Ist Lubmin für DONG noch attraktiv?

Ein Beitrag von Tjorven Hinzke

In den vergangenen Tagen spekulierten landesweit Medien über einen möglichen Rückzug des Energiekonzerns DONG Energy von seinen Plänen für den Standort Lubmin. In der Tat sagte der Projektleiter Peter Gedbjerg gegenüber der Ostseezeitung: “Die Auflagen der Genehmigungsbehörden können die Wirtschaftlichkeit des Kraftwerks zerstören”.

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Fotomontage des geplanten Kraftwerks auf der Betreiber-Homepage.

DONG-Sprecher Michael Deutschbein dagegen dementierte gegenüber dem webMoritz Berichte, nach denen das Unternehmen über die vorzeitige Aufgabe des Projektes nachdenke: „Der Bau des Kraftwerks hat nie in Frage gestanden“. Dong warte lediglich auf die Genehmigung. Erst nach dieser könne der Aufsichtsrat über das weitere Vorgehen entscheiden. Daher würde momentan alles Erdenkliche unternommen, um eine den Umweltstandards gerecht werdende Planung vorzulegen.

Dabei habe das Unternehmen keinen Zeitdruck, da der ursprünglich für 2012 geplante Fertigstellungstermin ohnehin nicht mehr realisierbar sei, wodurch zwangsläufig CO2-Zertifikate für den Betrieb erworben werden müssten. Der Ausstieg aus den Sponsoringverträgen mit dem Greifswalder SV 04 und dem HSV Insel Usedom, der Anlaß zu oben genannten Spekulationen gegeben hatte, sei nur durch das Ablaufen der Verträge begründet, sagte Deutschbein. Sobald der Kraftwerksbau genehmigt sei, könne man neue Gespräche bezüglich finanzieller Unterstützung aufnehmen. In der gegenwärtigen, sich hinziehenden Projektphase sei jedoch kein Etat mehr übrig, gab Deutschbein zu.

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Oskar Gulla: „Das Kraftwerk ist bereits jetzt museumsreif“

Laut Aussage der Bürgerinitiativen gegen das Steinkohlekraftwerk Lubmin sind die bisherigen Verzögerungen im Genehmigungsverfahren zum Teil auf das Unternehmen selbst zurückzuführen: „Es liegen noch immer nicht alle Unterlagen seitens Dong vor“, so Oskar Gulla, Vorsitzender der Bürgerinitiative aus Greifswald. Durch die Verzögerungen ergäben sich nach Gullas Ansicht für die Rentabilität des Unternehmens neben den CO2-Zertifikaten weitere Probleme. Ab 2013 würde nicht, wie bisher, sämtlicher durch das Kraftwerk produzierte Strom abgenommen, sondern nur noch nach Bedarf des Strommarktes. Außerdem gäbe es durch Faktoren wie Kohletransport und -veredelung bereits im Vorfeld solche Energieverluste, dass letztendlich kein Gewinn erzielt würde. Gulla: „Das Kraftwerk ist bereits jetzt museumsreif“.

Eine Genehmigung des Projektes sei zwar zu erwarten, aber an Auflagen von solcher Größenordnung geknüpft, dass auch hier noch mit Aufschüben gerechnet werden könne. Auch das Einschlagen des Rechtswegs durch beide Parteien – zum Einen gegen die Auflagen, zum Anderen gegen die Genehmigung – könne man nicht auszuschließen. Dabei zeigte Gulla sich optimistisch: „Meiner Meinung nach wird das Steinkohlekraftwerk Lubmin nie gebaut“.

Bilder:

Screenshot der Betreiber-Homepage,

Foto Oskar Gulla – Homepage der Bürgerinitative “Kein Steinkohlekraftwerk Lubmin”

Von Pessimisten und Plattitüden: ZEIT ließ über Abwanderung diskutieren

Wenn eine renomierte Zeitung wie Die “ZEIT” zu einer prominent besetzten Podiumsdiskussion in die Uni-Aula einlädt, schämt sich der verantwortungsbewusste Student, wenn bei Beginn dieser Veranstaltung gerade mal 30 Kommilitonen und eine handvoll weiterer Besucher im Raum sind. Diese Scham war bei der ZEIT-Diskussion am Dienstag aber eher unangebracht – der mäßige Besuch war der Veranstaltung durchaus angemessen.

Der Abend, unter dem Motto “Nichts wie weg von hier?!”, thematisierte die Abwanderung, gerade junger Akademiker aus den ostdeutschen Bundesländern, aber auch das geringe Interesse westdeutscher Abiturienten an den Hochschulen in den neuen Ländern. Unser Redakteur Eric Schümann fragte bei den Diskutanten nach, welche Bedeutung diese Probleme für sie haben:

[podcast]http://webmoritz.de/wp-content/uploads/2009/11/nichts_wie_weg_aus_greifswald1.mp3[/podcast]

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Die Podiums-Diskutanten

Leider kam die Diskussion in weiten Teilen nicht über eine träge Bestandsaufnahme und einige Plattitüden hinaus. Thimo von Stuckrad, Politologe und Mitarbeiter des Centrum für Hochschulentwicklung, das für die bekannten Uni-Rankings in der ZEIT verantwortlich zeichnet und sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, ein neoliberaler Thinktank zu sein, lieferte ein paar ziemlich unspektakuläre, da bekannte, Zahlen über Studenten im Osten. So gehen mehr Ostdeutsche Jugendliche zum Studieren in den Westen als umgekehrt und sind die Löhne für Akademiker in M-V niedriger als in Süddeutschland. So weit, so bekannt. Björn Reichel, Jura-Student und AStA-Referent für Queer und Gleichstellung, legte dann noch ein paar Zahlen nach: In Greifswald gebe es mehr Anwälte als Ärzte, in M-V insgesamt seien die Perspektiven für seinen Berufsstand aber schlecht – in Berlin und Münster habe er viel bessere Chancen. Was ihn bewog zum Studium nach Greifswald zu gehen, erklärte er nicht.

Auch Professor Nikolaus Werz (Politologe aus Rostock) konnte wenig mehr beitragen als eine Reihe von Bekanntheiten, die er mit Modewörtern wie “Humankapital” frisierte. Udo Possin (Geschäftsführender Gesellschafter der ml&s manufactoring, logistics and services GmbH & Co) sollte wohl die Wirtschaft repräsentieren und tat das auch sehr eindrucksvoll, indem er mit großer Selbstverständlichkeit die Ansicht vertrat, an Universitäten würden ausschließlich neue Arbeitskräfte für die Wirtschaft produziert und zwar ausschließlich für seinen Arbeitszweig – also: Elektroingenieure. Die gebe es aber in Greifswald nicht und darum sei die Uni Greifswald auch uninteressant.

Possin war interessanterweise der einzige, der bei der Veranstaltung konkret über die Geisteswissenschaften sprach – wenn auch ausschließlich despektierlich. Einen Studiengang wie Ukrainistik könne er nicht gebrauchen, den solle man deshalb schließen. Widerspruch erhob sich dagegen nur wenig, selbst Professor Werz äußerte die Überzeugung, an der Uni Greifswald gehe es “schwerpunktmäßig um Medizin”. Lediglich Professor Michael Herbst, Prorektor für Studium und Lehre, verteidigte die Ukrainistik und die breite Aufstellung der Uni klug und deutlich – wenn auch mit wenig mehr als drei Sätzen.

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Wenige Besucher hörten wenig Interessantes.

Juliane Hille, AStA-Referentin für Nachhaltigkeit und Ökologie und Jura-Bachelor-Studentin, war die einzige, die gelegentlich ein wenig Fahrt in die Debatten brachte. Als der Moderator (ZEIT-Autor Jan-Martin Wiarda) die eher einfältige Frage formulierte, ob Juliane – eigentlich Berlinerin – nicht aus Idealismus in M-V bleiben wolle, weil Idealismus ja schließlich Aufgabe der Jugend sei, konterte sie geschickt, Idealismus sei da wohl das falsche Wort, sondern höchstens Verantwortungsbewusstsein für die neuen Länder im Allgemeinen und M-V im Besonderen. Auch wenn Juliane thematisch und rhetorisch am erfrischendsten war – an der Trägheit der Veranstaltung konnte sie wenig ändern.

So ließe sich dann auch das Fazit des Gesprächs auf den Satz “Hier studieren zwar genug Leute, aber die gehen danach alle wieder weg” reduzieren. Lösungen dafür wurden nicht aufgezeigt, höchstens diese hier: “Vielleicht kommen die Absolventen ja irgendwann wieder zurück, wenn sie älter sind.” Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Dem Gespräch fehlten eloquente Vertreter der Studierendenschaft (die Besetzung mit zwei Jura-Studenten und AStA-Mitgliedern war wohl mehr als halbherzig erfolgt) sowie Vertreter aus Politik und Kultur.

Gerüchten zufolge soll es beim anschließenden “Get-Together” im Uni-Konferenzsaal (dessentwegen das StuPa kurzfristig in die Bürgerschaft ausweichen musste) noch ganz nett gewesen sein, da es für die geringe Masse von Besuchern eine enorme Masse von Brezeln gegeben haben soll. Na denn: Guten Appetit und bis zum nächsten Mal!

Bilder: Patrice Wangen

Menschenrechte – Artikel 5: Folter an politischen Gefangenen

Artikel 5: Folterverbot

„Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden.“

Heute erscheint der dritte Artikel in unserer Serie über Menschenrechte aus Anlass der Entwicklungspolitischen Tage. In dieser Woche stellen wir täglich ein anderes Menschenrecht vor. Die Texte wurden uns von den Organisatoren zur Verfügung gestellt.

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Das US-amerikanische Gefangenenlager "Guantanamo" wurde zum Symbol für Folter im 21. Jahrhundert. Das Problem beschränkt sich aber nicht auf einzelne Staaten.

Am 10. Dezember 1984 verabschiedeten die Vereinten Nationen eine völkerrechtlich verbindliche Antifolterkonvention. Nach dieser Konvention bezeichnet Folter „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen […]“.

Im April 2006 wurde der Tunesier Ramzi Romdhani auf Grundlage des tunesischen Antiterrorgesetzes zu einer 29-jährigen Haftstrafe im Gefängnis Mornaguia verurteilt. Obwohl das tunesische Gefängnisgesetz Besuche von Kindern der Gefangenen, sofern sie unter 13 Jahre alt sind, auch außerhalb der Besuchszeiten gestattet, wurde Ramzi Romdhani ein Besuch seiner zweijährigen Tochter verweigert. Nachdem der Gefangene gegen diese Entscheidung protestiert hatte, sah er sich massiver Folterung durch die Gefängniswärter ausgesetzt. Berichten seines Bruders zufolge, der ihn im April 2009 besuchte, wurde Ramzi Romdhani mit Stöcken geschlagen, mit Stiefeln getreten, es wurden ihm Verbrennungen mit Zigaretten beigebracht und sein Kopf wurde wiederholt in einen Wassereimer getaucht, bis er das Bewusstsein verlor. Auch seien ihm mehrere Zähne ausgeschlagen worden. Seit April 2009 darf Ramzi Romdhani keinen Besuch mehr empfangen – vermutlich um zu verhindern, dass noch weitere Berichte über die Foltermethoden der tunesischen Sicherheitskräfte an die Öffentlichkeit dringen.

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Hier geht's zum Programmheft

Folter und Misshandlungen durch Sicherheitskräfte gehören in Tunesien leider zum Alltag. Meist handelt es sich bei den Opfern um Personen, die aufgrund von Anklagen im Zusammenhang mit Terrorismus inhaftiert sind. Deren Verurteilungen stützen sich oft auf Geständnisse, die während einer Untersuchungshaft ohne Kontakt zur Außenwelt erlangt wurden. Viele Angeklagte geben an, dass diese Geständnisse ebenfalls unter Folterungen zustande gekommen seien.

Die Liste der Foltermethoden ist lang: Neben Schlägen, Elektroschocks und dem Aufhängen in schmerzhaften Positionen gehören dazu auch Scheinhinrichtungen und sexueller Missbrauch, einschließlich der Vergewaltigung mit Flaschen und Stöcken.

Die Antifolterkonvention verbietet auch die Auslieferung von Personen an Staaten, wenn es Grund zur Annahme gibt, dass diesen Personen dort Folter droht. Gegen dieses Verbot verstoßen insbesondere Italien und Spanien, die immer wieder Asylsuchende nach Tunesien ausliefern, auch wenn diese dort schwere Misshandlungen zu erwarten haben.

Heute bei den entwicklungspolitischen Tagen

Über den Vortrag von Alexander Bahar berichten wir separat.

Bild: Veranstalter/ wikimedia (Guantanamo; public domain)

Lesung zum Thema “Folter im 21. Jahrhundert”

Im Rahmen der Entwicklungspolitischen Tage in Greifswald findet am 4. November im Literaturzentrum Vorpommern (Bahnhofstraße 4) eine Lesung mit dem Historiker und Publizisten Alexander Bahar statt. Bahar liest dabei aus seinem Buch “Auf dem Weg in ein neues Mittelalter?”. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr.

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Alexander Bahar

Der iranischstämmige Autor, der in Freiburg und Frankfurt studierte, legt in seinem im April erschienen Buch eine umfassende Gesamtbetrachtung des Themas vor – historisch, international und bezogen auf die aktuellen Anlässe.

In der Pressemitteilung heißt es:

Wird die Würde des Menschen antastbar? Das Folterverbot ist eine der größten Errungenschaften der Zivilisation. Dennoch scheinen Folter sowie gewaltsame Verhörmethoden leider erneut Einzug in die Sphären der Politik zu halten.

(…) Auch in Deutschland wird die Folter wieder zum Teil befürwortet. Selbst mancher seriöser Jurist oder Politiker hält sie „unter bestimmten Umständen“ für anwendbar. Das absolute Folterverbot, das jahrzehntelang die Basis des Rechtsstaats bildete, wird mehr und mehr untergraben.

Der Eintritt beträgt 5 Euro (ermäßigt 3 Euro).

Bilder:

Foto Alexander Bahar – privat

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