Greifswald bei den United Nations

Dass Anfang April eine interdisziplinäre Delegation Greifswalder Studenten nach New York reist, um bei den “National Model United Nations” eine Nation der Vereinten Nationen (UN) zu simulieren, hat bereits Tradition. In den vergangenen Jahren wurden die Gruppen, die in Greifswald ein üppiges Trainingsprogramm durchlaufen, regelmäßig für ihre gute Mitarbeit ausgezeichnet. Auch dieses Jahr belegte die Abordnung der Greifswalder Uni wieder einen Platz unter den “Outstanding Delegations” und gehörte damit zu den besten 10 Prozent. Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” präsentiert der webMoritz einen Erlebnisbericht von zwei Teilnehmerinnen:

Ein Gastbeitrag von Eileen Splitt

GreiMUN Logo

Ein zusätzliches Seminar, freiwillig und das abends? Dafür bedarf es einiger guter Gründe. Zu Beginn des Wintersemesters trafen sich neugierige StudentInnen unterschiedlichster Semester und Studiengänge um herauszufinden, ob es sich lohnt. War es nur der Wunsch, einmal im Leben nach New York zu fliegen  oder steckte mehr dahinter?

Aber worum geht es eigentlich? Die Teilnahme an “National Model Unitend Nations” (NMUN),  der größten Simulation der Vereinen Nationen in New York, hat an unserer Universität eine mehr als  10-jährige Tradition. Seit zwei Jahren organisiert der studentische Verein GreiMUN e.V. ein Ausbildungsseminar für interessierte StudentInnen, um sie optimal auf New York vorzubereiten.  Die Delegation des Vorjahres bildet die zukünftige Delegation nach bestem Wissen und Gewissen aus. Es wird eine Art Generationenvertrag geschlossen.

Bei Hunger und Durst: “Motion to Suspend the Meeting”

Jeden Mittwoch starteten unsere Treffen mit dem „Roll-Call“, was nichts anderes hieß,  als das Prüfen der Anwesenheit. Durch verschiedene Vorträge bekamen wir u. A. einen Einblick in die Geschichte, Arbeitsweisen und gegenwärtige Ziele der UN. Darüber hinaus stand ein Training der „Rules of Procedure“ auf der wöchentlichen Agenda. Denn in der UN unterhält man sich nicht einfach nur, sondern bringt „Points“ und „Motions“ ein, letzteres allerdings nur wenn man danach gefragt wird. Sollte ein Delegierter also Hunger haben und gerne in die Mittagspause gehen wollen, wäre das eine „Motion to Suspend the Meeting“.

Die Greifswalder Delegation repräsentierte Mexiko.

Nachdem alle Delegierten fit im Umgang mit den prozeduralen Regeln waren, folgte eine Einweisung in das angemessene diplomatische Verhalten inkl. Dress-Code. Das hieß für alle, sich förmlich in Schale zu schmeißen für die zwei Wochenend-Konferenzen, die uns den letzten Schliff für die Vorbereitung auf New York verliehen.

Von den anfänglich ca. 50 Interessierten blieben nach Beendigung des Seminars noch 20 übrig, die sich von den Hausaufgaben, Konferenzen und diverser Kritik nicht abschrecken ließen und somit ihr Ticket nach New York gelöst hatten. Nun erfuhren wir, dass wir bei NMUN das Land Mexiko vertreten würden, in welchen Komitees und mit welchem Partner.

Dank Mexiko in vielen Gremien vertreten

Wir hatten das Glück, dass Mexiko dieses Jahr Mitglied des UN Sicherheitsrats war sowie einen Richter am Internationalen Gerichtshof stellte. Darüber hinaus saßen wir in zehn weiteren Komitees, z.B. Unicef oder der Generalversammlung. Durch diverse Referate, Recherchen und einem Besuch der mexikanischen Botschaft in Berlin sowie im Auswärtigen Amt, bereiteten wir uns inhaltlich auf die Konferenz vor.

In den Semesterferien ging es dann endlich los und wir checkten ab dem 26. März ins Sheraton zusammen mit 2500 anderen Studenten aus aller Welt ein. Unsere erste Station als UN-Diplomaten in Ausbildung, führte uns in die ständige Vertretung Mexikos bei der UN. Unser letztes Wochenende vor der Konferenz bestand aus „Delegate’s Seminars“ wo uns erneut die formalen Abläufe während  der Sitzungen erklärt wurden.

Eindruck aus New York

Nachdem Sonntagabend die erste Sitzung im jeweiligen Komitee mit dem „Agenda-Setting“, der Festlegung der Reihenfolge der Tagesordnungspunkte begann, folgte am nächsten Morgen ein Besuch in das UN Hauptgebäude.  Das alte Gebäude hat zwar viel Charme, ist aber nicht besonders schön. Dennoch war es eine interessante Erfahrung, sich auf internationalem Boden zu bewegen.

Sitzungen von morgens bis abends

Weiter ging es dann Montag bis Mittwoch mit Sitzungen von morgens bis abends. Dabei wurde diskutiert, verhandelt, vielleicht bestochen, gelacht, geweint. Alles zu dem Zweck, am Ende ein paar ordentliche Ergebnisse in Form von „Draft Resolutions“ aufs Papier zu bringen.

Um die Delegates bei Laune zu halten und daran zu erinnern, welche Berufsmöglichkeiten in der internationalen Politik zur Verfügung stehen, gab es zum einen den Markt der Möglichkeiten und zum anderen Vorträge. Auf dem Markt wurden verschiedene Universitäten und Organisationen vorgestellt, die auf diesem Gebiet Angebote für StudentInnen bereit hielten. Die Vorträge wurden zu den Themen, wie wird man Mitarbeiter der UN oder von einer Journalistin gehalten, die teilweise auch kritische, Bücher über die Vereinten Nationen verfasst hat. Der spannendste Tag, Donnerstag, war gekommen.

Auszeichnung als “Outstanding Delegation”

In den altehrwürdigen Gemäuern der UN, wo auch schon Filme wie „Die Dolmetscherin“ oder „13 Days“ gedreht wurden, versammelten sich die 170 angereisten Delegationen in der Generalversammlung für die Abschlusskundgebung. Von unseren zwei „Head Delegates“, Yones und Vanessa, hatten wir bereits erfahren, dass wir unter die besten 10% gekommen waren und namentlich als „Outstanding Delegation“ während der Zeremonie, erwähnt werden würden.

Die Kommilitonen wurden für ihre gute Arbeit ausgezeichnet.

Als dieser Augenblick gekommen war, sind uns allen gefühlte 126 Steine vom Herzen gefallen. Wir hatten bewiesen, dass sich der Generationenvertrag sehr gut bewährt hatte. Dieser Preis gebührte nicht nur uns, sondern auch und vor allem unseren zwei tollen „Head Delegates“, dem ganzen Team der beiden Jahre zuvor und das Engagement des GreiMUN e.V. Gemeinsam haben sie uns perfekt vorbereitet und wir hoffen im nächsten Jahr in ihre Fußstapfen zu treten.

Alles in allem war es eine gute Erfahrung, die jeden persönlich auf die unterschiedlichsten Art und Weisen weiter gebracht und bereichert hat. Selten hat man die Gelegenheit mit Menschen aus über 25 verschiedenen Nationen in Kontakt zu kommen. Klar, ist es auch toll, einmal im Leben nach New York City zu fliegen und das mit Kommilitonen. Ein bisschen Klassenfahrt-Feeling kommt da zwischendurch immer wieder auf.

Trotzdem: Ein hartes Stück Arbeit!

Nichtsdestotrotz ist die Konferenz und vor allem die Vorbereitung darauf, ein hartes Stück Arbeit. Wer sich dafür entscheidet und denkt, schnell und billig nach New York zu kommen, ist ganz klar fehl am Platz. Ob es am Druck oder der Arbeitsbelastung lag, zwischendurch stiegen leider einige wenige frühzeitig aus. Trotzdem steht GreiMUN mit seinem Seminar nach zwei Jahren für eine exzellente Ausbildung.

Die letzten drei Delegationen haben jeweils Awards für ihre gute Arbeit gewonnen. Das ist zwar nicht Ziel der Sache, macht aber doch ein wenig stolz, wenn die eigene Uni in der General Assembly Hall der Vereinten Nationen ausgerufen wird. Wer selber einmal bei GreiMUN reinschnuppern will, dem sei unser Seminar „Krisen“ im Rahmen des GrIStuf Studentsfestival vom 28.05-04.06. 2010 ans Herz gelegt und natürlich das Seminar zur NMUN 2011 im Wintersemester 2010/11.

Hier geht’s zur Homepage von “GreiMUN”.

Bilder: privat, nicht CC-lizenziert; Grafik “Greifswalder rund um den Globus”: Jakob Pallus

Tansania: Kolonialzeit, Klimawandel und Leberwurstbäume

Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen, die Teile ihres Studiums im Ausland verbracht haben. Dieses Mal berichtet Anne Klatt, Noch-Stupistin und Bürgerschaftsmitglied für die Grünen von ihrer Reise nach Tansania.

Tansania ist gewissermaßen eine unbekannte Prominente. Bei den wenigsten Menschen lichtete sich der gestörte Gesichtsausdruck, als ich ihnen ihre Frage nach meinem Reiseziel schlicht mit „Tansania“ beantwortete. Erst nachdem ich Serengeti, Kilimandscharo oder Sansibar, die sich allesamt auf tansanischem Territorium befinden, nachschob, hellten sich die Mienen verstehend auf, als hätten sie eine alte Schulkameradin wiedererkannt.

Mich hat es halb zufällig, halb geplant am Beginn des Greifswalder Winters Mitte November gemeinsam mit meinem Freund in dieses Land geweht. In den fünf Wochen dort ist für mich Vieles von dem, was für uns hier als Schlagzeilen, Kalenderbilder oder Spendenaufrufe der Hilfsorganisationen existiert, fassbare Realität geworden: Auf einmal bist du mitten drin in der immer noch so genannten „dritten Welt“. Wo der Viehbesitz den Status und die Rente sichert. Wo die Menschen von dem leben, was sie mit einer buckligen Hacke auf ihren Feldern erarbeiten. Wo das Warten auf die viel zu späte kleine Regenzeit große Sorgenfalten in die Gesichter schreibt. Und wo einen immer wieder die Kolonialgeschichte anspringt – sei es  durch die von Deutschen errichtete und noch immer genutzte Eisenbahnlinie, durch die eingemauerten Glasscherben auf den Schutzwällen der riesigen Liegenschaften der Kirche, durch die vielen (exzellenten!) tansanischen Biersorten oder durch die lateinischen Buchstaben und einige Wörter („Shule“, „bia“) des Swahili. Und auf diese Reise will ich euch jetzt mal eben ein Stück mitnehmen…

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„Feucht“-Savanne in Abendsonne, Mikumi Nationalpark

Begrüßungsknuff-Resistenz ist Pflicht, Berührungsängste bitte zu Hause lassen

So vorsichtig und allmählich wie jemand, der mit der Tür ins Haus fällt, wurde ich mit der afrikanischen Mentalität konfrontiert: Von meinem Aufenthalt in Nepal noch immer an die verschlossene, distanzierte und sehr empfindsame Seele der Asiaten gewöhnt, bot mir die herzliche, direkte und offene Art der Tansanier das komplette Kontrastprogramm. Da kann man schon mal bei der ersten Begegnung einen freundschaftlichen Begrüßungsknuff auf den Arm kassieren und während ich meinen Teller in der Cafeteria belud, wurden meine Haare von vier Küchenfrauenhänden inspiziert in der Hoffnung, dass sie das Geheimnis ihrer unfassbaren Farbe preisgäben. An allen Ecken und Enden wird sich herumgelümmelt oder völlig von Hemmungen befreit gelacht. Oder beides. Gestelzt oder graziös sind Adjektive, die hier nicht hergehören. (mehr …)

Von Sonnentempeln und Wüstenschlössern

Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen über Erfahrungen im Ausland. Dieses Mal berichtet Moritz-Autor Arvid Hansmann über seine Eindrücke von einer Studienreise nach Syrien und in den Libanon. Der Text erschien bereits im aktuellen moritz-Magazin Nr. 80, dort konnten jedoch nur wenige der sehenswerten Fotos untergebracht werden.

Als sich der Asket Simeon im frühen 5. Jahrhundert auf eine hohe Säule stellte und diese für den Rest seines Lebens so gut wie nie wieder verließ, konnte er nicht ahnen, dass an diesem Ort wenige Jahrzehnte später seinetwegen einriesiges Pilgerzentrum errichtet werden würde. Ebenso konnte er nicht ahnen, dass aus dieser Klosteranlage im nordsyrischen Kalksteinmassiv im Mittelalter eine Festung werden würde, was ihr den heute gebräuchlichen arabischen Namen Qalaat Simaan einbrachte. Noch weniger hätte er sich vorstellen können, dass aus den mehr oder minder frommen Pilgern im beginnenden 21. Jahrhundert Touristen geworden sind, die mit distanzierter Faszination oder romantischer Verklärung auf seine Vita blickten, den architektonischen Formenreichtum der Ruinen bewunderten oder einfach nur die bilde Briese und das grandiose Aussichtspanorama genossen …

Touristen – diesem Begriff haften sogleich diffamierende Assoziationen an: eine amöbiale Masse, meinst älterer Menschen, die sich aus einem Reisebus über eine „Sehenswürdigkeit“ ergießt und dabei von einem Reiseleiter mit einem Fähnchen dirigiert wird, um bei der Bedienung des perpetuum-mobile-artigen Fotoapparats nicht von den vorgegebenen Wegen abzuweichen. Auch wenn unsere Gruppe aus Rostocker und Greifswalder Studierenden und Dozenten, die am Abend des 2. Oktober 2009 in Damaskus eintraf, in vielen Punkten diesem Klischee widersprach, so waren wir doch nichts anderes als Touristen – Gäste von zwei kontrastreichen Ländern, die uns mit Offenheit empfingen und uns ein Spektrum aus Licht- und Schattenseiten aufzeigten, das wir nur in dem Maße rezipieren konnten, wie es in knapp 10 Tagen möglich war.

Reisen durch die Jahrtausende (mehr …)

Wie man von der Mensa zur UNO nach New York kommt.

In unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” berichtet dieses Mal unser webMoritz-Autor Alexander Kendzia über seine Fahrt zurUN-Simulation in New York.

Ein Erfahrungsbericht

Wenn man in der Mensa sitzt und isst, dann denkt man nicht immer darüber nach, was das für Folgen haben kann. In meinem Fall waren die Folgen des Essens keine Magenprobleme, sondern eine spannende Reise nach New York zum Hauptquartier der Vereinten Nationen. Ja – auch so etwas kann einem in der Mensa in Greifswald passieren.

Unterschätze nie die Macht der Flyer

Alles begann für mich mit dem Flyer, der neben meinem Tablett lag und mir nach einer Weile ins Auge fiel. Ob ich Interesse an internationaler Politik hätte und ob ich mal als Delegierter bei den Vereinten Nationen sein wolle, fragte mich das Blatt Papier. Na klar, sagte ich innerlich zu mir und nahm mir vor, zu der Informationsveranstaltung zu gehen.

GreiMUN e.V. Flyer

GreiMUN e.V. Flyer

Was ich auf der Infoveranstaltung dann hörte, gefiel mir. Ein kostenloses Seminar durch GreiMUN e.V., welches in Englisch die Grundlagen der UNO, die Fachsprache, Verhalten in Sitzungen der UNO und diplomatisches Verhalten vermittelt. Das hörte sich nach viel Arbeit an. Aber die Versuchung endlich mal New York City zu sehen und die Vereinten Nationen als „echter“ Delegierter besuchen zu können, überzeugte mich, den Aufwand auf mich zu nehmen.

Auch Delegierte fangen klein an

Das Seminar wird von ehemaligen „Delegierten“ veranstaltet. Es brachte mir auf spielerische Weise die UNO und die mit ihr verbundenen Themen näher. Vieles war mir fremd und am Anfang war ich mir unsicher, ob ich wirklich der Aufgabe gewachsen bin. Das Team gab sich sehr große Mühe uns das Wissen zu vermitteln, das man benötigt um an einer Sitzung der UNO teilzunehmen. Das geschah nicht nur mit Präsentationen, sondern auch durch praktische Übungen. Zum Beispiel übten wir in jeder Sitzung, wie die Anwesenheit bei der UNO geprüft wird. Dazu erhebt man sich, nachdem man aufgerufen wird, nimmt sein Pappschild mit Namen in die Hand und spricht klar und deutlich „Present!“. Das wirkt zwar am Anfang etwas komisch, ist aber Praxis in der UNO. Der sogenannte „Role Call“.

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Greifswalder rund um den Globus: Exkursion nach Vietnam

Im Rahmen unserer Serie “Greifswalder rund um den Globus” erscheinen in loser Abfolge Berichte von Kommilitonen, die Teile ihres Studiums im Ausland verbracht haben. Dieses Mal berichtet webMoritz-Autor und Blogger Oliver Wunder über seine Exkursion nach Vietnam.

Cat Ba - Vietnam

Halong Bucht, Vietnam.

Wir saßen hier fest. Langsam bewahrheitete sich diese, erst scherzhaft geäußerte, Aussage. Die letzte Fähre Richtung Festland wurde wegen des herannahenden Taifuns Mujigae gestrichen. Schon seit Stunden prasselte der Regen gegen die Fensterscheiben unseres Busses. Nur während des Ausflugs auf einem Boot zwischen den eindrucksvollen Karstinseln der Halong Bucht zeigte sich das Wetter gnädig und schenkte uns eine regenfreie Stunde.

Da saßen wir also auf Cat Ba, der größten Insel der Halong Bucht im Norden Vietnams fest. 17 Studierende, zwei Dozenten und zwei vietnamesische Begleiter im Angesicht eines nahenden tropischen Wirbelsturms. Noch kein ausgewachsener Taifun wie Ketsana, der wenigen Wochen später Vietnam und die Philippinen heimsuchen sollte, doch mit genug Power, um die Überfahrt mit der rostigen Fähre ans Festland, zu einer zu gefährlichen Tour zu machen.

2:30 Uhr: ein lautes Knallen und das Splittern von Glas weckten mich auf. Der Sturm war auf seinem Höhepunkt angelangt, das Auge nicht weit entfernt. Überall pfiff der Wind und Regen prasselte lautstark gegen Fenster, Wände und Dach des Hotels.

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Fähre von Cat Ba nach Cat Hai.

Doch am nächsten Morgen waren nur wenig Auswirkungen zu sehen, selbst die zerborstene Glasscheibe war nirgends zu finden. Als sturmerprobter Norddeutscher war es interessant mal einen tropischen Wirbelsturm zu erleben und nicht nur in der Klimatologie/Meteorologie-Vorlesung davon zu hören.

Fast drei Wochen dauerte die Auslandsexkursion der Geographie in die Sozialistische Republik Vietnam. Das war sicherlich der teuerste und angenehmste Teil des Studiums. Doch eine Exkursion ist keine Klassenfahrt, auch wenn es von außen teilweise so scheint und es auch sicher einige Momente gibt, die schon Klassenfahrtfeeling haben. Hauptsächlich geht es darum eine Region oder ein Land kennenzulernen und das eigene Wissen im Studienfach zu vertiefen. Dazu werden neben touristischen Zielen auch Termine bei Verwaltung, Staat oder Firmen gemacht und z.B. über die Vereinbarkeit von Tourismus und Naturschutz geredet. Doch selbst touristische Destinationen wie die Halong Bucht werden wissenschaftlich beleuchtet.

Kulturschock und Klischee-Deutsche

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Verkehr in Hanoi, Vietnam

Es ist enorm, wie anders das Leben in Vietnam ist. Die Unterschiede zwischen Vietnam und Deutschland zeigen sich an den kleinsten und alltäglichsten Dingen. Findet man eines der wenigen Geschäfte, die unserer Definition von Supermarkt am meisten ähneln, dann kann selbst da schwer Wechselgeld rausgegeben werden. Eine 1, 5 l-Flasche Wasser für 11.000 Dong mit einem 50.000 Dong-Schein (etwas weniger als 2 €) zu bezahlen, geht oft nicht. So sinkt dann der Preis auf die verfügbaren kleinen Scheine im Portemonnaie, in diesem Fall 7.000 Dong. In Deutschland undenkbar, doch hier Alltag.

Der erlebte Kulturschock ist groß. Besonders bemerkbar macht er sich, wenn man wieder zurückkommt nach Deutschland. Angekommen in der boomenden Hauptstadt Hanoi im Norden des Landes sorgte der Anblick des Straßenverkehrs erst für Fassungslosigkeit, faszinierte dann aber tagelang. Auf 100 m Straße kamen in der 6 Millionen-Einwohner-Stadt subjektiv gefühlte 1.000 Roller und vier Autos. Wildes Hupen und dann ging es links, rechts oder gar in der Mitte zwischen den anderen Verkehrsteilnehmern durch. Als Fußgänger kam man trotzdem vollkommen unbeschadet über die Straße, da die Rollerfahrer perfekt auf einen achteten. Einfach gehen, lautete die Devise. Da merkt man dann erst, wie sehr man doch dem Klischeedeutschen ähnelt.

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Zubereitung eines Pfeilschwanzkrebses auf dem Boden eines Restaurants.

Aus jeder Ecke kamen andere exotische Gerüche. Mal roch es nach asiatischen Gewürzen, mal nach Reis und mal einfach nur nach Fäkalien. Ein Geruchsoverkill machte sich breit. Die Leute kochen und essen auf der Straße. Von Kobra, Bambus, Wasserspinat über Hund bis Pfeilschwanzkrebs gibt es hier fast alles zu essen, was Flora und Fauna zu bieten haben. Französische Einflüsse aus der Kolonialzeit sorgen sogar für Brötchen und Wurst. Sicherlich nicht alles ohne schlechtes Gewissen essbar, aber doch sehr exotisch und vielfältig.

Von Norden aus kommend bewegten wir uns immer weiter gen Süden. Die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit auf der Hauptstrecke zwischen Hanoi und Ho Chi Minh Stadt (ehemals Saigon) beträgt 50 km/h. So wurde selbst die Entfernung Berlin Greifswald (ca. 240 km) zu einer vier- bis fünfstündigen Busfahrt. Alle 200 bis 300 km machten wir ein bis zwei Tage halt. Stationen der Exkursion waren neben dem bereits erwähnten Hanoi und Cat Ba auch Ninh Binh, Phong Nha-Ke Bang, Hue und Hoi An.

Nach der Exkursion: Privat weitergereist

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Cua Dai Strand in Hoi An

Als die Exkursion zu Ende war, blieb ich mit fünf meiner Freunde noch 10 Tage länger und sah mir den Südteil Vietnams an. Nha Trang, die Insel Phu Quoc, das Mekong Delta und Ho Chi Minh Stadt standen bei uns noch auf dem Programm. Auch ein paar Tage in der heissen Sonne am Strand waren drin.

Die in Vietnam gesammelten Eindrücke lassen sich nicht in einem Artikel zusammenfassen. Wir haben soviele Sachen gesehen und erlebt – da braucht es noch einige Zeit, alles zu verarbeiten. Mit Sicherheit betrachten die meisten von uns Deutschland nun mit anderen Augen. So lernt man doch die Vorzüge und Nachteile der eigenen Gesellschaft viel besser durch das Erleben eines weit entfernten Landes kennen. Wir haben nicht nur Vietnam kennengelernt, sondern auch viel über uns selber herausgefunden.

Fotos: Oliver Wunder

Mehr Fotos gibt es im privaten Blog des Autors.