moritz 92 – Juni 2011 – Todesstoss

moritz 92 – Juni 2011 – Todesstoss

Die Welt im Wandel

Die ersten warmen Tage haben wir hinter uns gebracht. Der Sommer ist endlich da! Auch wenn bald die Prüfungszeit beginnt und sich die Greifswalder Studenten wieder in den Bibliotheken und ihren Wohnungen verschanzen. Für einige sind es vielleicht die letzten Prüfungen an unserer Universität und für andere dagegen die ersten. Doch die Welt dreht sich weiter. Auch für uns sind es die ersten Monate in einem neuen Team. Denn wir sind seit dieser Ausgabe des moritz Magazins die neue Besetzung der Chefredaktion.

Alteingesessene Häsin trifft jungen Spund. Eine gute Mischung mit gleichzeitiger Gemeinsamkeit, denn wir kommen beide aus Berlin und sind doch Greifswaldliebhaber. Aber weder Berlin noch Greifswald sind der Nabel der Welt. Er wandert und das jeden Tag aufs Neue – an einem Tag ist es der Ausbruch einer Finanzkrise mit Ausgang in den Vereinigten Staaten von Amerika oder auch das Lahmlegen eines Großteils des Flugverkehrs durch den Ausbruch eines Vulkans auf Island. Am nächsten die europaweite Gefährdung durch Enterohämorrahagische Escherichia cloi (EHEC) und an wieder einem anderen waren es die Revolutionen in der arabischen

Welt. Obwohl diese Themen für uns nur an wenigen Tagen wirklich präsent sind, bevor wir uns wieder unseren alltäglichen Problemen widmen, existieren sie weiter. So auch der Umbruch in Arabien. moritz traf sich mit Greifswalder Studenten, die uns ihre Eindrücke von den Ereignissen geschildert haben und die mit ihren Familien, welche noch vor Ort sind, in engem Kontakt stehen. Aber, wie wir alle immer wieder feststellen, bleibt die Welt nicht stehen bis ein Konflikt gelöst ist. Auch in unserer Stadt passiert Einiges. Die kulturellen Einrichtungen der Studenten haben sich zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen und einen offenen Brief geschrieben, der auch bei uns im Heft auf Seite 9 zu lesen ist.

Unserem Bundesland stehen wegweisende Zeiten bevor. Der Wahlkampf ist schon lange eröffnet, aber langsam rückt der Tag der Entscheidung, wie die Politik für die nächsten fünf Jahre in Mecklenburg-Vorpommern aussehen wird, näher. Nicht unwichtig für die Zukunft unserer Universität. Ebenso stehen ein ehemaliger und ein Noch-Kommilitone für Direktmandate zur Wahl. moritz führte mit ihnen ein Gespräch, um unter anderem zu erfahren, warum man mit Anfang zwanzig eventuell der bessere Politiker ist. Die Welt dreht sich also weiter und hoffentlich bleibt uns der schöne Sommer auch noch nach den Prüfungen erhalten, sodass er voll und ganz genossen werden kann.

Johannes Köpcke & Luise Röpke

Das komplette Heft könnt ihr in Kürze hier als pdf herunterladen, einzelne Artikel könnt ihr auch direkt online lesen und kommentieren.

TITEL Gemeinsam seid ihr stark

Kürzungen im studentischen Kulturbereich stießen meist nur auf Widerstand der unmittelbar Betroffenen. Mit der Gründung des „Aktionsbündnis studentisches Leben in Greifswald“ wurde nun erstmals ein gemeinsames Sprachrohr geschaffen.

Lehre und Forschung genießen an der Universität zu Recht oberste Priorität. Um hier in Zukunft gut aufgestellt zu sein, wurde im August 2010 durch den Betrieb für Bau und Liegenschaften Mecklenburg-Vorpommern ein Architektenwettbewerb ausgelobt. Anlass ist die Umstrukturierung des Gebäudekomplexes in der Löffler-Straße 23. Hier sollen ab 2013 neue Räumlichkeiten für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fachrichtungen geschaffen werden. Mit dem Umbau gehen allerdings auch Veränderungen in der Kulturlandschaft einher, wurde doch der aktuell im Komplex ansässige Studentenclub C9 bei den Modellentwürfen nicht berücksichtigt. Vorfälle dieser Art sind keine Seltenheit und nur die Spitze des Eisbergs.

Die Vorstände der studentischen Kulturinitiativen, Vereine und Einrichtungen treffen sich regelmäßig zum Stammtisch. Hier wurde auch die geplante Ausquartierung des C9 angesprochen. Vielen Clubs und Initiativen ist die immer wiederkehrende Raumproblematik nur zu gut bekannt. Somit entschloss man sich, fortan gemeinsam gegen Raumknappheit und mangelnde Würdigung studentischen Engagements vorzugehen. Das „Aktionsbündnis studentisches Leben in Greifswald“ ward geboren. Dieser Dachverband besteht aus fünfzehn studentischen Vereinen, Kulturinitiativen und Einrichtungen und dient der besseren internen Vernetzung. Auch soll fortan bei heiklen Fragen mit einer Stimme gesprochen werden. „Dass das Aktionsbündnis entstanden ist, finde ich ziemlich gut. Nun kocht man nicht mehr nur sein eigenes Süppchen.“, konstatiert Katrin von GrIStuF, dem Greifswalder International Students Festival. „Es ist schade, dass das erst jetzt Zustande gekommen ist “, findet Theresa vom Mensaclub, da es diese Probleme bereits seit Jahren gäbe. (mehr …)

Aufgestanden an Ruinen

Sähe man die Universität Greifswald als pommerschen Gutshof, wäre die Philosophische Fakultät wohl der windschiefe Schafstall. Grillen an Ruinen sollte nun alle Gutsbewohner mithilfe eines gut gefüllten Trogs aus ihren Ställen locken.

Ein Donnerstag im Mai, durchwachsenes Sommerwetter. Durchschnittsstudent Ernst-Moritz verlässt kurz vor 20 Uhr und nach 90 Minuten Französisch Intensivkurs das Fremdsprachen- und Medienzentrum. Dementsprechend ist seine Laune. Fleischgeruch steigt ihm in die Nase, Musik und Gesprächsfetzen bahnen sich durch Überreste französischer Sprachkultur den Weg in seinen Kopf. Die verlockenden Reize führen ihn in den Hinterhof des Caspar-Davd Friedrich Institut (CDFI). „Grillen an Ruinen, bald auch an deinem Institut?!“ steht auf einem bunten Plakat. Noch weiß Ernst-Moritz nichts von der solidarisch-systemkritischen Unterfütterung dieses heimeligen Beisammenseins. Bewaffnet mit Bier und Bratwurst macht sich unser massenkompatibler Freund auf die Suche nach den Hintergründen dieser besonderen Form des Protests. (mehr …)

“Der Westen, der kann mich mal”

Der 13. Mai bescherte der Greifswalder Kulturszene denkwürdige Momente. Rainald Grebe, auf dem fliegenden Teppich gebliebener Kabarettist, bespielte den Studentenclub Kiste. Die Zigarette danach nutzte der moritz für einige Fragen.

Herr Grebe, sind sie das erste Mal in Greifswald?
Ja. Ich war schon oft in Mecklenburg-Vorpommern, in Greifswald komischerweise noch nie.

Waren sie schon in der Innenstadt?
Überhaupt nicht, nee. Wir sind heut sehr spät angekommen, gleich in die Platte gefahren, waren essen und das wars dann. Aber das sieht doch schonmal schön aus. Wir nächtigen ja heute auch hier. (mehr …)

Wenn Mauern unumgänglich sind

Eine Straße, ein kleiner Wald und dann: eine versteckte Jugendanstalt, hinter sechs Meter hohen Mauern. Gewaltverbrecher, Drogendealer, Wiederholungstäter – aber alles junge Menschen. moritz berichtet vom Leben hinter den Gittern.

Der erste Eindruck von Neustrelitz ist ein ruhiger, nahezu friedvoll. Ein gepflegter Bahnhofsplatz umgeben von restaurierten Häusern und ersten grünenden Bäumen. Als der Begriff „Jugendanstalt“ fällt, weiß die Angestellte der Ortsinformation, die direkt neben dem Bahnhof ist, erst nicht, was gemeint ist. Mit dem Wort Gefängnis allerdings verweist sie an den Taxiverband. Rund drei Kilometer Entfernung liegen zwischen Neustrelitz und der Jugendanstalt, wo momentan 220 Insassen, davon neun Mädchen, inhaftiert sind. „Natürlich bringe ich auch Verwandte zu Besuchszeiten in die Einrichtung“, erzählt der Taxifahrer aufgeschlossen während der Fahrt. „Erst letzten Sonntag hatte ich eine Mutter, die mir viel von ihrem Sohn erzählte, der dort einsitzt.“

Am Neustrelitzer Ortsende erstreckt sich ein Wald, in welchen das Schild „Jugendanstalt“ den Weg weist. Das Gespräch mit dem Taxifahrer endet als ein wuchtiger, weißer Gebäudekoloss zu Tage tritt. Ein Parkplatz mit zahlreichen Autos der Bediensteten und Schranken, welche die zwei Welten voneinander trennen – die eine hinter der Mauer, die andere davor. Dieser weiße Koloss ist eine der beiden Jugendanstalten in Mecklenburg-Vorpommern und hat Platz für 297 Menschen. Separiert wird das Gelände von einer sechs Meter hohen weißen, glatten Mauer, die mit Hochsicherheitsdraht und mehreren Sicherheitsschleusen versehen wurde. Eine graue, schalldichte Stahltür versperrt den Weg nach drinnen zu dem großen modernen Gelände. Seit nunmehr zehn Jahren läuft die Arbeit mit straffälligen Jugendlichen auf den 155.000 Quadratmetern. (mehr …)