Das Theater nach draußen verlagert: Der Diener zweier Herren

Das Theater nach draußen verlagert: Der Diener zweier Herren

Das Theater Vorpommern in Greifswald befindet sich momentan im Umbau. Das hindert das Theater jedoch nicht daran, Ausweichmöglichkeiten zu finden, um uns in Greifswald Stücke zu präsentieren. Die Premiere der Komödie Der Diener zweier Herren war etwas ganz Besonderes. Am 10. Juni fand die Premiere nämlich im Innenhof des alten Universitätscampus statt. Theater unter freiem Himmel hatte ein ganz besonderes Flair. Ob das Stück mit der Location mithalten konnte?

Ein Beitrag von Maret Becker und Adrian Siegler

Am Freitagabend wurde die Premiere des Theaterstücks Der Diener zweier Herren von Carlo Goldoni aufgeführt. Mittendrin zwei Redakteur*innen des webmoritz. Wir – Maret und Adrian – haben es uns nicht nehmen lassen uns die Neufassung von Roberto Ciulli und Jürgen Fabritius zu Gemüte zu führen. Begrüßt wurden wir mit einer Pressemappe und einem ersten Blick auf die stattliche Tribüne im Innenhof der Universität. Diese war bereits gut gefüllt mit Golden Agern, aber auch einige Kommiliton*innen konnten wir in den Menschenmengen ausfindig machen. Platz genommen, kurz gewartet, um die Spannung aufzubauen, und schon ging es los.

Worum es geht

Truffaldino ist ein unglaublich hungriger Mann. Um an genug Essen zu kommen, wird er gleich der Diener zweier Herren, was unter Strafe steht. Zuerst trat er in den Dienst der als Mann verkleideten Beatrice, die auf der Suche nach ihrem Verlobten ist. Kurz darauf nimmt er durch einen Zufall auch noch den Dienst bei dem unter Mordverdacht stehenden Florindo an – der eigentlich der Verlobte von Beatrice ist. Truffaldino arbeitet gleichzeitig für ein Paar, das einander sucht und nicht findet, obwohl sie in der gleichen Unterkunft residieren. Truffaldino, immer auf der Suche nach Essen, weiß nichts von den einander Liebenden und versucht stattdessen beiden gleichzeitig zu dienen – was sich als schwieriger herausstellt als erwartet.

Die als Mann verkeidete Beatrice hält den leidenschaftlichen Silvio in Schach

Lob und Kritik

Es hat wundervoll viel Spaß gemacht, sich das Stück anzuschauen. Darüber sind wir uns beide einig. So ganz wussten wir nicht, was wir von dem Theaterbesuch erwarten konnten – Adrian zumindest war das letzte Mal vor über zehn Jahren im Theater und auch für Maret war es das erste Mal Theater im Freien.

Beginnen tut das Stück mit einem Gondolier, der durch die Kanäle von Venedig steuert. Da sich jedoch im Innenhof der Uni kein Kanal befindet und kosteneffizient keiner auf die schnelle ausgehoben werden konnten, wurden wir von einem ulkigen Anblick eines Mannes in rot-weiß-gestreiftem Hemd, eingespannt in ein gondelförmiges Konstrukt, welcher vor der Tribüne entlangpaddelt, begrüßt. Damit war die humoristische Stimmung für den Rest des Stückes gesetzt. Auf der Bühne selbst wurden unterschiedliche Bereiche suggeriert, welche unterschiedliche Räume und Orte darstellen. Mitunter die besten Szenen waren die, welche das Bühnenbild voll ausgenutzt haben und mehrere Situationen gleichzeitig gezeigt haben. Beispielsweise die Szene des Abendessens, wo Truffaldino seine beide Herren gleichzeitig bedienen muss. Dazu kommt der Kampf mit dem eigenen Hunger und der Versuchung sich beim Essen seiner Herren zu bedienen. Die Zwiegespräche der Figuren und die musikalischen Einheiten auf Italienisch waren unglaublich amüsant und unterhaltsam. Wir haben unglaublich viel gelacht.

Selbstverständlich fangen die Figuren typische Stereotypen und Prämissen klassischer Dramaturgie ein – der reiche, geizige alte Mann; seine verwöhnte Tochter; die Liebenden, welche sich aufgrund dilemmatischer Umstände nicht lieben können usw. Das tut dem Stück jedoch keinen Abriss. Im Gegenteil. Solche Charaktere machen in einem komödiantischen Stück wie diesem einen Großteil des Humors und der Stimmung aus. Besonders wenn sie gut und überzeugend gespielt werden. Das wortwörtliche Schauspiel im Theater zu beobachten hat großen Spaß gemacht. Es ist ein anderes Gefühl die Schauspieler quasi während ihrer Arbeit beobachten zu können, anstatt, wie bei einem Film, ein “Best-of” aller gedrehten Szenen.

Über das Bühnenbild selbst können wir nur gute Wort verlieren, dabei können wir uns vorstellen, dass hier eine der größten Herausforderungen für die Aufführung besteht. Das Theater musste hier wirklich mit dem arbeiten, was da war. Trotz eines, den Umständen geschuldeten, vergleichsweise rudimentären Bühnenbild wurde dieses trotzdem sehr stimmig umgesetzt. Dazu kam die Einbeziehung des Universitätsgebäudes. Die Schauspielenden gingen hinaus aus der Szene in das Audimax-Gebäude und kamen im nächsten Akt wieder aus ihm heraus. Die Vorstellungen laufen immer abends und trotz der langen Tage im Sommer konnten die Lichtinstallationen gerade gegen Ende des Stücks ihre Wirkung entfalten. In einer lauen Sommernacht, mit vereinzelten, bunten Lichtern und samtigen Klängen romantischer Zupfinstrumente kam für knapp zwei Stunden ein bisschen Italien in das nördliche Greifswald.

Truffaldino wrid abgelenkt durch Smeraldina, in die er unsterblich verliebt ist

Da wir beide anscheinend nicht die richtigen Worte finden, um unsere Erfahrungen und Eindrücke zu beschreiben, haben wir das Ganze ausgelagert:


Im Innenhof des Unigebäudes, unter freiem Himmel,
Erlebten wir gemeinsam dieses Theatergewimmel.
Die Atmosphäre fesselte uns, zog uns in ihren Bann,
Als ob die Zeit stillstand, für einen Moment nur dann.

Der Applaus erklang am Ende der Aufführung laut,
Ein Dankeschön für das Ensemble, stolz und vertraut.
Unser Besuch im Theater Vorpommern war ein Geschenk,
Eine Reise in eine Welt, die uns alle verrenkt.

– ChatGPT

Wann kann ich mir das Stück im Innenhof der Universität ansehen?

  • 23.06., 20 Uhr
  • 30.06., 20 Uhr
  • 01.07., 20 Uhr
  • 02.07., 18 Uhr
  • 07.07., 20 Uhr
  • 08.07., 20 Uhr
  • 15.07., 20 Uhr
  • 16.07., 18 Uhr

Karten sind auf der Seite des Theater Vorpommern erhältlich. Außerdem in diversen Läden und Geschäften in ganz Vorpommern. Hier lohnt sich ein Blick in die Liste mit Vorverkaufsstellen.

An dieser Stelle sei noch einmal angemerkt, dass das Theater Vorpommern uns zwei Karten zur Verfügung gestellt hat.

Beitragsbilder: Theater Vorpommern

Rezension: “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre

Rezension: “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre

Es ist egal, wie viel Realität in der Fiktion steckt. Es ist alles wahr. “Noch wach?” von Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine kleine Geschichte der Macht. Fernab der Gossip-Gier rund um die Verbindungen zum Fall Julian Reichelt steht der Roman beispielhaft für einen unveränderten Status-Quo männlicher Hegemonie.

 

Ein Beitrag von Anna Lisa Alsleben

“[E]s ist eine Art, auf die Welt zu gucken, sie besser zu ertragen. Und sie sich, auch das, vom Leib zu halten. Und hier kommt der Witz:
Und was nun ist es, das ‘Psycho’ so epochal spannend macht?
– Dass der Hai nicht gezeigt wird”

 

in Panikherz, S. 550

Wieder zurück im Chateau Marmont. Am Pool, dort unter dem Äther des Zitronenbaums, der uns aus Panikherz noch so bekannt ist. Dort also zwischen den Bungalows und dem Märchenschloss, nur ein Steinwurf entfernt vom Hollywood-Boulevard, treffen wir alte Bekannte und neue Geschichten.
Neben der Foucault-Forscherin ist da auch Rose – die irgendwie anstrengend geworden ist.
Wie wir später erfahren, ist Rose McGowan die erste einer Reihe von Schauspielerinnen, die gegen Harvey Weinstein aussagt und damit den #metoo-Skandal in Hollywood lostritt.

 

OBJECTS IN THE MIRROR ARE CLOSER THAN THEY APPEAR

 

Wir lernen den Freund und damit eine Männerfreundschaft kennen, bei der man sich fragt, wie viel Ambiguität Toleranz denn nun aushalten kann – und sollte. Dieser Freund ist Chef eines Boulevard-Sender-Imperiums, ein mächtiger Mann, der sich mit den mächtigen Männern dieser Welt umgibt. Ein Schöngeist ohne Meinung mit viel Haltung, in den besten Jahren einer Midlife-Crisis für Superreiche. Er träumt von Duschen über den Dächern Berlins, während der Turm unter ihm zu bröckeln beginnt. #metoo hat es auch in die deutsche Medienlandschaft geschafft.

 

“Und ich habe halt schon irgendwie Angst, keine Ahnung, dass es aufhört.”

 

Knapp ein Viertel des Romans ist vorüber, da treffen wir die eigentliche Heldin der Geschichte: Sophia. Sophia ist eine aufstrebende Reporterin bei genau jenem Medienimperium des Freundes unseres Erzählers. Durch sie erfahren wir Insights in die Redaktion des TV-Senders, der seinen Erfolg auf hetzerischen Kampagnen, Falscherzählungen und angstpropagierenden Alliterationsauswüchsen begründet. Vollständig assimiliert an Optik und Habitus des Senders steht ihr eine steile Karriere bevor: eine eigene Show, Prime Time.
„Entdeckt“ vom Chefredakteur, der nun immer weiter in den Fokus der Geschichte rückt, sieht er in ihr „das gewisse Etwas“. Dass dieses „gewisse Extra“ vor allem seinen persönlichen amourösen Präferenzen entspricht und dass sie bei weitem nicht die einzige ist, wird nach und nach auch Sophia klar.

 

“Wenn sie sich dir anvertraut, sei kein Arschloch.”

 

Und dann ist da noch der Erzähler. Als Vertreter einer linken, woken Bubble ist er scheinbar der strahlende Gegenentwurf zum Freund und dessen offensichtlich auf allen Linien moralisch verdorbenen, mephistotel’schem Chefredakteurs. Er ist ein “Ally”, dem sich Sophia anvertraut und der als Mittler zwischen ihr und der Macht steht. Er hat die goldene Eintrittskarte, um nicht zu sagen, das goldene Eintrittschromosom.

 

Noch wach?

 

Mit der Macht ist es so eine komische Sache. Es gibt Insignien der Macht: Duschen auf einem Sender-Hochhaus zum Beispiel. Aber das heikle an der Macht ist, dass man sie einfach oft gar nicht zu Gesicht bekommt. So auch der Chefredakteur. Er ist der Inbegriff der Macht: er macht Medien, er macht Meinung, und ja – er machts auch mit seinen Mitarbeiterinnen.

 

Im Vorhinein der Buchveröffentlichung war kaum etwas zu dessen Inhalt bekannt, umso mehr wird nun über die Verbindungen und Parallelen zu den Affären des Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt mit etlichen seiner Mitarbeiterinnen und der Rolle Matthias Döpfners (CEO des Springer-Konzerns) darin gemunkelt.
Doch dass es in dem Roman um mehr geht, als um eine irrlichternde Suche um vermeintliche Parallelen zu Julian Reichelt, wird in jeder einzelnen im Roman wiedergegebenen zwischengeschlechtlichen Beziehung deutlich und lässt sich schlicht als asymmetrische Machtverhältnisse in einer androzentristischen Organisation (und Gesellschaft!) subsumieren. Ausgeufert und durchexerziert an einem ekelhaften, aber doch wenig schockierenden Beispiel.

 

Angefangen vom US-amerikanischen Botschafter, der “NULL CREEPY” (S.11) ist, zu Tinder-Dates Marke Love-Island, bei denen man schon nach 20 Sekunden am liebsten Storno drücken würde, sich aber nicht traut. Zum Freund, der sich am Ende doch fragt, ob da nicht vielleicht etwas mehr als Freundschaft in der Luft liegt. Hin zum Chefredakteur, der die Angst vor dem übergriffigen Ex wittert und sie beschützt. Der strahlende Retter, der zum ersten Mal den Wert, das Potenzial in ihr sieht. All diese Männerfiguren drücken eines aus:
Du bist das Objekt. Sie sind Subjekte.

 

Da müssen sich die Frauen auch nicht wundern

 

Und um ehrlich zu sein, mich wundert das alles gar nicht. Mich wundert allenfalls, dass sich Leute TATSÄCHLICH noch fragen, wozu man denn immer noch gleichstellungsfördernde Maßnahmen braucht oder warum es wichtig ist, über sexualisierte Diskriminierung in Organisationsstrukturen zu sprechen oder warum in Gottes Namen denn Betroffene nicht aussagen wollen (lügen die vielleicht etwa doch!?!). Ob nun Fiktion oder Realität, in Wahrheit ist es doch so: Wenn du als FINTA-Person belästigt wirst, kannst du dir aber sowas von sicher sein, dass du am Ende vor einem riesig großen Scherbenhaufen stehst, der dein Leben ist. Ganz egal, ob man dir glaubt oder nicht. Da muss sich nun wirklich gar keiner mehr wundern.

 

Mein Eindruck:

 

Ich habe lange auf das Buch gewartet, ohne konkret zu wissen, auf was ich da eigentliche warte. Am Erscheinungstag stand ich pünktlich um 9 Uhr bei meiner Buchhandlung des Vertrauens (Buchhandlung Scharfe) auf der Matte und habe es dann im Ganzen innerhalb von drei Tagen ohne großartiges Verdauen, einfach gleich rein, kurzes Hinterherspülen, ganz klar, gute alte Binge-eating Strategie, verschlungen.

 

Deshalb möchte ich gar nicht mehr groß auf den Inhalt und meine ganz privat-persönlichen Analysen der Figuren und gesellschaftlichen Fragen eingehen. Denn – und jetzt ist es raus – was mich zum Stucki-Fangirl macht, ist seine hemmungslose Liebe für Sprache. Und zwar nicht die verbissene, klinisch reine Sprache, sondern jene mit vielerlei Windungen, Neuerfindungen, Härte und ästhetischer Grausamkeit. Allein die schreienden CAPITAL LETTERS bringen mich so nah an emotionale Belastungsmomente, dass ich mich kurz von dem ganzen Lärm ausruhen muss, um dann doch wieder weiterzulesen.

 

“Noch wach?” ist ein brillanter Roman, den man ruhig einmal, aber sicherheitshalber gleich zwei-drei Mal Kapitelweise lesen und vor allem bitte-bitte im Freund*innen- und Bekannten- und Familienkreis diskutieren sollte.

 

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Lesbarkeit

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Nicht mehr weglegen wollen

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Layout

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Weiterempfehlung

 

“Noch wach?” erschien beim Verlag Kiepenheuer und Witsch und ist überall erhältlich, wo es Bücher gibt, für 25 € (Taschenbuch), 19,99 € (eBook) oder 22,99 € (Hörbuch). Es umfasst 373 Seiten.

 

Buchrezension: Kirmes im Kopf von Angelina Boerger

Buchrezension: Kirmes im Kopf von Angelina Boerger

Angelina Boerger ist freie Journalistin. Sie arbeitet unter anderem für das Format Mädelsabende von funk. Sie hatte schon lange das Gefühl, dass irgendetwas in ihrem Gehirn anders funktioniert als bei anderen Menschen. Mit Ende zwanzig erhielt sie dann die – für sie sehr befreiende – Diagnose: ADHS.

In ihrem Buch “Kirmes im Kopf – Wie ich als Erwachsene herausfand, dass ich AD(H)S habe” beschreibt Angelina Boerger den Weg zu ihrer Diagnose und vor allem die Probleme, die es auch in unserer Gesellschaft noch gibt. Es geht um Stigmata, den aktuellen Forschungsstand, Schwierigkeiten bei der Diagnosefindung (besonders bei Erwachsenen) und auch Komorbiditäten. Kurz: Man erhält einen kompletten Überblick über das Thema ADHS. Boerger hat dabei den Anspruch, mit ihrem Buch sowohl betroffenen ADHS-Gehirnen als auch Interessierten einen guten Überblick zu geben.

Sie beleuchtet die oben genannten Aspekte dabei nicht nur oberflächlich, sondern teilweise wirklich tiefgründig und bringt Anekdoten aus ihrem eigenen Leben ein. Eine Stelle, die wohl immer in meinem Kopf bleiben wird, ist die Beschreibung von einer Unterhaltung zwischen Personen mit ADHS:

“Interessant zu beobachten ist aber die Kommunikation zwischen zwei Menschen mit ADHS, die ähnliche Kommunikationsmuster haben: Hier wirkt es manchmal so, als befände man sich in einem olympischen Pingpongturnier. Die Gedanken sprudeln, Sätze springen hin und her, die Themen wechseln in Sekundenschnelle und trotzdem liegt die Konzentration oft bei 110 Prozent, denn es fällt ihnen unglaublich leicht, den Worten des anderen zu folgen und gleichzeitig die eigenen Gedanken zu formen.”

Angelina Boerger über die Kommunikation von ADHS-Gehirnen (S. 103)

 

Spannend zu betrachten sind auch die Kosten, die ADHS verursacht – von Medikamenten und Therapie zu Kosten, die die Gesellschaft trägt. Welche Angststörungen mit ADHS verbunden sein können, war mir zumindest auch so gar nicht klar. Boerger zeigt, wie wichtig es ist, dass Diagnosen mit Hilfe einheitlicher Diagnosekriterien gestellt werden. Außerdem auch, welche Probleme es mit dem DSM-5 und dem noch verwendeten ICD-10 gibt. Diese umschreiben Systeme zum Codieren von Krankheiten. Das ICD-11 wurde bereits freigegeben, befindet sich in Deutschland jedoch noch in der Prüfung. Bis dieses aktualisierte System verwendet werden wird, vergehen wahrscheinlich noch Jahre.

Boerger geht auf die (noch) lückenhafte Forschung ein und hofft sogar, dass ihr Buch früher oder später einmal veraltet ist. Für sie wäre dies der Beweis, dass die Forschung vorankommt. Als Leser*in kann man diesen Anspruch sehr nachempfinden.

Das Buch regt zum Nachdenken an. An einem Punkt im achten Kapitel stellte ich mir die Frage, wie fatal es eigentlich für betroffene Kinder sein kann, wenn die Erziehungsberechtigten sich gegen eine Diagnostik sowie eine Therapie aussprechen. Zumal dies nicht nur bedeutet, dass das Kind keinen Zugang zu entsprechender Hilfe erhält, sondern auch sein Leben lang stigmatisiert werden wird.

Persönlicher Eindruck

Ich habe wenig an dem Buch auszusetzen. Wirklich jetzt. Ganz im Gegenteil: Ich möchte es loben. Bevor ich Boergers Buch gelesen habe, hatte ich ein wenig über ADHS gelesen gehabt. Dennoch war ich neugierig, wollte mehr erfahren und mein Wissen ausbauen. Nicht zuletzt, weil ich mich oft gefragt habe, ob ich nicht auch Symptome zeige. Besonders in Kapitel sechs habe ich mich an einigen Stellen selbst erkannt.

Angelina Boerger schafft es mit ihrem Buch, die Thematik ADHS gut verständlich und dennoch wissenschaftlich belegt an den*die Leser*in zu bringen. Der Wechsel zwischen ihrer eigenen Geschichte und den Ergebnissen ihrer Recherche ist sehr angenehm zu lesen und zu verfolgen.

Was ich besonders hervorheben möchte: Kirmes im Kopf ist das erste Buch, das ich lese, welches durchgängig gegendert ist. Vielleicht liegt es an meinem Gehirn, welches diese Texte mittlerweile vollkommen gewohnt ist. Vielleicht ist es aber auch einfach ein Fakt, dass dieses Buch wirklich angenehm zu lesen ist. Auch wenn es zu komplizierteren Formulierungen kommt, wurde das sehr gut gelöst. Ein Beispiel hierfür befindet sich auf Seite 160, wo es heißt: “Jede*r sollte sich trauen dürfen, bei seinem*ihrem Arzt oder seiner*ihrer Ärztin bestimmte Behandlungsmethoden anzusprechen oder Medikamente im Rahmen einer ärztlichen Behandlung auszuprobieren (…)”. Damit ist die dreimal hintereinander gegenderte Textstelle wirklich logisch und einfach umgesetzt und der Text weiterhin lesbar gehalten.

Wichtig sind vor allem auch die letzten Seiten des Buches: Boerger gibt hier (Folge-)Empfehlungen für Instagram-Kanäle, die sich mit dem Thema ADHS, aber auch mit mentaler Gesundheit auseinandersetzen – sortiert nach den verschiedenen Themen. Außerdem folgen ihre verwendeten Quellen. Wer also noch mehr wissen will, bekommt Studien und (wissenschaftliche) Artikel direkt mitgeliefert.

Ich könnte diese Rezension noch ausweiten, weil es wirklich viele interessante Punkte und Inhalte gibt. Viele davon waren mir zuvor nicht klar. Wenn euch das Thema ADHS interessiert, dann lest dieses Buch. Ich habe es definitiv nicht zum letzten Mal in die Hand genommen.

 

“Das ist die einzige Antwort, die ich Menschen geben kann, wenn sie mich fragen, was eine Diagnose im Erwachsenenalter überhaupt bringt. Sie hilft mir dabei zu verstehen, wer ich wirklich bin, meine Maske abzulegen und endlich ICH zu sein.”

Angelina Boerger über ihre ADHS-Diagnose (auf S. 105)

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Lesbarkeit

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Layout

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Weiterempfehlung

Wir möchten uns an dieser Stelle beim KiWi-Verlag bedanken, der uns ein kostenloses Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat. Das Buch gibt es überall, wo es Bücher gibt, für 18 € (Taschenbuch), 16,99 € (eBook) oder 5,99 € (Hörbuch).

Beitragsbild: Laura Schirrmeister

Buchrezension – „Schlechtes Vorbild, gute Vibes“ von Pati Valpati

Buchrezension – „Schlechtes Vorbild, gute Vibes“ von Pati Valpati

Ratschläge wie „Sei vernünftig!“, „Verfolge deine Träume!“ oder „Lass dich nicht von Social Media beeinflussen!“ haben wir wohl alle schon einmal gehört. Solche Ratschläge sind meistens unnütz und nervig. Das findet auch die Autorin und Influencerin Pati Valpati und schreibt in ihrem ersten Buch „Schlechtes Vorbild, gute Vibes – Ratgeber gegen Ratschläge“ darüber. Ob sich ein längerer Blick in das Buch lohnt, erfährst du in diesem Artikel.

Überblick Wozu schreibt man ein Ratgeberbuch über Ratschläge?

Die Autorin Pati Valpati gibt in den Kapiteln des Buches private Einblicke und Meinungen zu einer Auswahl an Ratschlägen, die sie sich sehr oft in ihrem Leben anhören durfte. Diese Ratschläge hat sie nicht nur oft bekommen, sondern auch selbst gegeben – was sie nun bereut. Die Autorin nimmt die Lesenden mit auf eine Reise in ihre Vergangenheit, indem sie Ratschläge analysiert und mit Beispielen aus ihrem eigenen Leben widerlegt. Ihren persönlichen Schreibstil machen vor allem Ironie und die persönlichen Anekdoten aus, die dafür sorgen, dass wir die Autorin besser kennenlernen. Dabei helfen auch ihre extra angefertigten Listen, die sich in jedem Kapitel wiederfinden.

Versteckte Gesellschaftskritik

Ein ganzes Buch zu dem Thema „ungewollt Ratschläge bekommen“ scheint auf den ersten Blick nicht wirklich notwendig zu sein. Schließlich handelt es sich um kein hochbrisantes politisches Thema. Neben leichter Kost und persönlichen Anekdoten versteckt sich jedoch auch Kapitalismus- und Gesellschaftskritik in dem Buch.

Bemerkbar macht sich das zum Beispiel im Kapitel „Sei vernünftig“.

Die Vernünftigkeit einer Entscheidung wird rein an ihrer Rationalität und somit (häufig) auch an ihrer Wirtschaftlichkeit und ihrem Potenzial zur Gewinnmaximierung gemessen. […] Sich um das eigene Wohlbefinden zu kümmern wird nur dann als vernünftig angesehen, wenn eine Steigerung der eigenen Leistungsfähigkeit als Resultat wahrscheinlich ist.

S. 101/102

Was kann falsch gemacht werden bei einem Ratgeber?

Auch wenn die Autorin Gesellschaftskritik in ihrem Buch äußert – was mich überraschte – langweilte mich das Buch allzu oft. Das lag vor allem daran, dass man selbst viele Geschichten um Ratschläge erlebt hat und dadurch selten etwas Neues lernte. Das hat mich sehr enttäuscht. Dazu kommen ihre Listen, die in nahezu jedem Kapitel auftauchen. Das ist zu oft und wirkte unnötig. Mir kam die Frage auf, ob die Autorin damit versucht hat ihr Buch vollzubekommen.

Fazit

Das Buch las sich wie ein Tagebucheintrag oder wie ein mehr oder weniger gutes tiefgehendes Gespräch mit einer Freundin. Was perfekt ist, wenn man leichte Kost lesen möchte oder die Autorin sehr mag. Allerdings war mir dieses Buch etwas zu „leicht“. Hätte sie nicht ab und zu die gesellschaftlichen Zwänge, die hinter diesen Ratschlägen stecken, genannt, hätte ich dem Buch eigentlich nichts Gutes abgewinnen können. Ich wäre gerne anderer Meinung, aber mir hat dieses Buch leider keinen Mehrwert gegeben. Tatsächlich hätte ich auch gerne eine längere Rezension geschrieben. Aber auch das ließ das Buch nicht zu – es hatte leider nicht mehr zu bieten.

Das Buch ist überall, wo es Bücher gibt, zu einem Preis von 18,99 Euro erhältlich.

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Lesbarkeit

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Nicht mehr weglegen wollen

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Spannung

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Buchumschlag

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Weiterempfehlung

Hier sei erwähnt, dass der riva Verlag so freundlich war, uns ein Exemplar zu Rezensionszwecken zur Verfügung zu stellen.

Randanekdote:

Pati Valpati studierte in Greifswald, brach ihr Studium aber nach sechs Monaten ab. Sie begründete den Abbruch so:

[…] nachdem ich 1. herausgefunden hatte, dass wirklich alle Geschäfte in dieser Stadt um 19:00 Uhr schlossen, und 2. meinem Professor beim Kondomkauf im DM begegnet war.

S. 136

Beitragsbild: Maret Becker

Rezension: Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren

Rezension: Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren

Das Alter: Alles eine Frage der Perspektive. Am 07.03.2023 feierte “Willkommen im Wunderlift – Musiktheater für Menschen ab 7 und ab 70 Jahren” seine Premiere am Theater Vorpommern in Greifswald. Da ich zurzeit ein Praktikum in der Marketingabteilung des Theaters absolviere, durfte ich meine Kollegin Linda zur zweiten Aufführung des Stücks begleiten und blickte am Ende auf eine Vorstellung voller Lachen, Weinen, Erstaunen und allerhand Lebensweisheiten zurück. 

Unsere Erwartungen:

Als wir den Titel lasen, der ohnehin schon eine Alterseinschränkung enthält, dachten wir im Grunde nicht daran, dass es sich bei dem Stück um eine Inszenierung vorrangig für Kinder handelt. Dass es um die Unterschiede zwischen Jung und Alt, zwischen Gen Z und Boomern gehen würde, konnten wir bereits erahnen. Die Tatsache, dass wir durch unsere Stellen am Theater bereits vor der Premiere einige Details des Stücks aufschnappten, sorgte bei uns allerdings vielmehr für Verwirrung als Erleuchtung. Was haben ein feststeckender Fahrstuhl, eine Anleitung für den Sonnengruß aus dem Yoga, ein lauthals schreiender Richter und ein alter Mann an der E-Gitarre miteinander zu tun? Leicht irritiert, jedoch freudig gespannt machten wir uns am 09.03. auf zur Stadthalle. 

Die Handlung: 

Als ein Junge und ein älterer Herr zusammen in einen Fahrstuhl steigen, um in den 12. Stock zu fahren, können sie noch nicht ahnen, dass sie nun einen längeren Zeitraum miteinander verbringen werden. Der Fahrstuhl bleibt stecken, eine Rettung scheint erstmal, trotz der Versicherungen des gelangweilten Service-Mitarbeiters aus dem Lautsprecher, nicht in Sicht. Wie sollen die beiden mit der Situation umgehen? Während sich der alte Mann in Geduld übt, einen Klapphocker, eine Butterstulle und sein Taschenradio auspackt, verfällt der Junge in Panik, sucht mit seinem Smartphone nach Empfang und beklagt sich über die Situation. Wie solle er denn jetzt TikToks drehen und Videos auf Instagram hochladen? Durch die Feststellung, dass beide Protagonisten sich vor bestimmten Dingen fürchten, finden sie Gemeinsamkeiten und kommen so ins Gespräch. Unterbrochen werden sie zeitweise von wundersamen Gestalten – zwei Yogis, einem Richter und einem Anwalt sowie zwei Show-Moderatoren -, die der Fahrstuhl offenbart. Musikalisch wird das Stück durch eine Live-Band mit Mitgliedern des Philharmonischen Orchesters Vorpommern am Synthesizer, Violoncello, Klarinette und Schlagwerk untermalt, während die Sänger durch verschiedene umgeschriebene Arien, Volkslieder und Duette das Publikum in ihren Bann ziehen. So wird beispielsweise das “Blumenduett” der Oper Lakmé zum Titel “Namasté” umgedichtet, der sich um die Meditation aus der Yoga-Perspektive dreht. 

Die Figuren:

Der Junge (Daniel Schliewa, Tenor) verkörpert sowohl durch seine optische Aufmachung als auch sein Verhalten auf eine sehr stereotypische Weise die Gen Z. AirPods und weiße Sneaker, dauerhaft am Scrollen auf seinem Smartphone und äußerst ungeduldig angesichts der Lage, in der er sich befindet, fassen ihn zu Beginn gut zusammen. Im Laufe des Stücks offenbart sich jedoch seine nachdenkliche und kreative Ader. So liebt er es, in seiner Freizeit Geschichten zu schreiben, welche er dem alten Mann schlussendlich in Form eines USB-Sticks schenkt. Er beginnt, über seine Ängste nachzudenken, stellt dem alten Mann Fragen über dessen Leben und was er sich unter dem Tod vorstellt und zeigt Respekt vor der Weisheit des Alters. 

Der ältere Herr (Jovan Koščica, Bass) zeichnet sich vor allem durch seine humorvolle Umgangsweise mit der Unvorhersehbarkeit des Lebens aus. Mit seinem Einkaufstrolley scheint er auf jede Widrigkeit vorbereitet zu sein. Mit Klappstuhl, etwas zu Essen, einem Taschenradio, einem etwa 1000-seitigen Wälzer zur “leichten Lektüre” oder seinem “schon nach 10 Jahren kaputt gegangenen Mobiltelefon” bringt er sowohl den Jungen als auch das Publikum zum Staunen und Auflachen. Doch auch der alte Mann hat Ängste. Als Musiker und ehemaliges Mitglied der Band “Schrammstein” ist es seine größte Sorge, sein Gehör zu verlieren und nicht mehr unabhängig zu sein. Sein Motto lautet “Man ist nur so alt, wie man sich fühlt”, sodass es kaum überrascht, als er im Rahmen einer sonderbaren Game-Show plötzlich seine alte E-Gitarre auspackt und zu spielen beginnt. 

Die wundersamen Figuren (Thomas Rettensteiner, Bariton / Maciej Kozłowski, Bassbariton) überzeugen besonders durch ihr außergewöhnliches Gesangstalent. Während Rettensteiner mit dem Publikum Atem- und Yogaübungen durchführt, bringt Kozłowski die Zuschauer*innen mit einem ansteckenden Lächeln zum Mitbrüllen (“Spaß, Spannung, gute Unterhaltung!”) und Applaudieren – beide in wechselnder, meist sehr knallig-farbenreicher Kostümierung. Mit ihren Show-Einlagen bringen sie die Stärken und Schwächen der jungen und alten Generation zum Vorschein. 

Kritik und Lob:

Wie es bereits der Titel verraten hat, wurde das Theaterstück für Kinder ab 7 Jahren angesetzt. Nach unserer Einschätzung sind die im Rahmen des Stücks bearbeiteten Themen (Tod und Vergänglichkeit, Achtsamkeit, Geduld und Akzeptanz der Widrigkeiten des Lebens), rein was das Verständnis und die Relevanz betrifft, eher etwas für Kinder und Jugendliche ab ca. 12 Jahren. Auch Erwachsene werden sich selbst und die Sorgen und Probleme ihres Alltags in diesem Stück problemlos wiederfinden. 

Was den Mitmach- und Spaßfaktor betrifft, ist das Stück wiederum doch für jüngere Kinder geeignet, wenn die Darsteller das Publikum auf humorvolle Weise auffordern, zu klatschen, die Arme zu heben und Atemübungen zu machen. Zugleich werden jüngere Kinder durch die umgedichteten klassischen Arien, Duette und Volkslieder dazu angeregt, ihre Begeisterung für das Theater zu wecken und sich im späteren Verlauf ihres Lebens auch an die originalen Werke heranzuwagen.

Besonders gut gefallen hat uns die Kulisse, die einen sehr realistischen Blick auf einen echten Fahrstuhl vermittelte und dessen Soundeffekte zugleich sehr wirklichkeitsgetreu durch das Orchester nachgeahmt wurden. 

Insgesamt schätzen wir das Stück – um auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen zurückzukommen – als ein Vergnügen für Jung und Alt ein und können nicht genug empfehlen, sich ein eigenes Bild von der Inszenierung zu machen. 

Wann und wo kann ich mir das Stück ansehen? 

  • 18.03.2023 / 16:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 19.03.2023 / 11:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 13.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 14.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 16.04.2023 / 16:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 25.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 26.04.2023 / 10:00 Uhr, Gustav-Adolf-Saal / Kirche St. Jakobi Stralsund
  • 09.05.2023 / 10:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald
  • 10.05.2023 / 10:00 Uhr, Rubenowsaal Stadthalle Greifswald

Ein Beitrag von Linda Siebing und Klara-Marie Zwerschke

Beitragsbild: Theater Vorpommern

Buchrezension Elfenkrone von Holly Black: drei toxische Romanzen für Aschenbrödel

Buchrezension Elfenkrone von Holly Black: drei toxische Romanzen für Aschenbrödel

Jede*r der*die Elfen lieber als durchtriebene, mörderische Wesen hat, ist bei dem Buch “Elfenkrone” von Holly Black genau richtig. In diesem wimmelt es nur so an politischen Intrigen, Mord und komplexen Beziehungsdynamiken, die einen auch ohne liebliche Gesänge in ihr Reich zwischen den Seiten ziehen können.

Klappentext

“Natürlich möchte ich wie sie sein. Sie sind unsterblich. Cardan ist der Schönste von allen. Und ich hasse ihn mehr als den Rest. Ich hasse ihn so sehr, dass ich manchmal kaum Luft bekomme, wenn ich ihn ansehe …” Jude ist sieben, als ihre Eltern ermordet werden und sie gemeinsam mit ihren Schwestern an den Hof des Elfenkönigs verschleppt wird. Zehn Jahre später hat Jude nur ein Ziel vor Augen: dazuzugehören, um jeden Preis. Doch die meisten Elfen verachten Sterbliche wie sie. Ihr erbittertster Widersacher: Prinz Cardan, der jüngste und unberechenbarste Sohn des Elfenkönigs. Doch gerade ihm muss Jude die Stirn bieten, wenn sie am Hof überleben will …

Kritik des Buches

Elfenkrone hat mich schon oft angelächelt in der Buchhandlung und nach dem Lesen, bereue ich etwas, dass ich erst jetzt dazu gekommen bin, es zu lesen.

Die Charakter*innen sind allesamt facettenreich und haben ihre eigenen Ambitionen. Jede*r handelt anders und dabei wohlüberlegt. Ich, als jemand mit einer absoluten Schwäche für das „Enemies to Lovers trope”, finde deswegen die fragile Beziehung zwischen Jude und Cardan wunderschön. Die beiden haben aus reinem Eigennutz eine Zweckgemeinschaft gegründet, die in sich Sinn ergeben hat. Diese hat den Plot gegeben und wurde nicht erstellt, weil der Plot dies gebraucht hat. Ich hätte mir zwar etwas mehr Zeit gewünscht, um den Gefühlen Raum zu geben, allerdings muss ich sagen, dass es mit dem Twist am Ende perfekt gepasst hat.

Prinzipiell stechen vor allem die Unterschiedlichen Beziehungen positiv in dem Buch vor. Besonders gefallen hat mir die Dynamik zwischen Jude und ihrem Ziehvater Madoc, die sich beide zwar mögen und eine Art Familienverhältnis aufgebaut haben, jedoch auch die begangenen Gräuel nicht vergessen werden. Auch Madoc und seine Frau haben eine wundervolle Dynamik. Madoc und seine leibliche Tochter. Vielleicht mag ich einfach Madoc?

Ein weiterer sehr positiver Aspekt stellt Vivi da. Diese hat ein Verhältnis zu einer anderen Frau. Ich finde es großartig, dass in dem Buch die LGBTQ-Gemeinschaft nebenbei erwähnt wird. Vivi ist nicht durch ihre Sexualität definiert und es ist nicht ihr einziger Charakterzug. Wobei mir die Partnerin Leid tut, so hart wie sie gecatfished wird. Auch lesbische Paare können toxisch sein. Denn, sagen wir es alle: Man ist mehr als nur seine Sexualität.

Alles in allem würde ich “Elfenkrone” als ein solides und unterhaltsames Buch bezeichnen mit einzigartigen Charakter*innen. Besonders die komplexen Beziehungen und die Politik stachen positiv hervor. Mehr Madoc im zweiten Buch wäre absolut wünschenswert. Denn das Zweite werde ich sicherlich lesen

Ehrliche Zusammenfassung – Drei toxische Romanzen für Aschenbrödel

Nachdem ihre Eltern brutal ermordet wurden, werden Jude und ihre beiden Schwestern von dem Mörder entführt und in eine neue Welt gebracht. Dort erlebt Jude am eigenen Leib, wie es ist, das Stockholm Syndrom und Daddy Issues zu entwickeln. Über die Jahre entwickelt sich das Monster, dass ihre Mutter getötet hat zu einer Art Ersatzvater für sie.

Dabei vergisst sie konstant, dass ihr leiblicher Vater von Madoc auch umgebracht wurde. Aber der hat ihr auch nie das Schwertkämpfen beigebracht, also kann ich das schon verstehen. Der wäre für mich auch gestorben.

Vivi – Judes Schwester – startet eine Side Quest: Catfishe ein armes menschliches Mädchen, belüge sie von vorne bis hinten. Bonuspunkte, wenn es in der Haupthandlung Sinn ergibt. Judes Zwillingsschwester geht dabei ebenfalls auf ein romantisches Abenteuer… mit ihrer eigenen Schwester? Darüber reden wir lieber nicht. Das ist seltsam.

Jude versucht also als Mensch in dieser gefährlichen Welt voller Elfen zu überleben. Dabei wurde vor allem Cardan gerade so sehr gemobbt, dass wir ihn als Leser*innen nur noch mögen können. Dabei gerät sie in die politischen Machenschaften des Elfenreichs und bringt diese komplett durcheinander, als plötzlich jede*r es im ganzen Reich auf den Thron abgesehen hat. Jede*r!

Die tauchen plötzlich alle in den Büschen auf und sorgen mit dem Twist und Verrat am Ende des Buches dafür, dass man unbedingt das Zweite lesen will.

Beitragsbild: Wiebke Pley