Spiel-Rezension: Legenden von Andor – Die Ewige Kälte

Spiel-Rezension: Legenden von Andor – Die Ewige Kälte

Der Winter kann etwas Schönes sein – gemütlich am Kamin sitzen, durch den Schnee stapfen, Schlitten fahren… Noch schöner ist es allerdings, wenn er endlich vorbei ist und es wieder warm und grün wird. Aber was, wenn das nicht passiert? Was, wenn der Winter einfach zu keinem Ende kommen will? Dann macht der Winter irgendwann nicht nur keinen Spaß mehr, nein, es gibt echte Versorgungsprobleme. Das ist die Situation, in der sich das Land Andor in Michael Menzels neuem Spiel befindet – werden die Held*innen es schaffen, die Kälte zu besiegen?

Das hängt im vierten großen Andorspiel nicht nur von Würfelglück, sondern auch von Teamfähigkeit und guter Planung ab. Denn es gibt wieder einmal einiges zu tun: Die Spielenden müssen nicht nur herausfinden, was es mit dem geheimnisvollen Winterstein auf sich hat, sondern auch einen Weg finden, die Kälte zu beenden und nebenbei die Burg beziehungsweise die Zeltstadt vor den Angriffen der Kreaturen schützen. Und dann sind da noch die Schneestürme, die einem leicht einen Strich durch die Rechnung machen können…

So funktioniert das Spiel

Doch erst einmal ganz von vorn: was ist überhaupt dieses Andor?
Andor ist eine Spielreihe, bei der kooperativ Fantasy-Abenteuer an unterschiedlichen Orten bestanden werden müssen. Der erste Teil spielt im Land Andor, das auch die Heimat der Held*innen ist, in deren Rollen man schlüpfen kann. Die Figuren unterscheiden sich in ihrer Kampfstärke und ihren Fähigkeiten. In „Die Ewige Kälte“ stehen zum Beispiel eine Wächterin des Feuers, ein Zwerg, eine Zauberin und ein Krieger zur Auswahl. Das Spiel geht über mehrere Runden, die Legenden, die jeweils eine andere Geschichte erzählen und in denen unterschiedliche Aufgaben gemeistert werden müssen.

Eine Mission haben jedoch alle Legenden gemeinsam: Die Kreaturen müssen in Schach gehalten werden. Nachts bewegen sie sich über das Spielfeld, in Richtung von Orten, an denen Menschen Schutz suchen, in Andor etwa der Burg. Wenn dort zu viele Kreaturen einfallen, ist das Spiel verloren. Daher müssen die Held*innen, wenn sie tagsüber am Zug sind, über Würfelwürfe gegen diese Bedrohung kämpfen. Für erfolgreiche Kämpfe gibt es Belohnungen, allerdings kostet das Kämpfen auch wertvolle Zeit – Zeit, die auch gebraucht wird, um auf anderen Missionen durch die Lande zu ziehen, es gilt also immer abzuwägen, was wer am Besten tun sollte. Das mag so alles erstmal ein bisschen kompliziert klingen, wird aber auch in „Die Ewige Kälte“ im Laufe der ersten Legende einsteiger*innenfreundlich erklärt.

Der neue Teil spielt zeitlich zwischen der zweiten und dritten Legende des Grundspiels. Startpunkt ist daher auch das verschneite Land Andor, von wo aus es auf der Suche nach einem Weg, die Kälte zu beenden, weiter nach Osten geht. Auch die bislang unbekannte Gegend, die dort liegt, hat der Winter fest im Griff. Und er macht es den Held*innen nicht leicht:

Neben den Kämpfen und Missionen noch der Kälte trotzen zu müssen, ist nicht unanstrengend. Dadurch geschwächt halten die Andori jeden Tag eine Stunde weniger durch, bevor sie sich ausruhen müssen. Doch selbst im Schlaf sind sie nicht vor Einwirkungen sicher: Unter den großzügig verteilten Schnee- und Eisplättchen, die aufgedeckt werden, sobald jemand seinen Zug auf einem entsprechenden Feld beendet, verbergen sich oftmals Schneestürme. Der aufkommende Wind weht alle Figuren der Gruppe entlang der Pfeile, in deren Richtung sich normalerweise die Kreaturen bewegen, ein Feld weiter. Befindet sich dort ein neues Plättchen, kann eine Kettenreaktion ausgelöst werden. Das kann unglaublich ärgerlich sein, oft spielt einem der Wind aber auch in die Karten. Die langen Wege, die die Spielenden zurücklegen müssen, wären in der kurzen Zeit nicht machbar, wenn es nicht den ein oder anderen Luftstoß gäbe.

Wer dennoch nicht verweht werden will, muss in die Zeltstadt oder über den großen, gefrorenen See in der Mitte des Spielplans laufen. Dort gibt es keine Pfeile. Doch Vorsicht: Jedes Feld des Sees kann nur einmal betreten werden, danach bricht das Eis. Daher heißt es: gut überlegen, zu welchem Zeitpunkt man über das Wasser abkürzen will. Beliebig oft können dafür Feuer entzündet werden. Das braucht zwar den nötigen Willen, aber danach spendet die Wärme den Spielenden Kraft für Kämpfe und einen stärkeren Willen für den nächsten Tag, wenn die nächsten Herausforderungen warten.

Auf dem winterlichen Spielplan müssen verschieden Orte erkundet und Kreaturen (rote Figuren) besiegt werden.

Und so schneidet es ab

Insgesamt ist „Die Ewige Kälte“ ein Spiel, das sich lohnt, ganz gleich, ob man die vorherigen Andor-Teile bereits kennt oder nicht. Es wurde wirklich gut darauf geachtet, alles noch einmal Stück für Stück zu erklären. Wie bei den anderen Spielen steht auch hier wenig in der Anleitung, dafür mehr auf den Legendenkarten, sobald etwas relevant wird. So gelingt ein Einstieg besonders leicht, nur hat es für bereits erfahrene Personen den Nachteil, dass man praktisch alles noch einmal lesen muss. Hier wäre es vielleicht gut gewesen zu kennzeichnen, welche Regeln neu und welche alt sind. Das spielt aber höchstens in der ersten Legende eine Rolle, danach sind ohnehin alle auf dem gleichen Stand. Im Vergleich zu anderen Spielen sind die Legenden hier eher einfacher, es gibt aber zusätzliche Karten, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, so dass alle auf ihre Kosten kommen.

Gegenüber den anderen Spielen wurde etwas abgespeckt. Es wird mit vier Legenden weniger erzählt, allerdings gehört „Die Ewige Kälte“ ja auch nicht zur Andor-Trilogie, sondern ist eine Art Bonus-Teil (Der aber genauso viel kostet wie längere Teile). Das Spielmaterial ist auch deutlich weniger umfangreich, was es leichter macht, den Überblick zu behalten. Statt in kleine Plastiktüten wird es jetzt in einen Pappaufsteller sortiert. Das ist nachhaltiger und übersichtlicher, funktioniert aber natürlich nur, wenn man das Spiel nur ins Regal stellt und nirgends hintransportiert. Eine Kleinigkeit zum Material, die positiv auffällt, sind die Held*innentafeln. Jede Rolle lässt sich als männliche oder weibliche Figur spielen. Auf den Tafeln im ersten Teil waren noch alle männlichen Rollen auf der Vorderseite und die weiblichen auf der Rückseite. Hier ist das Verhältnis hingegen ausgeglichen.

Die neuen Elemente, die durch den Wintereinbruch dazu kommen, machen das Spiel abwechslungsreicher. Gerade die Schneestürme sind dadurch interessant, dass sie unvorhersehbar sind und es sich im Spielverlauf jederzeit ändern kann, ob sie wünschenswert sind oder nicht. Gleichzeitig sorgt die Kälte aber auch für weniger Abwechslung – nämlich auf dem Spielplan. Der ist immer noch schön gestaltet, aber dadurch, dass alles so trist ist, gibt es natürlich weniger zu entdecken als auf anderen Plänen. Vielleicht aber auch eine zusätzliche Motivation, den Winter zu beenden, er soll ja nicht als etwas Schönes empfunden werden.

Die Beendigung des Winters als gesamtes Ziel für das Spiel ist als Idee erst einmal schön, so stehen die Legenden nicht so getrennt voneinander, sondern man kann wirklich eine Geschichte erleben. An der Geschichte hätte man aber noch etwas feilen können, die Missionen der ersten Legenden fühlen sich eher nach Fehlversuchen an als nach einem wichtigen Schritt auf dem Weg ans Ziel. Es würde sich befriedigender anfühlen, wenn geradliniger auf ein Ziel hingearbeitet würde, statt Wege auszuschließen, die Kälte zu besiegen. Denn, so viel kann über die Geschichte verraten werden, das klappt natürlich erst nach der vierten und damit letzten Legende. Bei den vorherigen Versuchen ist also von vornherein klar, dass sie zum Scheitern verurteilt sind.

Nichtsdestotrotz macht es Spaß, zusammen zu scheitern – sei es an den Legenden als solche oder beim Kampf gegen den Winter. Es ist einfach schön, für ein paar Stunden in die Welt von Andor einzutauchen und dort Abenteuer zu bestehen. Da kann es ruhig ein bisschen dauern, bis die Kälte besiegt ist und in der echten Welt „Die Ewige Hitze“ auf uns wartet…

Bilder: Nora Stoll

Von kleinen Kannen und großen Abenteuern

Von kleinen Kannen und großen Abenteuern

In tropisch temperierten Gewächshäusern und umgeben vom Konzert der Pfeiffrösche kultivieren Wissenschaftler*innen der Universität Greifswald Kannenpflanzen. Diesen besonderen Gewächsen möchte Julien León Bota ein paar ihrer Geheimnisse entlocken. Einige davon sind sogar tödlich.

„Eine Kanne ist wie ein kleines Ökosystem“, beschreibt Julien León Bota, wissenschaftlicher Mitarbeiter des zoologischen Instituts, das zarte Pflanzenteil in seiner Hand. Es handelt sich um die Kanne der Kannenpflanze Nepenthes rafflesiana. Mit dieser geht die Tropenpflanzen auf Insektenjagd. Ihr süßlicher Duft und ein kontrastreiches UV-Muster macht sie für ihre Beute besonders attraktiv. Wenn sich die Insekten dann auf den glatten Rand der Kanne setzen, rutschen sie direkt hinein. „Wenn sie es doch noch schaffen, sich an der Innnenwand festzuhalten, ist es als würde man an einer bröckligen Sandsteinwand klettern. Die Innenseite ist mit Wachskristallen ausgekleidet“, erklärt Julien. Wenn die Insekten schließlich in die Kanne stürzen, wartet auf sie eine tödliche Verdauungsflüssigkeit. Darin leben unteranderem Mikroorganismen, die der Nepenthes rafflesiana beim Zersetzen der Insekten helfen.

Welche Funktionen diese Mikroben genau übernehmen und ob die Pflanze überhaupt noch ohne sie leben kann, erforscht Julien in seinem Projekt „Konvergente mikrobielle Interaktionen bei Kannenpflanzen“. Dabei untersucht er nicht nur die Nepenthes rafflesiana sondern insgesamt vier Kannenpflanzenarten. Eine weitere, die man auch in Greifswald im Gewächshaus findet, ist die Nepenthes hemsleyana. Sie beherbergt Fledermäuse in ihren Kannen. „In den Kannen ist es kühler und es gibt weniger Parasiten. Im Prinzip ist es ein wohl temperiertes Hotelzimmer“, beschreibt es Julien. Aber keine Sorge – die Fledermäuse verlassen die Kanne letztlich unbeschadet. Sie bedanken sich sogar für Unterkunft, in dem sie während ihres Aufenthalts in der Kanne ihr Geschäft verrichten. Ihr Kot und ihr Urin dient der Nepenthes hemsleyana als wichtige Nährstoffquelle.

Für Julien ist diese Interaktion zwischen Tier und Pflanze faszinierend. Er sagt: „Es ist toll zu sehen, welche Möglichkeiten die Pflanzen gefunden haben, um in lebensfeindlichen Habitaten zu überleben.“ Dieses lebensfeindliche Habitat, in dem ein harter Kampf um Nährstoffe herrscht, konnte Julien hautnah erleben. Im Rahmen des Projektes forschte er drei Monate im Regenwald von Borneo. Dort wurden die Experimente, die jetzt unter kontrollierten Bedingungen im Greifswalder Gewächshaus wiederholt werden, in der freien Natur durchgeführt.

„Als wir mit einer kleinen Propellermaschine in den Nationalpark flogen, sich die Wolken gelichtet hatten und den Blick auf die Weiten des Regenwaldes freigaben, habe ich mich wie in einem Indiana Jones Film gefühlt.“

Julien León Bota

Abenteuerlich ging es auch vor Ort weiter. Um Proben auf dem Mount Mulu zu nehmen, mussten er und seine Kolleg*innen zwei Tage lang auf rutschigen Dschungelpfaden zum Gipfel wandern. Trotz der dreißig Kilo Gepäck auf dem Rücken war ans Rasten kaum zu denken, denn an den Wegrändern warteten schon die Blutegel. Doch der Ausblick auf dem Gipfel und die Erlebnisse in diesem einzigartigen Ökosystem entschädigten ihn für die Mühen. Julien erinnert sich: „Die Arbeit war extrem hart. Tagsüber haben wir geschwitzt und nachts bitterlich gefroren. Teilweise sind wir vier Uhr morgens aufgestanden, um den Gewittern zu entkommen. Doch es war die Erfüllung eines Kindheitstraums und diese Zeit prägt mich bis heute.“

Die Aussicht vom Mount Mulu auf den Regenwald Borneos (Bild: Julien León Bota)

Diese prägende Zeit war es auch, die ihn nach der Rückkehr nach Deutschland in einer wichtigen Entscheidung gestützt hat. Noch während seines Masterstudiums bot sich ihm die Möglichkeit, das Kannenpflanzenprojekt zu übernehmen. Die damalige Projektleiterin wollte die Wissenschaft verlassen. Ohne Nachfolger*in wäre das Projekt beendet gewesen. Julien wagte den Sprung ins kalte Wasser und hat es inzwischen geschafft. Im Sommer 2021 beendete er sein Masterstudium und nächsten Monat findet das Kannenpflanzenprojekt seinen Abschluss.

Und wie geht es für ihn jetzt weiter? Julien will auf jeden Fall promovieren und in der Wissenschaft bleiben. Doch wenn alle Daten publiziert sind, möchte er erst einmal ausführlich wandern gehen: „Ich werde mir dabei in Ruhe Gedanken machen, wie es weitergeht.“

Beitragsbild: Lilly Biedermann

Spannung präsentiert von künstlicher Intelligenz –              AI Dungeon

Spannung präsentiert von künstlicher Intelligenz – AI Dungeon

Gehe durch die Tür
→ Die Tür ist verschlossen
Benutze einen Schlüssel
→ Du besitzt keinen Schlüssel
Weine leise
→ Eine lustige Ente kommt angeflogen und muntert dich auf

Die 1970-er Jahre sind die Geburtsstunde für Computerspiele. In verschiedenste Richtungen werden die Grundsteine für verschiedenste Genres gelegt. So beispielsweise auch für das Genre des ‚Adventure‘. 1976 und 1977 kommen mit ‚Adventure‘ und ‚Zork‘ die ersten textbasierten Abenteuerspiele auf den Markt. Mehr als 40 Jahre später hat sich viel getan. Mit der Verwendung von künstlicher Intelligenz ist es möglich, die starren Konzepte früher Adventures komplett zu erneuern und Spielern eine unendliche Anzahl an Möglichkeiten zu bieten. Dies versucht auch das Abenteuerspiel ‚AI Dungeon‘ zu erreichen.

Aber fangen wir ganz von vorne an. Die ersten Adventures basieren rein auf Text. Das bedeutet, die Benutzeroberfläche wird nur von der Texteingabe des*der Spielenden und der Textausgabe des Programms bestimmt. Das Textadventure beschreibt dabei die Umgebung und reagiert auf die Eingaben des*der Spielenden. Im Fall von ‚Adventure‘ von 1976 ist die Eingabe aufgrund der Rechenkapazität noch sehr einfach gestaltet. Es ist lediglich möglich, eine Aktion mit einem einfachen Verb auszuführen und diese mit einem Objekt zu kombinieren. Für das Objekt werden jedoch nur die ersten fünf Buchstaben verarbeitet. Das bedeutet, dass beispielsweise die Aktion ‚ziehe Schwert‘ nur als ‚ziehe Schwe‘ erkannt werden konnte. Auch die Geschichte des Textadventures ist vorbestimmt und begrenzt durch die Programmierung.

Blickt man nun auf das 2019 erschienene und mittlerweile kostenlos verfügbare AI Dungeon, wird man erkennen, dass sich vieles verändert hat, doch die Begeisterung an der Geschichte, die sich rein im Verstand abbildet, ist noch immer beständig. Nicht ohne Grund gibt es eine nicht endende Begeisterung am Abenteuer mit Freunden, auf Stift und Papier in Pen and Paper Adventures. Nun haben die Möglichkeiten allein, wie auch digital eine ganz neue Dimension erreicht. Künstliche Intelligenz ist dabei das Stichwort.  

Wie in den klassischen Textadventures der 1970 Jahre ist die Benutzeroberfläche von AI Dungeon sehr einfach. Es wird die aktuelle Geschichte angezeigt und im unteren Bereich kann ein Befehl in verschiedenen Varianten eingeben werden. Der*die Spieler*in kann entweder mit seinem Charakter etwas sagen, etwas tun oder das momentane Geschehen selbst bestimmen. Im Gegensatz zu den Textadventures der siebziger Jahre kann hierbei aber so viel Text eingegeben werden, wie man möchte. So sind sowohl Sätze als auch ganze Abschnitte möglich. Darauf reagiert die künstliche Intelligenz in der für sie besten Art. Aber wie ist es nun möglich, dass die KI auf jede Art von Eingabe, in einem gewissen Rahmen sinnvoll, reagieren kann?

Bei der verwendeten künstlichen Intelligenz handelt es sich um eine ‚natural language artifical intelligence‘. Das hört sich erstmal einfach nur kompliziert an, heißt aber lediglich, dass sie darauf ausgelegt ist, Wörter und die damit verbundenen Bedeutungen zu verstehen. Kommt es beispielsweise dazu, dass der*die Spieler*in sich mit seinem Charakter einer Klippe nähert und sich dazu entscheidet, diese herunterzuspringen, dann weiß die künstliche Intelligenz, dass es das Prinzip der Schwerkraft gibt. Damit folgt für sie, dass der Charakter auch fallen wird. Es sei denn der*die Spielende hat vorherbestimmt, dass auf der Welt des Charakters nur eine geringe Schwerkraft herrscht. Dann müssen dementsprechend andere Ereignisse folgen. Oder der*die Spieler*in möchte, dass nun Harry Potter durch die Tür kommt. Die KI soll leisten, dass es sich dabei auch um „den“ Harry Potter und seine dazugehörigen Fähigkeiten handelt und nicht nur um einen beliebigen Nebencharakter mit zufällig diesem Namen.

Woher weiß die ‚natural language AI‘ aber all diese Sachen überhaupt? Dazu muss die künstliche Intelligenz trainiert werden. Das passiert durch die Fütterung von Unmengen an Texten, aus denen die KI Wörter und ihre Bedeutungen aufnimmt. Harry Potter kann mit seinen Eigenschaften nur durch die Tür kommen, weil die KI bereits Harry Potter gelesen hat. So soll es theoretisch funktionieren. Ist das aber wirklich immer der Fall? Das ist zu überprüfen.

Bei AI Dungeon wählt man sich zu Beginn eines neuen Spieles erst einmal ein bestimmtes Setting aus. Dafür gibt es vorgefertigte Welten wie Fantasy, Zombies oder Cyberpunk, es ist aber auch möglich, eine eigene Welt zu erstellen. Dabei ist das gesamte Spiel in englischer Sprache. Im eigentlichen Adventure angekommen, beschreibt die KI den Ort, die Charaktere und die aktuelle Aufgabe. Nun kann der Spieler mithilfe der drei verschiedenen Kommandos ‚do‘, ‚say‘ und ‚story‘ auf die Geschichte Einfluss nehmen. Die künstliche Intelligenz reagiert darauf und stellt ebenso Dialoge oder Geschichtsabschnitte dar. Weiß man an einer Stelle selbst nicht, wie es weitergehen soll, kann einfach Enter gedrückt werden und das Programm generiert weiteren Text. Ebenso kann man darauf Einfluss nehmen, wenn einen die computererzeugten Ereignisse einmal nicht gefallen. Mit dem Klicken des ‚edit‘-Buttons kann die letzte Ausgabe der KI einfach bearbeitet werden.

Schauen wir uns also unser eigenes Abenteuer an:

Ich erwache ohne Erinnerung in einem dunklen Wald. Trommeln in der Ferne. Der Wald schimmert rot.
Aus dem Gespür für Gefahr beginne ich zu rennen, aber eine Gruppe von Dämonen stellt sich mir in den Weg.
Sie wollen meine Seele. Von Hoffnung verloren, versuche ich mich ihnen anzuschließen. Doch ohne Erfolg.
Sie kommen, mit einem Messer gezückt, näher. Plötzlich, nach einem letzten Flehen, verlassen die Dämonen den Wald. Doch ein kleiner Dämon kommt zurück zu mir. Ich frage ihn, ob ich nicht auch ein Dämon sein kann, aber es ist nicht möglich. „Dann möchte ich ein Zauberer sein“, sage ich ihm. Er teilt mir mit, dass meine Einladung in die größte Zaubererschule Europas bereits in meinem Briefkasten liegt. „Wenn das so ist, brauche ich einen Zauberstab aus der Winkelgasse“. Der kleine Dämon und ich reisen gemeinsam, um die Besorgungen zu machen.
Ich betrete den Laden von Olivander. Er gibt mir einen Zauberstab aus Birke und ich teste ihn. Als ich den Laden verlassen möchte, frage ich ihn, ob er überhaupt zaubern kann. Wutentbrannt rennt Mr. Olivander auf mich zu.
Ich entschuldige mich, wenn ich ihn beleidigt haben sollte und eile aus dem Laden. Ein Junge vor dem Geschäft sagt mir, dass wir jetzt nach Hogwarts gehen müssen und ist beängstigt, dass die Tests über Molche schon morgen anstehen. Angekommen im Zug erzählt mir der Junge, wer er ist und dass Tom Riddle ihn umbringen wollte.
Der Zug kommt am Schloss an und wir gehen in die große Halle. Die Schüler der ersten Klasse werden begrüßt.
Nachdem ich eine Stunde geschlafen habe, steige ich erneut in den Zug nach Hogwarts ein. Zwar dachte ich, dass wir bereits in dem Schloss waren, doch ein Junge sagt mir, dass wir noch an der Barriere sind, die nur betretbar ist, wenn auch der Zug im Bahnhof steht. Wir warten kurz und plötzlich greift mich eine Person von hinten an.
Er sagt, wir können jetzt nicht gehen. Ich sehe meinen Freund einen Zug betreten. Dann kann ich mich losreißen und steige auch in einen Zug. Dort sehe ich niemand Bekannten. Nach zehn Minuten erreiche ich das Ziel.
Als ich aussteige, kommt ein großer Mann auf mich zu und packt mich. Er trägt mich zu einem nahestehendem Professor. Er behauptet, ich wäre ein Zauberer und das bestätige ich auch. Dann habe ich den falschen Zug genommen, sagt mir der Professor.
Nun komme ich wieder an der Barriere an. Ein Mann packt meinen Arm, sagt mir, hier wäre ich sicher und verschwindet dann. Als ich ihm versuche zu folgen, erreiche ich einen Gang mit zwei Türen. Ich gehe durch die eine und komme in einen Raum, in der ein kleines Mädchen sitzt. Nachdem ich sage, dass ich Cedric Diggory bin (warum auch immer), berichtet sie, dass sie das ertrunkene Mädchen ist. Sie bittet mich zu gehen, also möchte ich zurück in den Gang, um zu sehen, was hinter der anderen Tür wartet. Ich komme aber in einer großen Halle an.
Ich frage mich, wo ich bin und eine Stimme antwortet mir, dass es die große Halle meiner Familie ist. Ich habe für viele Jahre geschlafen. Meine Welt soll vor langer Zeit geendet sein. Wir haben überlebt durch das Schlafen und das Träumen neuer Welten. Die Stimme entpuppt sich als Haushälterin und ihre Augen beginnen zu bluten: „Du wirst nicht allein hier sein, viele Monster, Dämonen und Geister werden kommen, um dich zu töten“. „Aber wie kann ich das verhindern“ frage ich beängstigt. „Du musst das Haus verlassen“. „Dann sag mir, wie ich das Haus verlasse“.
„Du verlässt es nicht“…

Durch das Testen des Ai Dungeons wird klar, dass nicht alles so funktioniert, wie es vielleicht soll. Das Programm versteht nicht immer genau, was man vorhat und reagiert öfters eher verwirrend. Charaktere erscheinen und verschwinden plötzlich und auch der eigene Charakter wechselt öfters den Namen und seine Eigenschaften. Das ist aber nicht unbedingt ausschließlich negativ zu sehen, da dadurch immer wieder neue spannende Ansätze geliefert werden und so eine unendliche Zahl an Möglichkeiten entsteht. „Es passieren immer wieder Dinge, mit denen der Programmierer selbst nicht rechnet“, gibt auch Entwickler Nick Walton im Podcast ‚Between Worlds‘ zu. Diese unendliche Freiheit gibt es in keinem anderen Spiel. Laut dem Programmierer wird diese Verwendung von künstlicher Intelligenz in Zukunft eine große Entwicklung vornehmen. Im Fall von AI Dungeon handelt es sich um ein noch sehr einfaches Programm, ähnlich wie bei den Textadventures der siebziger Jahre. Doch dieselbe Entwicklung, hin zu hochauflösenden Spielwelten, die sich auch in der vergangenen Spielhistorie ereignet hat, wird nun noch einmal vorhergesagt. Diesmal aber mit der Implementierung von künstlicher Intelligenz. So könnte es möglich sein, dass jeder Charakter einer Spielwelt, die vergleichbar ist mit erfolgreichen Rollenspielen der letzten zehn Jahre wie ‚Skyrim‘ oder ‚The Witcher‘, später mit künstlicher Intelligenz verbunden ist. Auf diese Weise hätte jeder Charakter immer wieder eigens generierte Dinge zu berichten.
Dass dieser Fall eintritt, liegt jedoch noch in ferner Zukunft und bis dahin ist die Vorstellungskraft unser bester Freund.

AI Dungeon kann hier einfach kostenlos ausprobiert werden.

Beitragsbild: Frenjamin Benklin auf unsplash.com