„Analoge Fotografie ist dichter an dem Original. In dem Moment, wo du den Auslöser drückst, ist die Entscheidung getroffen“, meint Heiko Krause. Seine Ausstellung „russemblage“ ist bis zum 16. Dezember im Alfried-Krupp-Kolleg zu sehen.
Bei der Eröffnung von Heiko Krauses Ausstellung „russemblage“ am 15. Oktober im Alfried-Krupp-Wissenschaftskolleg ist der Vortragssaal überfüllt. Die Arbeiten des Greifswalder Fotografen und Kunstdozenten am Caspar David Friedrich Institut werden gelobt und gefeiert. Die Objekte im Fokus seiner Kamera sind Bilder des Vergehens eines ganzen Zeitalters, eines gefürchteten Staatsapparats, von dem heute nichts weiter übrig ist als farbige Wände und kaputte Aktenschränke.
Fotografien, die aussehen als wären sie Gemälde, zeigen Raumsituationen in verlassenen Liegenschaften der sowjetischen Armee auf dem ehemaligen DDR-Gebiet. Die sogenannten Militärstädte wurden im August 1994 endgültig geräumt. Seitdem blieb die Zeit, nicht aber der Zerfall in den abgeschiedenen Baukomplexen mitten im Wald, wo niemals ein DDR-Bürger Zutritt hatte, stehen. „Die Tatsache, dass ich nach 10 bis 15 Jahren in diese Liegenschaften hinein gehen konnte, war ganz bizarr“, erzählt der Fotograf und Doktorant, „Ein Wachmann öffnet dir ein Tor, man fährt hinein, sieht da sofort ein Lenin-Denkmal und beinahe 40 Jahre sowjetischer Lebenswirklichkeit. So war man fünf Minuten später in einer absoluten Parallelwelt.“ Professor Michael Astroh schreibt in seiner Einführung ins gleichnamige Fotoband „russemblage“: „Überreste, so wertlos, wie ihre Beseitigung teuer ist.“
Trotz des unmittelbar politischen Kontextes ist kaum eine direkte Symbolik in den Bildern der damaligen Zeit zu bemerken. Es ist viel eher ein sarkastisches Augenzwinkern, mit dem die alten Sowjet-Botschaften, wenn überhaupt, präsentiert werden. „Das ist eigentlich die Dimension, die in den Bildern steckt, dass man nicht mehr sieht, wer dort mal gelebt hat. Nur durch bestimmte Farbcodes ist ein Anklang des Russischen oder eher Sowjetischen vorhanden“, sagt Krause.
Der Künstler, der geboren in Templin wurde, hatte schon immer ein Interesse an der sowjetischen Kultur, denn seine Großeltern wohnten unmittelbar neben einer sowjetischen Militärstadt. Außerdem habe er schon in frühster Kindheit angefangen, Russisch zu lernen: Die kulturellen Einflüsse, Filme und Trickfilme seien einfach omnipräsent gewesen. In diesem Sinne kann man bei seinen Arbeiten nur begrenzt von Voyeurismus sprechen, denn Krause ist jemand, der mit der sowjetischen Kultur auf eine ganz besondere Art und Weise verbunden ist.
„Ich bin nicht jemand, der sich in diese Zeit zurücksehnt, aber ich versuche, die Bedeutung solcher Prozesse zu begreifen“, erklärt er. „Es gab da eine Situation kurz vor meiner Examensarbeit: Ich habe auf dem Balkon meiner Großmutter gestanden und von dort aus den Abriss der ehemaligen Garnison verfolgt. Da stellte sich die Frage, was denn mit diesem Teil der Geschichte, der Architektur passiert, was bleiben würde, was vergehen?“ Die Aufarbeitung der Geschichte sei seiner Meinung nach in erster Linie recht einseitig geschehen, schablonenhaft und wenig differenziert. „Aber es gab natürlich auch Zwischentöne und das hat mich interessiert, das wollte ich wissen.“
Für seine Doktorarbeit über die Architektur der sowjetischen Militärstädte hat Krause Zutritts- und Fotogenehmigungen beantragt und innerhalb von zwei Jahren zahlreiche Liegenschaften besichtigt. Dabei sind neben den dokumentarischen Fotografien die künstlerisch intendierten Aufnahmen der Serie „russemblage“ entstanden.
Ein Bericht von Anastasia Statsenko mit Bildern von Heiko Krause