Autor: Michael Bauer

Auf der Suche nach neuer Lektüre bei dem nass-kalten Wetter? Die Wege sind vereist, viel zu gefährlich also, um sich vor die Tür zu wagen. Und außerdem stehen die Klausuren bald an. Da verkriecht man sich doch lieber mit einem neuen Buch unter warmen Bettdecke. Vielleicht darf’s diesmal ja ein Fantasy-Roman sein?

Geralt von Riva, seines Zeichens Hexer und professioneller Monsterschlächter, macht sich auf die Suche nach Arbeit und gelangt ins Königreich Kerrack. Bei seinem Eintreffen ahnt er nicht, dass Kerrack gerade Schauplatz eines Wettstreits um Thron und Krone geworden ist und ihm selbst bereits eine Rolle in diesem Konflikt zugedacht wurde. Prompt als er die Stadt betritt, werden die Waffen des Hexers konfisziert und er findet sich in einem Kerker wieder. Der Barde Rittersporn, ein alter Freund Geralts, kann eine vorläufige Haftentlassung erwirken, die wertvollen Schwerter aus Stahl und Silber, die für den Beruf des Monsterjägers von existenzieller Bedeutung sind, kamen während seiner Zeit in Gewahrsam allerdings abhanden. Wie sich herausstellt, war die Verhaftung Geralts keineswegs planlos erfolgt. Die Zauberin Lytta Neyd, die nur die „Koralle“ genannt wird, will den Hexer auf diese Weise zwingen, einen Auftrag auszuführen.

Geralt von Riva wäre nicht er selbst, wenn er nicht eine Affäre mit einer Zauberin einginge und so kommt es – wer hätte es gedacht – zu Liebschaften mit der „Koralle“. Und so entschließt er sich, den Auftrag anzunehmen. Er soll sich auf die Jagd nach einem Dämon begeben, der ganze Dörfer entvölkert hat. Geralt kommt dabei jedoch mehr als nur einem Dämon auf die Spur…

Im Jahr 2011 erschien der letzte Band der Hexer-Saga Die Dame vom See in deutscher Sprache. Das polnische Original wurde allerdings schon 1999 veröffentlicht, ist es Sapkowski also fast 16 Jahre später gelungen, erfolgreich an seine alten Werke anzuknüpfen?

Ja, wenn auch mit ein paar Abstrichen, denn auch Zeit des Sturms vereint das, was Fans der Reihe schätzen: eine spannende Geschichte, die Verarbeitung moralisch aufgeladener Themen wie Rassismus oder Kriegstreiberei, gut ausgearbeitete und oft humorvoll raubeinige Dialoge und die trockene Art des Hexers Geralt von Riva, der sein Leben auf schlecht bezahlten Monsterjagden riskiert und doch als Sonderling geächtet wird. Eine direkte Fortsetzung der Hexer-Saga stellt Zeit des Sturms übrigens nicht dar, sondern ist zwischen den Bänden Der letzte Wunsch und Das Schwert der Vorsehung zu verorten, die zusammen den Prolog zur Saga bilden.

Dementsprechend wird der Leser keine Handlung vorfinden, die groß mit den Geschehnissen der letzten Werke verwoben wäre, die die Geschichte um Cirilla zum Schwerpunkt hatten. Wer die Saga bereits gelesen hat, wird dennoch die eine oder andere Person wiedererkennen. Auf Rittersporn muss jedenfalls nicht verzichtet werden.

Auch die Monsterjagd nimmt in Zeit des Sturms weniger Platz ein als politische Intrigen und das Ränkeschmieden. Die Geschichte wird dabei eher in Form von Episoden erzählt, was einerseits für Abwechslung sorgt, andererseits unter Umständen aber auch ein wenig als störend empfunden wird. Vor allem wenn zunächst Spannung aufgebaut wird, der Handlungsstrang dann plötzlich endet und erst nach einigen, weniger aufgeladenen Kapiteln wiederaufgenommen wird. Sapkowski bleibt sich also auch in dieser Hinsicht treu.
Gleiches gilt für den Erzählstil, der hier und da ein wenig zu gekünstelt wirkt und nicht so recht in die mittelalterliche Phantasiewelt passen will. Das kommt zwar nicht oft vor, aber Dialoge, die hochtrabend daherkommen und beispielsweise mit juristischen Fachbegriffen gespickt sind, stören nicht nur die Atmosphäre, sondern lassen den Leser ohne Lateinkenntnisse sich selbst und seinen Ableitungen überlassen. Abschrecken lassen sollte man sich davon jedoch nicht, der größte Teil der Dialoge ist in sich absolut stimmig, die Welt völlig authentisch.

Wem im Übrigen die Inhaltsangabe weiter oben schon zu viel verraten hat, dem sei gesagt, dass dort nicht viel mehr stand als in der Inhaltsangabe, die auf der deutschen Ausgabe des Buches zu finden ist. Sie verrät dem Leser im Vorfeld leider schon eindeutig zu viel über die ersten Kapitel und nimmt diesen somit ein wenig den Wind aus den Segeln. Und warum gibt es in den deutschen Ausgaben von Sapkowskis Werken eigentlich nie eine Landkarte, wie sie in den polnischen Originalen gefunden werden können?

Wer die kalten Wintertage mit etwas Fantasy-Lektüre verbringen möchte, sollte mit Zeit des Sturms gut gerüstet sein. Anhänger der Hexer-Saga oder Freunde der The Witcher-Videospielereihe dürften ohnehin ihre Freude mit dem Roman haben, da sie viele geliebte (aber auch die wenigen unliebsamen) Elemente, die den Stil Sapkowskis auszeichnen, wiederfinden werden. Natürlich muss berücksichtigt werden, dass Zeit des Sturms ein in sich geschlossenes Werk auf 448 Seiten darstellt, die Geschichte somit natürlich kleinere Dimensionen annimmt als die Hexer-Saga, die sich über fünf Bände erstreckt. Dennoch ist es dem Autor wieder gelungen, eine Welt aus Grautönen statt aus stereotypischen schwarz-weiß-Kontrasten zu erschaffen. Neueinsteiger dürften also ebenfalls einen guten Griff mit dem Roman machen. Zu empfehlen ist dennoch das Lesen im Anschluss an die vorher erschienene Saga, auch wenn es sich hierbei um einen Teil deren Prologs handelt. Nicht etwa, weil es bei Sapkowskis neuestem Werk zum Verständnis etwaiger Vorkenntnisse bedarf, das ist nicht der Fall, sondern weil die Eindrücke aus den alten Bänden die Wirkung der dargestellten Welt und somit die Atmosphäre in Zeit des Sturms noch einmal intensivieren.

 

Titel: Zeit des Sturmes
Autor: Andrzej Sapkowski
Preis: 15,90 €
Verlag: dtv
Seitenanzahl: 448