Gerüchte gab es viele: Seit geraumer Zeit wurden Sozialminister Erwin Sellering Ambitionen für den Chefsessel im Schweriner Schloss ´nachgesagt. Erst nach dem moritz-Gespräch sagte der 59-Jährige laut „Ja“. Jetzt kommt es nur noch darauf an, wann Harald Ringstorff abtritt. Und ob andere Gerüchte endlich abflammen.
moritz: In den letzten Kommunalwahlen schnitt die SPD, sowohl in Greifswald als auch in Ostvorpommern nicht sehr erfolgreich ab. Allgemein ist festzustellen, dass Vorpommern CDU-dominiert ist, während in Mecklenburg eher die SPD gewählt wird. Wie würden Sie versuchen, daran etwas zu ändern?
Erwin Sellering: Es zeigt sich, dass Leute, die sich schon erfolgreich in der Kommunalpolitik betätigt haben, hochgradige Zustimmung bekommen, unabhängig von der jeweiligen Partei. Fast alle Amtsinhaber werden bestätigt, meistens sogar im ersten Wahlgang. Es kommt also darauf an, dass Menschen kandidieren, die den Wählern durch jahrelange überzeugende Arbeit in der Kommunalpolitik bekannt sind. Wir haben als SPD Vorpommern sicherlich den Fehler begangen, dass wir drei Frauen aufgestellt haben, die in den Bereichen, wo sie kandidierten, noch niemals kommunalpolitisch in Erscheinung getreten waren. Insofern werden wir zukünftig sehr sorgfältig prüfen müssen, welche Kandidaten wir ins Rennen schicken.
moritz: Die nächsten Landtagswahlen sind erst im Jahr 2011. Ihnen wird nachgesagt, dass sie ein Interesse haben, die Nachfolge von Harald Ringstorff als Ministerpräsident anzutreten.
Sellering: Ich bin mit meiner jetzigen Funktion als Sozialminister sehr zufrieden. Das passt sehr gut zu der Aufgabe als Landesvorsitzender der SPD. Im Übrigen: Harald Ringstorff ist gewählt und die Legislatur dauert fünf Jahre. Sollte sich überraschend vorzeitig die Notwendigkeit ergeben, dass ein neuer Ministerpräsident gewählt werden muss, ist es selbstverständlich, dass der Parteivorsitzende den Prozess entscheidend mitgestaltet.
moritz: Ein beherrschendes Thema, sowohl in den Medien als auch bei bestimmten Gruppierungen, ist der geplante Bau des Steinkohlekraftwerkes in Lubmin. Wie stehen Sie dazu?
Sellering: Das Thema wurde sehr heftig und kontrovers diskutiert, nicht nur im Land, sondern auch in der SPD. Eine Partei diskutiert aber nicht nur, sie muss auch Position beziehen. Wir als SPD haben beschlossen, dass ein Steinkohlekraftwerk in Lubmin maximal die halbe Größe dessen haben sollte, was bisher geplant ist. Darauf hat sich der Landesvorstand einstimmig geeinigt. Daran halten wir nach wie vor fest.
moritz: Warum hat sich die SPD ausgerechnet für ein Kraftwerk mit halber Kraft entschieden?
Sellering: Dieses Land wird sich nicht von Tourismus allein ernähren können. Daher wollten wir schon immer, dass Lubmin zu einem industriellen Standort ausgebaut wird, um für Wirtschaftsentwicklung zu sorgen. Doch Kohlekraftwerke sind nicht zukunftsfähig. Die Dänen wollen spätestens in 25 Jahren keinerlei Kohle mehr einsetzen. Bis dahin müssen alternative Energien entwickelt werden. Wir haben in der Koalition beschlossen, dass wir dies unter der Überschrift „Energieland 2020“ sehr nachdrücklich betreiben wollen. Aber uns ist auch klar, dass wir bis dahin nicht an Kohle vorbeikommen, wenn gleichzeitig auch Atomkraft ausgeschlossen ist. Der Bundesparteitag der SPD in Hamburg hat beschlossen, dass nur noch kleine Kohle
kraftwerke gebaut werden sollen, welche die örtliche Versorgung sichern und die Abwärme vollständig nutzbar machen.
moritz: Sie haben auf den Beschluss hingewiesen. Medienberichten zufolge ist die Partei intern uneinig. Unterstützen Sie diesen auch persönlich eindeutig?
Sellering: Natürlich. Ich habe den Beschluss selbst herbeigeführt. Daher stehe ich auch dahinter. Eine Änderung wird es nur geben, wenn Dong Energy auf keinen Fall reduzieren will.
moritz: Was würden Sie in diesem Fall bevorzugen?
Sellering: Es ist sehr schwer, den Bürgern zu vermitteln, dass wir zwei unterschiedliche Fragestellungen haben. Zum einen steht zur Debatte, ob das Kraftwerk dort nach den rechtlichen Voraussetzungen gebaut werden darf und der Antrag genehmigt werden muss. Auf der anderen Seite steht die politische Frage, ob wir dort ein solches Kraftwerk in dieser Größe wollen. In dieser politischen Diskussion spielt eine große Rolle, dass wir in dem, was wir für Deutschland wünschen, aus Gründen des Klimaschutzes viel einschränkender sind, als es der jetzige Rechtszustand vorgibt. Die rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das müsste sich dringend ändern, was aber mit der CDU nicht zu machen ist. Die Kanzlerin vertritt auf internationalen Konferenzen Ziele und Standards in Sachen Klimaschutz, die weit über den jetzigen Rechtszustand hinausgehen. Leider tut sie auch nichts, um unsere Genehmigungsvoraussetzungen entsprechend anzupassen. Deshalb kann es durchaus sein, dass Vorstellungen, die wir politisch für richtig und sinnvoll halten, nach geltendem Recht nicht durchsetzbar sind und wir lediglich den politischen Appell an den Investor richten können, nichts zu tun, was die Bevölkerung nicht will.
moritz: Junge Leute kommen hierher, lassen sich gut ausbilden und gehen anschließend wieder, vielleicht bleiben sie auch hier. Welche Rolle nehmen die Hochschulen in der Entwicklung des Landes ein?
Sellering: Die Frage müssen wir sehr selbstbewusst diskutieren. Selbstverständlich wollen viele junge Menschen auch mal in der Großstadt leben. Sie studieren dann eben in Hamburg oder Berlin. Das halte ich für normal, meine Töchter tun das auch. Wir müssen aber so attraktiv sein, dass diese jungen Leute gern wiederkommen und dass auch sonst Menschen aus ganz Deutschland und auch darüber hinaus gern hierher zu uns kommen, nicht nur um Urlaub zu machen, sondern auch um hier zu leben und zu arbeiten.
Es gibt doch viele Menschen in den Großstädten und Ballungszentren, die genug haben von Lärm, Enge und Dreck der großen Städte und die genau das lieben, was Mecklenburg-Vorpommern zu bieten hat: Ein weites, wunderschönes Land, liebenswürdige kleine Städte, einen hohen Himmel, klare Luft und die wunderschöne Ostsee. Auf diese Menschen setze ich. Wir müssen klar sagen: Die Zukunftschancen des Landes Mecklenburg-Vorpommern hängen in hohem Maße davon ab, dass viele Menschen so denken und gerne hierher kommen.
moritz: Bringen Sie uns Ihren Kollegen aus dem Bildungsministerium mit?
Sellering: Nein, ich mache diese Tour in erster Linie als SPD-Vorsitzender. Die Hochschulen sind bereits angeschrieben mit der Bitte, mir drei Bereiche vorzustellen, von denen sie glauben, dass sie unser Land wirtschaftlich besonders voran bringen. Es geht mir um einen Dialog mit den Hochschulen und um öffentliche Werbung für die gute Arbeit dort.
moritz: Was ist mit den Bereichen, die vielleicht nicht so innovativ sind, aber dennoch einen Großteil der Universität repräsentieren, wie der Philosophischen Fakultät?
Sellering: Alle Fakultäten an unseren Hochschulen leisten gute Arbeit und sind wichtig, nehmen sie hier in Greifswald nur alles, was mit dem baltischen Raum zu tun hat. Dort haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Für eine Sommertour mit der Überschrift „Innovation! und Zukunftsland M-V“ muss die Betonung aber auf einzelnen besonders innovativen und für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes besonders wichtigen Projekten liegen.
moritz: Im Koalitionsvertrag heißt es, dass es keine Studiengebühren geben wird. Bleibt es aus Sicht der SPD dabei?
Sellering: Dabei wird es bleiben.
Das Gespräch führten Björn Buß und Maria Trixa
Geschrieben von Maria Trixa, Björn Buß