Autor: Sebastian Bechstedt
Die anstehende schwere Prüfung, der Streit in der WG oder Probleme mit dem Partner – es gibt viele Dinge, die einen im Studium quälen und nachts nicht schlafen lassen können. Um jedem ein offenes Ohr zu schenken, der mit diesen oder ähnlichen Sorgen nachts schlaflos in Greifswald ist, gingen Greifswalder Studierende vor genau drei Jahren mit ihrem Nightline-Telefon ans Netz. Der webmoritz. war zum Jubiläum vor Ort und hat mit den Studierenden dahinter gesprochen.
Nicht nur seit Einführung des Bachelor-/Mastersystems ist der Druck, der auf Studierenden lastet, deutlich angestiegen. So stellte das Deutsche Studentenwerk in einer 2013 vorgestellten Studie fest, dass knapp jeder zweite Studierende sich durch Stress oder Belastungen im Studium beeinträchtigt fühlt. Auch das Studentenwerk Greifswald bietet deshalb bereits seit Jahren eine psychologische Beratung an, die gut von den Studierenden angenommen wird.
Für Studierende, die den Weg zur Beratung des Studentenwerks jedoch scheuen oder einfach jemanden suchen, mit dem sie über Probleme und Ängste reden können, wenn nachts niemand anderes da ist, wurde vor knapp dreieinhalb Jahren der Nightline Greifswald e.V. gegründet, den die meisten wahrscheinlich nur vom Mensabeamer kennen.
Von Cambridge nach Greifswald
Die Idee eines Zuhörtelefons von Studierenden für Studierende stammt ursprünglich aus Cambridge, von wo sie vor 20 Jahren von einer Studentin mit nach Deutschland gebracht wurde. So lange gibt es bereits die deutschlandweit erste Nightline in Heidelberg. Mittlerweile sind 16 weitere aktive Nightlines hinzugekommen, die alle ausschließlich von Studierenden betreut werden.
Drei der Studierenden, die sich bei der Greifswalder Nightline engagieren sind Lisa*, Christin* und Tine*. Den Weg zur Nightline haben sie alle relativ spontan gefunden, nachdem sie beim Markt der Möglichkeiten oder in einer Rundmail über die Nightline gestolpert sind. Geblieben sind sie nach der Infoveranstaltung und Schulung, die die Mitarbeitenden durchlaufen, alle und klingen begeistert, wenn sie von ihrer ehrenamtlichen Arbeit bei der Nightline erzählen.
„Menschen haben das Bedürfnis nach einem offenen und wertschätzenden Gespräch über das, was sie besorgt oder beschäftigt. Ich denke, die Nightline kann genau dieses Bedürfnis erfüllen“ sagt Tine und Christin ergänzt, dass sie „weiß, wie viel Zuhören hilft, wenn man gerade in einer Krise steckt.“
Umgang mit Belastendem
Dennoch kann die Arbeit auch für die Nightliner, wie sie sich nennen, selbst belastend sein. Lisa erzählt: „Wenn man spürt, dass der Mensch am anderen Ende der Leitung leidet, nimmt einen das immer auf die eine oder andere Weise mit. Vor allem, wenn man das Anliegen selbst sehr gut kennt.“ Tine fügt hinzu, dass sie sich oft dabei ertappt, noch lange über bestimmte Gespräche nachzudenken und dass sie „auch einige Themen beim Telefongespräch sehr betroffen machen.“
Die Themen, mit denen sie konfrontiert werden, reichen dabei von Liebeskummer über WG-Stress, Einsamkeit, Zukunftsängste bis hin zu Depression und traumatischen Erfahrungen. Sich immer wieder schnell auf solche Themen einzustellen, ist häufig sehr herausfordernd, erzählt uns Christin.
Auch deshalb ist es für die Nightliner wichtig – und das betonen alle drei – dass auch sie sich selbst nicht alleine gelassen fühlen. Daher unterstützen sie sich gegenseitig: „Wir von der Nightline kennen uns untereinander sehr gut und treffen uns regelmäßig zu Supervisionen und Gesprächsrunden. Da kann man viel loswerden“ berichtet Lisa. „Ich habe mich bis jetzt noch nie mit einer Situation allein gelassen gefühlt“ fügt Tine an.
Öffentlich auftreten tun die Nightliner hingegen möglichst nicht, da sie es „den Studierenden ermöglichen möchten, sich an eine anonyme und vertrauliche Stelle wenden zu können“, die gerade nicht den Anspruch hat, die Anrufer zu therapieren.
Und so werden sich die drei und Ihre Mitstreiter weiterhin dreimal in der Woche nachts von 21-1 Uhr ans Telefon setzen und ein offenes Ohr für die Sorgen und Probleme ihrer Kommilitonen haben – Gemeinsam schlaflos in Greifswald.
Wer sich noch weiter über die Arbeit oder auch eine eventuelle Mitarbeit bei der Nightline Greifswald informieren will, kann dies unter www.nightline-greifswald.de tun.
*Namen von der Redaktion geändert
Grafik: Sebastian Bechstedt