So jung das Jahr noch ist, so drohend erscheinen schon die Prüfungsgeister im Kalender und das schlechte Gewissen zwingt fast zur Übernachtung in der Unibibliothek. Um euch aber vorm nervlichen Zusammenbruch zu bewahren, haben wir für euch einen kleinen Blick auf den Veranstaltungskalender am Wochenende geworfen und von grafisch-literarischen Sprachhybriden über Berlin-Fucking-Hardcore bis hin zum Second-Hand-Bazar in gemütlicher Atmosphäre ist so einiges vertreten.
:! – / : ! ! – / : ! ! ! – was zunächst aussehen könnte wie die Entwicklung eines Smileys mit Schnauzer und Krawatte hin zum fettleibigen Doppelkinn mit Seitenscheitel, ist eigentlich ein „Zitat“ aus Arno Schmidts Roman von 1960 „KAFF auch Mare Crisium“ und der Versuch des Protagonisten Karl, seine Freundin Hertha aufzuwecken. Zwar sind derartige auf Anhieb unverständliche Darstellungsformen in „KAFF auch Mare Crisium“ in der Minderheit, doch schlägt der Roman die Brücke zwischen Schmidts konventionellerem, erzählerischen Frühwerk und den avantgardistischen Sprach- und Ausdrucksexperimenten, die schließlich seinen Giganten, Zettel’s Traum, hervorbrachten. Davon, ob und wie sich Schmidts darstellerische Mutationen phonetisch übertragen lassen, kann sich am heutigen Freitag jeder selbst einen Eindruck verschaffen, wenn der geschäftsführende Vorstand der Arno-Schmidt-Stiftung, Peter Rauschenbach, im Koeppenhaus in der Bahnhofstraße 4 ab 20 Uhr aus „KAFF auch Mare Crisium“ vorlesen wird. Bereits um 19 Uhr eröffnet die neue Ausstellung „Schwarzweißaufnahme“ mit Fotografien des Ehepaars Schmidt aus der Umgebung ihres bescheidenen, ländlichen Domizils in der Lüneburger Heide. Wer sich für die literarische Moderne in der Tradition von James Joyce und Nachkriegsliteratur jenseits von Koeppen und Grass interessiert, sollte diesen minimalen Einblick in das Werk Arno Schmidts nicht an sich vorbeiziehen lassen. Der Eintritt beträgt drei und fünf Euro.
Nach dieser literarischen Höhenwanderung, bietet der Samstag dann reichlich Gelegenheit, dem unter der Woche geforderten Geist passend zum Wochenende auch erschöpfte Gliedmaßen an die Seite zu stellen, denn die Tanzfläche ruft. Vor dem Abtauchen ins Greifswalder Nachtleben lohnt aber noch ein Besuch in der offenen Nähwerkstatt Kabutze in der Löfflerstraße 44a. Beim „KlamottenTauchRausch“ könnt ihr ab 16 Uhr den vernachlässigten Textilstücken eures Kleiderschranks ein neues Zuhause geben und im Gegenzug selbst nach Fundstücken auf dem Grabbeltisch suchen, oder gleich was Neues zusammennähen. Dazu gibt’s in angenehmer Atmosphäre kleine Snacks und Getränke, der Eintritt ist frei.
Wer den Abend gemütlich angehen lassen möchte, kann sich ab 20 Uhr in die Bahnhofstraße 4 ins Koeppenhaus begeben. Hier wird die Bonner Singer/Songerwriterin Cynthia nur mit Gitarre um den Hals zeigen, was sie in ihrer Zeit als Straßenmusikerin gelernt und erlebt hat. Der Eintritt beträgt drei und fünf Euro, Beginn ist um 21 Uhr. Etwas rougher geht es zur gleichen Zeit im Jugenzentrum Klex in der Langen Straße 14 zu. Hier laden die Eisprinzessin und das Käfermädchen ab 20 Uhr zum Birthday Bash und haben laute Gäste zur Party geladen. Tonedown, First Aid (beide Berlin), Cold Front (Oschersleben), Astray (Rügen) und die Casual Bastards (Wolgast) werden zwischen berlin-fucking-hardcore, crustpunk und thrash metal variieren. Für tiefe Bässe, kratzende Gitarren und krächzende Stimmen ist also gesorgt. Der Eintritt beträgt sechs Euro und der Vorhang lüftet sich um 21 Uhr. Ab 0 Uhr bietet sich dann die Möglichkeit, die Nacht bei elektronischen Beats zu verabschieden und bis in die Morgenstunden zu feiern. Während Stürme durch die Greifswalder Straßen ziehen, propagiert das Heiter-Bis-Wolkig-Veranstaltungsteam „it’s all about the Heiterkeit“ und lädt zur Elektrosause mit Cirque Bravo, Momo+Jones und M.Michler als Wettermachern. Den Veranstaltungsort werden die Veranstalter nach einem Facebook-Add als private Nachricht versenden, behaltet also euer Profil im Auge.
Für den entspannten Übergang vom Wochenende zur stressigen Uniwoche lohnt am Sonntag ein Besuch im Greifswalder Cinestar in der Langen Straße 40-42. Fernab von Alvin und den Chipmunks oder Mission Impossible 4 zeigt das Cinestar immer sonntags und montags um 17:15 und 20:15 Uhr in seiner CineExtra-Reihe sehenswerte Filme. Dieses Wochenende beschließt eine Gruppe spiritueller Sannyasins in „Sommer in Orange“ auf einem geerbten Bauernhof in Oberschwaben ein Therapiezentrum zu errichten. Für fünf Euro gibt es eine deutsche Komödie ohne Nora Tschirner, Till Schweiger oder Micheal „Bully“ Herbig und gemütliche Kinosessel.
Zwischen den Jahren sorgten die Übergriffe ultra-orthodoxer Juden auf säkulare Bürger in Isreal und die folgenden Proteste gegen die Ultra-Orthodoxen für weltweite Schlagzeilen. Offenbar herrscht in Israel Uneinigkeit über die Vereinbarkeit und das Verhältnis von Staat und Religion. In seinem Vortrag „Die jüdische Welt heute – Strömungen und Herausforderungen“ versucht der Greifswalder Professor, Daniel Stein-Kokin, am Montag ein Porträt des Judentums im 21. Jahrhundert zu zeichnen und dessen anhaltende Identitätssuche, die sich unter anderem in den erwähnten Übergriffen und Protesten äußert, aufzuzeigen. Der Vortrag findet um 17 Uhr im Rahmen der Vortragsreihe „Universität im Rathaus“ ebenda statt.
Bilder: Grafik – Jakob Pallus; Flyer (Kabutze&Klex) – Veranstalter; Prof. Kokin – Lea Ruge