von Constanze Budde.
Als „kanonische Spielereien“ bezeichnet Organist Matthias Schneider die Stücke aus Bachs Ricercar. In seinen einführenden Worten zum Konzert erklärt er, dass es sich bei dieser Form der Komposition um eine Vorform der Fuge handelt, in der in losen Aneinanderreihungen ein immer unterschiedliches Thema vorherrscht und umspielt wird. So viel zur Theorie.
Gut sechzig Neugierige haben sich zu nächtlicher Stunde in die St. Marien Kirche begeben, um sich auf diese musikalische Themensuche einzulassen. In der nur schwach beleuchteten Kirche sitzen sie mit zum Teil geschlossenen Augen da und lauschen den sechs Stücken, die da aus der Königin der Instrumente erklingen.
Während in den ersten Stücken nur zwei oder drei Themen einander umwandern und zum Teil in unterschiedlichen Tempi gegeneinander laufen, sind es im finalen sechsten Stück sechs Themen, die, so hat es Schneider zu Beginn angekündigt „akustisch nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind“ – Was in der Theorie verwirrend erscheint, klingt in der Praxis aber großartig. Und die Seele hört sowieso mit einem ganz anderen Ohr.
Ruhige Klänge
Sie hört viel mehr auf die im Programm angekündigte „Allegorie auf das Glück des Königs.“ Dies ist die Intention jenes Kanons, dass mit dem Anwachsen der Noten auch das Glück des Königs wachse. Wer bei dem Begriff Augmentationskanon jedoch monumentale Klänge wie in Bachs berühmter Toccata und Fuge in d-Moll erwartet, irrt. Die Stücke des Ricercar, die an diesem Samstagabend erklingen, sind ruhig und schlängeln sich zumeist in einem sanften piano und ab und an im zarten mezzoforte zwischen den roten Backsteinsäulen der Kirche hindurch. Das Monumentale dieser Musik liegt weniger in kräftigen Akkorden, als viel mehr in der Komposition und nicht zuletzt auch der spielerischen Leistung Matthias Schneiders.
Und so erfüllt dieses 16. Konzert der diesjährigen Greifswalder Bachwoche voll und ganz den Zweck des Augmentationskanons: Das Publikum verlässt nach einer halben Stunde wahrlich königlicher Musik mit etwas verklärtem, aber durch und durch glücklichen Lächeln im Gesicht die Kirche.
Das lange Wachbleiben hat sich definitiv gelohnt!