Ein Kommentar von Carsten Schönebeck

Wer sich bei der Vollversammlung der Studierendenschaft noch über Formalismus und Langeweile beschwerte, der konnte am vergangenen Dienstag im Studierendeparlament (StuPa) erleben, wie es anders geht. Denn langweilig war es dort mit Sicherheit nicht – und an „die Form” hielten sich nur Wenige im Eifer des verbalen Gefechts.

Schon im Vorhinein zeichnete sich eine lange und schwierige Sitzung ab: Knapp zwanzig Punkte umfasste die Tagesordnung. Die gesammelten Beschlüsse der Vollversammlung waren nur einer davon. Wen wundert es da, dass sich nach zwei Stunden Berichten aus dem AStA, den Medien und den Arbeitsgruppen erste Nervositäten einstellten. Jeder wollte, dass „sein” Thema noch behandelt wird. Was sich jedoch in der knapp sechsstündigen Sitzung entwickelte, hatte nichts mehr mit Nervosität zu tun. Zu viele der Anwesenden machten den Eindruck, als würden sie lediglich und ausschließlich ihre eigenen Interessen vertreten.

Ernst-Moritz-Arndt-Kindergarten Greifswald

In der Retrospektive ist es kaum zu glauben, dass sich Einzelne vor wenigen Wochen noch über Stephan Schumanns Wortwahl ereiferten, weil er zu späterer Stunde gegen den Schluss der Sitzung argumentierte: „Lasst uns den Scheiß jetzt durchziehen.” Wer die letzte Sitzung und das Verhalten einiger StuPisten aber miterlebt hat, würde Schumann nun getrost als AStA-Referenten für Sitte und Anstand vorschlagen.

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Die Ruhe vor dem Sturm: StuPa-Sitzung am 23. Juni

Hitzige Debatten sind das Salz in der Parlamentssuppe, werden da viele sagen. Doch jenen sollte man kräftig in selbige spucken. Wenn einzelne StuPisten (vermessen wie wir ja als angehende Akademiker alle sind) an alte Parlamentsdegen wie Kiesinger, Geißler, Wehner oder Schmidt erinnern, dann sei ihnen gesagt, dass auch diese Herren ihre gewagte Rhetorik stets mit einer kontrollierten Kaltschnäuzigkeit einsetzten. Beim Parlamentsdegen ist es nämlich wie mit jeder anderen Waffe: Wer nicht damit umzugehen weiß, verletzt sich am Ende nur selbst. Und wer seinem Gegenüber in einer Debatte den Mittelfinger zeigt…nun ja.

Das die verfasste Studierendenschaft an diesem Abend ein schlimmeres Bild abgab als es eine Million Ernst-Moritz-Arndt-Briefköpfe es jemals tun kann, ist den Beteiligten hoffentlich bewusst. Insofern ließe sich überlegen, ob man auf die Dokumente nicht künftig Katharina-Saalfrank-Universität drucken sollte. So eine kleine „Super-Nanni-Sitzung” könnte einigen StuPisten nicht schaden. Mit „stiller Treppe” und allem was sonst noch dazu gehört.

„Entscheidend ist, was hinten raus kommt”

Einige Worte aber dennoch zu dem, was sich politisch bewegte: Die Entscheidung, den Namen Arndt abzulegen war nicht nur notwendig, sondern vielmehr ein exzellentes Zeichen für die Studierendenschaft.

Wie jede „Revolution” beginnt auch die Änderung des Uni-Namens im Kleinen. Hier kann das Studierendenparlament in der Tat etwas bewegen und es kann eine wichtige Rolle spielen – ganz im Gegensatz zu den ewigen Appellen und Aufforderungen, die man seit Jahren in regelmäßigen Intervallen an die vielen mächtigeren Entscheidungsträger richtet.

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Im StuPa war die Abstimmung nicht ganz so eindeutig - Vollversammlung am 17. Juni

Hätte das StuPa dem Willen der Vollversammlung in dieser Frage diesmal nicht nachgegeben, wäre dies in der Tat ein Armutszeugnis für das Parlament gewesen. Gleichzeitig war aber auch erneut zu erkennen, warum die VV nur Empfehlungen abgeben kann – widersprachen sich die drei VV-Beschlüsse um Arndt doch erheblich. Da wurde zum Einen gefordert, die Alma Mater künftig nur noch „Universität Greifswald” zu nennen, zum Anderen bekannte man sich zu den positiven Eigenschaften eines Namenspatrons.

Richtig war es auch, dass am Ende geheim abgestimmt wurde. Jeder Parlamentarier sollte das Votum des „Volks” ernst nehmen, dennoch hat er jedes Recht, eine andere Meinung zu vertreten. Die geheime Abstimmung ist da, um dieses Recht auf eine freie Entscheidung zu schützen. Dass dies notwendig war, zeigten die Publikumsreaktionen in der Sitzung, wie auch viele Kommentare, die es zum Live-Ticker gab. Wer sich zur Wahl aufstellt, sollte sich bewusst sein, wem er damit dienen will. Wer aber demokratisch gewählte Repräsentanten ob ihrer Meinung öffentlich an den Pranger stellen will, hat nicht begriffen, wie weit sich unsere Gesellschaft inzwischen entwickelt hat.

Fotos:

StuPa, Vollversammlung – Luisa Wetzel

Titelbild – Jona Hölderle via jugendfotos.de