Was „die da oben“ in Schwerin oder Berlin entscheiden, wenn der Land- oder Bundestag tagt, ist ungefähr bekannt. Die Entscheidungen finden sich in Zeitungen und Fernsehnachrichten wieder, es geht um Bankenstabilisierungen, Abwrackprämien und Studiengebühren. Doch was die Parlamente auf den übrigen Ebenen, die Kommunalparlamente und das Europaparlament machen, bleibt weitestgehend unbeachtet. Beim Europaparlament fällt einem noch die Geschichte mit der Bananennorm ein. Und man hat das diffuse Gefühl, dass in Straßburg und Brüssel wichtige Entscheidungen getroffen werden, die wir nicht mitbekommen. Das Kommunalparlament aber hat Befugnisse, die über das Bestimmen der Bordsteinkantenhöhe hinausgehen.

Wer wählt was? Mit der Kommunalwahl wird alle fünf Jahre die Bürgerschaft – also die Gemeindevertretung – von Greifswald gewählt. Auf die 43 Plätze für Abgeordnete können Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerbern, die ihr 18. Lebensjahr vollendet haben, kandieren. Wählen darf jeder, der 16 Jahre alt ist, einen deutschen Pass oder den eines anderen EU-Mitgliedsstaates und seinen Hauptwohnsitz in Greifswald hat.

Wann wird gewählt? Die Wahl findet am 7. Juni 2009 statt. Die Wahllokale haben von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Wer kann gewählt werden? Dieses Jahr stehen die CDU, SPD, FDP sowie die GRÜNEN und die LINKE zur Wahl, daneben auch die Bürgerliste Greifswald sowie die Freien Wähler Greifswald/Vorpommern. Außerdem gibt es zwei Einzelbewerber: Heiko Lange und Peter Tornow.

Nazis auch? Nazis können auch wählen gehen, aber man kann keine Nazis wählen. Denn es wurde – von vielen mit Erleichterung – festgestellt, dass die NPD, scheinbar aus Mangel an fähigen Führungspersönlichkeiten, dieses Jahr nicht in Greifswald kandidiert.

Lohnt sich wählen? Was wird auf kommunaler Ebene überhaupt entschieden? Zum einen kann in der Bürgerschaft über alle Belange der stadteigenen Betriebe entschieden werden. Diese sind neben der Wohnungs- und Verwaltungsgesellschaft Greifswald (WVG), die Stadtwerke, das Bildungszentrum Greifswald und ebenso wie das Theater Vorpommern, an dem die Stadt Greifswald beteiligt ist. Darüber hinaus sitzt die Stadt im Stiftungsrat des Pommerschen Landesmuseums. Jenseits dieser Beteiligungen hat die Stadt einen Haushalt, der vor allem in den Bereichen „Infrastruktur“ und „Soziales“ relevant ist.

Das heißt konkret? So sind bei dieser Wahl auch wieder Themen aus diesen Bereichen die Hauptthemen: Vor allem eine Verbesserung der Bildungsangebote, sowie der Bau von Radwegen ist im Gespräch. Außerdem geht es um verschiedene Konzepte für die WVG: Die CDU plant weiterhin einen Anteilverkauf, die LINKE wirbt unter dem Stichwort „Stadtentwicklungsgesellschaft“ für eine Zusammenlegung von WVG und Stadtwerken. Von der FDP wird die Frage der Kreisgebietsreform gestellt. Im Zuge dieser verlöre Greifswald seine Kreisfreiheit an den neuen Kreis „Südvorpommern“.

Wo wird gewählt? Greifswald wählt in fünf Wahlbereichen. Wahlbereich 1 umfasst die Innenstadt, Fleischervorstadt und nördliche Mühlenvorstadt. Zum Wahlbereich 2 gehört die südliche Mühlenvorstadt, die Fettenvorstadt, die Stadtrandsiedlung und Riems. Im Wahlbereich 3 wählen die Bewohner des Ostseeviertels, von Ladebow/Wieck, Eldena und Friedrichshagen. Der Wahlbereich 4 erstreckt sich über Schönwalde I und die Südstadt, und Wahlbereich 5 auf Schönwalde II und Groß Schönwalde. Wo sich das Wahllokal befindet, steht in den Wahlunterlagen, die jedem Wahlberechtigten per Post zugestellt werden. Wer am 7. Juni 2009 nicht in Greifswald weilt, kann im Internet Briefwahlunterlagen anfordern.

Online www.greifswald.de/politik/wahlen/briefwahl.html

Autor: Peter Schulz

Am 7. Juni 2009 finden erneut die Wahlen zum Europäischen Parlament und für die Greifswalder Bürgerschaft statt. Und so wirft moritz einen kurzen Blick auf die anstehende Kommunalwahl, um eine Antwort darauf zu anzubieten, weshalb es sinnvoll ist, auch als Hochschulangehöriger zur Wahl zu gehen.

Warum sollten sich gerade Studenten an der Kommunalwahl beteiligen?

Zumindest eine Antwort liegt auf der Hand: Um Interessen durchzusetzen. Denn was alle Bürger der Hansestadt betrifft, geht Studierende und Hochschulangehörige im besonderen Maß etwas an: niedrige Wohnraum- und Nebenkosten, günstige und flexible Kindergartenangebote, ein breites Kulturangebot und bezahlbare Energiepreise.

Gerade in einer Stadt wie Greifswald, in der auf rund 54.000 Einwohner etwa 12.000 Studierende kommen, sollten Hochschulangehörige die Möglichkeit wahrnehmen, „ihre“ Stadt so zu formen, dass der Lebenswert den Erwartungen entspricht.

Dies wird in diesem Jahr besonders dadurch begünstigt, dass die am meisten diskutierten Themen auch Studierende unmittelbar betreffen, beispielsweise die Stärkung des ehrenamtlichen Engagements. Dieses bezieht sich konkret auf die Aufrechterhaltung des klex und anderer Jugendtreffpunkte sowie des IKuWo. Das Wahlprogramm der Grünen beschreibt das Vorhaben mit den Worten „Kultur als kreativer Motor“. Im Mittelpunkt vieler Studenteninteressen steht ebenfalls der Erhalt der StraZe, dem traditionsreichen Gebäude in der Stralsunder Straße 10. Oder auch bezahlbare Schwimmbadpreise.

Im Mittelpunkt der Wahlprogramme stehen diese Themen allerdings nicht, relevant sind hier eher der Ausbau von Radwegen, sowie eine Stärkung der Bildungs- und Sporteinrichtungen, von der auch Hochschulangehörige profitieren. Vorausgesetzt, ihre Wahl fällt auf die richtigen Kandidaten. Außerdem sollen weitere Anreize zum Anmelden von Hauptwohnsitzen geschaffen werden. Die Jusos wollen den Studierenden, die in Greifswald ihren Erstwohnsitz anmelden, ein Studium ohne Semesterbeiträge ermöglichen.

Dass die Kommunalwahlen sich auf einer sehr nahen politischen Ebene abspielen, ist von Vorteil. Denn die Themen und Kandidaten sind greifbar und teils auch persönlich bekannt, zumal zahlreiche Studierende auf den Listen der Parteien antreten. Unter den 75 Kandidaten sind insgesamt 15 Studierende: Sieben Kandidaten von der SPD, drei von der CDU, sowie drei Grüne und zwei von der FDP. Die NPD tritt übrigens zur Erleichterung vieler gar nicht in Greifswald an.

Kann jemand, der nebenbei studiert, gute Politik machen?

JU-Kreisverbandsvorsitzender und BWL-Student Franz-Robert Liskow, der für den Wahlbereich 3 (siehe Infokasten) antritt, sieht jedenfalls kein Zeitproblem. Im Gegenteil, er nutzt sein Studium sogar zu seinem Vorteil, denn hierdurch sei er „sehr flexibel, wenn es darum geht, Termine zu vereinbaren“. Auch dass er erst 22 Jahre alt ist, schreckt ihn nicht ab. Denn er hat es sich zu seinem Ziel gemacht „als junger Mensch eine etwas andere Sichtweise in die Bürgerschaft“ einzubringen.

Durch sein Engagement hofft der Filius des Bürgerschaftspräsidenten und Landtagsmitglieds Egbert Liskow, Greifswald größeren Lebenswert zu bescheren. Das will er erreichen, indem er sich auf die Themen Jugend, Sport und Finanzen konzentriert.

In seinem öffentlich einsehbaren Mitgliedsprofil bei StudiVZ stellt sich Liskow jr. derweil bemerkenswert dar. In einer Gruppe mit dem Namen „Aus-Prinzip-mit-dem-Auto-zur-Uni-Fahrer, denn ich hab‘s ja!“, ist der angehende Interessenvertreter für kommunale Sportpolitik seit längerem Mitglied. Bei den minderjährigen Wählern punkten kann er dagegen sicherlich mit der Gruppe namens „Das einzige was man im Leben braucht sind richtig geile Felgen“. Sogar bei Twitter (http://twitter.com/franzl87) ist er aktiv und urteilt am 23. April 2009: „Ortsverbandssitzung ist wie Kindergarten“. Ob sich die Meinung seiner Gruppe „Ich muss nicht duschen, ich bade im Erfolg“ nun auch bei den Kommunalwahlen bewahrheitet, wird sich etwa zwei Wochen herausstellen.

David Wulff (FDP), der zugleich als einziger Vertreter der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) im Studentenparlament sitzt, möchte ebenfalls den Greifswalder Studierenden eine Stimme in der Gemeindevertretung bieten. Da ungefähr 20 Prozent der in Greifswald lebenden Menschen Studenten seien, sei die Bürgerschaft für Studenten ein äußerst wichtiges Gremium, so Wulff.

Und Eric Hartmann – Kandidat der Jusos – gibt zu, viel mit seiner Zeit zu „jonglieren“. Doch hat er seine Prioritäten gesetzt. „Ich könnte nicht ruhig damit leben, wenn ich wüsste, dass ich Chancen zumindest einen kleinen Teil der Welt ein wenig zu verbessern, habe verstreichen lassen“, erläutert Hartmann. Deswegen setzt sich der Student auch verstärkt für ein Politikverständnis welches „auf Einbindung der Bürgerinnen und Bürger basiert“ ein. Außerdem strebt der Politikwissenschaftsstudent eine Fahrradmagistrale „Innenstadt – Neuer Campus – Kiste“ an und fordert, dass städtische Einrichtungen verstärkt auf die studentischen Bedürfnisse eingehen sollten. Auch für seinen Parteigenossen Stephan Schumann ist es besonders wichtig, durch politisches Engagement etwas erreichen zu können. Der Lehramtsstudent setzt sich für eine Verbesserung der öffentlichen Verkehrsmittel ein und verspricht: „Dabei wird es nicht bleiben.“

Rund ein Drittel, also etwa 4.000 der Greifswalder Studenten haben ihren Erstwohnsitz vor Ort gemeldet – eine der wenigen Voraussetzungen, um bei der Wahl mitzuentscheiden. Diese 4.000 machen ungefähr zehn Prozent der Wahlberechtigten, aber rund ein Viertel der Wahlteilnehmer aus. Die Kandidatenlisten sind gut gefüllt mit Vertretern der Hochschule. Beispielsweise tritt Strafrechtsprofessor Wolfgang Joecks für die SPD, sowie der erimitierte Manfred Matscke für die FDP an. Manche von ihnen sitzen also in der Vorlesung neben einem und andere wiederrum nehmen den Platz am Rednerpult ein.

Darüber hinaus ist aber die Liste der Akademiker sehr lang; vertreten wird sie beispielsweise durch Zahnarzt Sebastian Ratjen und Geologe Jörn Kasbohm. Berücksichtigt man nach den akademischen Lehrkräften und den studentischen Kandidaten auch die vielen Lehrer und Lehrerinnen, scheint sich generell das halbe Greifswalder Bildungswesen auf den Kandidatenlisten zu tummeln.

Im Juni 1994 lag die Wahlbeteiligung noch bei 63 Prozent. Schon bei der nächsten Wahl 1999 sank sie auf 44,4 Prozent. Die CDU verlor in den zehn Jahren bis 2004 3,1 Prozent, die SPD gewann 3,4 Prozent. Die PDS (heute: die.Linke) verlor allerdings 6,7 Prozent. Nur die FDP konnte ihr Ergebnis von verschwindend geringen 1,3 Prozent auf magere 5,5 Prozent vervierfachen.

Gewissensfrage

17.054 Wahlberechtigte haben 2004 in Greifswald ihre Chance zur Mitbestimmung wahrgenommen. Wenn nur 4.000 Hochschulangehörige für sich und ihre Nachfolger bessere Radwege, studentenfreundlichere Kindergärten, ein günstiges Schwimmbad und den Erhalt und Ausbau der Stralsunder Straße 10 fordern, können sie bei der kommenden Kommunalwahl massiv darauf Einfluss nehmen, wie hochschulfreundlich Greifswald wird.

Vorausgesetzt, die angehenden Interessenvertreter erkennen diese Forderungen und der sonntägliche Gang zum Wahllokal erscheint dem Wähler nicht zu aufwendig. Wollen Greifswalder Studenten und Universitätsmitarbeiter vor Ort etwas verändern, müssen sie am 7. Juni 2009 aktiv werden – bei der letzten Kommunalwahl 2004 betrug die Wahlbeteiligung in Greifswald nur 38,5 Prozent. Vielleicht entscheiden in den kommenden fünf Jahren dann diejenigen in der Bürgerschaft, die man zuvor nur aus Vorlesungen und Seminaren kannte.

Ein Artikel von Anna Seifert, Josephin Hartmann und Arik Platzek