Der Schrecken am Ende des Semesters

Der Schrecken am Ende des Semesters

Sie ist die Endgegnerin aller Studierenden: die Prüfungsphase. Einige sind sehr gut, andere gut und wieder andere gar nicht auf sie vorbereitet. Aber im Endeffekt holt sie jede*n ein. Früher oder später. Es trifft jede*n zum Ende des Semesters. Aber der webmoritz ist für euch da und hat für euch die wichtigsten Fragen beantwortet, wie man in dieses Duell gehen sollte.

Ein Kooperationsartikel von einigen eifrigen webmoritz.-Redakteur*innen

Wenn ihr diesen Artikel relativ kurz nach der Veröffentlichung lest, stehen die Chancen gut, dass ihr gerade wieder prokrastiniert. Oder ihr seid Teil der webmoritz.ultras. Beides freut uns natürlich (also das Lesen unserer Artikel, nicht das Prokrastinieren). Aber wenn ihr prokrastinieren solltet, haben wir für euch unsere besten Tipps, um aus der Situation wieder herauszukommen.

Schritt 1: Aufhören mit dem Prokrastinieren

Zuerst müssen wir eins klarstellen. Es gibt viele Mittel und Wege, um mit dem Prokrastinieren aufzuhören; was bei dem einen oder der anderen funktioniert, ist für die nächsten wieder völliger Schwachsinn. Wir haben daher in unsere Tipps nur solche aufgenommen, welche auch wirklich funktionieren, zumindest bei einigen von uns.

Etwas, dass immer wieder zu hören war, ist, dass man sich klare Ziele setzen sollte. Klare Ziele meint in diesem Fall nicht, dass man sagt: “Ich will unbedingt ne 1,0 in der Klausur holen”, sondern, dass man mit kleinen Schritten zum Ziel kommt. Setzt euch Ziele für jede Lerneinheit. Lernt beispielsweise heute ein Kapitel oder macht eine Probeklausur. Ganz besonders wichtig ist in diesen Fällen natürlich die Belohnung. Zu den Belohnungen aber später mehr.
Etwas, dass auch immer wieder zu hören war, ist, dass die Atmosphäre auch ihren Teil zum Prokrastinieren beitragen kann. Also schafft eine Atmosphäre, die euch zum Lernen einlädt und nicht davon abhält. Besonders wichtig kann es für die ein oder andere Person von euch sein, wenn ihr einfach mal das Handy ausschaltet oder zumindest die Benachrichtigungen. Die Welt geht schon nicht unter, wenn man für ein paar Stunden am Tag offline ist (Sorry für den Boomerspruch). Wenn das aber für euch keine Alternative ist, dann solltet ihr vielleicht zumindest den Zugriff auf eure Social Media Apps beschränken. Der Lernerfolg wird es euch danken.

Schritt 2: Richtig lernen

Ihr habt es also nun geschafft. Ihr habt erfolgreich aufgehört zu prokrastinieren. Aber schon steht ihr vor dem nächsten Problem. Wie lernt man jetzt richtig? Auch hier gilt leider, dass es keine Blaupause gibt. Es ist typenabhängig.

Für die einen sind es die Klassiker wie Lernzettel oder Karteikarten. Für die anderen ist es das Zusammenfassen der Lerninhalte bis nur noch Stichworte übrig sind oder das Nacharbeiten der Vorlesungsfolien und Verknüpfen von Inhalten. Etwas, das aber vermehrt in der Redaktion genutzt wird, ist die Pomodoro-Technik. Hört sich erstmal schon cool an und ist auch sehr simpel. Falls ihr diese nicht kennt: Ihr lernt in einem Zeitintervall von 25 Minuten konzentriert (also ohne Ablenkungen) und macht dann 5 Minuten Pause. Dies wiederholt ihr beliebig oft (im Idealfall mehr als einmal).

Aber wie gesagt, gibt es leider keine Blaupause, wie ihr für euch “richtig” lernt. Dies müsst ihr leider selbst herausfinden. Aber vielleicht habt ihr in diesem Absatz Inspiration gewonnen oder ihr habt andere Vorschläge; dann haut diese gerne in die Kommentare!

Schritt 3: Die Belohnung

Habt ihr also Schritt 1&2 absolviert, könnt ihr zu Schritt 3 übergehen. Hier kommt sie also nun, wie bereits groß angekündigt, die Belohnung. Wir alle kennen das, wenn man sich als Belohnung für einen Erfolg erstmal etwas gönnt. Auch hier haben wir für euch unsere Go-to-Belohnungen gesammelt.
Entweder sind es die selbstgebackenen Cookies, oder eben der Apfelkuchen mit Zimt und Zucker beim Bingewatchen der Lieblingsserie oder des Lieblingsfilms. Aber auch Sport in jeglicher Form stellt eine Belohnung dar, selbst wenn es nur ein kurzer Spaziergang ist. Mit dem Sport einhergehend kann man auch soziale Kontakte wahrnehmen. Dies muss aber nicht nur mit dem Sport der Fall sein, auch ein Kinobesuch oder beispielsweise ein Partybesuch im Club eures Vertrauens bieten sich hierfür an.
Euch ist nicht nach menschlichen Kontakten? Auch dafür haben wir Lösungen: Das bereits angesprochene Bingewatchen der Lieblingsserie oder ein Kapitel aus dem Lieblingsbuch können sehr erholend wirken.
Entspannung kann aber auch eine sehr gute Belohnung sein. Sei es ein entspannter Wellness-Abend oder einfach nur der klassische Power-Nap. Schlafen kann Wunder bewirken und sehr entspannend sein.

Schritt 4: Stolperstein Prüfungsangst

Ihr seid also nun an dem Punkt angekommen, wo ihr gut vorbereitet in Raum sitzt und die Klausur vor euch liegt, oder (im Falle einer mündlichen Prüfung) ihr darauf wartet, losreden zu dürfen. Ihr merkt aber plötzlich, dass euch die Prüfungsangst heimsucht. Was also tun? Wichtig ist erstmal, dass ihr locker bleibt. Panik hat noch nie in so einer Situation geholfen.
Schöpft Mut aus den Erfolgen der Lernphase. Macht euch klar, dass jede Klausur machbar ist. Und ganz wichtig ist es, um Druck herauszunehmen, dass die eigenen Erwartungen realistisch gehalten werden. Natürlich sollte man in jeder Klausur nach dem besten Ergebnis streben, aber auch nie den Bezug zur Realität verlieren. Wenn einem das Themengebiet nicht besonders liegt, ist es vielleicht nicht der beste Weg, trotzdem auf eine 1,0 zu schielen. Bleibt also in der Erwartungshaltung realistisch. Und ganz wichtig: Man scheitert auch mal im Leben. Aber an Niederlagen wächst man. Es ist also nicht so schlimm, nicht das gewünschte Resultat aus einer Klausur zu holen.

In eigener Sache

Abschließend möchten wir als Redaktion des webmoritz. euch noch ganz viel Erfolg bei den anstehenden Prüfungen wünschen. Wir hoffen, dass euch unsere Tipps und Erfahrungen ein wenig weiter gebracht haben oder in der nächsten Prüfungsphase weiterbringen werden. Ihr packt das!

Beitragsbild: Jeswin Thomas auf Unsplash

Ich hab aufgeräumt und Staub gewischt

Ich hab aufgeräumt und Staub gewischt

Viele Studierende kennen das Phänomen: Die Prüfungen stehen an und plötzlich glänzt die Wohnung in ihrem vollen Schein. Die neueste Staffel der Lieblingsserie ist ebenfalls innerhalb von zwei Tagen weggesnackt. Die Staubschicht vom Schreibtisch ist entfernt. Die Prüfungsvorbereitung wird verdrängt. Die Prokrastination kickt.

Ich denke, dass es durchaus Studierende unter uns gibt, die das Aufschieben unangenehmer Aufgaben gut unter Kontrolle haben. Ich gebe hier aber auch zu: Ich gehöre nicht unbedingt zu ihnen. Ja, ich schiebe Dinge gern auf, bis sie unvermeidbar werden und ich einen gewissen Druck verspüre. Die meisten kennen das vermutlich von den Hausarbeitenphasen sehr gut: Die unvermeidbare Berechnung, wie viele Seiten pro Tag geschrieben werden müssten, um noch den Mindestumfang zu erfüllen – fünf Seiten pro Tag? Easy machbar!

Ich fang gleich an!

Das Wort Prokrastination stammt vom lateinischen Wort procrastinatio ab und bedeutet Aufschub oder Vertagung. Laut Duden wird es übrigens nicht besonders häufig verwendet. Das liegt aber vermutlich eher an der Häufigkeiten-Berechnung des Duden, die rein digital in Volltexten erfolgt, und daher nicht unbedingt den tatsächlichen Sprachgebrauch widerspiegelt.

Prokrastination wird inzwischen sogar als eine Störung anerkannt, die teils so stark werden kann, dass Betroffene sich in Behandlung begeben (sollten). Die WWU Münster hat hierfür sogar eine Prokrastinationsambulanz eingerichtet, auf deren Internetseite man auch einen Selbsttest machen kann. Der Selbsttest umfasst auch die Bereich Depressivität und Aufmerksamkeitsstörung, da sich hier oftmals Überschneidungen zeigen. Nichtdestotrotz ist es so, dass bei den meisten Menschen, die unangenehme Tätigkeiten aufschieben, dieses “alltägliche” Hinauszögern noch keine pathologische Prokrastination darstellt.

Ich mach das dann schon!

Ich möchte hier keine Tipps geben, wie ihr euer Prokrastinationsproblem lösen könnt. Ich habe für mich mittlerweile einen guten Weg gefunden, Aufgaben anzugehen, die ich eigentlich Ewigkeiten (also bis zur Unvermeidbarkeit) hinausschieben möchte. Vor allem aber habe ich eine Möglichkeit gefunden, meine Prüfungsvorbereitung durchzuziehen. Zumal ich meistens nicht einmal mangelnde Motivation als Aufschiebegrund nennen kann. Ich komme gut gelaunt und ultramotiviert aus der Sprechstunde mit meinen Prüfer*innen. Ich denke mir: “Das lief richtig gut. Jetzt setzt du dich gleich dran und gehst dann gut vorbereitet in die Prüfung!” und dann komme ich nach Hause und tue was? Richtig, zum zwanzigsten Mal Grey’s Anatomy oder New Girl schauen.

Was ich eigentlich sagen will: Ihr seid damit nicht allein. Aufschieben ist in gewisser Weise ein absolut menschliches Verhalten. Wenn ihr mehr über das Phänomen lernen wollt, schaut doch einfach einmal zwischen den Links am Ende des Beitrags. Das Studierendenwerk bietet außerdem am 16. November 2022 einen Workshop mit dem Thema “Schluss mit dem ewigen Aufschieben – Wege aus der Prokrastination” an. Auf der Seite des Studierendenwerkes findet ihr dieses und weitere Workshopangebote.

Ich google nur noch kurz…

Damit allen Lesenden klar wird, wo ich meine Überschriften geklaut habe und damit alle Lesenden den passenden Song zum Phänomen haben: Bitte. Gern geschehen. Moop Mama mit Prokrastination.

Es gibt übrigens auch die Präkrastination. Sie beschreibt das Phänomen, Aufgaben möglichst schnell erledigen zu wollen. Tja, da habt ihr heute sogar noch etwas gelernt!

Weitere Leseempfehlungen und Links:

Beitragsbild: Screenshot Jodel, Autor*in unbekannt

How to survive Prüfungsphase

How to survive Prüfungsphase

Die wenigsten sind schon durch und die meisten noch mittendrin: Die Prüfungsphase zieht sich weiter durch den nicht endenden Corona-Winter. Wir haben für euch ein paar ernst und nicht so ernst gemeinte Tipps gesammelt, wie ihr produktiv und balanciert durch eure Prüfungszeit kommt!

Vorbereitung – mit der richtigen Planung ist schon viel getan:
  • Eine Übersicht über den Lern- oder Prüfungsstoff erstellen: Von Literaturbeschaffung über Durchsicht und Gliederungen, erstellt euch Arbeitspakete und fangt strukturiert an.
  • Achtet beim Erstellen von To-Do-Listen darauf, große Aufgaben in einzelne Arbeitsschritte zu unterteilen, die man dann auch abhaken kann – das kleine Erfolgsgefühl beim Abhaken ist doch der beste Ansporn.
  • Plant euch genau so fest wie die Lernzeit auch Freizeit ein!
  • Ein Tipp für To-Do-Listen: Priorisiert für jeden Tag die drei wichtigsten Aufgaben (again: sie sollten realistisch sein!) und schreibt die anderen als optional auf die andere Seite. So seid ihr weniger erschlagen und müsst nicht den ganzen Berg an einem Tag erklimmen.
  • Study essentials: Ein paar neue Textmarker, hübsche Sticky Notes oder bunte Karteikarten verhelfen dem einen oder der anderen zu ein paar Hochgefühlen beim tristen Lernen.
  • Deckt euch ein mit euren Lieblingssnacks, Smoothies und ein paar Tütensuppen o.ä.
  • Wenn es sowas gibt, sucht nach Podcasts oder Dokus, um auf einfachem Wege in das Thema reinzufinden.
  • Sorgt für das richtige Setting: Ein freier Schreibtisch oder ein paar Bücher für die ✨intellektuellen feels✨, oder auch Lichterketten und Kerzen, solange es so früh dunkel wird.
  • Fragt eure Kommiliton*innen, ob ihr (digitale) Lerngruppen bilden wollt oder tauscht eure Lernzettel aus – zusammen ist alles erträglicher.

Während des Lernens – so kommt ihr durch:
  • Teilt euch eure Zeit am Schreibtisch in kleine Blöcke ein, sodass ihr nicht das Gefühl habt, von morgens an den halben oder ganzen Tag dort sitzen zu müssen – Stichwort Pomodoro-Methode.
  • Schaltet euer Handy in den Flugmodus und stellt euch beispielsweise einen Wecker für kleine Arbeitsblöcke und -pausen.
  • Ein Bier um vier hehe – eine Vier, dank Bier!
  • Versucht, jemandem euer Thema richtig spannend zusammenzufassen, um selber das Positive darin zu finden. Sobald ihr weit genug seid, versucht es auf einfachem Niveau zu erklären – wenn ihr es so weit runterbrechen könnt, habt ihr es drauf.
  • Verteilt in eurer Wohnung kleine Karteikarten, um beispielsweise beim Zähneputzen oder Kaffeekochen ein paar Wiederholungen einzubauen.
  • Macht euch nebenbei Study Ambiente Videos an, wie zum Beispiel dieses mit Harry Potter Thematik.
  • Erstellt euch digitale Karteikarten am Handy: Neben der Wiederholung habt ihr dadurch alles verfügbar, um zwischendurch am Handy ein paar Karten durchzulesen.
  • Nutzt ätherisches Öl zur Konzentration.
  • Lernt eure Karteikarten auch andersrum: erst die Beschreibung lesen und dann den Überbegriff “raten”.
  • Kein Multitasking
  • Schreibt einen Spickzettel: Dabei konzentriert man sich auf die wichtigsten Infos und merkt sich dadurch tatsächlich schon das meiste.

In den Pausen – auch Entspannung will gelernt sein:
  • Versucht, in euren Pausen nicht nur aufs Handy zu gucken, sondern auch aufzustehen, den Lernort kurz zu verlassen und bestenfalls ein bisschen frische Luft zu schnappen. Ansonsten: lüften, lüften, lüften!
  • Baut ein bisschen Bewegung ein: ein paar Dehnübungen, ein Spaziergang oder Kurse des Hochschulsports helfen dem Gehirn.
  • Achtet auf euren Schlaf! Auch ein kleiner Mittagsschlaf von 20 Minuten kann Wunder bewirken.
  • Auch wenn es in manchen Phasen schwerfällt, versucht euch einen ganzen Tag pro Woche freizunehmen, um wirklich runterzufahren und den Akku wieder aufzuladen.
  • Gönnt euch Belohnungen für die Lernzeit.
  • Seid lieb zu euch. Manche Tage laufen produktiv, an anderen geht es einfach nicht: Wir können keine Dauerleistung erbringen und manchmal ist es besser, sich lieber mehr auszuruhen, wenn Kopf oder Körper streiken. Solche tiefen Pausen helfen, um dann mit einem Neustart auch wirklich effizient arbeiten zu können.

Und für ein bisschen Abwechslung – wenn der Trott kickt:
  • Geht zum Lernen spazieren: Fragt euch gegenseitig ab, sprecht euch den Lernstoff vorher aufs Handy ein oder macht einen Slalom über den Wall mit euren Karteikarten – wo wenn nicht dort, wo die Stadt aus Uni besteht.
  • Verabredet euch zum Co-Working! Ob in Präsenz oder digital, mit Kommiliton*innen oder Freund*innen aus der Heimat, sich gegenseitig mitzuziehen kann enorm helfen und das Ganze viel geselliger machen.
  • Schreibt euch flippige Lernsongs (funktioniert fantastisch, sagt jemand aus der Redaktion).
  • Tauscht euren Schreibtischstuhl mit einem Gymnastikball, dann könnt ihr lustig bouncen – jipelidu!
  • Tauscht mit euren Mitbewohner*innen oder Freund*innen den Schreibtisch.
  • Oder probiert einfach mal, im Stehen zu arbeiten.
  • Und nun ein komischer Tipp: Ihr coworked über FaceTime? Dort kann man Emojis auf das Bild setzen, und eine Glühbirne über dem Kopf in der eigenen Bildvorschau zu sehen macht irgendwie phantomaktiv.
  • Kauft euch ein Mousepad mit blauem Meer und Insel für das absolute Urlaubsfeeling…
  • Prüfungen schieben – beste! – man kann sich aktuell noch bis zu 3 Tage vor der Prüfung ohne Angabe von Gründen abmelden.

Beitragsbild: Annica Brommann

Von Stein zu Stein – Eine Erinnerung aus der letzten Prüfungsphase

Von Stein zu Stein – Eine Erinnerung aus der letzten Prüfungsphase

Ich halte meine Kaffeetasse eng umklammert und blicke hinaus, ohne den Himmel zu sehen. Starre ins Leere. Aus dem kleinen Eckfenster in unserer Küche sieht man normalerweise die kurzen Schornsteine der umliegenden Dächer. Aufsteigenden Rauch, der sich an der Kante erster Sonnenstrahlen bricht. Ich glaube, er ist auch heute da. Nur wahrnehmen kann ich ihn nicht. Ich habe Angst.

MAN HÄNGT ALLEIN AN DER WAND

In fünf Minuten sollte ich die Federtasche in den Rucksack stecken, die Riemen über die Schulter schwingen und die Tür hinter mir zuziehen. Dann käme ich genau eine halbe Stunde vor den typischen Worten unserer Professorin: „Legen Sie bitte Ihren Studierendenausweis heraus. Auf Ihren Tischen sollte nicht mehr liegen, als ein Taschenrechner und ein Stift. Den Rest haben Sie im Kopf“. Es ist schon mein zweiter Versuch dieser Prüfung. Die „Rausschmeißerklausur“ unseres Studiums. Meine Freund*innen hatten mich alle sehr erstaunt angeblickt: „Du bist durchgefallen?“ „Ja. Sie war schwer und ich saß dort ganz allein in meinem Zeitdruck, meinem Ich-weiß-wo-es-steht und Ist-das-der-richtige-Ansatz. Das hat nicht gereicht. Ich schreib sie im Februar nochmal“. Heute ist dieser Februartag.

JEDER HAT SEINE ART ZU KLETTERN

Gestern Abend noch war ich so nervös, dass Friedi mir die Lernzettel aus der Hand riss und mich zwang, mit ihr in die Boulderhalle zu fahren.

Im hintersten Winkel des Gewerbegebiets haben Studierende ein paar Wände zusammengezimmert. Bunte Steine markieren die Routen, Zettel unter dem ersten und letzten, den Schwierigkeitsgrad. Im Winter kann es dort sehr kalt werden. Wir haben nur einen kleinen gasbetriebenen Heizer.

Vor dem stand ich gestern die ersten 10 Minuten, hielt meine tauben Hände gegen das Gitter und beobachtete die Menschen an der Wand. Obwohl alle dieselben Routen kletterten, taten das alle auf ihre Weise. Die kleinen Stämmigen hangelten sich nur an den Armen aus dem Überhang heraus. Große Lange konnten auf einer Seite stehen und auf der anderen nach einem Stein greifen. Und dann gab es noch diese, die sich nur mit ihrem Gleichgewichtssinn freihändig an den Wänden entlang schoben, langsam und vorsichtig.

MAN BRAUCHT VIEL KONZENTRATION

Bouldern verlangt ein inneres Ruhen, vollste Konzentration auf den Stein vor einem, kein Nachdenken über die gesamte Route. Und während ich dort vor dem kleinen Heizer langsam wieder meine Finger spürte, kam mir der Gedanke, dass die Klausur morgen vielleicht ganz ähnlich wäre.

Mit pochendem Herzen trat ich an die Wand und griff nach dem ersten Stein der gelben Route. Hing mich mit beiden Armen in der Hocke an die Wand, fasste nach rechts, hookte den Stein links und drückte mich hoch. Verlor kurz mein Gleichgewicht.

EIN STEIN NACH DEM ANDEREN

Ich musste durchatmen, langsamer klettern und nur den Stein vor mir sehen. Ein Handgriff nach dem nächsten. Die Route führte aus dem Übergang heraus über die Kante. „Glaub an dich“, rief eine Stimme von hinten. Um die Kante. Ich kämpfte. Zog. Drückte. „Los!“ Ich würde das schaffen! Der Gedanke zog mich auf den nächsten Stein. Ich konnte kurz durchatmen. „Siehst du.“ Ich drehte mich um, grinste den Fremden hinter mir an. Dann griff ich nach dem nächsten Stein. Taumelte, bekam ihn aber noch mit den Fingerspitzen zu fassen. Hing kurzzeitig nur an den Armen und fiel im nächsten Moment auf die Matte am Boden.

MAN LERNT IMMER NEUE TECHNIK

Der Boulderer neben mir lachte „Nicht schlimm. Nochmal oder die nächste Route.“ Ich grinste über die Leichtigkeit in seinen Worten. „Technik lernst du immer dazu.“ Ich nickte. Hatte ich doch gerade schon wieder einen neuen Handgriff gelernt, das Hooken geübt, und mich dynamisch hochgezogen. „Den Hook brauchst du auf jeden Fall auch für die Blaue dahinten.“ Er klopfte mir auf die Schulter und wendete sich ab.

WENN MAN NICHT AN SICH GLAUBT, BRAUCHT MAN DIE ROUTE GAR NICHT ANZUFANGEN

Ich blicke auf die Uhr. Die fünf Minuten sind vorbei. Habe ich mich doch wirklich so sehr in der Erinnerung an gestern Abend verloren, dass ich die Zeit vergessen habe. Ich will gerade losstürmen, zu einer Klausur kommt man nicht zu spät, als ich nochmal innehalte. Tief ein- und ausatme, wie ich es auch vor der gelben Route gestern Abend getan hatte. Ich werde einfach eine Aufgabe nach der anderen beantworten. Falls es nicht reicht, macht das nichts. Dann schreib ich sie nochmal oder mache etwas anderes.

Und fast am allerwichtigsten: Ich werde an mich glauben. Wenn man nicht an sich glaubt, braucht man eine Boulderroute gar nicht anzufangen. Das ist bei der Klausur nicht anders. Mit einem letzten Blick aus dem Küchenfenster ziehe ich die Tür hinter mir zu. Aus den Schornsteinen bricht sich der Rauch an der Kante erster Sonnenstrahlen.

Beitragsbild: Swantje Furtak

Mimimi-Mittwoch: Prüfungsphase

Mimimi-Mittwoch: Prüfungsphase

Wut, Hass, Zorn: All diese Gefühle verbindet man so manches Mal mit seinen Mitmenschen. Genau für solche Momente ist diese Kolumne da. Wann immer wir uns mal gepflegt über Leute auslassen oder uns auch generell mal der Schuh drückt, lest ihr das hier.

Über nichts möchte ich gerade mehr „Mimimi“ machen, als über diese Prüfungsphase. Beginnt die vorlesungsfreie Zeit, so fängt meiner Meinung nach auch der schlimmste Teil des Semesters an.

screaming ilana glazer GIF by Broad City

Obwohl – schön wär’s:  Einige Prüfungen werden ja schon in der Woche VOR den „Ferien“ geschrieben. Ähm, WANN soll ich mich zwischen den ganzen Vorlesungen bitte dafür vorbereiten?

Gerne werden die Prüfungstermine dann auch noch auf einen Samstag gelegt. Begründung: Nur noch heute war ein Raum frei. Ja toll, bei mir war Samstag eigentlich immer der Kopf frei, damit ich mir wenigstens einen Tag der Erholung gönnen konnte…

Aber nicht nur die gewählten Tage der Prüfungen sind undankbar. Um 18.30 Uhr eine Prüfung – wie soll mein Herz das denn bitte mitmachen? An diesem Tag ist man einfach für nichts zu gebrauchen. Die Aufregung und Angst werden von Minute zu Minute schlimmer. Ich kann in der Zeit bis zum Abend weder lernen, noch essen, noch lachen, noch weinen. Und danach möchte ich einfach nur noch schlafen.

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Und am nächsten Tag geht’s weiter, um an der zweiten Hausarbeit von fünfhunderttausend zu arbeiten und mich parallel auf eine mündliche und eine schriftliche Prüfung vorzubereiten, die alle in einer Woche stattfinden. Wie soll ich denn für so viele Prüfungen gleichzeitig lernen? Wo soll ich anfangen? Dafür ist mein Kopf einfach nicht gemacht.

Und nicht mal mehr an die Altklausuren kommt man easy-peasy ran, sondern muss erstmal zum FSR dackeln und die Altklausur ABSCHREIBEN. Aus Verzweiflung setze ich dann drauf, dass die Dozierenden die gleiche Klausur wie die letzten 10 Jahre nehmen – aber klar, in meinem Jahrgang wird dann eine neue eingeführt.

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Jetzt muss ich meine Tage der vorlesungsfreien Zeit also in der Bib verbringen. Apropos Bibliothek: Wenn ich nicht spätestens um 9 Uhr am Loefflerplatz auf der Matte stehe, dann darf ich die nächsten Stunden auf dem Fensterbrett verbringen, weil kein Tisch mehr frei war… Gemütlich hier – oh, eine Möwe.

Dann kann ich die Zeit ja auch damit verbringen, das Buch zu suchen, das ich so dringend brauche. Eigentlich müsste es im Regal stehen, aber irgendjemand hat es wohl woanders versteckt, damit niemand mehr davon profitieren kann. Schön, dieser Egoismus. Und obwohl es noch drei andere Ausgaben geben müsste, sind die natürlich verliehen. Seltsam, dass vier Bücher für einen Studiengang zu wenig sind.

Und weil ich ja keine Wochenenden im klassischen Sinn habe, da auch die aus lernen und lesen bestehen, muss ich auch den Sonntag in der Bibliothek verbringen – und fast verhungern. Wann soll ich zwischen lernen und schlafen und gelegentlich duschen denn noch Energie aufbringen, um einkaufen zu gehen? Wieso hat die Mensa oder das Grüne denn nicht auch am Wochenende geöffnet? Obwohl, ich könnte Essen für die nächsten drei Wochen vorkochen – NEIN, das ist keine Prokrastination.

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Ja okay, manch eine*r könnte sagen: „Hättest du dich während des Semesters immer gut vor- und nachbereitet, alle Vorlesungen besucht und immer alle Texte gelesen – dann wär das jetzt eine entspannte Zeit.“ Ja, HÄTTE ich mal… Der Zug ist jetzt aber leider abgefahren, und mit ihm meine Freizeit, sozialen Kontakte und jeglicher Spaß.

Beitragsbild: unsplash
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