Aus der Klinik auf die Straße: Warnstreiks an den Unikliniken

Aus der Klinik auf die Straße: Warnstreiks an den Unikliniken

Dass die Arbeitsbedingungen an den Kliniken Deutschlands zunehmend schlechter werden und es gleichzeitig vermehrt an Personal mangelt, ist nicht erst seit der Coronapandemie bekannt. Zwar hat die Notlage der letzten anderthalb Jahre auch der breiteren Öffentlichkeit einen Eindruck von der Situation in den Krankenhäusern geboten, doch die Politik scheint demgegenüber den Blick abzuwenden. Jetzt sollen neue Tarifverhandlungen sogar zu einer Herabgruppierung der Mitarbeitenden des Gesundheitswesens in eine niedrigere Entgeltgruppe führen. Die Antwort: Warnstreiks.

„Nach dem Klatschen kommt die Klatsche“, heißt es auf Flyern, die die Gewerkschaft vor dem Warnstreik am vergangenen Montag verteilt. Die ersten Demonstrierenden versammeln sich am 8. November schon gegen 6 Uhr vor dem Universitätsklinikum, wo der Streikzug beginnt. Nach einer Kundgebung auf dem Berthold-Beitz-Platz geht es für eine zweite Kundgebung gemeinsam zum Marktplatz und anschließend wieder zurück zur Klinik. Insgesamt über 200 Streikende kommen zusammen, die mit Trillerpfeifen und Rasseln, selbst gestalteten Plakaten und dem lauten Rufen ihrer Forderungen auf sich aufmerksam machen. Gleichzeitig legen auch Mitarbei­tende in anderen Städten wie Lübeck, Essen, Köln oder Münster ihre Arbeit nieder. Die aktuelle Lage des Gesundheits­wesens ist ein nationales Problem.

Die Frage des Streiks ist keine leichte, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Berufen betrifft eine Arbeitsniederlegung im Krankenhaus direkt andere Menschenleben. Deshalb wurde im Vorfeld über eine ganze Woche hinweg eine Notdienstvereinbarung ausgehandelt, damit keine lebensnotwendige Ar­beit zurückgestellt werden oder gar ausfallen muss. Doch ein Streik scheint unvermeidlich. Bereits zwei Mal kamen in Potsdam die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zusammen, um über die Verteilung von Gehältern zu verhandeln. Der Vorschlag der TdL sieht eine Neustrukturierung des Arbeitsvorgangs bei der Berechnung vor, nach der verschiedene Arbeitsgrup­pen des öffentlichen Dienstes aus der Entgeltgruppe 9a in die Entgeltgruppe 6 herabgestuft würden. Darunter auch das Krankenhauspersonal der Unikliniken. Zudem wird das Problem der Personal­engpässe vom TdL-Verhandlungsführer Reinhold Hilbers (CDU) abgestritten. Die derzeitige Be­lastung sei lediglich ein vorübergehender Umstand unter der Pandemie, einen Fachkräftemangel gäbe es allenfalls in „Spezialbereichen“. Und: Würden die Gehälter weiter erhöht werden, müsse man zum Ausgleich Arbeitsplätze abbauen.

„Die Äußerungen des Herrn Hilbers zeigen, dass er von der Realität in den Kliniken null Ahnung hat. Wer den Fachkräftemangel und die enorme Arbeitsverdichtung einfach leugnet, treibt die Men­schen weiter aus dem Beruf. Wir werden ihn nicht nur mit guten Argumenten, sondern auch mit Aktionen vom Gegenteil überzeugen.“

– Sylke Kiel, Gesundheits- und Krankenpflegerin am Uniklinikum Jena; vom ver.di-Flyer „Arbeitgeber, geht’s noch?“

Dabei arbeiten viele Stationen bereits jetzt an der Personaluntergrenze, wenn sie überhaupt eingehalten werden kann. Vor allem dort, wo eine hohe Arbeitsbelastung und eine große Unplanbarkeit zusammenkommen, fehlen meist die notwendigen Mitarbeitenden. Ist eine Station beispielsweise nicht voll ausgelastet, wird oft auch mit weniger Pflegepersonal gerechnet, doch gerade in Bereichen wie der Notfallversorgung kann sich die Menge an Patient*innen jederzeit ändern. Durch reduzierte Bettenanzahlen und zunehmend verkürzte Liegezeiten kumuliert sich außerdem die Akutpflege, und das bei einer immer älter werdenden Patient*innenschaft, die ohnehin mehr Pflege benötigt. Und fällt eine Arbeitskraft aus – ein nicht allzu geringes Risiko bei den derzeitig steigenden Corona-Inzidenzen – ist oft niemand da, um die freigewordene Schicht zu besetzen, denn die anderen Pfleger*innen haben bereits ihre Arbeitsgrenze erreicht und ein hohes Pensum an Überstunden angesammelt.

Andere Forderungen der Streikenden umfassen einen eigenen Verhandlungstisch „Gesundheit“ in den Tarifverhandlungen, eine Erhöhung der Zeitzuschläge für Samstagsarbeit und Wechselschicht sowie eine größere Schichtzulage, als Inflationsausgleich monatlich 300 Euro mehr für alle Be­schäftigtengruppen der Universitätsmedizin Greifswald sowie 100 Euro mehr für Azubis, Studieren­de und Praktikant*innen und eine Übernahme aller Azubis nach erfolgreich abgeschlossener Aus­bildung. Und, das ist wohl die wichtigste Forderung, egal von welcher Station die Streikenden kommen: Anerkennung und Wertschätzung.

Um diese Ziele zu erreichen, sollen vor der dritten Verhandlungsrunde mit der TdL am 27. und 28. November noch weitere Streiks folgen. Denn auch hier könnte Corona einen Strich durch die Tarif­rechnung machen: Steigen die Zahlen an Infizierten weiterhin so wie in den letzten Wochen, wären weitere Streiks im Dezember unverantwortlich, sowohl den Streikteilnehmenden als auch den Patient*innen gegenüber. Daher soll die verbleibende Zeit genutzt werden, um möglichst viel Druck aufzubauen. Morgen, am Dienstag, dem 16.11.2021, möchte man sich daher wieder vom Beginn der ersten Frühschicht (gegen 6 Uhr) bis zum Ende der letzten Spätschicht (gegen 22 Uhr) versammeln und auf die Notsituation aufmerksam machen. Dieses Mal wird auch Unterstützung aus anderen Berufsfeldern erwartet, wie zum Beispiel aus dem Straßenbau, denn die Tarifverhandlungen mit der TdL betreffen alle Bereiche des öffentlichen Dienstes, von Kitas und Schulen über die Polizei bis eben zum Gesundheitswesen. Die Botschaft soll deutlich gemacht werden: Wertschätzung darf in Zukunft nicht nur auf ein Klatschen reduziert bleiben.

Weitere Informationen für euch:
Flugblatt “Arbeitgeber, geht’s noch?” von ver.di
Über die Forderungen und Verhandlungen der Tarifrunde 2021
Presseinformation der TdL nach der ersten Verhandlungsrunde

Beitragsbild: anonym

Der kleinste gemeinsame Nenner

Der kleinste gemeinsame Nenner

geschrieben von Diana Rümmler

Was Tarifverhandlungen, Ausbildungsqualität und schlechtes Timing gemeinsam haben.Die Universitätsmedizin heißt nicht nur so, weil es gut klingt, sondern weil sie als Bestandteil der Universität neben der medizinischen Versorgung auch einen Lehr- und Forschungsauftrag hat. Hochquallifiziertes Personal soll die Ausbildung diverser natur- und wirtschaftlichen Fachrichtungen vorantreiben. Doch wenn der betriebliche Ablauf ins Wanken gerät, wer soll dann noch ausbilden?

Der ganzer Platz voll gelber Warnwesten und jede Menge Trillerpfeifen. Dieses vertraute Bild der letzten Monate konnte kürzlich auch in Greifswald vermehrt beobachtet werden. Vor dem Haupteingang des Universitätskrankenhauses versammelten sich am Donnerstag, den ersten Oktober 2015 schon zum dritten Mal mehrere hundert Gewerkschaftsmitglieder und Angestellte des Universitätsklinikums Greifswald, organisiert von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di.

Es geht um das, worum es meistens geht: Geld. Befasst man sich jedoch näher mit der Materie, wird schnell klar, dass es um sehr viel mehr geht als nur das liebe Geld und den Unmut einiger Krankenschwestern. Der Hintergrund dieses Tauziehens ist die geplante Anpassung des regionalen Tarifvertrags von Greifswald und Rostock an den Tarifvertrag der Länder (TV-L). Doch während Rostock ungeduldig, mit den Füßen scharrend darauf wartet, endlich die Verträge unterzeichnen zu können, finden die Greifswalder nicht einmal ihre Startposition.

Das große Kräftezehren

Dem Krankenhaus ist es gelungen im vergangenen Jahr ein sattes Minus von 14 Millionen Euro zu erwirtschaften. Wie das geschehen konnte, sei an dieser Stelle mal dahin gestellt. Erklärungsversuche beziehen sich auf zu hohe Personalkosten, besonders im Medizinisch Technischen Dienst und der Verwaltung. Hätte man bei dieser Argumentation den Pflegebereich mit eingeschlossen, würde die Glaubhaftigkeit gleich flöten gehen, denn dass bundesweiter Personalnotstand in diesem Sektor herrscht, ist kein Geheimnis. Andrea Moder, Gewerkschaftssekretärin bei ver.di kann diesen Ansatz keineswegs nachvollziehen, denn Anhand der Jahresabschlussbilanz seien Mehrkosten im Personalwesen keineswegs ersichtlich.

Traurig ist es, dass bei den Debatten all zu oft die Schuldfrage in den Vordergrund rückt. Fakt ist, dass irgendwas schief gegangen ist. Die Frage ist nun jedoch, wie dieses Problem gelöst wird, ohne das es auf Kosten der qualitativen Versorgung der Greifswalder geht.

Als Lösung schlägt der Arbeitgeber vor, unter anderem die Arbeitszeit zu verkürzen und den Arbeitnehmer mit einer höheren Selbstbeteiligung bei der Altersvorsorge zu beteiligen. Denkt man diesen Ansatz nochmal quer, bekommt man Falten im Gehirn: Übersetzt soll das heißen, dass die Arbeitnehmer weiterhin ihre „40 Stunden-plus“-Woche arbeiten, offene Stellen nicht mehr besetzt werden, womit die Arbeitsbelastung zunimmt oder zumindest gleich hoch bleibt, aber nur noch 38 Stunden bezahlt werden und das alles unbefristet. Wenn man sich mit den Streikenden unterhält, donnert einem ein wahres Schimpfgewitter entgegen: „Wir sind doch daran nicht schuld! Warum sollen wir die Misswirtschaft deckeln?! Nach 38 Stunden einfach gehen, ist bei der jetzigen Personaldichte nicht drin!“ Damit aber noch nicht genug. Das „Lohnplus“ durch die Anpassung der Tarifverträge geht durch den höheren Altersvorsorgeanteil direkt wieder baden. In diesem Kontext braucht man sich wohl nicht mehr wundern, wenn auf den Stationen „Land unter“ eher die Regel als die Ausnahme ist.

Wenn alle zu beschäftigt sind…

…wer bildet dann noch aus? Früher oder später trifft es jeden Auszubildenden: Erster Tag im Praktikum, alles ist neu und ungewohnt. Wer nach der viel zu kurzen Einweisung am neuen Arbeitsplatz noch weiß, welchen Namen das zu schnell sprechende Gesicht hatte, hat einen guten Start erwischt. „Ich bin genervt, wenn mich jemand was fragt. Dafür habe ich gar keine Zeit mehr.“ erzählt eine der Streikenden und führt weiter aus: „Oft müssen wir die Studenten ohne Beschäftigung stehen lassen, weil die Arbeit sonst nicht zu bewältigen wäre. „Der Tisch darf nicht kalt werden!“ paraphrasiert eine Krankenschwester der Radiologie ihren Chef.

Glücklich ist mit der Situation keiner. Auch wissenschaftliches Personal, Ärzte und Patienten finden sich zwischen den Trillerpfeifen wieder. Viel Geduld wurde allen in der Vergangenheit abverlangt, als schon frühere Fehlkalkulationen auf Kosten der Arbeitsplatzqualität gedeckelt wurden. Hochqualifiziertes Personal wandert ab und hinterlässt unschließbare Lücken in der Versorgung, Ausbildung und Forschung.

Dass es bisher noch keine Kommunikation zwischen studentischen Gremien und ver.di gab, liegt daran, dass ver.di nur direkt von den Tarifverhandlungen betroffenes Personal zum Streik aufrufen darf. Auszubildende jeder Art haben einen eigenen Tarifvertrag sobald sie in irgendeiner Form des Beschäftigungsverhältnisses zum Klinikum stehen. Dieser sollte dringend einmal bestreigt werden, da er schon seit 2008 gilt, ist aber nicht Bestandteil der jetzigen Verhandlungen. „Es gibt am Klinikum mehrere hundert Auszubildende, aber nur 20 organisieren sich über die Gewerkschaft. Damit sind uns die Hände gebunden.“ bedauert Bernd Gembus, Geschäftsführer der hiesigen Bezirksverwaltung von ver.di. Obgleich die Auszubildenden bei diesem Aufruf keinen finanziellen Nachteil hätten, wenn die Verhandlungen scheitern, betrifft es aber in nächster Instanz direkt die Ausbildungsqualität. Es wäre also reiner Eigennutz wenn sich die Studierendenschaft solidarisch zeigt. „ver.di würde die Unterstützung der Studierenden sehr begrüßen.“ sagt Bernd Gembus weiter und bekräftigt „ großes Interesse daran, die Kommunikation zu den Gremien zu verbessern“.

Wer in den nächsten Wochen krank wird, sollte das gut timen!

Nachdem das letzte Angebot des Arbeitgebers eine weitere Verschlechterung der ursprünglichen Positionierung war, stellen Kompromisse nun keine Verhandlungsgrundlage mehr dar, erläutert Moder. „Mit einem Einlenken des Arbeitgebers ist in Kürze nicht zu rechnen“. Sollte diese Einschätzung zutreffen, resultiert am elften Oktober eine Urabstimmung, bei welcher über einen Generalstreik abgestimmt wird. Dieser wird den Betrieb des Krankenhauses grundlegend lähmen. Die Stationen werden dann mit Wochenendbesatzung laufen, womit die stationäre Versorgung gewährleistet werden kann, aber ambulante Eingriffe und Untersuchungen gestrichen werden müssen.

Die Patienten haben bislang Verständnis und Unterstützung gezeigt. Klar ist aber, dass dieses Verständnis nicht ewig dehnbar ist – der gemeinsame Nenner also auch schnell verloren gehen kann, sollte eine Einigung längerfristig auf sich warten lassen.

Beitragsbild: Magnus Schult

Grüne Aktivisten mal anders

Seit einiger Zeit begegnet man auf den drei Stationen der inneren Medizin im Greifswalder Uniklinikum am Nachmittag Damen in lindgrüner Kleidung, die weder Schwestern noch Ärztinnen sind. moritz hat nachgeschaut, um was für Menschen es sich dabei handelt.

Von: Juliane Stöver

Eine Grüne Dame bei der Arbeit.

Eine Grüne Dame bei der Arbeit.

Wer jemals einige Zeit im Krankenhaus verbringen musste, kennt das: Ärzte und Pflegepersonal sind im Stress, für persönliche Dinge ist keine Zeit. Schlimm, wenn dann auch noch die Verwandten nicht vorbeischauen können. Deswegen gibt es in immer mehr Krankenhäusern das Projekt der „evangelische Krankenhaushilfe e.V.“. Dabei handelt es sich um einen ökumenischen Verein auf Bundesebene, in dem Ehrenamtliche – die „Grüne Damen und Herren“ genannt werden, weil sie lindgrüne Kittel tragen – die Patienten unterstützen, indem sie kleine Besorgungen für diese erledigen oder ihnen einfach zuhören, wenn die Patienten jemanden zum Reden brauchen. Seit April letzten Jahres gibt es eine Gruppe „Grüner Damen“ auch an der Universitätsmedizin in Greifswald. Derzeit arbeiten nachmittags 16 Ehrenamtliche auf den drei Stationen für Innere Medizin (INM), wo sie tägliche Besuche tätigen.

Erfahrung, die bereichert

Doch der Einsatzbereich könnte auf weitere Stationen ausgeweitet werden, wenn sich genügend Freiwillige finden, so Rainer Laudan von der Krankenhausseelsorge, der sich um die Koordination der ehrenamtlichen Mitarbeit kümmert. Momentan gebe es nicht genügend Ehrenamtliche und der Bedarf sei auf diesen Stationen am größten. Die Finanzierung verläuft dabei über den Verein „Freunde und Förderer des Universitätsklinikums Greifswald e.V.“ in Form von Spenden, die für Fahrtkosten und andere Aufwandsentschädigungen, Weiterbildungen, die grüne Kleidung und die Anwerbung neuer Mitwirkenden verwendet werden. Der Verein und besonders der Vorsitzende Doktor Gunter Jess sind auch verantwortlich für die Gründung der Gruppe in Greifswald gewesen. Dieser hatte die Idee, in Kooperation mit dem Vorstand des Klinikums das Projekt in Greifswald zu integrieren. Die Grünen Damen selbst werden zwar nicht bezahlt, dennoch sei ihre Arbeit „eine Bereicherung an Erfahrung“, erzählt Antanina Plamann, eine der „grünen Damen“, die seit September immer dienstagnachmittags auf der Station INM-13 anzutreffen ist. Sie selbst suchte gezielt nach einem Ehrenamt, als sie nach Greifswald gezogen ist, Schließlich ist es ihr wichtig, Menschen zu helfen. Sie selbst war selbst bereits in einer Situation, wo sie auf Hilfe angewiesen gewesen war.
Da sie ein kommunikativer Mensch ist, der bereits viel mit Menschen gearbeitet hat, und kein Problem damit hat, auf Menschen zuzugehen, empfinde sie ihre Arbeit im Krankenhaus nicht als Belastung, auch wenn sie weiß, dass sie nicht immer etwas tun kann, wenn Menschen im Krankenhaus Probleme haben. Vielmehr helfe sie sehr gerne, auch wenn es manchmal schwierig sei, an manche Patienten „heranzukommen“ und ihnen klar zu machen, dass man sich nicht aufdrängen, sondern ihnen helfen möchte. Dabei ist es vor allem wichtig, ein besonderes Feingefühl für die Menschen und eine gewisse Menschenkenntnis zu besitzen. Auch ein wenig Mut ist nötig, da die Damen nie wissen können, was sie erwartet, da jede Situation anders ist. Zwar gibt es derzeit noch keine spezielle Schulung, doch werde dies im Frühjahr auch ermöglicht, um es Neueinsteigern zu erleichtern, Kontakt mit den Patienten aufzunehmen und diesen zu helfen.
Dass Plamann ihr Ehrenamt sehr schätzt, ist ihr deutlichanzusehen, als sie schildert, wie sie es schaffte, einem verschlossenen und schlecht gelaunten Patienten durch ihre offene und lebensfrohe Art ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Oder als sie berichtet, wie ein Patient sie gefragt hat, ob sie am nächsten Tag wiederkomme. Das war zwar nicht der Fall, da jede „Grüne Dame“ ihren eigenen Arbeitstag hat, doch es zeigt, dass die ehrenamtliche Arbeit von vielen Patienten gut aufgenommen wird. Obwohl es auch vorkommt, dass die angebotene Unterstützung abgelehnt wird und Patienten keinen Besuch wünschen. Auch von den Ärzten und Schwestern werde die Unterstützung geschätzt. Eine der Hauptaufgaben der Ehrenamtlichen ist es, den Patienten moralische und psychologische Unterstützung zu bieten, ihnen zuzuhören, wenn sie Kummer oder Probleme haben und ihnen so den Aufenthalt ein wenig leichter zu machen. Dabei können durchaus mehrstündige Gespräche entstehen, in denen nicht nur den Patienten geholfen werden kann, sondern nicht selten auch die Grünen Damen einen Rat erhalten oder etwas über sich selbst lernen können.

Dienstagnachmittag auf der INM-13

Wenn Antanina Plamann die Station betritt, geht sie immer zuerst ins Schwesternzimmer, um sich ins Dienstbuch einzutragen, was damit zusammenhängt, dass die Grünen Damen über den Verein „evangelische und ökumenische Krankenhaushilfe e.V.“ versichert sind. Dann fragt sie bei den diensthabenden Schwestern, ob es an diesem Tag etwas Besonderes zu beachten gibt oder ob einige Patienten speziell Unterstützung benötigen beziehungsweise besser nicht gestört werden. Daraufhin dreht Plamann ihre Runde über die Station, fragt die Patienten nach ihrem Befinden und unterhält sich mit denen, denen es schlecht geht oder die Gesellschaft brauchen. Ihre Arbeitsstunden richten sich danach, wie lange diese Gespräche dauern und was es sonst noch zu tun gibt, wie Patienten zu Untersuchungen begleiten oder ihnen etwas aus der Cafeteria, dem Kiosk oder Blumenladen holen. In der Regel arbeitet eine Grüne Dame oder ein Grüner Herr mindestens vier Stunden die Woche. Doch manchmal dauern Gespräche sehr lange und wenn die Gesellschaft so gut ist, bleibt Plamann auch etwas länger. Das macht ihr auch nichts aus, denn die Arbeit auf der Station erfülle ihr Leben und gebe ihr sehr viel. Es helfe ihr, ihr eigenes Leben mit anderen Augen zu sehen, sich darüber zu freuen, dass sie gesund ist „lachen, tanzen, singen kann“, wenn sie bedenkt, dass „andere nicht mal die Hälfte“ können. Auch mit ihren Kolleginnen verstehe sie sich sehr gut. Einmal im Monat gibt es ein gemeinsames Treffen von allen Grünen Damen, die am Universitätsklinikum arbeiten, und den Verantwortlichen. Dabei geht es dann vor allem um die Zusammenarbeit auf den Stationen, sehr schnell aber auch um Privates, was dazu führt, dass Freundschaften geschlossen werden und alle Ehrenamtlichen untereinander bereits per du sind. Die Weihnachtsfeier im letzten Dezember hat ebenfalls dazu beigetragen, das Team  zu festigen.

Weitere Unterstützung erwünscht

Neue Mitglieder unter den Ehrenamtlichen sind immer gerne gesehen. Einen großen Zuwachs brachte bereits eine Veröffentlichung in der Ostsee-Zeitung. Damals hatten sich 22 Damen gemeldet. Wer Interesse hat, kann sich entweder bei Herrn Laudan oder Herrn Dr. Jess melden, denn noch immer besteht großer Bedarf an der Arbeit der Grünen Damen. Wobei es natürlich auch Männern möglich ist, mitzumachen. Jeder, der anderen Menschen helfen möchte, könne sich beteiligen, unabhängig von Lebenshintergrund, so der Krankenhausseelsorger.
Der erste Tag sei immer der schlimmste, weiß Frau Plamann. Aber mit jeder Erfahrung und durch den Austausch mit anderen Ehrenamtlichen, den Schwestern und den Verantwortlichen von der Krankenhausseelsorge lernt man, wie man die Arbeit am besten bewerkstelligt. Frau Plamann kennt „ihre“ Station inzwischen, kennt die Mitarbeiter und Abläufe. Selbstsicher bewegt sie sich zwischen den Zimmern, scherzt mit den Pflegern und Patienten und genießt ihre Arbeit, die ihr so viel bedeutet. „Aber“, so meint sie, „wenn wir 88 wären, wäre es noch schöner.“

 

Foto: Juliane Stöver