von Constanze Budde.

Sobald die ersten Töne von Ralph Benatzkys Singspiel auf der Freilichtbühne im Museumshafen erklangen, strahlte der besungene Sonnenschein  zwar nicht gerade vom Himmel, fand aber doch seinen Weg in die Herzen des Publikums und entführte augenblicklich in das traditionsreiche Hotel „Zum weißen Rössl“ am Wolfgangsee im österreichischen Salzkammergut.

„Im Salzkammergut (im Museumshafen), da kann man gut lustig sein“

Das Stück handelt vom Oberkellner Leopold Brandmeyer, gespielt von Alexander Frank Zieglarski, der unsterblich in seine Chefin verliebt ist. Jene Wirtin Josepha Vogelhuber, die Claudia Lüftenegger sehr überzeugend als burschikoses Mannweib interpretiert, hat dafür jedoch keinen Blick. Ihr Herz gehört dem Stammgast Otto Siedler, Rechtsanwalt aus Berlin. Dieser wiederum verguckt sich in die Tochter des Trikotagenfabrikanten Giesecke – dumm nur, dass Giesecke ausgerechnet der Konkurrent des Unternehmers Sülzheimers ist, der von Otto Siedler juristisch vertreten wird. Das Durcheinander wird perfekt, als der Sohn Sülzheimers und Professor Hinzelmann und seine Tochter Klärchen ebenfalls im Hotel absteigen. Schnurstracks sind alle Beteiligten verliebt und versuchen wie wild Herzen zu erobern. Am Ende – so viel sei verraten – finden sich alle. Wenn auch nicht unbedingt in den Konstellationen, wie es intendiert war.

Kleine Patzer

Am Anfang ist von diesem Liebeschaos jedoch noch nichts zu ahnen. Leopold ist verzweifelt darum bemüht, Josepha für sich zu gewinnen, und gleichzeitig seinen Pflichten als Kellner nachzukommen. Bei diesem Stress verrutscht im ersten Akt leider mancher Ton des herzerweichenden „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden“ – was Alexander Frank Zieglarski aber durch eine großartige schauspielerische Leistung wieder wettmacht.

Giesecke, der viel lieber nach Ahlbeck gereist wäre, schimpft derweil unentwegt über die Umstände im Hotel und seinen Rechtstreit mit Sülzheimer so, wie die Berliner Schnauze ihm gewachsen ist. Dabei bezieht Schauspieler Markus Voigt das Publikum stets mit in seine Schimpftiraden mit ein – ganz zur Freude desselben, das jeden Auftritt Gieseckes begeistert beklatscht.

Unübersehbar im lila Anzug kommt alsbald auch Rechtsanwalt Otto Siedler angeradelt, mit dem Gassenhauer auf den Lippen: „Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür, und ruft dir zu Guten Morgen, tritt ein und vergiss deine Sorgen!“

Dennis Junge mimt den Rechtsanwalt mal aalglatt, dann wieder überaus charmant und stets mit einem Lächeln im Gesicht. Bei ihm stimmt von der ersten Minute alles. Im Duett mit der Rössl-Wirtin übertönt Junges Tenor die Altstimme von Claudia Lüftenegger, und auch Anna Luise Borner, die Ottilie Giesecke spielt, hat zu Beginn sichtlich Schwierigkeiten ihre Stimme gegen Siedler zu erheben. Ob das am Premierenfieber liegt? – Man weiß es nicht. Im zweiten Akt werden die Gesangseinlagen jedenfalls immer besser und auch anfänglich schwächere Stimmen fügen sich harmonisch in den Gesamtklang ein.

Eine Mischung aus Tradition und Moderne

Begleitet wird der Gesang von der fünfköpfigen Band, die sich in Lederhosen und Dirndl optisch gut ins Bühnenbild einfügen und einen lockeren Swing in die altbekannten Stücke bringen. Dazu passt auch der Chor, der mal in gediegenen Trachten als Salzkammergut-Bevölkerung und mal in schrillen Outfits als Touristen agiert. So mischen sich Tradition und Moderne auf harmonische Weise.

Ein tolles Potpourri, das dem Publikum hörbar Spaß macht. Kerstin Varga und Cornelia Burghard finden besonders Wilhelm Giesecke und Josepha Vogelhuber in den Umsetzungen ihrer Rollen besonders glaubwürdig und sind von den Szenen begeistert. „Es ist zum Totlachen!“, sagt Kerstin Varga und ist während der Pause schon gespannt auf den zweiten Akt. Auch Jens Jaretzke und Kerri Sternburg amüsieren sich köstlich. Sehr unterhaltsam finden sie den Kellnerlehrling Piccolo, gespielt von Ronny Winter. „Und Sigismund Sülzheimer macht gut Stimmung“, fügt Jaretzke noch hinzu. Gekannt haben er und Sternburg das Singspiel bislang noch nicht. Doch die Ankündigung vom Hafenfestival hat sie neugierig gemacht – und sie bereuen ihren Besuch im weißen Rössl keinen Augenblick.

Im zweiten Akt schließlich festigen sich die Bande zwischen den einzelnen Liebespaaren im Salzkammergut immer mehr. Und das alles in den Wirren des anstehenden Schützenfestes, zu dem sich ein hoher Gast angekündigt hat. Ein schwarzer Mercedes (aus dem Autohaus Boris Becker) fährt bis vor die Bühne – ihm entsteigt: Die Kanzlerin! Hervorragend interpretiert von Jan Bernhardt. In aprikotfarbenem Blazer und der typischen Handhaltung zeigt sich die Kanzlerin sehr angetan vom weißen Rössl. „Es war alles sehr schön. Es hat mich sehr gefreut.“ Dabei hätte Leopold, der aus Liebeskummer eigentlich seinen Job an den Nagel gehängt und nur auf drängendes Bitten Josephas die Arbeit als Kellner wieder aufnimmt, während die Kanzlerin im Hotel weilt, beinahe für einen Eklat gesorgt.

Der hohe Gast lässt sich davon jedoch zum Glück nicht beeindrucken und gibt sich die Ehre, Josepha Vogelhuber, die ihre Felle bei ihrem geliebten Rechtsanwalt davonschwimmen sieht, aufmunternde Worte ins Stammbüchlein zu schreiben. „Der allerschönste Traum bleibt nur Schaum!“ Worte, die die Rössl-Wirtin sich zu Herzen nimmt. Und als der schwarze Mercedes mit der Kanzlerin das Rössl wieder verlässt („Alles Weitere für die Zukunft“, ruft sie winkend aus dem Fenster), fasst sich Josepha ein Herz, entlässt Leopold als Zahlkellner, um ihn als Ehemann gleich wieder einzustellen. Zum Finale stoßen auch die Gäste des weißen Rössls hinzu und feiern mit Chor und Publikum die wohl größte Verlobungsfeier, die die Theaterwelt kennt. Auf der Bühne wird freudig angestoßen und im Publikum begeistert im Takt mitgeklatscht. „Lasst uns Schampus trinken mit lächelndem Gesicht!“

Ein gelungener Abend

Nach lang anhaltendem Applaus hört man auch hinter der Bühne die Korken knallen und Freudenjubel über eine gelungene Premiere. Den begeisterten Unterhaltungen der Zuschauer lässt sich entnehmen, dass die Lieder auch im Publikum auf fruchtbaren Boden gestoßen sind. „Und musst du dann einmal fort von hier, so tut der Abschied dir weh. Denn dein Herz das hast du verloren, im weißen Rössl am See.“ Zum Glück war die gestrige Vorführung ja erst die Premiere – Ende Juni und Anfang Juli folgen noch sechs weitere Vorstellungen im Museumshafen, bevor das Singspiel im August nach Stralsund weiterzieht.

Foto: theater-vorpommern.de (kein cc)