CD: Klez.e: Flimmern (Loob Musik/Universal)

Es ist komisch, da liegt man wach und kann nicht anders, als sich einen Schreibblock zu nehmen. Man will es einfach, diese Zeilen müssen einfach niedergeschrieben werden. Eigentlich hatte man ja in alten Liebesbriefen geblättert und nur ein wenig Musik nebenbei gehört. Doch dann trifft einem dieses Album „Flimmern“ von Klez.e mitten in der Bewältigung seiner Vergangenheit, da, wo man es am wenigsten erwartet habe.

Man fängt sich so sehr in diesen Stücken Musik, dass man es nicht mehr lassen kann. Da sind sie, die ehrlichen, direkten Stücke mit ganz viel Energie und Leidenschaft, die man seid Jahren gesucht hat. Es ist ein wunderbares zweites Album der Berliner um Tobias Sieber, der scheinbar in der letzten Zeit zu einem der aktivsten Menschen im Berliner Musikbiz geworden ist. Immerhin hat er Bands wie Delbo, Hund am Strand, Virginia Jetzt, Samba oder Tchi produziert, aufgenommen und/oder sogar in ihnen mitgespielt.
„Flimmern“ ist dabei aber doch einfach, schlicht und ergreifend. Eine Kiste voller Schätze und guter Gedanken. Das Album ist voller fabelhaften Perlen. Textlich verspielt und leicht verschlüsselt verbergen sie kleine Wahrheiten über Leben, Gesellschaft und die schlichte Liebe.
Ach ja und wann war es doch gleich, als ich das Gefühl hatte, nicht mehr genug bekommen zu können? Hm, ja, in den Liebesbriefennächten, voll mit Schwärmerei und Fantum und der offenkundigen Hingabe zu etwas, dass ich nicht erklären kann, besser gesagt nicht erklären will! Meine Leidenschaft.

Geschrieben von Josef Lewe

CD: Denison Witmer: Are You a Dreamer? (Bad Taste/Soulfood Music)

Denison Witmer ist ein klassischer Singer-Songwriter. Er schreibt Lieder und singt diese dann auch. Meistens ruhiger, manchmal poppig, manchmal allein, manchmal mit anderen. Auf dieser Platte ist er ruhiger, aber nicht alleine.

„Are You a Dreamer?“ hat er mit vielen seiner Musikfreunden aufgenommen. Aber ganz langsam, Denison Witmer stammt aus Philadelphia und wird von Kindesalter an von Größen wie Graham Nash, Jackson Browne und auch Rainer Maria Rilke inspiriert. Er versucht Musik zu machen, die anderen Menschen hilft und vielleicht auch sich selbst. Deshalb hat Witmer musikalisch eigentlich schon viel versucht. Mit 16 vertont er zunächst sentimentale Stücke aus seinem Tagebuch, dann mit 20 sein erstes Album, EPs, Coveralbum und danach gründet er eine Band, nur aus dem Interesse heraus, zu testen, ob er sich auch in einer Band einordnen kann. „Are You a Dreamer?“ ist jetzt wieder solo, aber dennoch ein wenig anders als seine vorherigen Alben. Es ist ein Album mit Konzept. Es geht im Großen und Ganzen ums Schlafen, ums Träumen, um das geliebte Bett, um das Teilen von Betten und die Leere, wenn der Partner dann nicht mehr neben einem schläft. Getragen von süßen Melodien machen sich die Texte auf den Weg, den Hörer zu umspielen und ihn zu entspannen. Ideal für einen herbstlichen Abend mit Kerzen und Tee, aber auch für Stunden auf der Couch allein oder mit Freunden. Das Album ist dabei aber nie langweilig, die Songs haben alle ihren ganz eigenen Charme, allerdings eignet es sich auch hervorragend dazu, einfach mal die Augen zu schließen und zu träumen. Der Selbstversuch klappte wunderbar, vor allem wegen der beruhigenden Stimme von Denison Witmer. Nachmachen und verzaubern lassen lohnt sich also, denn wer ist nicht gern ein Träumer?

Geschrieben von Esther Müller-Reichenwallner

Kino: Verfehlt

John Cameron Mitchell nennt sich der für „Shortbus“ verantwortliche Réalisateur. „Frisch, frech, anrührend, provozieren – wenn möglich auch noch richtig lustig“ sollte der Independent-Film nach seiner Definition daherkommen. Und was macht Monsieur Mitchell neuestes Werk?

Eine Aneinanderreihung pornographischer Akte unterschiedlicher Akteure läutet den Beginn ein.  Beziehungsprobleme jeglicher Art soll eine Paartherapeutin kurieren. Da sie aber selbst noch nie den Gipfel des körperlichen Glücks bestieg, folgt rasch die Einladung in den titelgebenden Club. Dort treffen sich alle freien, ungezwungenen, individuellen und liberalen Gestalten des Big Apple. Wenn nicht gerade in allen sexuellen Spielarten miteinander kopuliert wird, geben sich die Besucher dem Gesang, Tanz und monothematischen Gespräch hin.
Glücklicherweise unterbrechen Ani-mations-Inserts die unamüsierenden  Akte. Einen optisch anspruchsvollen Eindruck bieten die immer wieder eingeschobenen, fast einminütigen  Kamerafahrten über ein Modell von Gotham City. Der Animator John Bair verantwortet diese interessanten Großstadtaufnahmen. Schon bei JCMs letztem Film „Hedwig and the Angry Inch“, einer Geschichte eines transsexuellen Sängers aus der DDR, arbeiteten beide zusammen.
Leider kann „Shortbus“ mit diesem Vorgänger nicht mithalten. Zu selten reizen delikate Situationen die Lachmuskeln. Eher lächerlich wirken die darstellenden Amateure. Mit sexuellen Akten und Themen allein provozieren zu wollen, zeigt zudem einzig und allein eine schnöde Ignoranz des Regisseurs gegenüber seinen Zuschauer.
Weder ein hausgemachter Skandalfilm noch ein Kunstwerk ist „Shortbus“. Eher ein einschläfender Aufschrei für das zahlende Publikum und zudem noch misslungen!

Geschrieben von Björn Buß

CD: Rasumowsky-Quartett: Schostakowitsch – Complete String Quartets (Oehms Classics)

Die Streichquartette besitzen im Schaffen Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975) eine eigene Aura. Ähnlich wie Beethoven lenkte der sowjetrussische Komponist erst in späteren Jahren sein Augenmerk auf dieses exquisite Feld der Kammermusik.

Ob sich damit gleich ein Rückzug ins Private oder gar ein Wunsch nach universaler  Aussage in persönlich schweren Zeiten ablesen läßt, darüber mag geforscht werden. Ein schönes Gedenken ermöglicht in erster Linie die Aufführung seiner Musik. Dafür ist reichlich gesorgt. Mit der Unterstützung von Schostakowitschs Sohn Maxim korrigierte das Rasumowsky-Quartett einige Druckfehler der Autographen und bietet mit überdachter Wahl die fünfzehn Quartette des Vater in ihrer Gesamteinspielung mit neuen Tempi dar. Sagt die Musik dann nicht genug?

Geschrieben von Uwe Roßner

Kino: An der Schmerzgrenze

Die beiden Flugzeuge lassen sich nur für einen Sekundenbruchteil erahnen – als Schatten auf einer Hochhauswand. Dann versinkt alles in einem ohrenbetäubenden Beben. Es ist eine der unheimlichsten und beklemmensten Szenen des Films. Was dann folgt, lässt sich nur schwer beschreiben, denn jeder weiß, was die beiden Polizisten John McLoughlin (Nicholas Cage) und Will Jimeno (Michael Peña) noch nicht einmal ahnen. Regisseur Oliver Stone versucht es trotzdem – und zeigt, wie es im World Trade Center ausgesehen haben muss.

Das Licht sei der Schlüssel zum Film, berichtete Oliver Stone in einem Interview. Tatsächlich ist man fast erleichtert, als die Kamera endlich aus den engen Betontrümmern hinaufgleitet. Zwei Drittel des Streifens zeigen klaustrophische Enge, die andere Zeit besteht aus staubigem Grau, das Hoffen Familienangegöriger auf ein Lebenszeichen und schließlich der Moment des bis dahin in den Vereinigten Staaten von Amerika völligen unbekannten Gefühls der Solidarität.
Der Kinofilm, der auch chronologisch abgedreht wurde, ist ein Film über Menschen, gewürzt mit einer Prise Patriotismus. Zwar ist dessen Ende bekannt, doch erschrecken die ohrenbetäubenden Explosionen immer wieder, wenn sie die Kinoleinwand schier zerreißen. Beklemmende Enge und das Gefangensein in Staub und Beton, den nicht einmal Stunden später Rettungskräfte mit professionellen Schneidegeräten entfernen können, führen die menschliche Hilflosigkeit doppeldeutig vor Augen.
Nicolas Cage wirkt in der Rolle als Sergeant McLoughlin anfangs fehlbesetzt, in den  Szenen der Verschüttung jedoch entpuppt sich seine einschläfernde Spielweise jedoch als ausdrucksstark und macht die unerträgliche Unbewegtheit zugleich  schmerzlich bewusst.
Mit seinem Film über den weltweit zu Tode politisierten 11. September möchte Regisseur Oliver Stone daran erinnern, was jene Männer durchgemacht haben. Das gelingt ihm. Mit langer Nachwirkung.

Geschrieben von Judith Küther