Zwei Klassiker bei den diesjährigen Ostseefestspielen
Inzwischen ist es eine kleine Tradition. Seit 2003 präsentiert das Theater Vorpommern an besonderen Spielorten in Greifswald und Stralsund in den Sommermonaten Theater und Musik unter freiem Himmel. Bei Touristen wie Einheimischen kommen die „Ostseefestspiele“ gut an. Fast 27.000 Besucher wurden gezählt. Dieses Jahr standen zwei Klassiker auf dem Programm: „Die drei Musketiere“ von Alexandre Dumas sowie die „West Side Story“ von Arthur Laurents.
Einer für alle und alle für einen!“
Wer kennt nicht diesen Treueschwur, den „Die drei Musketiere“ in Alexandre Dumas’ Roman vor jedem Kampf leisten? Im Juni war er in der Klosterruine Eldena zu hören, die das Theater Vorpommern kurzerhand ins 19. Jahrhundert zurückversetzt hatte. Sie diente als Kulisse für das Open-Air-Stück von Axel Plogstedt.
D’Artagnan, der Bauernjunge aus der Gascogne, zieht in die Welt, um das Fürchten zu verlernen. Bei den Musketieren des Königs stößt er zunächst auf Ablehnung, doch da er sich im Kampf gegen die Soldaten des Kardinals Richelieu bewährt, wird er in die Runde der Königs-Getreuen aufgenommen. Bald geraten sie in die Machtkämpfe zwischen König und Kardinal wie zwischen Frankreich und England und müssen allerlei Abenteuer bestehen, um ihrem König zu helfen.
Regisseur Matthias Nagatis hatte keine leichte Aufgabe übernommen als er sich entschloss, das Ränkespiel um Macht, Liebe und Reichtum auf die Bühne zu bringen. Hatten sich doch bereits viele vor ihm mit unterschiedlichem Erfolg an Dumas’ Stoff versucht; derzeit ist das Stück – allerdings als Musical – auch im Berliner Friedrichstadt-Palast zu sehen. Doch Nagatis gelang der Spagat zwischen der Würde eines Klassikers der Weltliteratur und amüsanter Unterhaltung. So wirkten moderne Elemente wie ein Beatles-Klassiker oder die Drahtesel, die die Pferde der Kämpfer ersetzten, nicht deplatziert, sondern passten sich gut ein. Auch der eine oder andere Seitenhieb auf den Bundestagswahlkampf saß. Beeindruckend waren aber vor allem die Fechtszenen, die Jan Bernhardt mit seinen Kollegen einstudiert hatte. Sie ließen die Zuschauer ein ums andere Mal zusammenzucken und versetzten sie für gut zwei Stunden in die Zeit von D’Artagnan, Portos, Aramis und Artos.
New York in den fünfziger Jahren
Zwei Teenager-Straßenbanden liefern sich in den Slums der West Side erbitterte Schlachten: Die Jets sind die Einheimischen, die Sharks die zugewanderten Puertoricaner. Die Stimmung ist aufgeheizt und voller Rivalität. Ein Hauch von Amerika wehte im August und September über die Seebühne in Stralsund, wo die „West Side Story“ knapp 50 Jahre nach ihrer Premiere aufgeführt wurde.
Bei einem Tanzabend verliebt sich Toni, einer der Jet-Anführer, ausgerechnet in Maria, die Schwester des Gangleaders der puertoricanischen Sharks. Ihre Gefühle scheinen auf den ersten Blick die Chance zu sein, Frieden zu schließen. Doch es kommt anders. Als Toni versucht eine Messerstecherei zu verhindern, tötet er zunächst Marias Bruder und wird anschließend selbst erschossen. Erst durch dieses schreckliche Ereignis kommt es zu einer Annäherung der beiden Banden.
Die Geschichte ist beliebt und immer wieder gut. Shakespeare soll die Vorlage für das Musical geliefert haben, das an „Romeo und Julia“ angelehnt ist. Die Musik von Leonard Bernstein machte es weltberühmt. Generalmusikdirektor Mathias Husmann brachte den Kampf zwischen den verfeindeten Gangs nun in den Stralsunder Hafen. Der Rügendamm als Skyline von New York wirkte perfekt und die Sänger leisteten Schwerstarbeit. Schwungvolle Latino-Klänge wechselten mit melancholischen Liebesliedern. Gebannt verfolgten die Zuschauer den unvermeidbaren Lauf des Schicksals, der Toni und Maria erst zusammenführt und am Ende doch für immer trennt.
Geschrieben von Kai Doering