Mir wird häufig gesagt, dass ich mich viel zu sehr ablenken lasse und mich auf das Wesentliche konzentrieren soll. Doch was ist das Wesentliche im Leben? Wer entscheidet, was wichtig ist und was nicht? Sicher ist die Schule wichtig, damit man nicht vollkommen ungebildet durchs Leben geht; Studium, Ausbildung, Job – alles hat einen hohen Stellenwert, verständlicherweise. Aber ist dies wirklich das Wesentliche?
In den Zeitungen, in den Nachrichten, im Internet, überall liest man von Unglück, Missstand, Ungerechtigkeit: Rund 750 Millionen Menschen haben kein sauberes Trinkwasser, mehr als eine Million Aidswaisen leben allein in Südafrika, weltweit gibt es etwa 250 000 Kinder, die zu Soldaten ausgebildet werden – ist die Vorlesung über Textsorten dagegen nicht eigentlich viel zu banal, um wesentlich zu sein?
Sollte man nicht lieber etwas tun, statt im Halbschlaf Dozenten zuzuhören, wie sie über längst verstorbene Schriftsteller philosophieren? Manchmal kam es mir wie eine Verschwendung von Ressourcen vor, die man sinnvoller einsetzen könnte. Um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, bin ich dann zu den Treffen von Amnesty International gegangen.
Aber auch nach zwei Semestern hatte ich nicht das Gefühl, dass ich durch das Schreiben von Briefen oder Unterschriftensammlungen irgendetwas bewegen würde. Man kann mir jetzt vorwerfen, dass es immerhin besser sei, als nichts zu tun. Und das mag wahrscheinlich auch zutreffen. Leider habe ich mich dennoch für letzteres entschieden. Statt wie sonst zu Amnesty zu gehen, habe ich mich mehr oder weniger breitschlagen lassen, zum ersten Mal in meinem Leben „Germany’s Next Topmodel“ zu gucken – ein Sendungsformat, das ich bis jetzt für überflüssig und in gewisser Hinsicht auch sexistisch gehalten habe – und paradoxerweise denke ich das auch immer noch. Aber mit Freundinnen vorm Fernseher zu sitzen, Sekt zu trinken und Schokolade zu naschen, während irgendwelche Sechzehnjährige, ausgestattet mit Push-up-BHs oder hoch rutschenden Kleidern, vor der Kamera Grimassen schneiden, war einfach nur unglaublich unterhaltsam! Es war weder vernünftig, noch moralisch wertvoll oder karriereförderlich, aber mittlerweile glaube ich, dass es manchmal wichtiger ist, einfach mal das zu tun, worauf man Lust hat, ohne sich darüber Gedanken zu machen, was man in der Zeit Sinnvolleres hätte anstellen können – in dem Sinne: viel Spaß beim Lesen des Hefts!
Sabrina von Oehsen
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