Ein Beitrag von Jessica Reimann
Ein kleiner unmöblierter Raum, Wände und Boden sind kahl. Und doch ist das ganze Haus mit Leben gefüllt. In der Ecke steht ein Mädchen an einer Tafel und zeigt nacheinander auf die Buchstaben des Alphabets. Außer ihr befinden sich noch circa 20 andere Kinder im Raum. Sie sitzen auf dem Boden und sprechen im Chor die Buchstabenlaute nach.
Bis vor ein paar Monaten gab es das alles noch nicht. Der Raum war leer und die Kinder arbeiteten, um ihre Familien zu unterstützen. Die Insel Sri Lanka im Indischen Ozean verbinden die meisten wohl zuerst mit weißen Sandstränden, exotischen Tänzerinnen, Buddhismus und Ayurveda.
Andere denken zuerst an die Flutkatastrophe zu Weihnachten 2004. Eine riesige Flutwelle forderte damals 35.000 Menschenleben und stürzte vor allem die Küstenregionen ins Chaos.
Vincen Francis Jesudasan verbrachte dort seine Kindheit und überlebte gemeinsam mit einer Familie aus Rostock, die ihm später das Studium ermöglichte, den Tsunami. Seit 2005 ist er Student der Psychologie an der Universität Greifswald.
Er betont jedoch, dass nicht die Flutkatastrophe, sondern der jahrelang andauernde Bürgerkrieg zwischen den ethnischen Gruppierungen Singhalesen und Tamilen, das weitaus größere Problem der srilankischen Bevölkerung ist.
Bürgerkrieg ohne Krieger
Eine Gruppe von Menschen mit furchtverzerrten Gesichtern waten durch einen Fluss, dessen Wasser ihnen bis zur Brust reicht. Mütter tragen ihre Kinder auf den Schultern, um sie unbeschadet ans andere Ufer zu bringen. Sie sind auf der Flucht. An einem anderen Ort, nicht weit entfernt liegen Kinder, deren Wunden nur notdürftig verbunden sind, auf einer blauen Plastikplane. Ein Kind schreit vor Schmerzen. In dieser provisorischen Krankenstation zusammengedrängt warten sie auf Hilfe. Bis vor einem Jahr gehörten diese Bilder zum Alltag in Sri Lanka.
Seit über 30 Jahren herrschte dort Bürgerkrieg zwischen den Singhalesen und Tamilen. Während die Singhalesen mit 74 Prozent Bevölkerungsanteil die große Mehrheit darstellen, handelt es sich bei den Tamilen um eine Minderheit im Nordosten Sri Lankas.
Tamilische Separatisten forderten einen unabhängigen Staat, welcher jedoch von der Regierung strikt abgelehnt wurde. Der Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen ist vor allen auf kulturellen Unterschieden begründet.
Ein Hauptproblem besteht darin, dass die beiden Volksgruppen unterschiedliche Sprachen sprechen und es ihnen somit fast unmöglich ist, miteinander zu kommunizieren und ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Als im Mai 2009 der Anführer der tamilischen Separatisten Velupillai Prabhakaran getötet wurde, erklärte der Präsident Sri Lankas Mahinda Rajapaksa den Bürgerkrieg offiziell für beendet. Die Verständigungsschwierigkeiten und Konflikte zwischen den Parteien wurden jedoch nicht gelöst.
Kinder sind der Schlüssel zu nachhaltigem Frieden
Doch genau das hat sich Vincen Francis Jesudasan zur Aufgabe gemacht. Er will einen kleinen Beitrag zum Frieden in seiner Heimat Sri Lanka leisten.
Anfang dieses Jahres folgte er dem Hilferuf seiner Schwester, die weiterhin die Lage im Land miterlebt, und machte sich auf den Weg nach Sri Lanka. Dort entschied er sich, einen ersten Schritt zu machen und hatte die Idee von einer Bildungseinrichtung für Kinder jeden Alters und jeder ethnischen Herkunft.
Ziel soll es sein, eine Begegnungsstätte zu etablieren, in der singhalesische Kinder mit tamilischen spielen, die Sprache des anderen lernen und Freundschaft schließen können.
Seine Gastfamilie und Freunde lieferten das nötige Startkapital dafür. „Wir wollen einen kleinen Beitrag leisten durch Bildung Frieden im Land zu ermöglichen. Wir legen besonderen Wert darauf, dass die Kinder, die wir unterrichten, die Sprache des anderen lernen“, sagt Vincen Francis mit Überzeugung.
Seine Augen glänzen, als er von den bisherigen Erfolgen seines Hilfsprojektes in Sri Lanka erzählt: „In 17 Dörfern können wir bisher Förderunterricht anbieten. Von Montag bis Freitag für zwei Stunden am Nachmittag. 1167 Kinder sind es inzwischen.“
Der Psychologiestudent achtet darauf, dass sparsam mit den Spendengeldern umgegangen wird. So ließ er nicht neue Häuser bauen, sondern hat Menschen im Land gefunden, die ihre leer stehenden Häuser zur Verfügung stellen.
Unterrichtet werden die Schüler überwiegend von Frauen, die ihr Abitur oder Studium abgeschlossen haben und durch die Arbeit im Projekt eine Alternative zur frühen Heirat haben. Über diese bezahlten Arbeitskräfte hinaus, konnte er weitere 50 ehrenamtliche Helfer in Sri Lanka von seiner Idee überzeugen.
S.T.E.P.S. of forgiveness
Zurück in Greifswald machte er sich daran, das Projekt auf solide Beine zu stellen. Gemeinsam mit der Medizinstudentin Dicnapiyance Gonsalvas, die selbst vor 25 Jahren mit ihren Eltern vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen war, und seiner Gastmutter, gründete er den Verein S.T.E.P.S. of forgiveness.
„Wir wollten das Projekt von Deutschland aus am Leben erhalten“ begründet Dicnapiyance die Entstehung des Vereins. Der Name des Vereins steht für die vielen kleinen Schritte, die man gehen muss, um einander vergeben zu können.
Mittlerweile besteht der Verein aus acht Mitgliedern, die mit Ausnahme der Gastmutter alle Studenten der Universität Greifswald sind. „Wir sind ein junger Verein mit einer großen Vision und brauchen dringend Unterstützung“, betont die Medizinstudentin Dicnapiyance, „Wir versuchen gerade unsere Arbeit professionell und strukturiert aufzubauen.“
Das Projekt mit Geld- oder Sachspenden unterstützen
Benötigt wird in erster Linie Geld. Wer die aktuelle Weihnachtsaktion „Eine Schultüte für 12 Euro“ unterstützen möchte, versorgt ein Kind in Sri Lanka für ein Tertial (Januar bis April) mit allen benötigten Schulmaterialien. Zum Start des nächsten Schuljahres soll ein Einschulungsfest stattfinden, an dem sich die Kinder kennen lernen können und ihnen ihre Schultüten überreicht werden.
Für 15 Euro kann außerdem eine Lehrkraft einen Monat lang bezahlt werden. Dafür werden dringend Paten gesucht, die über längere Zeit eine solche Stelle finanzieren wollen.
Aber auch ohne Geld kann geholfen werden: Gerne werden Sachspenden, wie alte Computer und Nähmaschinen, Drucker, Kopierer, Schultaschen und alles, was man im Unterricht gebrauchen kann, entgegengenommen. Vincen Francis Jesudasan möchte mit seiner Arbeit eine Botschaft in die Welt senden: „Wir müssen alle lernen dem anderen zu vergeben und jeder kann seinen Teil dazu beitragen.“
Fotos: Vincen Francis Jesudasan
Kontaktdaten:
www.steps-online.org
03834-412159 oder 0176-40258333
S.T.E.P.S. of forgiveness e.V.
Postfach 1131
17464 Greifswald
Spendenkonto:
S.T.E.P.S. of forgiveness e.V.
Konto: 100 150 705
BLZ: 150 50 500
Sparkasse Vorpommern