Es ist wieder einmal so weit und Zeit für eine weitere von Greifswalds Kulturwochen. Was im Frühling der Nordische Klang, ist im Juni die Bachwoche; Sieben Tage Musik, Veranstaltungen, Konzerte. Nun sind schon wieder die ersten zwei Tage vorüber und Zeit für ein erstes (subjektives) Resumée.

Zur beherzten Orientierung hier ein paar Fakten; die Bachwoche findet dieses Jahr vom 10.-18. bzw, wenn man den Gesangwettbewerb am ersten Wochenende nicht mitrechnet, vom 12.-18. Juni statt. Gegründet wurde sie 1946 von Kirchenmusiker Hans Pflugbeil. Heute unter dem Veranstalter der Evangelisch-Lutherischen Kirche geführt und gefördert durch einen eigens dafür gegründeten Verein (Gesellschaft zur Förderung der Greifswalder Bachwoche e.V. ). Künstlerischer Leiter ist Kirchenmusikdirektor Jochen A. Modeß. Einer der möglichen Einstiege in die Bachwoche war das Experiment am Montagabend in der Uniaula mit einer parodistischen Aufarbeitung des „Stoffes“ Bach. Unter Leitung von KMD Jochen A. Modeß stellten hier das Orchester der Bachwoche, der Kammerchor und mehrere Solisten einige Werke von P.D.Q Bach vor. Dieser fiktive Komponist – genannt der letzte Sohn Bachs – wurde ins Leben gerufen vom amerikanischen Komponisten und Musikwissenschaftler Peter Schickele. Schlitzohrig plagiiert dieser Melodien bestehender Musikstücke und arrangiert sie neu. Sodass in einem Werk Phrasen von Leonard Bernstein, Wagners Valkyrenritt und das Batman-Thema einander Guten Tag sagen können.

Schickele erlaubt sich notizenhaft angelegte Partituren mit diversen verwirrenden Fußnoten. Zudem werden in die normale Orchesterbesetzung Fremdinstrumente wie Nasenpfeifen und Gartenschlauchtrompeten integriert. Die Hornisten werden mit Ventilentfernung an ihren Instrumenten getriezt, der Chor muss Pfeifen, Zwitschern und Lippenblasen. Tenor und Bass fallen einander gegenseitig ins Wort und geben ein eigenes kleines Theaterspiel. Dieser Ausbruch musikalischer Heiterkeit fand dieses Jahr am Montagabend in der räumlich begrenzten Umgebung der Universitätsaula statt. Das Publikum kam schnell über den ersten Schrecken hinweg und begeisterte sich mit Gelächter und Applaus. Und niemand hat noch einmal gefragt, was das jetzt eigentlich mit Johann Sebastian zu tun hatte.

Nicht schlecht besucht ist am Dienstag das Orgelkonzert von Amerikaner Dr. Geoffrey Stanton. Er kommt von der Orgelempore persönlich zum Publikum und hält eine herzliche Vorrede. Der Organist und Komponist kommt aus Michigan und ist dort ein bekannter Name. Er hat schon viele Preise gewonnen und auch fürs Theater komponiert und performt. Heute stellt er Orgelstücke aus Amerika, Deutschland, England und Italien vor. Die Besucher sitzen brav auf den Kirchenbänken, können von hier unten zwar das imposante Instrument, nicht aber den Organisten sehen.

Das Programm ist vielfältig, die Stunde nicht lang. Der Organist ist Meister seines Fachs und weiß mit den Klangfarben einstellenden Registern umzugehen. Durch mehrere Jahrhunderte und Genres, zunehmend etwas moderner, staunen die Hörer im letzten Drittel des Konzertes nicht schlecht, wie gut so eine Kirchenorgel auch swingen und jazzen kann. Es gibt sogar eine ausschweifende Eigeninterpretation der deutschen Nationalhymne. Am Ende erfreut sich der Organist aus Übersee einem tutti an Zustimmung. Die Zuhörer verlassen gut gelaunt die Kirche zurück in die Greifswalder Sommerhitze.

Nach einem Ein-Mann-Konzert geht es für mich um 20 Uhr zum chorsinfonischen Abend mit weit über 100 Musikern und Sängern im Dom St Nikolai. Im groß besetzten Orchester spielen diesmal Ehrengäste von der Berliner Komischen Oper mit Greifswalder Unterstützung. Die vier Solisten (Christine Wolff: Sopran, Bogna Bartosz: Alt, Christoph Rösel: Tenor, Johannes Happel: Bass) und der Domchor unter Leitung von KMD Jochen A. Modeß stellen den vokalen Teil der Aufführung. Gegenübergestellt werden die Werke des berühmten Mendelssohn-Bartholdy mit seiner sogenannten „Reformationssinfonie“ und die Reformationskantate von Albert Becker. Goldenen Mittelteil bildet die d-Moll Toccata und Fuge von Bach in ihrer Fassung für Orchester von Leopold Storkowski. Nach den beiden rein instrumentalen Stücken geht der Chor aufs Ganze, ergänzt von den Rezitationen der Solisten und der Orgel.

Persönlich überrascht mich das Aufgebot des Arrangements. Aus Berlin kennt man das ja noch mit den großen Orchestern und Chören, in Greifswald sehe ich das zum ersten Mal. Aber auch ein Dom hat seinen Charme, wenn eine Philharmonie nicht zur Verfügung steht. Die ersten zwei Tage Bachwoche sind geradezu verflogen. Nicht wenige Engagierte werden froh sein über eine Mütze Schlaf und dann geht es morgen früh für alle Freiwilligen auch schon weiter mit noch mehr Chören und Konzerten.

Und damit ist sie auch schon vorüber, die subjektive Blitzaufnahme.

Text und Beitragsfoto: Wiebke Moritz