichen, ohne Studis finanziell zu überlasten.
Beitragsbild: Auftragsarbeit/spdfraktion.de/abgeordnete / Collage: Konstantin Ochsenreiter
von Maret Becker | 23.03.2021
Vielleicht hast du schon einmal von der „Petition für die Lehre und Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen an der Universitätsmedizin Greifswald“ gehört, die seit zwei Wochen hohe Wellen schlägt. Ich durfte die Initiatorin der Petition zu einem Interview treffen: Anna Kassautzki. Sie hat die Petition, die sich an die Leitung der Universitätsmedizin Greifswald wendet, gestartet. In diesem Interview erfährst du mehr über ihre Gründe ihre erste Petition zu starten und worum es genau in der Petition geht.
Anna, könntest du dich erst einmal, für diejenigen die dich noch nicht kennen, vorstellen?
Ich bin Anna Kassautzki und 27 Jahre alt. Noch bin ich im Master Politikwissenschaften eingeschrieben, arbeite aber hauptsächlich. Und vor kurzem habe ich eine Petition gestartet.
Was steht in der Petition? Was ist der Inhalt und was sind die Ziele?
Vielleicht kann ich erst einmal, um verständlich zu machen warum ich eine Petition gestartet habe, erzählen wie ich darauf gekommen bin. Im letzten Jahr gab es hier in Greifswald eine Demonstration zu reproduktiven Rechten. Unter anderem gab es auch einen Wortbeitrag, der die Situation an der Unimedizin thematisiert hat. Ich bin auch politisch aktiv und dort haben wir auch vorher schon häufig über das Thema Schwangerschaftsabbrüche diskutiert gehabt. Da ging es aber eher um die Abschaffung von §219a und um die Reform von §218. Aber ich kannte nicht die Lage in Greifswald. Ich bin fest davon ausgegangen, dass die Unimedizin auch Schwangerschaftsabbrüche lehrt. Da dachte ich mir, das kann so nicht sein und dagegen muss man etwas tun. Jetzt studiere ich aber nicht Medizin und stecke in diesen ganzen Strukturen nicht drin. Dann habe ich erst einmal geguckt, an wen müsste man überhaupt eine Petition wenden: Geht das dann an das Ministerium oder an die Uni? Aber die Unimedizin ist ja noch einmal gesondert. Also habe ich herausgefunden, dass es an die Leitung der Unimedizin geht.
Kurz vor dem Frauen-Kampftag kam mir die Idee [mit der Petition] wieder in den Kopf und was wäre ein besserer Tag, um so eine Petition zu starten. Deswegen hatte ich mit Medizin-Studierenden gesprochen gehabt. Also auch vorher schon in meinem Freundeskreis. Und geschaut, wie ist eigentlich die Situation. Stimmt das, was auf der Demo erzählt wurde. Und sie haben mir das weitestgehend bestätigt. Ich wollte nicht etwas Reißerisches schreiben, sondern es geht mir ja auch darum, dass die Forderungen umgesetzt werden. Deswegen habe ich es so sachlich wie möglich gehalten: Es ist ein Unding, dass hier an der Unimedizin keine Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden und es nicht wirklich in der Lehre vorkommt.
Das wird in der Petition gefordert:
1. Die theoretische und praktische Ausbildung in den verschiedenen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs im Medizinstudium zu lehren.
2. Schwangerschaftsabbrüche in das Angebot der Universitätsmedizin Greifswald aufzunehmen.
Als ich mich mit deiner Petition beschäftigte, wunderte ich mich auch darüber.
Stimmt, man geht davon aus, wenn man nicht Medizin studiert, dass das vollkommen normal ist. Und wenn man sich dann anschaut, dass die Anzahl der Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen von 2000 auf 1200 gesunken ist. Und das geht perspektivisch so weiter, wenn keine neuen Ärzt*innen ausgebildet werden, die das durchführen können. Wie sollen sie es dann anbieten? Es tut sich halt nichts.
Warum sind konkret Schwangerschaftsabbrüche wichtig?
Es kann immer passieren, dass man ungewollt schwanger wird. Auch wenn man verhütet. Ob eine Frau bzw. eine schwangere Person das Kind behalten möchte, ist die Entscheidung der betroffenen Person. Dass das nicht möglich ist, kämpferisch ausgedrückt, zeigt wie das patriarchale System immer noch Frauen unterdrückt. Niemand anderes hat über meinen Körper zu entscheiden, außer ich selbst. Da gehört für mich ein Schwangerschaftsabbruch genauso dazu.
Warum bist du der Meinung, dass die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch von der Krankenkasse getragen werden sollen?
Es ist ein medizinischer Eingriff und das ist wieder eine Benachteiligung von schwangeren Menschen, die vielleicht weniger Geld haben und sich den Schwangerschaftsabbruch nicht leisten können.
Das Thema muss allgemein enttabuisiert werden. Natürlich ist es immer noch eine ethische Abwägung. Es geht immer noch um ein ungeborenes Leben. Aber das hat ja auch das Bundesverfassungsgericht entschieden, bis zum dritten Monat und nicht weiter. Und da wiegt für mich das Selbstbestimmungsrecht der Frauen höher.
Wie hat die Uni auf die Vorwürfe reagiert?
Im Interview mit der Ostseezeitung hat die Leitung der Unimedizin verlauten lassen, dass Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt würden. Profamilia meinte dagegen, sie wissen nichts davon. Ich bin gerade dabei, zusammen mit der AG Medizin und Menschenrechte, die außerhalb vom Lehrplan Workshops durchführt, nochmal einen Brief an die Leitung der Gynäkologie zu schreiben. Weil ich es schwierig finde, wenn man sich nur über eine Zeitung unterhält. Und man stattdessen vielleicht direkt ins Gespräch kommt. Jetzt habe ich aber von der fachlichen Ebene überhaupt keine Ahnung. Und dadurch, dass die AG Medizin und Menschenrechte schon viel länger an dem Thema dran ist, hätte ich die gerne dabei. Und jetzt sind wir gerade dabei, den Brief zu schreiben. Und ich hoffe, dass dann ein Treffen [mit der Leitung der Universitätsmedizin] zu Stande kommt.
Was tust du, wenn die Petition fehlschlägt? Wärst du für einen Kompromiss bereit oder würdest du einen anderen Weg gehen?
Ich finde es krass, wie viel Zuspruch die Petition bekommt. Das hat mich mega gefreut. Klar, ich bin auch SPD-Politikerin, aber ich habe das nicht in Absprache mit meiner Partei gemacht, sondern ich wollte etwas ändern. Also schreibe ich eine Petition. Und auch andere Parteien haben sich dem angeschlossen, zum Beispiel die FDP Greifswald unterstützt die Petition auch. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass der Status quo beibehalten wird. Daher hoffe ich einfach auf Besserung.
Hast du noch etwas zum Schluss zu sagen?
Was für mich vielleicht noch Motivation war, die Petition zu starten, war, dass auf der Demo erzählt wurde, dass Medizinstudierende schon intern versuchten, das zu ändern. Und mir war einfach wichtig zu zeigen, dass es nicht nur eine interne Debatte ist, sondern viele betrifft und Interesse an Änderung ist nicht nur aus den fachlichen Reihen gewünscht, sondern auch in der Bevölkerung. Und da dachte ich mir, die Petition wäre der richtige Weg dafür.
Hier kommst du zur Petition.
Bild: Maret Becker