Einem der wichtigsten studentischen Vereine droht eine ungewisse Zukunft. Die Raumproblematik des Studententheaters spitzt sich weiter zu. Falls keine schnelle Lösung gefunden wird, fallen kulturelle Beiträge weg.
Das Studententheater (StuThe) existiert seit dem Jahre 1995 und entstand in Folge der Einstellung des Modellstudiengangs „Darstellendes Spiel“. Trotz der großen Beliebtheit, der Professionalität der Nachwuchsschauspieler und der internationalen Tätigkeit des studentischen Vereins sei die Geschichte vom Theater „eine permanente Umzugsgeschichte“, meint der Präsident des Studierendenparlamentes (StuPa), Erik von Malottki. „Das StuThe bekam von der Universität Räume zur Verfügung gestellt, die aber dann, sobald die Uni die Räume für Vorlesungen oder Seminare brauchte, wieder verloren gingen. Daraufhin wurden dem StuThe erneut neue Räume zur Verfügung gestellt.“
Die Palette an Orten war weit gefächert, sie reichten von der Makarenkostraße über die Stralsunder Straße 10 bis hin zur jetzigen Probestätte in der Falladastraße. Franz Küntzel, Referent für Hochschulpolitik beim Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA), erklärt dazu: „Das Problem ist, dass Greifswald allgemein keine adäquaten Räume hat, wo man das StuThe unterbringen könnte. Man müsste die einsturzgefährdeten Häuser sanieren oder Häuser neu bauen.“ Noch gehört das Haus in der Falladastraße 2 der Universität. Doch diese wird das Gebäude zum Januar 2011 hin an das Land Mecklenburg-Vorpommern, genauer gesagt an den Betrieb für Bau und Liegenschaften (BBL), zurückgeben.
Das Theater allerdings würde die Probestätte gerne behalten. Denn das StuThe braucht einen Saal und möglichst zwei Proberäume, einen Fundus, eine Werkstatt, Garderobe, Räume für die Technik und ein Büro, um qualitativ gute Arbeit leisten zu können. „Das Haus ist wirklich gut, weil es relativ zentral liegt. Was Zentraleres in der Größe findet man wahrscheinlich nicht“, bemerkt Ulrike Kurdewan, stellvertretende Vorsitzende des StuThe. Allerdings ist das Gebäude sehr baufällig, da es lange Zeit leer stand. Es gibt Löcher in den Decken und in vielen Räumen schimmelt es. Eine Sanierung und baurechtliche Sicherung ist deswegen unumgänglich. Noch gibt es kein offizielles Gutachten des BBL, die ersten Schätzungen bewegen sich zwischen 10700 und 250000 Euro.
Die jetzige Situation ist für den Vorstand und die Mitglieder des Theaters eine enorme Belastung. Es wird oft umgebaut oder umgeräumt, sodass die Schauspieler von ihren Proben abgehalten werden. Der große Unsicherheitsfaktor und die ständigen Diskussionen über den weiteren Verbleib erschweren den Theaterbetrieb zusätzlich. „Das macht die Leute mürbe“, meint Jens Leuteritz, seit August 2010 Vorsitzender des Theaters, dazu. Ein Teil der Ausstattung, der nicht in der Falladastraße, sondern im Keller der Mensa gelagert wurde, ist durch einen Wassereinbruch zerstört worden. Das gleiche Risiko gilt zurzeit auch in der Falladastraße, was eine Sanierung umso wichtiger macht.
Falls das StuThe in dem Gebäude verbleiben könnte, würde der Verwaltungsrat des Studentenwerkes eine Anschubsfinanzierung von ungefähr 20000 bis 30000 Euro ermöglichen. Es gibt nur einen Zukunftsplan, welcher in fünf bis zehn Jahren aber erst ermöglicht werden kann, wenn eine neue Mensa in der Loefflerstraße eröffnet werden soll. Laut Erik von Malottki soll die jetzige Mensa am Schießwall in ein kulturelles Zentrum umgebaut werden, in das auch das StuThe ziehen soll. „Über die fünf bis zehn Jahre müsste der Verein in der Falladastraße bleiben, damit die bestehenden Strukturen nicht verloren gehen, da der Aufbau danach viel Geld und Zeit kosten würden“, erklärt Franz Küntzel.
Seit mehreren Jahren stehen der AStA und das StuPa dem Theater schon zur Seite. Doch aufgrund der Dringlichkeit und dem Ernst der Lage ist die Zusammenarbeit nun enger und regelmäßiger geworden. „Dadurch soll eine bessere Vernetzung und produktivere Arbeit gewährleistet werden“, betont von Malottki. Es erfolgte ein ständiger Informationsaustausch zwischen den einzelnen Parteien, so Jens Leuteritz. Vor allem bei der Öffentlichkeitsarbeit wolle der AStA dem StuThe zur Seite stehen, meint Küntzel. Ziel sei es, zuerst den Studenten, dann der Stadt und zu guter Letzt auch dem gesamten Land MV zu zeigen, wie schlecht es um den Verein steht.
Durch die landesweite Aufmerksamkeit soll so Druck auf den BBL ausgeübt werden. Es gibt bereits eine Unterschriftenliste mit mindestens 3000 Unterzeichnern, die sich für den Erhalt des Theaters einsetzen. Ein Fernsehbeitrag für Greifswald TV, in dem das Theater sich und seine Arbeit den Greifswalder Bürgern vorstellen will, ist geplant. Des Weiteren baut man auf die Versammlung der Greifswalder Bürgerschaft Mitte Dezember, bei der ein Beschluss verfasst werden soll, der die Unterstützung der Bürgerschaft und dementsprechend der Stadt zeigt. Das Theater, StuPa und der AStA arbeiten derzeit auch an einem Zukunftskonzept, das Leistungen des Theaters zeigen soll, aber auch wie die Falladastraße genutzt wird und wie die Kosten für den Theaterbetrieb gedeckt werden sollen.
Bei der Vollversammlung am 8. Dezember wird das StuThe ebenfalls Thema sein. Falls dies alles nicht helfen sollte, steht das Theater vor einem Problem, denn es gibt keine Aussicht auf weitere Räume. Das Ende der Proben und damit auch das Ende des Theaters wären die Folgen. Bedeutende Bestandteile wie das „Open Mic“, der Improvisationsgruppe „Improsant“ würden wegfallen. Auch die Grypsnasen e.V., welche die Räume der Falladastraße ebenfalls nutzen, wären dann ohne Bleibe. Wichtige Projekte, beispielsweise das Rede- und Gesprächstraining oder die Patientensimulation in Zusammenarbeit mit der medizinischen Psychologie, wären ebenfalls nicht mehr realisierbar. Internationale Zusammenarbeiten mit Stettin, Kaliningrad oder Trondheim gäbe es auch nicht mehr, genauso wenig wie die lokalen Projekte mit verschiedenen Schulen oder Jugendzentren.
Doch soweit wollen es die Mitglieder des Theatervereins nicht kommen lassen. Obwohl das StuThe ein von der Universität unabhängiger Verein ist, hofft man auf Unterstützung der Universität. Doch dort stößt man anscheinend auf Widerstand. Es sollen sich einige Mathematik-Naturwissenschafts-Professoren im Senat beschwert haben, dass die Verantwortung nicht auf ihrer Seite liege und es nicht in ihren Aufgabenbereich falle, für die Unterbringung des StuThe zu sorgen. Dabei hat sich die Universität im Dezember 2009 durch einen Senatsbeschluss dazu verpflichtet, dem Theater passende Proberäume zur Verfügung zu stellen.
Auch im Landeshochschulgesetz heißt es im Paragraphen 3 Absatz 1: „Sie [die Hochschulen] gestalten das öffentliche Kulturleben mit.“ Jedoch habe man das Gefühl, dass die Uni Kultur nur mit Einschränkungen fördert, so Jörn Sander, ehemaliger Vorsitzender des Theaters: „Und diese Einschränkungen sind existenzgefährdend für das StuThe.“ Wogegen Jan Meßerschmidt, Pressesprecher der Uni, zur Frage, ob allgemein an kulturellen Angeboten gespart wird, sagt, „dass es trotz des Auftrages des Landeshochschulgesetzes kein zentrales Programm dafür gibt.“ Die Universitätsleitung unterstützt seit Jahren andere Veranstaltungen, wie die Bachwoche oder den Nordischen Klang. Außerdem wurden Angebote der Kustodie ausgebaut und einige Professoren, Direktoren und Studenten würden ehrenamtlich das kulturelle Leben durch Projekte und Vereine, die aus Lehrveranstaltungen entstehen, mitgestalten.
Daher „sei keinesfalls davon zu sprechen, dass die Universität kulturelle Angebote in irgendeiner Weise kürzt“, heißt es weiter von Meßerschmidt. Die Universitätsleitung setzt sich nun dafür ein, dass das Land die Räume in der Falladastraße dem StuThe unter privilegierten Bedingungen – wie beispielsweise eine geringere Miete – zur Verfügung stellt. Allerdings ist bis dato noch nicht bekannt, welche Planungen der BBL mit den Räumlichkeiten hat. Franz Küntzel wünscht sich ein öffentliches Statement von Rektor Rainer Westermann, denn damit zeige man der Landesregierung, dass das StuThe auch der Universität wichtig sei.
Die Chancen werden trotzdem als hoch eingeschätzt, dass das StuThe die Räumlichkeiten behalten kann. Grund dafür sind wohl die Landtagswahlen im nächsten Jahr. Sowohl der Kandidat der SPD, Erwin Sellering, als auch der CDU-Kandidat Egbert Liskow sollten dem StuThe gegenüber positiv gestimmt sein. „Wir hoffen, dass Erwin Sellering als Schirmherr der Grypsnasen und Egbert Liskow als Bürgerschaftspräsident hinter dem StuThe stehen“, berichtet Erik von Malottki. Durch verstärkte Mithilfe des StuPa und des AStA gilt es nun für das StuThe bis Januar Überzeugungsarbeit zu leisten und Druck auf das Land aufzubauen.
Bis Januar sollte feststehen, wofür das Land die Räumlichkeiten in der Falladastraße benutzen will und bis dahin hofft man auf positive Nachrichten für das StuThe. Denn was wäre ein Theater ohne Proberaum und Greifswald ohne das studentische Theater? Eine dauerhafte Lösung für die Probestätte der Schauspieler, nach 15-jähriger Ein- und Auszugsgeschichte des StuThes, sind wünschenswert.
Ein Bericht von Irene Dimitropoulos und Katrin Haubold mit Photos von Christine Fratzke und Patrice Wangen.