Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Greifswald hat der Regelung für verkaufsoffenen Sonntage im Land eine klare Abfuhr erteilt und das Gesetz für unwirksam erklärt. Einkaufen am Sonntag wird seltener möglich sein. Gegen die 44 verkaufsoffenen Sonntage hatten die beiden evangelischen Landeskirchen in Mecklenburg-Vorpommern geklagt. Ihnen ging die “Ausnahmeregelung” zu weit.
Bislang war es für Urlauber wie Einwohner in Eldena ganz unkompliziert an einem Sonntag einkaufen zu gehen. Auf Grundlage eines Gesetztes vom April 2009 konnte die Kur- und Erholungsorte im Land bis zu 44 Mal im Jahr ihre Läden auch an einem Sonntag öffnen. Dieses Gesetz ist nun Geschichte. Die Richter erklärten, das Gesetz sei nicht mit der Landesverfassung vereinbar. Verkaufsoffene Sonntage müssen die Ausnahme bleiben, so das OVG weiter. Dies sei aber bei 44 geöffneten Sonntagen nicht mehr der Fall.
Reaktionen auf das Urteil
Die Kirchen zeigten sich erfreut und begrüßten das Urteil. Die Richter hätten mit ihrer Entscheidung den Sonntag als Tag der Erholung gestärkt, sagte der pommersche Bischof Hans-Jürgen Abromeit. Der mecklenburgische Landesbischof Andreas von Maltzahn ließ verlauten, der Sonntag sei generell der Tag, der den Menschen und der Gesellschaft die nötige Besinnung bringe. Weiter sagt er: “Der Sonntag als arbeitsfreier Tag wehrt der Tendenz der Ökonomisierung aller Lebensbereiche.”
Auch Ingo Schlüter vom DGB zeigte sich erfreut, dass sich in diesem Rechtsstreit die gemeinsame Position von Gewerkschaft und Kirche zur Sonntagsruhe und zum Arbeitnehmerschutz durchgesetzt haben. Das Urteil sei eine wichtige Entscheidung gegen die Unkultur “Ich kaufe, also bin ich”, so der DGB-Nord-Vizechef.
Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) war enttäuscht über das Urteil. Die bisherige Regelung habe zur “Entbürokratisierung und Deregulierung” beigetragen und den Einzelhändlern in den Tourismusorten genutzt. “Niemand wird gezwungen, sein Geschäft am Sonntag zu öffnen”, erklärte der Minister. Ein Vertreter des Schweriner Wirtschaftsministeriums räumte ein, das Land sei mit der in der Verordnung festgelegten Zahl verkaufsoffener Sonntage “vielleicht etwas übers Ziel hinaus geschossen”.
Greifswald und die Konsequenzen
Auch in der Greifswalder Innenstadt sind nach der alten Regelung elf verkaufsoffene Sonntage im Jahr möglich. Dies wurde in der Vergangenheit aber kaum genutzt. Stattdessen organisiert der Innenstadtverein mehrmals im Jahr Samstage mit erweiterten Öffnungszeiten als sogenanntes “Mitternachtsshopping”.
Die Konsequenzen des gestrigen Urteils stehen noch nicht fest, da eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig möglich ist. Das Urteil ist also noch nicht rechtskräftig – vorerst bleibt es bei den bisherigen Sonntagsöffnungszeiten.
Kommentar von Sandro Teuber
Zwei Feststellungen vorab: Wir leben in einer säkularisierten Gesellschaft zum einen, zum anderen das System unter dem wir leben ist der Kapitalismus. Unter diesen Grundannahmen fällt es unheimlich schwer solch ein Urteil zu verstehen. Die Menschen in einem freien Land sollten die Freiheit haben ihre Geschäfte zu öffnen wann sie es für richtig halten.
Die Kirche spricht davon, dass der Sonntag als arbeitsfreier Tag die Tendenz der Ökonomisierung aller Lebensbereiche verhindere. Da hat die Kirche leider die letzten 100 Jahre verpasst. Es sind bereits alle Lebensbereiche ökonomisiert. Ein Haushalt wird wie ein Wirtschaftsbetrieb verwaltet, Kinder müssen Zielkriterien erreichen und sich “durchsetzen”. Nicht, dass ich das befürworte, aber so ist meiner Meinung nach die Realität.
Ein Einkauf am Sonntag hat Vorteile für viele Menschen in dieser Region. Zum einen für die, die 6 Tage die Woche arbeiten müssen und so mal in Ruhe ihre Wocheneinkaufe machen können. Für uns Studenten, die ewig verplant, das Mehl zum Backen vergessen haben und natürlich die tausenden Touristen, die eine solche Freiheit sehr zu schätzen wissen.
Natürlich brauchen wir Menschen einen oder mehrere Ruhetage. Aber es kann doch nicht sein, dass die Kirche diktiert welcher es sein solle. Was wir brauchen sind Arbeitgeber, die gemeinsam mit ihren Mitarbeitern gesundheitlich positive Rahmenbedingungen schaffen. Sprich wir brauchen ein anderes Verhältnis Arbeitgeber und -nehmer und nicht das pochen auf Jahrtausende alte Traditionen.
Niemand wird gezwungen sein Geschäft an einem Sonntag zu öffnen. Genau dort beginnt der Knackpunkt. Wir sind nicht gezwungen zu öffnen, sondern gezwungen zu arbeiten. Um ein Einkommen zu haben müssen wir uns der Arbeitswelt beugen und uns zu ihren Konditionen “beschäftigen” lassen. Hier ist die Krux. Hier sollten Kirchen und Gewerkschaften ansetzen. Wir müssen weg von der Knechtschaft durch die Arbeitgeber hin zur Einstellung, dass ein Arbeitgeber ein lebensfreundliches Umfeld für seinen Mitarbeiter zu schaffen hat. Wir brauchen Arbeitgeber, die ihre Angestellten als ganzen vollwertigen Menschen anerkennen und als solchen beschäftigen.
Wer Raum für sich hat wird wird auch einen Platz für die Kirche in seinem Leben haben. Auch an anderen Tagen als an einem Sonntag!
Ich begrüße das Urteil. Sonntagseinkäufe bedeuten in Greifswald nicht den Erwerb der vergessenen Tüte Mehl, sondern allerhöchstens das irrsinnige Mitternachsshopping, auf das ich getrost verzichten kann. Eingedenk der Tatsache, dass mehrheitlich Frauen hinter den Ladentheken stehen, bedeutet für mich die Möglichkeit, auch noch am Sonntag die Geschäfte öffnen zu können, eine weitere Auflösung der Familie zugunsten eines wie auch immer beschaffenen Kapitalismus.
Dem kann ich mich nur anschließen.
Es ist schon schlimm genug, wenn Öffnungszeiten ausgeweitet werden, bei einigen Läden von vormals 8 Uhr auf 7 Uhr bis vormals 18 Uhr dann 20 und jetzt bereits schon 21 Uhr.
Solche Maßnahmen sind kein Entgegenkommen an den Kunden, eher kann man sie als Zumutung für das Personal dieser Läden ansehen.
Das solche Maßnahmen ins Leere stoßen ist hinlänglich bekannt, es wird nicht mehr gekauft. Da hilft auch kein schwachsinniges "Mitternachtsshopping" mit viel Trara drumherum.
Die Leute können auch nicht mehr kaufen als vorher, da sich ihre Geldmittel nicht erhöhen und auch wenn man ihnen die Möglichkeit gibt zu fast jeder Zeit einzukaufen, mehr Geld in Umlauf bringen können sie dennoch nicht.
Guter Artikel und interessanter Kommentar!
Und jetzt kommt mein Senf zum Thema 🙂
Das wir in Deutschland in einer "verweltlichten" Welt leben würde ich keinesfalls zustimmen. Die christliche Prägung wird durch viele gesellschaftliche Akteure und vor allem die Menschen in Deutschland aufrechterhalten. (=>Christliche Feiertage, Christliche Werte)
Zwar leben wir in einer Wirtschaftsform die mit dem Begriff Kapitalismus umschreiben werden kann – dies ist jedoch sehr vereinfacht und sicherlich wird der Begriff immer auch mit gewissen negativen Vorurteilen verknüpft.
Dem Urteil des Gerichts kann ich nur zustimmen. Die aktuelle Regelung verstößt gegen geltendes Recht und ist somit als nichtig anzusehen. Am Sonntag muss niemand einkaufen, da die Geschäfte in der Woche, abhängig von ihrem Standort, bis 22 Uhr geöffnet haben und es so jedem Bürger möglich ist seine Einkäufe in der Woche zu tätigen.
Dass Familien nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren ist keine Neuerung sondern war schon immer so. Die Ausbildung von Kindern war zu allen Zeiten teuer und mit Problemen verbunden. Familien mussten immer schon aufs Geld schauen, etc…
Gerade deswegen sollte der Sonntag in seiner Funktion geschützt werden. Es geht nicht darum dass nun alle in den Gottesdienst rennen, sondern einfach die Möglichkeit zu haben sich zu entspannen und mit der Familie zusammen zu sein.
Das Argument dass niemand seinen Laden öffnen muss ist übrigens nicht nachvollziehbar, da die meißten Geschäfte (Eliesenpark, Innenstadt) teilweise mit Verträgen verpflichtet sind zu öffnen! Sie haben spezielle Verträge mit den Einkaufscenterbetreibern etc.
Dass man arbeiten muss um seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist klar. Dass die Bedingungen unter denen Menschen heute arbeiten immer schlechter werden ist mitunter unser aller schuld! Der Kunde kauft das günstigste Produkt, der Händler stellt nur noch Aushilfen zum Verkauf ein um die Kosten zu senken. Usw… Viele erkämpfte Rechte der Arbeiter werden durch das unüberlegte Verhalten der Menschen verschenkt. Diese schimpfen dann auf den Staat, Kirche oder die Wirtschaft.
Übrigens würd ich gern mal ne Untersuchung zum Kaufverhalten insgesamt sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Menschen mehr einkaufen wenn die Geschäfte 7 Tage die Woche geöffnet haben!
Vorerst scheint der Sonntag gerettet… Fragt sich nur wie lange noch!
Noch kurz zu Sandros Kommentar:
Sandro schreibt: "Die Menschen in einem freien Land sollten die Freiheit haben ihre Geschäfte zu öffnen wann sie es für richtig halten."
Das ist natürlich die Freiheit des Kapitals, der Unternehmer_innen, die die Produktionsmittel besitzen oder als Kaufleute im Zwischenhandel ihren Anteil vom Kuchen abgreifen wollen.
Die Freiheit der Beschäftigen, der Arbeiter_innen sieht natürlich anders aus: Sie sind doppelt Freie: Ihre Freiheit beschränkt sich darauf, a) frei vom Eigentum an Produktionsmitteln zu sein und b) frei über ihren Körper und ihre Arbeitskraft (als Ware) verfügen zu können (also keine Sklav_innen, Leibeigene o.ä. zu sein). Mit dieser Freiheit ausgestattet, dürfen sie so "frei" sein, ihre Arbeitskraft an Unternehmer_innen zu verkaufen, gleichzeitig Mehrwert zu produzieren, der dann – so frei ist dieses Wirtschaftssystem – nicht ihnen, sondern dem/r Eigentümer_in der Produktionsmittel zufällt, sprich: gesellschaftlich erarbeitetes Mehrprodukt wird von einigen wenigen privatisiert. Die Arbeiter_innen erhalten für ihre verkaufte Arbeitskraft den Gegenwert an (zur eigenen Reproduktion der Arbeitskraft) notwendigen Lebensmitteln, in Form von Lohn. Sie sind gezwungen, für ihr physisches Überleben ihre Arbeitskraft zu verkaufen, weil sie nichts anderes besitzen, was sie auf dem Markt feilbieten können.
Wenn also von Freiheit gesprochen wird, auch im Bereich Ladenöffnungszeiten, dann sollte vielleicht sinnvollerweise dazugesagt werden, um wessen Freiheit es sich denn handelt – und um wessen Unfreiheit.
Weiter schreibt Sandro:
"Was wir brauchen sind Arbeitgeber, die gemeinsam mit ihren Mitarbeitern gesundheitlich positive Rahmenbedingungen schaffen. Sprich wir brauchen ein anderes Verhältnis Arbeitgeber und -nehmer und nicht das pochen auf Jahrtausende alte Traditionen."
Sorry, aber das einzige Verhältnis, das Arbeitgeber_innen und Arbeitnehmer_innen haben, ist der Austausch von Waren. Die einen geben Arbeitskraft, die anderen einen Gegenwert in Lohn. Es sind weder familiäre Bande, die da die Menschen in einem Betrieb zusammenbringen, noch mittelalterliche Fesseln des Zunftwesens, noch nicht einmal gemeinsame Zielrichtungen. Denn die/der Unternehmer_in will (bzw. muß, schließlich sitzt die Konkurrenz im Nacken!) möglichst viel Profit einfahren, die Arbeiter_innen wollen möglichst viel Lohn (also Gegenwert für ihre Arbeitskraft pro Zeiteinheit) – die Interessen stehen sich also diametral gegenüber, sind antagonistisch.
Weiter sagt Sandro, und hier irrt er:
"Niemand wird gezwungen sein Geschäft an einem Sonntag zu öffnen."
Natürlich werden die auf dem Markt Wettstreitenden dazu gezwungen, am Sonntag zu öffnen, wenn sich dies allgemein durchgesetzt hat. Niemand kann es sich ernsthaft erlauben, an einem "normalen Geschäftstag" (ein solcher wäre er, wenn die "Bäderregelung" allgemeingültig wäre) einfach dicht zu machen, während die Konkurrenz munter verkauft und Umsatz macht. Auf lange Sicht hielte das kein Unternehmen durch. Stellen wir uns mal vor, ALDI würde Dienstags und Mittwochs einfach zu machen, die Konkurrenten von LIDL und Netto aber nicht: Es dürfte doch wohl klar sein, daß sich die Gebrüder ALDI nicht mehr lange auf dem Markt hielten.
Sandro schreibt weiter:
"Wir müssen weg von der Knechtschaft durch die Arbeitgeber hin zur Einstellung, dass ein Arbeitgeber ein lebensfreundliches Umfeld für seinen Mitarbeiter zu schaffen hat. Wir brauchen Arbeitgeber, die ihre Angestellten als ganzen vollwertigen Menschen anerkennen und als solchen beschäftigen."
Nun, Unternehmen ist es (s.o.) doch ziemlich egal, ob Person X oder Person Y für sie arbeitet, solange die Arbeitsleistung stimmt und auch sonst keine "Ärgernisse" entstehen (z.B. in Form von Aufmüpfigkeit oder Kritik an Unternehmensleitung und Geschäftsführung). Für jeden X finden sich (gerade im von Arbeitslosigkeit überzogenen MV) hunderte Y, die liebend gerne den Job machen, auch wenn "ortsübliche Löhne" von z.B. 4,50 EUR/Std. gezahlt werden.
Bei einer Arbeitslosigkeit im zweistelligen Bereich und einem gewerkschaftlichen Organisierungsgrad, der in MV auch nicht viel höher liegt, besteht auch nicht einmal der leiseste Druck, "ein lebensfreundliches Umfeld für seinen Mitarbeiter zu schaffen".
Ein "weg von der Knechtschaft durch die Arbeitgeber" würde einen Bruch mit den herrschenden Eigentumsverhältnissen an Produktionsmitteln voraussetzen, also daß nicht nur gesellschaftlich produziert wird (wie im Kapitalismus notwendig), sondern auch gesellschaftlich die Früchte dieser Arbeit genossen werden (und nicht mehr privatisiert). Da käme dann das böse S-Wort (Sozialismus) wieder ins Spiel.
Löblich, daß Du als FDP-Mitglied in einer Gewerkschaft organisiert bist. Ist ja in Deiner Partei eher nicht der Regelfall.
Noch besser wäre es sicher gewesen, wenn Du mal ein Bildungsseminar der IGM-Jugend oder der ver.di-Jugend zum Thema Lohn und Arbeit besucht hättest, dann verträtest Du auch nicht solche naiven Thesen. Aber es ist ja noch nicht zu spät: Ich empfehle Dir, mal im Bildungsprogramm Deiner Gewerkschaftsjugend zu blättern und ein solches zu belegen. Dann wirst Du auch feststellen, daß die Interessen von Unternehmer_in und Arbeitnehmer_in nicht die gleichen sind und grundsätzlich auch nicht sein können. Die eine Seite will möglichst hohen Lohn für die verkaufte Arbeitskraft, die andere Seite will hier natürlich (gerade im Hinblick auf die Konkurrenz der Unternehmen) den Lohn entsprechend niedrig halten. Auch was das Thema Mitbestimmung über Art und Inhalt der Produktion wird sich der/die Unternehmer_in nicht reinreden lassen und auf sein/ihr Recht als Eigentümer_in verweisen.
"Aja, und weil ich es nur einmal gesagt hatte:
Arbeitnehmer: Mensch der leben will
Arbeitgeber: Mensch der leben will
= Gemeinsames Interesse"
Sind wir nicht alle Menschen?
Es geht hier aber wohl kaum um das Menschsein, sondern um die Stellung im ökonomischen Prozeß sowie die gesellschaftliche Stellung hinsichtlich der Eigentumsverteilung.
Es wird eben im Kapitalismus gesellschaftlich produziert (was ja richtig und sinnvoll ist), aber halt das erarbeitete Mehrprodukt privatisiert (= fließt an die Eigentümer_innen von Produktionsmitteln).
Die simple Erkenntnis, daß Kleinuntrnehmen schlechter dastehen als Großunternehmen und Monopolgesellschaften, setze ich (wie Du) als bekannt voraus. Das ändert allerdings bei Kleinunternehmen trotzdem nichts am strukturellen Interessengegensatz Kapital vs. Arbeit, sprich: Profit vs. Lohn.
Bzgl. FDP- und Gewerkschaftmitgliedschaften:
Laut DGB (Zahlen von 2002, was Aktuelleres hab ich auf die Schnelle nicht gefunden; damals saß die PDS übrigens nur mit 2 Abgeordneten im Bundestag, was die Sache auf heute übertragen ein wenig verzerrt) verhält es sich unter den Parlamentarier_innen bzgl. DGB-Mitgliedschaft wie folgt:
"Mit Ausnahme der SPD-Fraktion, in der 186 von 251 Mitgliedern gewerkschaftlich organisiert sind, zählen DGB-Mitglieder in allen Fraktionen zur Minderheit. Bei der CDU/CSU sind nur zehn von 248 Abgeordneten Gewerkschaftsmitglied, bei Bündnis 90/Die Grünen gilt das für 13 von 55 Abgeordneten und in der FDP-Fraktion ist ein Abgeordneter Gewerkschaftsmitglied. Von den fraktionslosen beiden Abgeordneten der PDS ist nur Petra Pau Gewerkschaftsmitglied. Das hat der DGB auf der Basis der Mitgliedsverzeichnisse der Gewerkschaften ermittelt."
– Nur 1 FDP-Abgeordneter Mitglied einer DGB-Gewerkschaft. Das mag u.a. mit der gewerkschaftsfeindlichen Politik der FDP zusammenhängen. Ich freu mich natürlich, wenn das an der FDP-Basis anders aussehen sollte, noch besser wenn diese dann auch gewerkschaftlich organisierte Kolleg_innen für den Bundestag nominieren würden statt Vertreter_innen der Unternehmensseite. Und noch besser wäre es, wenn diese Abgeordneten dann auch keine gewerkschaftsfeindlichen und antisozialen Anträge mit unterstützten!
Quelle:http://www.einblick.dgb.de/hintergrund/2002/21/te…
Vorweg: Leider ist Deutschland traditionell (und auch gemäß geltender Verfassung) kein säkularer Staat (wie z.B. Frankreich oder die Türkei), sondern offiziell "religionsneutral". Die grundlegende Trennung von Staat und Religion (bzw. konkret: der beiden großen christlichen Kirchen) ist eine alte bürgerlich-republikanische Forderung, die bisher in Deutschland weder in der Weimarer Reichsverfassung noch im bundesdeutschen Grundgesetz durchgesetzt werden konnte. Einzig die DDR hatte in ihrer Verfassung diese notwendige Trennung von Kirche und Staat verankert, aber das ist ja mittlerweile auch schon 20 Jahre Geschichte.
Konkret: Auch mit falschen Argumenten (siehe Abromeit) läßt sich ab und zu mal etwas Gutes bewirken! Die Argumentation der Kirche ist natürlich in dieser Angelegenheit rückwärtsgewandt: Die "Schäfchen" sollen halt am Sonntag und an "christlichen Feiertagen" wieder in die Kirche gehen, die Kirche will quasi den Sonntag wieder für sich sichern als "christlichen bzw. christlich konnotierten Wochentag".
Ich denke, wer in die Kirche gehen will, soll das von mir aus tun. Und wer in die Synagoge oder die Moschee gehen will, oder vielleicht in irgendein anderes "Gotteshaus", soll das machen, wenn es ihm/ihr dann besser geht. – Aber der Ladenschluß am Sonntag sollte nicht mit solch religiösem Tobak begründet werden, sondern mit sozialen Aspekten, der reale Arbeitssituation der Arbeiter_innen im Einzelhandel (und deren Familien)!
Die jetzige Entscheidung ist daher v.a. ein Sieg für die Arbeiter_innen im Einzelhandel, die nun endlich wieder ein Wochenende haben, wo sie nicht bis in die Puppen malochen müssen, sondern auch mal einen Tag in der Woche haben, den sie gemeinsam mit ihren Familien verbringen können. Wir dürfen ja nicht vergessen, daß diese Ausweitung der Verkaufszeiten in den letzten Jahren scheibchenweise gelaufen ist (erst verkaufsoffener Donnerstag, dann Verkaufzeiten auf 20:00 angehoben, dann "Bäderregelung" fürs Wochenende), was zu einer ganz massiven Verschlechterung der sowieso schon miserablen Arbeitsbedingungen im Einzelhandel geführt hat. (Ver.di FB 10 kann ein Liedchen davon singen!) Leidtragende sind im Einzelhandel v.a. Frauen, die das Gros der Beschäftigten ausmachen. Ihre Arbeitsschichten wurden immer weiter ausgereizt, weit in den Abend hinein und ins Wochenende; eine ganz widerliche Geschichte ist da u.a. das von der Stadt angepriesene und mehrmals im Jahr durchgeführte "Mitternachtsshopping" – sprich Arbeiten bis Mitternacht, damit die Greifswalder Einzelhändler_innen in der Innenstadt ein "tolles Event und Einkaufserlebnis" vorweisen können. :@
Die jetzige Ladenschlußregelung (also das Kippen der "Bäderverordnung" in MV) ist daher nicht nur ein propagandistischer Sieg für die christlichen Kirchen (die im Übrigen zu den miesesten Arbeitgeber_innen gehören, siehe die laufenden Tarifauseinandersetzungen bei der Diakonie und anderen "christlichen" Unternehmen), sondern auch ein Sieg für die Beschäftigten und die Gewerkschaften!
Auch die kleinen Einzelhandelsgeschäfte (die bei dieser Ausweitung der Öffnungszeiten wirtschaftlich nicht mithalten können), die Kioske und natürlich die (durch andere gesetzliche Regelungen entsprechend bevorteilte) Tankstellenshops dürften über die jetzige Entscheidung recht erfreut sein.
Eine Niederlage ist es für die größeren Einzelhändler_innen und die Einzelhandelsketten, die mittels "Bäderregelung" zusätzliche Marktanteile von ihrer kleineren Konkurrenz abzwacken konnten. Durch den höheren Warenumlauf hat sich für sie solch eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten gerechnet, während kleine Einzelhändler_innen bei diesem Arbeitszeitdumping auf lange Sicht auch nicht mehr mitgehalten hätten. Es wurde ja nicht mehr eingekauft durch die verlängerten Öffnungszeiten, sondern der Verkauf hat sich entsprechend auf die größeren Anbieter_innen im Einzelhandel verlagert, kumuliert. (Auch auf dem Einzelhandelsmarkt werden ja nur Warenwerte in Form von Lohn gegen andere Warenwerte ausgetauscht. Da in toto der Wert der verkauften Arbeitskraft, der sich im Lohn manifestiert, nicht anwächst, kann auch die Wertsumme der verkauften Waren nicht anwachsen.)
Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen das die Auflösung der Familie die allgemein beobachtet wird, mit geschlossenen Läden am Sonntag gerettet wird.
Und sollte dem wirklich so sein, dass kurze Öffnungszeiten = kurze Arbeitszeiten die Familie oder was auch immer retten, kann ich nur hoffen dass man sich jetzt für kürzere Öffnungszeiten der Bibliotheken (und deren Servicetheken) an unserer Uni einsetzt. Auch sollten die ausgedehnten Vorlseungszeiten in den frühen Morgen- und Abendstunden auf Kosten des gemeinsamen Frühstücks- bzw. Abendbrots mit der Familie überdacht werden.
Generell ist zu fragen, warum nach 16 Uhr und an Wochenenden nicht die Bordsteine hochgeklappt und die Lichter ausgemacht werden, damit die Familie beisammensein kann.
Übrigens können Familieneinkäufe großen Spaß machen 😉
dem möchte ich mich anschliessen… Die Pseudomoral aus einigen Kommentaren liest sich schon krass…witzigerweise sind es dieselben Stimmen, die fördern der Staat möge sich generell raushalten…
Auch hier finde ich ist ein Eingriff nicht Aufgabe des Staates… Das Ladenschlussgesetz ist historisch begründet und liess seltsame Triebe wie das "Sonntagsbackverbot" spriessen… Wir danken dem Ladenschlussgesetz, dass wir seither lecker aufgebackene und überteuerte Teuglinge für das Sonntagsfrühstück erwerben dürfen…
(1) An Sonn- und Feiertagen darf in den zur Herstellung von Bäcker- oder Konditorwaren dienenden Räumen niemand arbeiten und eine Beschäftigung von Arbeitern in den im § 1 genannten Betrieben auch im übrigen nicht erfolgen.
Eines der ersten Dekrete der Pariser Commune von 1871 (also der ersten Verwaltung in Arbeiter_innenhand) bestand übrigens darin, ein Verbot der Nachtarbeit für Bäckergesellen einzuführen. – Und auch da gab es Brötchen und Backwaren.
Wir sind aber in D und da gibt es am Sonntag keine frischen Brötchen…
Dann empfehle ich mal am Sonntag einen Gang durch die Greifswalder Innenstadt. Mir ist mind. eine Bäckerei bekannt, wo Du Dir frische Sonntagsbrötchen kaufen kannst. – Und Greifswald liegt bekanntlich "in D".
Mal abgesehen davon, daß es bei meinem Beispiel um Nachtarbeit ging. (Selbige ist ja im Bäckereigewerbe weiterhin leider Standard.) Auch die "Standardarbeitszeit" im EInzelhandel wird seit Jahren in die Abend- und Nachtstunden ausgeweitet. Daß das nicht im Sinne der Beschäftigten ist, dürfte doch wohl klar sein, oder?
frisch..? Woher Du wissen möchtest wann die fertig gebackenen Brötchen die Bäckerei verlassen haben ist mir schleierhaft…
Bei einer die sich Stadtbäckerei nennt und vielerorts kommen teigrohlinge in den Aufbackofen…
Das Sonntagsbackverbot gibt es in der Form gottseidank nicht mehr…
Über Qualität, Preis und Frische möge jede_r selbst entscheiden. 🙂
Ich wollte nur aufzeigen, wie abgedroschen und unreflektiert oftmals Äußerungen von Dir sind. Ich hatte Dich ja schon mehrfach gebeten, Deine Infos vor dem Veröffentlichen auf Richtigkeit zu prüfen.
… aber genug des Nebenstranges und der Beschäftigung mit dem Bäckereigewerbe. Es ging hier ja um die Bäderregelung und den gesamten Einzelhandel.
solange Deine Äusserungen immer klar und deutlich zum Thema positioniert sind ist doch alles in Ordnung… Mach Dir um mich keine Sorgen 🙂
Aber witzig, wie Du auch hier nur Zusammenhänge verstehst die in Deine Sicht passen…
Qualität, Frische, Preis..??? Ich fasse noch einmal zusammen:
Mir ging es darum aufzuzeigen welche seltsamen Blüten solche Eingriffe des Staates in den Einzelhandel treiben. Bäckern wird das Backen verboten. Dafür werden sinnarme Begründungen gefunden. Zeitgleich reiben sich z.B. Tankstellen die Hände weil sie quasi das Monopol hatten am Sonntag Industrieteigrohlinge zu verkaufen…Zu Mondpreisen übrigens… 🙂
Verdreh mir ruhig die Worte im Mund… Ich bin jetzt raus hier 🙂
Hier mal ein Bericht aus Bäckersicht:
"Seit langem schon hatte sich Bäcker Peter Kienzle aus dem schwäbischen Kirchheim unter Teck über die bundesdeutschen Gesetze geärgert, die ihm und seinen Berufskollegen das Backen am Sonntag verbieten. 20 Prozent Umsatzsteigerung, so schwärmte er stets, könne man mit dem sonntäglichen Brötchengeschäft bestimmt erzielen.
Neidisch blickte Kienzle auf die Kirchheimer Tankstellenbesitzer, die mit dem Aufbacken industriegefertigter Teiglinge am Sonntag prächtig verdienen. " http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8903428.htm…
!Wenn das Gesetz den Brötchenverkauf sonntags an Tankstellen erlaubt, müßten Sonntags-Bäcker eben Tankstellen aufmachen. "
"Deshalb entschied Kienzle sich für das Modell "Tankstelle light" – er könne doch, sinnierte der Bäcker, eine einzige, 220 Volt starke Elektrozapfsäule auf sein Grundstück stellen, die Elektro-Rollstühle und Golfkarren mit Strom versorgen würde. Er selbst könnte derweil – vom Ordnungsamt unbehelligt – seine Sonntagsweckle verkaufen. "
"Kienzle ließ es vor sechs Wochen auf dem Parkplatz vor seinem Haus aufstellen, hängte ein Schild auf – "Elektro-Tankstelle" – und teilte den Ordnungsbeamten mit, daß er fortan keine Bäckerei mehr betreibe, sondern eine Tankstelle mit angeschlossenem Backshop. "
Ist ja schon amüsant, dass Sandro die Begründung des Urteils (mit der Landesverfassung nicht vereinbar) im Artikel einbringt und dann zu schreiben, es könne ja nicht sein, dass die Kirche die Ruhetage festlegt. Soweit mir bekannt ist, hat doch nicht die Kirche das Urteil gefällt, sondern die Richter, die sich auf geltendes Recht bezogen.