Der drohende Verlust von über 40 Stellen an der Universität Greifswald wurde vorübergehend abgewendet – obwohl im neuen Landeshaushalt entgegen aller Hoffnungen keine zusätzlichen Mittel für die Hochschulen Mecklenburg-Vorpommerns eingeplant wurden. Um die Stellenverluste vorübergehend auszugleichen, liegt die geplante Sanierung der Alten Physik erst einmal auf Eis. Eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft soll nun Klarheit in den Streit mit dem Bildungsministerium bringen und den tatsächlichen Finanzbedarf ermitteln.
Im Doppelhaushalt für 2014/2015 sind die Mittel für die Hochschulen eingestellt worden, wie sie vom Bildungsminister Mathias Brotkorb (SPD) vorgesehen wurden. Bis zuletzt hatten die Studierendenschaften des Landes und die Rektoren der verschiedenen Hochschulen darauf hingewiesen, dass eine Steigerung von bis zu 32 Millionen Euro landesweit nötig sei, um ein drohendes Finanzloch zu verhindern. Es gab eine gemeinsame Demonstration in Schwerin, offene Briefe und gemeinsame Erklärungen, mehrere kleinere Aktionen in Greifswald, darunter zuletzt ein Laternenumzug mit rund 500 Teilnehmern.
Für die hiesige Uni wurden 13,4 Millionen Euro genannt, die in den nächsten zwei Jahren fehlen werden. Um dies auszugleichen, müssten die Verträge von 44 wissenschaftlichen Mitarbeitern der Universität und 33 weiteren in der Universitätsmedizin auslaufen. „Es trifft die Schwächsten“ kommentierte daher der Senat das Handeln der Landesregierung.
Uni verkauft das letzte Hemd
„Wir verkaufen das letzte Hemd“ beschrieb Rektorin Hannelore Weber bei der Senatssitzung am Mittwoch das weitere Vorgehen. Man habe beschlossen, die Verträge der Nachwuchswissenschaftler vorläufig zu verlängern und dies aus den eigenen Rücklagen zu bezahlen. Ursprünglich waren diese Mittel in Höhe von 3,6 Millionen Euro als Unterstützung für die Instandsetzung des Gebäudes der alten Physik auf dem historischen Campus in der Innenstadt vorgesehen. Die Sanierung sollte durch den landeseigenen Betrieb Bau- und Liegenschaften durchgeführt werden. Damit trifft es die Bausubstanz der Universität, die an ihren alten Gebäuden ohnehin nicht die beste ist, wenn man sich beispielsweise an das Historische Institut erinnert, welches seit 2010 wegen eines Deckeneinsturzes voll gesperrt wurde
Wird es im kommenden Jahr dennoch keine weiteren Zuwendungen aus Schwerin geben, „müssen wir rechtzeitig strukturelle Entscheidungen treffen und einzelne Institute bzw. Studiengänge schließen müssen“, kündigte Weber an. „Nun ist es am Land zu handeln, damit diese klugen jungen Menschen nicht das Land verlassen, weil sie keine Perspektiven in Mecklenburg-Vorpommern mehr für sich sehen“, appelliert sie in einer Pressemitteilung. StuPa-Präsident Milos Rodatos bezeichnete die Landtags-Entscheidung als ein „erschütterndes Ergebnis, auch für die Studierendenschaft.“ Er kündigte an, dass man um jede bedrohte Stelle ringen wolle, und das nicht nur mit dem Land, sondern auch mit der Universität. Im nächsten Jahr will auch der Allgemeine Studierendenausschuss weitere Aktionen unternehmen.
Landesrechnungshof als Vermittler
Da zwischen den Unis und dem Bildungsministerium bis heute keine Einigkeit über den tatsächlichen Finanzbedarf herrscht, wurde vom Land eine unabhängige Prüfung der wirtschaftlichen Situation der Hochschulen durch den Landesrechnungshof veranlasst. „Ich bin zuversichtlich, dass sich auf dieser Grundlage ein Konsens zwischen Landesregierung und Universitäten über die Finanzausstattung herstellen lässt“ teilt der Bildungs- und Wissenschaftsminister Mathias Brodkorb (SPD) mit. Noch herrscht Unklarheit, wann Ergebnisse vorliegen werden. Rektorin Weber erhofft sich von der Prüfung, dass sich „eine chronische Unterfinanzierung alsbald bestätigen wird“.
Auch der Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) äußerte sich in einem Brief zuversichtlich, das mit Hilfe eines Wirtschaftsprüfers bald eine Lösung in diesem Streit gefunden werden kann. Ursprünglich baten die Rektorin Weber und ihr Rostocker Kollege Wolfgang Scharek noch vor der Haushaltsdebatte um ein Gespräch mit dem Regierungschef. Sellering sagte dies ab und begründete schriftlich, dass er jederzeit an einem sachlichen Gespräch interessiert sei, dies aber nicht möglich gewesen wäre, weil die Rektoren öffentlichen Druck aufbauten, um den Bildungsminister zu einer bestimmten Handlungsweise zu drängen. Weber wollte dieses Politikverständnis nicht kommentieren.
Fotos: Simon Voigt, Annegret Adam (Alte Physik – Archiv)
Trackbacks/Pingbacks