Das Caspar-David-Friedrich-Institut und radio 98eins luden am 5. Dezember zur mittlerweile vierten Kurzfilmnacht ein. Obschon die Veranstalter allmählich in die Verpflichtung einer selbstproduzierten Tradition geraten, gab es auch dieses Jahr Raum für Neuerungen. Die wichtigste war es, eine Jury zu installieren, die fachkompetent den besten Film kürte. Dadurch wurde das Risiko minimiert, dass sich – wie im letzen Jahr – publikumswirksame Kalauer, die sich widerstandslos der Rezeptionsästhetik der Besucher beugten, durchsetzen. Interessanterweise waren Jury- und Publikumspreisträger kongruent, aber dazu später.
Vorneweg: Der Abend war perfekt organisiert: Buffet, Rotwein, Beleuchtung und ein interessiertes Publikum sorgten für genau jenes Ambiente, das dem Inhalt der Veranstaltung Rechnung trug.
Das Niveau der vierzehn vorgeführten Filme war ungleich höher als im letzten Jahr. Der Eröffnungsfilm „Die La|tri|na|lia“ führte durch öffentliche Toiletten. Gewürzt mit Watzlawick-Zitaten ging es auf Spurensuche nach mehr oder weniger politischen Inhalten, phallischen Wandbemalungen und sexualisierten Kommunikationsversuchen im schier unendlichen Kosmos des deutschen Sanitärs.
Erstaunlich viele Animationsfilme fanden ihren Weg auf die Leinwand. Christian Effenbergers „Bad Habit, little Rabbit“ ulkte mit einem etwas zu hemdsärmeligen Kaninchen auf Karottenjagd. Moritz Schneiders „Kool Creeper“ weinte der verlorenen Trueness im HipHop nach, sehr gelungen und charmant technizistisch. Und die hier studierende Linda Perthen verwob in „Erklär mir die Liebe“ überzeugend Animation und traurigen Jazz mit Zitaten Ingeborg Bachmanns zu einem sinnlichen wie kurzweiligen Gewaber. Mit weniger Bachmann und mehr Vertrauen in die Rezeptionsfähigkeiten des Publikums hätte dieser Film sicher mehr Würdigung erfahren.
Insgesamt waren drei Greifswalder Filme vertreten. Der überzeugenste davon war das hinreissende „Rennfahrerfrühstück“ von Martha Damus. Allein der Untertitel „Ein Film in Auseinandersetzung mit Literatur von Albert Camus und Samuel Beckett“ fischte Symphatien für die schwarz-weiße Bilderzählung.
Der minimalistisch-trashige Clip „Felicitas“ der Greifswalder Nichtkunststudentin Juliane Strubel lotete auf selbstironische Weise die Grenzen des Abends aus und führte den künstlerischen beziehungsweise filmwisschenschaftlichen Hintergrund anderer Teilnehmerinnen ad absurdum. Dieses wahnwitzige Unterfangen wurde mit der Drittplatzierung im Votum des Publikums belohnt.
Der teilanimierte Film „Graphit auf Leinwand“ wurde sowohl von der Jury, als auch vom Publikum zum Siegerfilm erklärt und näherte sich wohl am dichtesten dem an, was man – ganz dogmatisch betrachtet – als Kunstfilm bezeichnen könnte.
Politik spielte im Programm leider eine untergeordnete Rolle. Das einzige Werk, dem letztlich das Label „originär politisch“ angeheftet werden durfte, war der zweitplatzierte und produktionsintensive Kurzfilm „Handarbeit“, dessen Fokus auf Rationalisierungswahn und Effizienzdruck in der Wirtschaft lag. „State Security“ von Mattias Wright und Anton Kaun versprach einen filmischen Vergleich der Überwachung des öffentlichen Raums in verschiedenen politischen Systemen. Aber die jungen Filmemacher kamen über das beat-gerechte Zusammenschneiden von Überwachungskameras nicht hinaus. Noch enttäuschender war nur der Siegener „Hauptschulcrew-Movie I“, der Duldsamkeit verlangte und pointen- wie ideenlos langweilte.
Und hier liegt sozusagen die Achillesferse der vierten Greifswalder Kurzfilmnacht, denn die einzigen anwesenden Küstler waren jene, die für die beiden schwächsten Filme verantwortlich zeichneten und entsprechend reizlos gestaltete sich das anschliessende Gespräch vor dem Publikum. Vergnüglicher war da schon die rotweingetränkte Diskussion zwischen dem selbstironisch-eloquenten Moderator Georg Meier und dem positionierten wie angriffslustigen Kunstprofessor Michael Soltau, die sich konfrontativ zu einem infernalen Duo entwickelten.
Aber irgendwann ging auch die vierte Kurzfilmnacht ihrem Ende zu und warf wiederholt die Frage auf, wieso man eine offene und offensive Kurzfilmszene in Greifswald vergeblich sucht. Die Veranstaltung war so gut besucht, dass etliche Gäste wieder nach Hause geschickt werden mußten. Vielleicht kann das ja als Impuls wirken, sich des Themas Kurzfilm auch in naher Zukunft häufiger und regelmässiger publikumswirksam anzunehmen. Es wäre ein wirklicher Gewinn für den lokalen Kulturbetrieb und auf diesem Feld sind Gewinne dringend notwendig!
Ein tolles Festival! Mehr davon!
Schöner Artikel!