Ab jetzt nur noch unverbindliche Partys

Ab jetzt nur noch unverbindliche Partys

Zur konstituierenden Sitzung des neuen Studierendenparlaments war es voll auf den Rängen. Doch die Anwesenden waren nicht nur Stupist*innen, sondern auch zahlreiche Vertreter*innen von Studierendenverbindungen. Sie waren wegen des Antrags „Orte studentischer Veranstaltungen“ gekommen, über den in der Sitzung abgestimmt wurde. Was es mit dem Antrag auf sich hat, erfahrt ihr im Beitrag.

Bevor es losgeht, eine kurze Begriffserklärung: Studierendenverbindungen sind Zusammenschlüsse von Studierenden, die durch das Lebensbundprinzip gekennzeichnet sind. Dieses Prinzip bedeutet, dass man nach dem Eintritt in die Verbindung, dieser lebenslang verpflichtet ist. Es gibt verschiedene Arten von Verbindungen. Einen Überblick bietet ein Reader, der vom AStA der Universität Münster herausgegeben wurde.

Was steht in dem Antrag?

Der Wortlaut des Antrags lautet: „Die Studierendenschaft spricht sich dafür aus, dass künftig seitens der Verfassten Studierendenschaft keine Studentenverbindungen mehr zu Veranstaltungen der Studierendenschaft eingeladen beziehungsweise zugelassen werden.“ Laut den Antragsteller*innen soll damit sichergestellt werden, dass Studierendenverbindungen Veranstaltungen wie Ersti-Partys oder den Markt der Möglichkeiten nicht als Bühne nutzen. Privatpersonen, die in Verbindungen engagiert sind, sollen weiterhin an Events teilnehmen dürfen. Der Antrag wurde nach Abstimmung im StuPa mehrheitlich angenommen.

Warum sollen Veranstaltungen mit Studierendenverbindungen verhindert werden?

In der Begründung des Antrags heißt es, Studentenverbindungen würden den demokratischen Grundsätzen und dem Anspruch der Weltoffenheit der Universität widersprechen. Den Antragsteller*innen ist es wichtig, dass besonders Erstsemester und internationale Studierende geschützt werden. Diesen solle ausreichend Zeit gewährt werden, sich mit dem Verbindungswesen auseinander zu setzen, bevor sie sich entscheiden an diesem teilzunehmen. Finden allerdings Ersti-Partys in Häusern von Studierendenverbindungen statt, sei diese Zeit nicht gegeben. Auch ist für die Studierendenschaft nicht sicher, inwiefern in den Häusern die Grundsätze der Gleichstellung und Inklusion gelebt werden. An Veranstaltungen der Studierendenschaft sollte aber jede*r sicher teilnehmen können. Sollte es jedoch zu Diskriminierungen in Verbindungshäusern kommen, hätte die Studierendenschaft keine Möglichkeit dies zu sanktionieren.

Warum sind Studierendenverbindungen problematisch?

Laut den Antragsteller*innen sei die Weltoffenheit der Greifswalder Verbindungen nur ein Lippenbekenntnis. Die Dachverbände, in denen die Verbindungen organisiert sind, würden sich durch rechts-konservative bis rechtsextreme Leitsprüche definieren. Zwei Greifswalder Verbindungen sind beispielsweise Teil des sogenannten Coburger Convents, der sich selbst den Leitspruch „Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland“ gegeben hat. Auch die Mensur wird kritisch gesehen. Dabei wird ein Fechtkampf mit scharfen Waffen ohne angemessene Schutzausrüstung durchgeführt. Im Kopfbereich sind lediglich Augen und Hals geschützt. Die Mensur dient dazu, die Opferbereitschaft für die Gemeinschaft zu demonstrieren. Bis auf eine Damenverbindung nehmen alle Greifswalder Verbindungen nur Männer in ihre Reihen auf. Frauen seien laut Antragsteller*innen nur „dekoratives Anhängsel“ bei Partys.

Warum kommt der Antrag jetzt?

Im Begründungstext ist von „aktuellen Geschehnissen“ die Rede, die den Antrag notwendig machen würden. Diese seien einerseits Berichte über Diskriminierung bei einer Verbindungsveranstaltung, die dem AStA vorliegen. Weitere Details können aufgrund von Vertraulichkeit nicht genannt werden. Andererseits wird eine Party in der vergangen Ersti-Woche als Grund genannt. Bei dieser handelt es sich vermutlich um eine Party des FSR Pharmazie Anfang April im Verbindungshaus des Corps Pomerania Greifswald. Dies ist eine schlagende Männerverbindung. Das bedeutet, dass sie nur Männer aufnehmen und die Mensur verpflichtend für die Mitglieder durchführen. Sie sind im Dachverband Kösener SC-Verband organisiert, der sich als unpolitisch versteht.

Eine Pharma Party im Verbindungshaus?

Der FSR Pharmazie begründet die Wahl der Location damit, dass ein Kommilitone von ihnen Teil der Verbindung sei. Die Party sei relativ kurzfristig geplant gewesen und geeignete Räumlichkeiten mussten spontan gefunden werden. Laut des FSRs Pharmazie sei aber klar gewesen: „Das Corps Pomerania sollte bis auf die Räume nichts mit dieser Veranstaltung zu tun haben bzw. keinen Einfluss nehmen dürfen.“ Finanziell wäre das Corps an den Einnahmen des Eintritts beteiligt gewesen. An der Party teilzunehmen, ohne die Verbindung finanziell zu unterstützen, wäre also nicht möglich gewesen.

Wie waren die Reaktionen auf die Party?

Am 06.04 entschuldigte sich der AStA über seinen Instagram-Kanal dafür, dass sie die Veranstaltung zuvor beworben hatten. Für den FSR Pharmazie kam das unerwartet: „Sich von einer Veranstaltung zu distanzieren, die zu bewerben kein Problem war, welche problemlos verlaufen ist, schien uns vorurteilsbehaftet und unfair.“ Bereits vor der Party hätte es Nachfragen gegeben, aber der Wunsch nach einem anderen Veranstaltungsort wurde dem FSR nicht zugetragen. Nach der Party seien die Rückmeldungen der Gäste durchweg positiv gewesen.

Hätte es alternative Räumlichkeiten gegeben?

Greifswald verfügt über fünf Studiclubs im gesamten Stadtgebiet. Diese bieten eine Infrastruktur für FSR-Partys. Der räumlich größte Club – der Mensa-Club – musste allerdings Ende des Jahres 2022 schließen. Die Hintergründe dazu findet ihr in diesem Artikel. Der FSR Pharmazie begründet die Entscheidung gegen einen der Studiclubs als Veranstaltungsraum mit der Kurzfristigkeit der Party. Laut den Antragsteller*innen sind die Clubs als Veranstaltungsräume immer Verbindungshäusern vorzuziehen: „Mit unseren Studierendenclubs haben wir ein großartiges Angebot an Räumlichkeiten für Ersti-Partys und Co., die allen Studierenden offen stehen und als Safe Space gelten.“

Wie empfinden die Verbindungen den Beschluss des StuPa?

Die lebhafte Debatte während der StuPa-Sitzung zeigte, dass die Mitglieder der Greifswalder Verbindungen wenig Verständnis für den Antrag aufbringen. Auf besagter Sitzung sprach sich ein Mitglied einer Verbindung für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Studierendenschaft und Verbindungen aus. Mitglieder des Corps Pomerania wollten sich trotz mehrfacher schriftlicher Nachfrage nicht zum Beschluss oder der Veranstaltung äußern.

Beitragsbild: Lilly Biedermann

AStA und Stupa streiten sich um Verbindungsbroschüre – ein Drama in mehreren Episoden

AStA und Stupa streiten sich um Verbindungsbroschüre – ein Drama in mehreren Episoden

 

Der Umgang mit studentischen Verbindungen, Corps und Turnerschaften haben in der vorlesungsfreien Zeit zu Streitigkeiten zwischen den Organen der verfassten Studierendenschaft AStA und StuPa geführt.

Was bisher geschah:

Das Verhältnis zwischen vielen Akteuren in der Hochschulpolitik und den Verbindungen an der Universität ist gespalten. Die Nähe zwischen zwei in Greifswald ansässigen Burschenschaften zu offen rassistischen Organisationen hat dazu geführt, dass die gesamte Thematik der Verbindungen, Corps, Turner- und insbesondere Burschenschaften für viele ein rotes Tuch sind. Das Studierendenparlament hat auch deswegen beschlossen, diesen Vereinen die Teilnahme am Markt der Möglichkeiten zu verweigern ( Beschl.-Nr. 2018-28/148 ). Eine Mail vom AStA während der Vorbereitungen auf die Ersti-Woche, in der auch andere Vereine und Organisationen zu den Standards aus dem Beschluss angehalten wurden, hat zu heftigen Reaktionen und Personaldebatten in der Vorlesungsfreien Zeit geführt. In der außerordentlichen StuPa-Sitzung, waren auch einige Verbindungen und Corps anwesend, um sich zu verteidigen und eine Teilnahme am Markt der Möglichkeiten doch noch zu sichern. Sie fühlten sich nicht nur durch die empfundene Pauschalisierung aller als rechte Vereine verunglimpft, sondern seien teilweise auch dringend auf neue Mitglieder angewiesen. Der Beschluss wurde nicht aufgehoben, niemand entlassen und ein alter Beschluss aus dem Sommersemester 2013, in dem der AStA dazu angehalten wurde, eine Informationsbroschüre zu verfassen, wurde wieder aufgenommen.

Episode 1: Die Broschüre

Eine ehemalige AStA-Referentin wurde damit beauftragt, eine Informationsbroschüre zu den Verbindungen, Corps und Turnerschaften zu erstellen, die dann in die Ersti-Tüten gepackt werden sollte. Die beiden Burschenschaften wurden hier aufgrund ihrer rechten Geschichte ausgeschlossen. In der folgenden StuPa-Sitzung am 11. September ging die Debatte weiter. Es wurde von einigen StuPisten bezweifelt, dass die Broschüre die Erstsemester objektiv über die Verbindungen informiert, wenn diese an der Erstellung mitarbeiten können. Um die Gemüter zu beruhigen wurde in der nächsten Woche eine spontane öffentliche Einsicht in den aktuellen Stand der Broschüre, bevor sie in die endgültige Form und in den Druck gebracht wird. Zu dieser Einsicht lud StuPa-Präsident Yannick van der Sand im Auftrag des AStAs ausschließlich für einen Zeitraum von wenigen Stunden am 24. September in den AStA-Räumlichkeiten ein. Obwohl aus dem StuPa Stimmen laut wurden, dass viele in der vorlesungsfreien Zeit keine Möglichkeit hätten, für wenige Stunden nach Greifswald zu kommen und deswegen eine digitale Version wollten, wurde dass verweigert – die Gefahr, dass der Entwurf in den öffentlichen Umlauf kommen könnte sei zu groß.

Episode 2: Der Leak-Skandal

Im Sinne der Transparenz und unserer Aufgabe als vierte Gewalt der verfassten Studierendenschaft, sowie der Neugier geschuldet sind einige moritz.Redakteur*innen zu der öffentlichen Einsicht gegangen. Um akkurat darüber berichten zu können, wurden Fotos für die interne Diskussion von der Broschüre gemacht. Fotos von dem Broschürenentwurf haben es auch in die Hände derjenigen StuPist*innen geschafft, die keine Möglichkeit hatten, in dem Zeitfenster den AStA zu besuchen. Die Kritik am Entwurf und die Angst, dass die Broschüre übereilt den Weg in den Druck finden, führten zu einem intensiven Mailaustausch, der auch den moritz.medien vorliegt. Der Entwurf entspräche nicht den Vorgaben, zu informieren, sondern sei eine reine Werbebroschüre für die Verbindungen geworden, die auf kritisches Hinterfragen verzichte. Es wurde moniert, dass die Recherche scheinbar fast ausschließlich bei Wikipedia und Youtube erfolgt ist, außerdem seien die eingereichten Selbstbeschreibungen der Organisationen kritiklos übernommen worden. Die beteiligten AStA-Referent*innen zeigten sich erbost über die digitale Weiterverbreitung des Entwurfes, die ihrer Ansicht nach rechtlich unzulänglich war. Vor allem die versehentliche Veröffentlichung online von einem privatem Konto, die inzwischen wieder rückgängig gemacht wurde, drohte juristisch zu eskalieren.

Episode 3: Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis

Schon in den vorangegangenen Diskussionen im StuPa wurde deutlich, dass die Problematik unterschiedlich eingeordnet wird. Während viele im StuPa zwar anerkennen, dass nicht alle Verbindungen Greifswalds am rechten Rand bewegen, aber kritisieren, dass es sich durch die Exklusivität der Mitgliederauswahl und das Lebensbundprinzip um keine normalen studentischen Vereine handelt. Goswin Schreck, AStA-Referent für Veranstaltungen warf bei einer StuPa-Sitzung ein, dass die Verbindungen zu den ältesten Institutionen der studentischen Kultur gehören und deswegen nicht pauschal ausgeschlossen werden sollten. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Thematik hat in der außerordentlichen Sitzung zwischen den Semestern zu dem Beschluss geführt, eine öffentliche Diskussionsveranstaltung mit den betroffenen Vereinen zu organisieren. Auch bei der Broschüre wurde das Tempo zurückgenommen. Damit eine umfassende Recherche betrieben werden kann, wurde auf der AStA-Sitzung eine AG beschlossen, bei der die Broschüre ohne Zeitdruck erstellt werden kann.

Fortsetzung folgt . . . . . xoxo gossip.moritz

Beitragsbild: “Stammbuchmalerei des “Stammbuchmalers mit dem schwarz-goldenen Rande”, Jena um 1750, Rechte abgelaufen, Public Domain”

Vom Fuchs zum Alten Herren

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Jusos wollen Aussteigertelefon für Verbindungsstudenten

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Performance-Vortrag: Studentenverbindungen

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