Gemeinsam mit der Stiftung Lesen hat die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ 2004 den bundesweiten Vorlesetag ins Leben gerufen. Inzwischen ist er das bundesweit größte Vorlesefest und findet am 15. November zum zehnten Mal statt. Rezitiert werden kann an allen denkbaren Orten innerhalb Deutschlands. Als ich gestern mit Fanny Pagel, der stellvertretenden Chefredakteurin von radio 98eins im Jugendhaus Pariser gesessen habe, habe ich erfahren, dass sich das Lokalradio ebenfalls an der Vorleseaktion beteiligen wird.
„Eine Freundin vom Leiter der Technik hat uns erzählt, dass es den Vorlesetag gäbe. Wir haben uns das dann angeguckt und meinten, dass das ne coole Sache wäre“, erzählt Fanny. Es wurden Mails geschickt und Anfragen versendet, wer denn mitmachen würde. Da die meisten Texte dem Urheberrecht unterliegen, mussten die noch lebenden Autoren oder Nachlassverwalter angeschrieben werden. Gebühren für den öffentlichen Vortrag mussten sie nicht bezahlen. Texte, bei denen die Autoren bereits seit mindestens 70 Jahren verstorben sind, können ohne Rücksprache mit den Erben oder Nachlassverwaltern gelesen werden. Dies ist beispielsweise bei der Literatur Karl Mays der Fall, die zwischen null und ein Uhr gelesen werden wird.
„Wir wollten eine große Bandbreite an Texten vorstellen. Deshalb finden sich moderne und alte Texte, Raptexte oder Texte, in denen es um Suizid und andere makabere Dinge geht. Das ist beispielsweise bei dem „Buch der Katastrophen“ der Fall. Diese Texte sind allerdings vorproduziert, da Nachts nicht live gelesen wird“, erklärt die stellvertretende Chefredakteurin das Konzept. „Außerdem wird Frau Böhnke noch plattdeutsche Texte lesen.“ Insgesamt wird 19 Stunden im Radio vorgelesen. Zwischen 14 und 18 Uhr kann sich dann auch jeder an der Lesung beteiligen, der Lust zum Lesen hat. Bis jetzt sieht es so aus, als ob radio 98eins mit dem bislang längsten Programm zum Vorlesetag aufwarten kann. Wird dies der Fall, besteht die Chance auf eine Fensterplakette, die als Preis ausgelotet wird. Insgesamt beteiligen sich 20 Menschen bei der Radio-Aktion, darunter unter Anderem der Greifswalder Universitäts- und studentischer Autorenverein GUStAV. Das vollständige Programm kann der Internetseite des Radios entnommen werden.
Auch an anderen Orten wird gelesen. Matthes Klemme vom NDR wird um 9:30 Uhr in der Stadtbibliothek „Hans Fallada“ für Grundschulkinder aus Erhard Dietls Buch „Die Olchis und die Gully-Detektive von London“ lesen, während Ulrike Berger von den Grünen Janoschs Märchenbücher vorstellt. Als Illustration werden „mit dem Jugendbildwerfer“ DEFA-Rollfilme an die Wand geworfen.
Bild: Tim Fed. via jugendfotos.de, CC-BY-NC