Sophie Lagies (22) schreibt seit über zwei Jahren für das moritz-Magazin, und leitet dort seit Ende letzten Jahres das Ressort "Feuilleton". Die Wahl ihrer Studienfächer Musikwissenschaft & Anglistik/Amerikanistik zeigt ihr Interesse an Kultur und Sprache. Bis 2008 lebte sie im Provinzstädtchen Wittenburg bei Hamburg.

Nun ist sie da, die Postfusiondepression. Der Alltag schlägt einem mit voller Breitseite ins Gesicht, die Prüfungen stehen auf der To-Do-Liste und das Praktikum will auch nebenbei noch erledigt werden. Gewohnt wehmütig und geradezu traurig blickt die Anhängerschaft des Ferienkommunismus, der vergangenes Wochenende sein 15. Jubiläum zelebrierte, auf das Fusion Festival zurück.

Vielleicht ist es dem einen oder anderen Greifswalder ja aufgefallen, wie seltsam leer die Stadt in den letzten Tagen war. Denn ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass halb Greifswald auf dem Festival in Lärz (bei Neustrelitz) war. Ich selbst war beispielsweise Teil eines riesigen Fusioncamps mit über dreißig Greifswaldern, auch an der Oase gab es allerhand Greisfwalder Gesichter zu erspähen. Jeden Tag wurde getanzt, die Nächte wurden durchgemacht.

Wir trotzten dem Regen und Matsch, der uns von Freitag bis Montag malträtierte, indem wir wunderschöne Tütenkostüme entwarfen, unsere Schuhe in Müllsäcke eintüteten und uns nach der Dusche in der Oase mit nicht trocknen wollenden Handtüchern nebelfeucht wischten. So ein Wetter habe ich auf der Fusion noch nie erlebt, jedes Kleidungsstück war klamm und voller Schlamm. Die Zelte liefen über und brachten uns zur Verzweiflung.

Doch abseits dieser Unwetterstrapazen wurden wir mit zauberhafter Musik von beispielsweise Miss Li, Bodi Bill, Mogwai oder Alle Farben beglückt. Die zahlreichen Bühnen waren stets gut gefüllt, die Fusiongemeinde schlug dem Wetter ein Schnippchen. An jeder Ecke gab es neue Attraktionen zu bestaunen: eine meterhohe Murmelbahn mit einer Diskokugel, feuerspuckende Raketen, Blitze, eine gigantische aufblasbare Schwimmente oder atemberaubende Lichtshows. Diese Sinneseindrücke rauben mir jedes Jahr aufs Neue den Verstand und ziehen mich immer wieder lärzwärts. Doch diese Euphorie verursacht im Nachhinein auch große Melancholie bei den Fusionisten. Plötzlich scheint alles so farblos, so still, so bedeutungslos.

Die neu dekorierte Tanzwiese war die Attraktion der diesjährigen Fusion.

Diese innere Leere beziehungsweise Postfusiondepression können wohl nur die über 53.000 Festivalbesucher verstehen, denn sie haben den besonderen Charme dieses Festivals am eigenen Leibe gespürt, das Wetterchaos überlebt und waren Teil der Gemeinschaft.

Wer jetzt mit dem Lieblingssatz kommt „früher war das alles ganz anders auf der Fusion, da waren die Leute wenigstens noch alternativ“ – dem sei gesagt: Wen interessiert das eigentlich? Spaß ist doch, was du draus machst! Und, wenn du dich mit den Atzen und Modepüppies umgibst, ist das deine Schuld. Ich fand es auch zum dritten Mal unglaublich schön. Dieses Festival ist energieraubend und energiegebend zugleich. Aber jetzt muss ich mich den Aufgaben des Alltags stellen und kann nur noch in Erinnerungen schwelgen. Mein Herz liegt in Lärz, und in 360 Tagen beginnt für viele Greifswalder wieder die schönste Zeit des Jahres. – Fusion, wir sehen uns wieder.

Foto: Gabriel Kords (Porträt), Sophie Lagies

 

Dieser Text ist Teil des webMoritz-Projekts „fünf x fünf – Die Kolumne“. Vom 20. Juni bis 22. Juli schreiben werktags fünf Autoren an je einem festen Tag eine Kolumne für den webMoritz. Weitere Infos gibt es hier. Morgen ist an der Reihe: Oliver Wunder.