retro.kolumne: Fußball in den 90ern

retro.kolumne: Fußball in den 90ern

Retro, retro, retro yeah! Die neue Kolumne über alte Dinge. Kennt Ihr diese Spiele, Filme, Accessoires noch? Aus der Kindheit, meist noch aus den 90ern stammen sie und sind vielleicht ja doch noch ein Guilty Pleasure des einen oder anderen.

Oben genanntes Thema ist ein Musterbeispiel für eine kontroverse Diskussion. Fußball in den 90ern – das ist der Sieg der Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft im Jahr 1996, Kaiserslautern wird als Aufsteiger Meister, Borussia Dortmund gewinnt die Champions League. Wir hatten noch ganz andere Spielertypen, ganz andere Atmosphäre in den Stadien. Irgendwo bin ich froh, dass ich noch etwas davon mitbekommen habe. Und das kam so…

Zwei Faktoren waren dafür verantwortlich, dass ich in den 90ern schon zum Fußball fahren konnte. Zum einen gehörte ich zu denen, die noch von ihrem Vater mit ins Stadion genommen wurden. Bei den vielen zerrütteten Elternhäusern und veränderten Interessen ist das heute sicherlich nicht mehr die Norm. Zum anderen hatte der Wiederaufstieg von Hansa Rostock im Jahr 1995 in die erste Bundesliga einen wesentlichen Anteil daran. Der einzige Profiverein im Osten kam aus Rostock. Nicht einmal die Hertha aus Berlin spielte im Oberhaus. Das waren Zeiten! Freitag nach der Schule wurde fix ein kleines Versorgungspaket geschnürt und schon war man auf der Landstraße nach Rostock, denn die A20 gab es damals noch nicht. An die Stimmung im Stadion kann ich mich kaum mehr erinnern. Einer stimmte was an, der Rest machte mit. An die Ultras war damals noch nicht zu denken. Die Wolgastä-Fahne und „Märtyrer“ hingen schon damals wie ein Fels in der Brandung. Auf dem Platz war es fast immer interessanter. Oft konnte ich von den Leuten neben mir hören, dass auf dem Platz der Kalte Krieg, Ost gegen West, weiter geht. Jedes nicht geahndete Foul war ein Schlag des Westens gegen den armen Osten, was ja auch im Prinzip bis heute anhält. Die Konzerne sitzen alle im Westen, und der Osten hat kaum Struktur. Der Sport leidet aktuell ziemlich heftig darunter. Jedenfalls waren wir zur Wiederholung der Freitagssendung von „ran“ auf „Sat 1“ dann wieder in den heimischen vier Wänden. Das hieß damals noch Platte! Diese hatten in dieser Zeit noch nicht so einen negativen Touch wie heute. Da wohnten die Chefärzt*innen neben den Hausmeister*innen. Über den Bildschirm flimmerten die Spielszenen von Charakteren wie Mario Basler, Lothar Matthäus, Oliver Kahn und vielen anderen Spielern, die sich irgendwie von den heutigen Schwiegersohntypen in der Bundesliga unterscheiden. Nicht glatt, sondern eckig, schroff und nicht einfach nur Nummern.

Hertha stieg 1997 auf, Hansa kassierte eine 2:5-Klatsche in der Hauptstadt. Fünfmal dudelte die Toreinspielung „Hertha, wieder Hertha, erste Liga, jetzt sind wir da!“. Das war auch mein einziges Spiel im Olympiastadion in dieser Saison.

Dann kam die Saison, die mit „Bochum“ zusammengefasst werden kann. Die letzte Sekunde der Saison 98/99 brachte die Entscheidung darüber, ob Hansa in der ersten Liga bleiben darf. Slawomir Majak erzielte das entscheidende Tor, während sein Kopf wegen einer Wunde verbunden war! Und wo war ich? Vom Schachverein aus spielten wir in Szczecin. Über das Ergebnis bekam ich nur durch das Autoradio mit. Ein Jubel im Auto! Handys waren noch Luxus.

Rostock reichte mir damals nicht. Ich stieß im Kicker-Sonderheft auf den FC Berlin, der als BFC Dynamo zehnmal Meister wurde. Außerdem war da ein 1. FC Union. Zuerst schnupperte ich mit Vater beim 1. FC Union vorbei. Sie spielten in Köpenick gegen den SV Babelsberg 03. Google Maps gab es damals noch nicht und somit keinen Stadtplan auf die Schnelle. Also fragten wir am S-Bahnhof nach dem Weg. Sogleich wurden wir angeraunzt: „Seit ihr etwa aus Babelsberg?“ Das Klima war rau, obwohl der Ketchup auf der Stadionwurst für 3,50 DM süß und klebrig zwar. So richtig bekam ich die wilde Zeit dann beim ersten Derby zwischen dem 1. FC Union und dem BFC Dynamo nach dem Fall der Mauer mit. Es war im Mai 1999. Die S-Bahn rollt in Köpenick ein. Man hört Dynamo-Gesänge. Plötzlich packt ein Glatzkopf einen anderen, die Polizei kommt, eine Glatze wird zu Boden gerissen und von der anderen Glatze verhaftet, ein Polizist in ziviler Kluft. Während des Spiels regnete es, die heute „legendäre“ Waldseite im Stadion an der alten Försterei war spärlich gefüllt. Ein paar Lappen hingen am Zaun. Die Fahne, die im Gedächtnis blieb, war die mit dem Spruch „Von der Wiege bis zur Bahre, wir bleiben treu“. Ich ärgere mich bis heute, dass ich fast nie etwas zum Knipsen mitnahm, denn auf der anderen Seite war es viel spannender. Dynamo führte mittlerweile mit 0:2. Ein dumpfes und extrem lautes „Dynamo, Dynamo“ fegte durch das marode Stadion. Dann begann der Gäste-Mob den Gästeblock auseinander zu nehmen. So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt. Das war das wirre Klima nach der Wende. Da gab es Gelegenheiten, noch offene Rechnungen mit den Staatsdiener*innen von einst begleichen zu können, da Bautzen noch frisch im Gedächtnis war.

So war das damals.

Beitragsbilder: Michael Fritsche
Banner: Jonathan Dehn

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

PolenmARkT und Fußball passt wie fettige Wurst zu Salzgurken

Nun sind zwar schon ein paar Tage seit meiner Abreise aus Greifswald ins Land gezogen, aber der Blick richtet sich häufig noch auf die webmoritz-Seite, auch die pdf-Version des Magazins ziehe ich mir gerne. Obwohl ich jetzt hier in Polen Wurzeln geschlagen habe, interessiert mich das Geschehen an alter Wirkungsstätte – eine Heimat war Mecklenburg-Vorpommern für mich als Märker allerdings nie so richtig. Ick sage immer noch kleen anstatt lütt. Und so besteht auch nach wie vor das Interesse am PolenmARkT.

Im letzten Jahr wurde der Grundstein für die interkulturelle Fußballveranstaltung des Greifswalder Kulturfestes gelegt, diese Tradition gilt es nun auszubauen. Der SV 90 Görmin unterstützte 2018 tatkräftig dieses Vorhaben, richtete die Veranstaltung in seinem Peenetal-Stadion aus und wurde nun nach Szczecin zum Verein Czarni 44 Szczecin eingeladen.

Während das Leben in Vorpommern noch tief schlief, zog ich mir die Schuhe an und lief zur Haltestelle. Polen hat sich in den letzten zehn Jahren rasend schnell entwickelt. Es beginnt schon bei der Bushaltestelle. Früher war es manchmal ein Schuss ins Blaue, ob ein Bus kommt oder nicht. Teilweise gab es keine Information über den Abfahrtsort. Jetzt ist alles haargenau im Netz und an der Tafel zu lesen. Bei der Eisenbahn bzw. dem Bahnhof geht es weiter. Der ehemalige Ort Klebstoff schnüffelnder Jugendlicher ist heute ein steril wirkendes Gebäude mit Einkaufszentrum. Die Ticketpreise bei der polnischen Bahn sind sehr human. Das Wochenendticket ist in den letzten 15 Jahren nur um ca. 10 zl im Preis gestiegen (81 zl). Und wie sieht es in dieser Kategorie in Deutschland aus…? Vieles ist hier im Alltag wesentlich besser organisiert und gestaltet. Die Gastfreundlichkeit ist darüber hinaus enorm. Das galt es heute wieder unter Beweis zu stellen.

Während der Bus aus Görmin auf die A20 fuhr, war von meinem modernen Zug aus, in dem man auf Knopfdruck einen Haken für seine Kleider bekommt, Szczecin schon in Sichtweite. Ein paar Stündchen später gab es dann ein großes Wiedersehen mit Freund*innen aus Polen, aus der Slawistik, aus Görmin und aus der deutschen Fußballwelt – hier im kleinen Stadion an der ul. Hoża. Wir befinden uns hier im traditionsreichen Nordteil der Stadt (Stichwort: Aufstand 1970, Werft). Am Stadion nagt der Zahn der Zeit, was an vielen Ecken sichtbar ist. Dieser Umstand wurde trotzdem als äußerst charmant und positiv aufgenommen. Es ist einfacher und authentischer Fußball. Der savannenartige Rasen passte sich den heutigen Witterungsbedingungen an. Über ein Auftauchen von Löwen und Zebras hätte sich niemand mehr gewundert.

Ohne großes Trara ging es gleich ans Eingemachte. Bei Görmin wurde im Vergleich zum letzten Jahr stark aufgerüstet. Es war ein Mix aus erster und zweiter Mannschaft. Nach zähem aber fairem Kampf stand es nach 90 Minuten 0:0. Die eine oder andere Chance war nett anzusehen, doch ließen die Torhüter auf beiden Seiten nichts anbrennen. Und wenn der Torwart schon geschlagen war, dann half das Aluminium. Kurz vor Schluss knallte der Ball noch einmal so richtig bis nach Deutschland hörbar an den Pfosten von Czarni, bevor die Entscheidung im Elfmeterschießen getroffen werden musste. „Nein! Keine Verlängerung!“, kreischte der weibliche Anteil des 30-köpfigen Gästetrosses. Kurz und schmerzlos mit einigen schönen Paraden beider Torhüter wanderte der Siegerpokal in die Hände des SV 90 Görmin. Czarni Szczecin ging auch nicht leer aus und konnte sich über einen kleineren Pokal freuen. Das Ergebnis war schnell vergessen. Noch fix das Foto beider Mannschaften gemacht, ehe gemeinsam gespeist und geplaudert wurde. Die Kohle glühte längst während des Spiels, da waren die Würste später nur noch Formsache. Für Vegetarier*innen bzw. Abnehmwillige wurden klassisch polnisch sehr schmackhafte Schnellgurken gereicht. Während die Akteure noch schmausten, rief bereits die Heimfahrt nach mir.

Eine Punktlandung wäre übertrieben, viel später hätte ich dennoch nicht im Zug sein dürfen. Bei untergehender Sonne tuckerte das Eisenross der älteren Generation nun gen Osten. Wie früher. Muffige Polster, 8er-Kabinen und Schiebetür. Schuhe aus und sich in die Horizontale begeben. In der tiefen Nacht erreichte auch ich dann mein Domizil, während in Görmin schon lange alles fest schlief.

Fotos: Michael Fritsche

Folge 20 – Das Jahr 2018

Folge 20 – Das Jahr 2018

Das Podcastteam wünscht Euch ein frohes und vor allem gesundes neues Jahr.

Bevor man aber so richtig in das neue Jahr einsteigt, lohnt es sich immer, einen Blick zurück auf das vergangene Jahr zu werfen.

Das Jahr 2018 war ein politisch sehr interessantes Jahr. Spannungen auf der koreanischen Halbinsel; eine deutsche Kanzlerin, die ihren Chefposten ihrer eigenen Partei abgab und das Bundesland Bayern, was immer wieder mit Leidenschaft versuchte die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, werden uns im Gedächtnis bleiben.

Auch Abseits der politischen Bühne gab es „Highlights“, so zum Beispiel die miserable Performance der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Russland.

Wir hoffen, dass Ihr uns weiterhin als Podcasthörer*innen erhalten bleibt. Zu guter Letzt noch einmal die Email-Adresse, unter der Ihr uns für Anregungen erreichen könnt: web-podcast@moritz-medien.de

10-jähriges Jubiläum des Gästeblocks verpasst!

10-jähriges Jubiläum des Gästeblocks verpasst!

Geburtstag vergessen?! Wie konnte das nur passieren? Der einzige Gästeblock im alten Landkreis Ostvorpommern feierte im Sommer 2018 seinen 10. Geburtstag. Mächtige Stahlstreben umzäunen ein Stückchen Wiese in einem Stadion, das auch Studierende zu einem moderaten Eintrittspreis gern einlädt. Er ist eine kleine Facette der Greifswalder Fußballgeschichte. Seit 2008 steht er Fußballreisenden zur Verfügung, die gerne unter sich sein möchten oder müssen. (mehr …)