Autor: Michael Fritsche

Grafik? Ja, „Grafik“ kann auch der härteste Kunstbanause einordnen. Bei „Mail Art“ könnte das schon etwas anders aussehen. E-Mails und Kunst? Wird da etwa eine Bild-Datei mit in den Anhang gepackt? Nein! Ganz und gar nicht. Es gab mal eine Zeit vor dem Internet und dem Fax. Postkarten als Kunst – darum ging es am letzten Donnerstag im Alfried Krupp Wissenschaftskolleg.

Grafik war in der DDR beim Volk sehr populär, nur wurde sich seitens der Museen bisher kaum damit auseinandergesetzt. Auch die Erklärungen dafür sind nicht so einfach zu finden, wie in der Podiumsdiskussion im Anschluss an die Vernissage, die im Rahmen der Tagung „Land der Grafik – Konjunktur eines Mediums in der DDR zwischen Refugium und Protest“ zu Greifswald stattfand, festgestellt wurde. Die Vernissage unter dem Thema „Außer Kontrolle! Farbige Grafik und Mail Art“ bildete den Auftakt dieser Tagung. Ungefähr 50 Besucher lauschten den einführenden Worten von Frau May vom Staatlichen Museum Schwerin. Sie und Frau Dr. Röder initiierten die Kabinettausstellung. Sie wählten ohne Ranking-Absicht aus 1.300 Werken des Bestandes des Güstrower Schlosses eine kleine Anzahl von Kunstwerken aus, die noch bis zum 10. März betrachtet werden können.

Vom Plattenbau bis zum Zeus – und noch 44.000 Postkarten

Die Werke haben unterschiedlichen Themen. Über die DDR-typischen Platten des städtischen Raums gelangen die Besucher bis hin zur griechischen Mythologie. Häufig enthalten sie eine versteckte Kritik an Gesellschaft und Regierung. Geradezu wie Metaphern wirken einige der ausgestellten Grafiken. Ähnlich verhält es sich mit den Postkarten der Mail Art. Ob nun mit oder ohne verschlüsselten Botschaften – es ist ein spannendes Thema. Woher kommen die Postkarten? Auf den Rückseiten stehen überall noch persönliche Nachrichten. Natürlich weiß Frau May, woher sie stammen. Im Güstrower Schloss lagern noch über 44.000 Briefe. Sie sind zu einem großen Teil der Nachlass eines Künstlers und Sammlers. Viele enthalten auch noch Täschchen mit versendeten Objekten. Die Sichtung ist teilweise sehr aufregend. Auch das Ministerium für Staatssicherheit interessierte sich für diese Postkarten. Oder waren unter den Staatsdienern auch geheime Kunstliebhaber? Denn alle Briefe wurden dokumentiert und befinden sich auch noch heute in den Archiven. Es sei wie Weihnachten, meint Frau May mit einem Grinsen und dem Leuchten der Faszination in den Augen.

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Neben dieser Ausstellung gibt es noch eine weitere, die sich mit der bisher stiefmütterlich behandelten Grafik der DDR auseinandersetzt. Im Casper-David-Friedrich-Zentrum geht es bis Anfang März auch um die Romantik in Werken aus der ehemaligen DDR.

 

Fotos: Michael Fritsche