Auf der Senatssitzung am Mittwoch sollten eigentlich zwei neue Prorektoren gewählt werden. Doch das Unterfangen scheiterte dramatisch.

Die Prorektoren gehören als Teil des Rektorats zu einflussreichen Personen der Universität. Die Prorektoren der Universität werden für zwei Jahre vom erweiterten Senat (36 Senatoren: 12 Professoren, 12 Mitarbeiter, 12 Studenten) in geheimer Abstimmung gewählt.

Greifswalder Senat

Senat - Archivbild

Wie üblich stellte Rektor Prof. Rainer Westermann in der Novermber-Sitzung des Senats zwei Kandidaten vor.

  • „Der bisherige Prorektor, Prof. Dr. Michael North (Historiker), stellte sich zur Wiederwahl.
  • Der bisherige Prorektor Prof. Dr. Wolfgang Joecks (Jurist), verzichtet auf eine weitere Amtszeit.
  • Dafür stellte sich erstmals Prof. Dr. Jan-Peter Hildebrandt zur Wahl. Er ist seit April 1999 an der Universität Greifswald. Der Lehrstuhlinhaber für Physiologie und Biochemie der Tiere am Zoologischen Institut ist seit 2006 Sprecher der Fachrichtung Biologie.“ (Textquelle: Unipressestelle)

Wahl missglückt:

  1. Zwar wurde Prof. North problemlos mit großer Mehrheit gewählt, nahm die Wahl jedoch nicht sofort an. Er wolle nur im Team mit Professor Hildebrandt das Amt annehmen.
  2. Professor Hildebrandt jedoch erreichte in der geheimen Wahl nicht die notwenige Mehrheit von 19 Stimmen. Tatsächlich entschieden sich 19,5 Stimmen* gegen sich und 15,5 Stimmen* für ihn (bei einer Enthaltung).
  3. Nach einer kurzen Beratung der Dekanen, sprachen sie sich dafür aus, eine zweite Wahlrunde durchzuführen.
  4. Bei dieser erreichte Hildebrandt aufgrund einiger Enthaltungen eine leichte Mehrheit der abgegebenen Stimmen (Ja: 17,5; Nein: 16,5; Ent.: 2), jedoch erneut nicht die notwendigen 19 Stimmen.
  5. Angesichts der Möglichkeit im dritten Wahlgang mit einfacher Mehrheit gewählt zu werden [das heißt, er muss mehr ja als nein Stimmen erhalten und Enthaltungen werden nicht mitgezählt], stellte sich Hildebrandt einem dritten Wahlgang.
  6. In diesem entscheidenen Wahlgang erreichte er jedoch erneut nur 17,5* Ja- und 18,5* Neinstimmen. Damit war seine Kandidatur gescheitert.
  7. Prof. Dr. Michael North bat nun um Bedenkzeit bis Montag, um zu entscheiden, ob er seine Wahl annimmt.
Dieses Ergebnis förderte einige Unmutsbekundungen hervor. Greifswald solle nicht „Rostocker Verhältnisse“ provozieren (siehe hier), in dem sich „zwei Blöcke unversöhnlich gegenüberstehen“, ermahnte ein professoraler Senator. Ein anderer drückte sein Unverständnis aus, wieso für dieses Ehrenamt so ein Theater gemacht werde.
Faktisch steht damit die Universität Greifswald vor einer großen Herausforderung: Im April 2009 laufen die Amtszeiten der bisherigen Prorektoren aus. Zwar sind im Januar, Februar und März noch Senatssitzungen, um neue Prodekane zu wählen, doch Prof. Wolfgang Joecks mahnte bereits zur Eile. Das Amt des Prorektors sei ein erheblicher Einschnitt in die eigenen Möglichkeiten zur Lehre, die bereits weit im Vorfeld geplant würde.
Suche nach Gründen für die Ablehnung

Im Laufe der Wahl wurde deutlich, dass sich wohl u.a. eine größere Anzahl studentische Vertreter gegen die Wahl von Prof. Hildebrandt ausgesprochen hatten. Begründen wollten das die studentischer Vertreter gegenüber dem webMoritz nicht. Frederic Beeskow erklärte: „Wieso sollten es die Studenten gewesen sein? Dies ist eine geheime Wahl“.

Alexander Schulz-Klingauf wies jedoch auf die Fragerunde mit den Kandidaten hin, die vor der Wahl stattgefunden hatte. Dort wollte Schulz-Klingauf unter anderem von Professor Hildebrandt wissen, wie er zur Lehrerbildung an der Universität Greifswald unter dem Kontext der vergangenen Schließungen in der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen-Fakultät steht beziehungsweise welche Zukunftschancen er in diesem Bereich sähe. Die Antwort von Prof. Hildebrandt beinhaltete zwar die Beibehaltung des gegenwärtigen Status Quo der Lehrerbildung, doch fehlte – so Schulz-Klingauf – die Formulierung eines klaren Konzeptes, wie zum Beispiel die verbliebenen an der Lehramts-Ausbildung beteiligten Fächer auch durch Maßnahmen seiner Prorektorenschaft gestärkt bzw. zukunftsfähig gemacht werden können.

Damit spielt Schulz-Klingauf wohl auf den Lehramts-Streit an, der 2005 zunächst offen brannte, bald jedoch offiziell begraben wurde. Doch seitdem schwelt der Streit unter der Oberfläche seit Jahren weiter. Im Grund geht es dabei um die Frage, ob die Lehramtsausbildung an der Uni Greifswald eine Zukunft hat, oder nicht besser zwecks Konzentrierung mit Rostock fusionieren sollte. Die Sorge vieler Senatoren sei jedoch, dass mit dem Wegfall der Lehramtsausbildung grundsätzlich die ganze Existenz Theologischen und der Philosophischen Fakultät – also der Geisteswissenschaft als solche – in Frage gestellt werde.  Gleichzeitig soll Hildebrandt in seiner Dekanatszeit Pläne unterstützt haben, die die Schließung der Fachbereiche wie der Geologie, Musikwissenschaft, Altertumswissenschaft, Erziehungswissenschaften sowie die Schließung des Standorts der Universität auf der Insel Hiddensee vorsahen.

Hildebrandt galt in diesem Zusammenhang eher als Befürworter der Konzentration der Lehrerbildung in Rostock. Im Mai 2005 sagte er im Zusammenhang mit der Lehrerbildung hier dem moritz: „Wir [die Uni] sind zu klein, um gleichzeitig wissenschaftliche Tiefe und thematische Breite zu garantieren“. Und im November 2005 zitiert ihn der moritz hier mit „Lehrer sind keine Wissenschaftler“.

Hildebrandt war bereits im April als Kandidat für den Vorsitz des Senats gegen Professor Manfred J. Matschke unterlegen (wir berichteten).

Je nach Entscheid des gewählten Prorektors North, können nun von Senatoren, Fakultäten oder dem Rektorat neue Vorschläge für die bis zu zwei Prorektoren können. Die neue Senatsvorsitzende Prof. Maria-Theresia Schafmeister legte dies allen Senatoren als Aufgabe mit unter den Weihnachtsbaum.

  • Die der Uni gibt es hier.

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* Erklärung zu halbe Stimmen: Die halben Stimmen sind möglich, da einige in der Gruppe der Uni-Mitarbeiter jeweils eine halbe Stimme mehr haben. Dies ist notwendig, da sich zu wenig Uni-Mitarbeiter für die Senatswahl aufgestellt hatten. Um die Drittel-Parität der Stimmen zu erhalten (Professoren / Mitarbeiter / Studenten sollen jeweils gleich viel „Macht“ haben), bekamen die Mitarbeiter diese halben Stimmen extra, um die fehlenden Kollegen auszugleichen.

Foto Senat: Luisa Wetzel; Unigebäude by rishon-lezion; Krone: Lincolnian; beide via flicr; Bearbeitung by Sebastian Jabbusch
Hinweis: Der Autor ist selbst studentisches Mitglied des Senats.