Meine Bachelorarbeit liegt in den letzten Zügen: Nicht einmal mehr zwei Wochen bis zur Abgabe. Und während ich gerade die Wahl meines Themas verfluche, schweifen meine Gedanken allmählich ab. Was passiert eigentlich danach?
Ein Freund von mir, Sascha, erzählte mir, dass er sein Uni-Zeugnis im Prüfungsamt vor kurzem abholte. Keine sonderlich freundlichen Worte gab es dort, sondern die Aushändigung war eher nüchtern-formell. Mir graut es davor, bald mein Zeugnis in dem kargen Prüfungsamtsflur zwischen: „Ich brauche neue Tans“ und „Wie war das noch mal mit der Praktikumsordnung?“ zu begutachten. Das ist nicht sonderlich feierlich. Dann erinnere ich mich zurück, wie das beim Abitur war: Es wurde ausgiebig gefeiert und gratuliert, es gab Rosen und ernst gemeinte Fragen des Chemielehrers, mit dem ich nie richtig warm wurde, was man denn mit seiner Zukunft vorhabe. Euphorisch und stolz war ich damals.
Letztes Jahr lernte ich in meinem Erasmussemester viele amerikanische Studenten kennen, die mittlerweile das Studium abgeschlossen haben. Von ihren Abschlussfeiern gibt es gefühlte einhundert digitale Fotoalben. Darauf sind meine Freunde zu sehen: Mit Talar und Barett. Vor den Universitätsgebäuden. Zufriedene Gesichter. Verwandte, die stolz lächeln. Und ich lächele stolz zurück.
Und hier? Klar, ich bin keine 18 Jahre mehr. Aber ich fände das großartig, wenn das Beenden meines Studiums irgendwie zelebriert wird. Nicht mal ein feuchter Händedruck und die Absolventenfeier irgendwann im Dezember oder so ein Absolventenring, den ich mir selbst kaufen müsste und der eher aussieht, als wäre ich Mitglied bei den Steinmetzen: Das war´ s?
Ich finde, es sollte – im Gegensatz zur Ersti-Woche – eine Abschluss-Woche geben. Dann kommen die Absolventen kostenlos in die Studentenclubs, es gibt extra T-Shirts, die man nur zum Sport oder zum Schlafen anzieht, einen Absolventen-Beutel mit Zahnbürste und Bier. Vielleicht noch mit Hartz IV-Ratgeber für Akademiker? Ich meine, zum Anfang werden die Erstis gefeiert. Nach Greifswald zu ziehen und sich für ein Studium einzuschreiben ist aber doch nicht so eine Leistung, wie es zu Ende zu bringen! Es gab Höhen und Tiefen, es gab spannende Seminare und es gab die Methoden-Vorlesung. Wie lange ich in der UB gesessen habe und dort Zeug gelernt, das nun teilweise in den hintersten Hirnwindungen versackt ist. Wie viele Muntermacher, Kopien, verzweifelte Gespräche mit Eltern und Freunden es in den vergangenen Jahren gab, kann ich auch nur nur schätzen. Aber einen Eindruck davon gibt mein Abschlusszeugnis. Und das wird gefeiert! Irgendwie. Dann kann auch die Zukunft kommen.
Foto: Gabriel Kords (Porträt), Maximilian Mühlens via jugendfotos.de, Grafik: Jakob Pallus
Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Überraschung!
Die Idee mit der Absolventen-Woche klingt natürlich interessant. Insgesamt bin ich aber froh, dass man auf Talare und Brimborium verzichtet (wobei das Rektorat und die Dekane gerne in Ihren Kostümchen auftauchen können – vielleicht wäre mal ne gepfefferte Choreographie drin?).
Am Ende ist es auch nur ein Bachelor und stilistisch ist die von der Autorin geschilderte Situation im Prüfungsamt wohl die beste Lösung.
*applaus*
Ich finde, dass ist die bisher rundeste Kolumne.
Gutes Thema, persönlich aber nüchtern abgehandelt, guter Lesefluss – ich bin begeistert.
Eine Absolventenwoche hört sich wirklich interessant an. Da könnte man was draus machen. Die Frage ist nur wer? Eine(r) nuss es organisieren und ich denke da hängt ne Menge Arbeit dran. Alternativ wäre ein Examensball eine schöne Sache. Nur dafür die Uni verantwortlich zu machen zu wollen ist fern ab der Realität. Also bleibt letztlich nur eigenes Engagement. Leider scheitert es da bei den meisten Studenten (Absolventen). Das sieht man leider schon bei der aktiven und passiven Wahlbeteiligung für studentische Gremien.
Allerdings gibt es das Bestreben nach einem feierlichen Abschluss des Studiums. Organisiert von den angehenden Absolventen, unterstützt durch Profs und mitfinanziert durch private Unternehmen. So seit längerer Zeit üblich bei den Lehramtsstudenten der Uni Rostock. Das hat sich im Laufe der Jahre zu einer festen Institution entwickelt und ist durchaus würdig nachgeahmt zu werden.
Viele Grüße
Der Steimetz